EuGH 19. Juni 2008
C-454/06 (pressetext Nachrichtenagentur GmbH)
GWB §§ 97 ff.; RL 92/50/EWG Art. 3, 8, 9; EG Art. 234

Keine Ausschreibungspflicht für konzerninterne Übertragung der Leistungserbringung an weisungsgebundene 100%-Tochtergesellschaft unter Fortbestand der Haftung des ursprünglichen Dienstleistungsempfängers

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: c454_06_de
letzte Aktualisierung: 19.6.2008
EuGH, 19.6.2008 - C-454/06
GWB §§ 97 ff.; RL 92/50/EWG Art. 3, 8, 9; EG Art. 234
Keine Ausschreibungspflicht für konzerninterne Übertragung der Leistungserbringung
an weisungsgebundene 100%-Tochtergesellschaft unter Fortbestand der Haftung des
ursprünglichen Dienstleistungsempfängers
1. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“
in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die
Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge sind dahin
auszulegen, dass sie nicht eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens umfassen, in der vom
ursprünglichen Dienstleistungserbringer an den öffentlichen Auftraggeber erbrachte
Dienstleistungen auf einen anderen Dienstleistungserbringer in Form einer Kapitalgesellschaft
übertragen werden, deren Alleingesellschafter der ursprüngliche Dienstleistungserbringer ist,
der den neuen Dienstleistungserbringer kontrolliert und ihm Weisungen erteilt, wenn der
ursprüngliche Dienstleistungserbringer weiterhin die Haftung für die Einhaltung der
vertraglichen Verpflichtungen übernimmt.
2. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“
in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 sind dahin auszulegen, dass sie eine Anpassung des
ursprünglichen Vertrags an veränderte äußere Umstände, wie die Umrechnung ursprünglich in
nationaler Währung ausgedrückter Preise in Euro, die geringfügige Verringerung dieser Preise
zu ihrer Rundung und die Bezugnahme auf einen neuen Preisindex, der gemäß den
Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags den zuvor festgelegten Index ersetzt, nicht
umfassen.
3. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“
in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 sind dahin auszulegen, dass sie nicht eine Situation wie
die des Ausgangsverfahrens umfassen, in der ein öffentlicher Auftraggeber mit dem
Auftragnehmer während der Laufzeit eines Dienstleistungsauftrags von unbestimmter Dauer in
einem Nachtrag vereinbart, eine Kündigungsverzichtsklausel für drei Jahre zu verlängern, die
zum Zeitpunkt der Vereinbarung der neuen Klausel unwirksam geworden wäre, und für
bestimmte Staffelpreise in einem besonderen Bereich größere Rabatte als die ursprünglich
vorgesehenen festzulegen.


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
19. Juni 2008(*)
„Öffentliche Aufträge – Richtlinie 92/50/EWG – Verfahren zur Vergabe öffentlicher
Dienstleistungsaufträge – Begriff der ‚Vergabe eines Auftrags‘“
In der Rechtssache C-454/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom
Bundesvergabeamt (Österreich) mit Entscheidung vom 10. November 2006, beim Gerichtshof
eingegangen am 13. November 2006, in dem Verfahren
pressetext Nachrichtenagentur GmbH
gegen
Republik Österreich (Bund),
APA-OTS Originaltext-Service GmbH,
APA Austria Presse Agentur registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter U. Lõhmus, J. N. Cunha
Rodrigues (Berichterstatter), A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar
2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen

der pressetext Nachrichtenagentur GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt G. Estermann,

der Republik Österreich (Bund), vertreten durch A. Schittengruber und C. Mayr als
Bevollmächtigte,

der APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der APA Austria Presse Agentur
registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, vertreten durch Rechtsanwalt J.
Schramm,

der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann und C. Mayr als
Bevollmächtigte,

der französischen Regierung, vertreten durch J.-C. Gracia als Bevollmächtigten,

der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriauciunas als Bevollmächtigten,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Kukovec und
R. Sauer als Bevollmächtigte,
folgendes
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG des
Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher
Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) und der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.
Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die
Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und
Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung (im
Folgenden: Richtlinie 89/665).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der pressetext Nachrichtenagentur
GmbH (im Folgenden: PN) gegen die Republik Österreich, die APA-OTS Originaltext-Service
GmbH (im Folgenden: APA-OTS) und die APA Austria Presse Agentur registrierte
Genossenschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: APA) wegen eines Auftrags über
Dienstleistungen einer Nachrichtenagentur.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 bestimmt:
„Die Auftraggeber wenden bei der Vergabe ihrer öffentlichen Dienstleistungsaufträge und bei
der Durchführung von Wettbewerben Verfahren an, die den Bestimmungen dieser Richtlinie
angepasst sind.“
Art. 8 dieser Richtlinie lautet:
„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs I A sind, werden nach den
Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben.“
Art. 9 der Richtlinie bestimmt:
„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs I B sind, werden gemäß den
Artikeln 14 und 16 vergeben.“
Art. 10 der Richtlinie sieht vor:
„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs I A und des Anhangs I B sind,
werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben, wenn der Wert der
Dienstleistungen des Anhangs I A größer ist als derjenige der Dienstleistungen des Anhangs
I B. Ist dies nicht der Fall, so werden sie gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben.“
Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie bestimmt:
„Die Auftraggeber können in folgenden Fällen Dienstleistungsaufträge im
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung vergeben:

e)
für zusätzliche Dienstleistungen, die weder in dem der Vergabe zugrunde liegenden
Entwurf noch im zuerst geschlossenen Vertrag vorgesehen sind, die aber wegen eines
unvorhergesehenen Ereignisses zur Ausführung der darin beschriebenen Dienstleistungen
Dienstleistung erbringt,

wenn sich die zusätzlichen Dienstleistungen in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht
nicht ohne wesentlichen Nachteil für den Auftraggeber vom Hauptauftrag trennen lassen oder

wenn diese Dienstleistungen zwar von der Ausführung des ursprünglichen Auftrags
getrennt werden können, aber für dessen Verbesserung unbedingt erforderlich sind.
Der Gesamtwert der Aufträge für die zusätzlichen Dienstleistungen darf jedoch 50 v. H. des
Wertes des Hauptauftrags nicht überschreiten;
f)
bei neuen Dienstleistungen, die in der Wiederholung gleichartiger Leistungen bestehen,
die durch den gleichen Auftraggeber an den Dienstleistungserbringer vergeben werden, der den
ersten Auftrag erhalten hat, sofern sie einem Grundentwurf entsprechen und dieser Entwurf
Gegenstand des ersten Auftrags war, der nach den in Absatz 4 genannten Verfahren vergeben
wurde. Die Möglichkeit der Anwendung des Verhandlungsverfahrens muss bereits bei der
Ausschreibung des ersten Vorhabens angegeben werden; der für die nachfolgenden
Dienstleistungen in Aussicht genommene Gesamtauftragswert wird vom Auftraggeber für die
Anwendung des Artikels 7 berücksichtigt. Dieses Verfahren darf jedoch nur binnen drei Jahren
nach Abschluss des ersten Auftrags angewandt werden.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
APA wurde in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg in Form einer registrierten
Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Fast alle österreichischen Tageszeitungen
sowie der österreichische Rundfunk ORF waren Mitglieder dieser Genossenschaft. Zusammen
mit ihren Tochtergesellschaften ist APA führender Anbieter auf dem österreichischen Markt für
Nachrichtenagenturen und erbringt traditionell verschiedene Nachrichtenagenturleistungen für
die Republik Österreich (Bund).
PN ist seit 1999 auf dem österreichischen Nachrichtenagenturmarkt tätig, hat aber nur in
sehr geringem Ausmaß Presseaussendungen für die österreichischen Bundesdienststellen
erstellt. PN beschäftigt weniger journalistische Mitarbeiter als APA und verfügt nicht über ein
so großes Archiv wie diese.
Im Jahr 1994, also vor ihrem Beitritt zur Europäischen Union, schloss die Republik
Österreich einen Vertrag (im Folgenden: Basisvertrag) mit APA, der die Erbringung
bestimmter Dienstleistungen gegen Entgelt vorsah. Dieser Vertrag erlaubte den
österreichischen Bundesdienststellen im Wesentlichen, aktuelle Informationen einzusehen und
zu verwenden (der sogenannte „Basisdienst“), historische Informationen und historische
Presseaussendungen aus einer „APADok“ genannten Datenbank von APA abzufragen und den
Originaltextservice „OTS“ von APA sowohl zu ihrer Information als auch zur Verbreitung
ihrer eigenen Presseaussendungen zu nutzen. Die Datenbank APADok enthält die Daten des
Basisdienstes seit dem 1. Januar 1988 und der OTS-Aussendungen seit dem 1. Juni 1989.
Der Basisvertrag wurde auf unbestimmte Dauer geschlossen, wobei eine Klausel vorsah,
dass die Parteien bis zum 31. Dezember 1999 auf eine Kündigung verzichteten.
Der Basisvertrag sah in § 2 lit. c vor:
„Für Online-Abfragen aus den Informationsdiensten der APA gemäß § 1 verrechnet die APA
als Abgeltung für die dabei entstehende EDV-Systembelastung pro CPU-Minute (Netto-CPUZeit) ein Entgelt entsprechend dem niedrigsten Staffeltarif nach der offiziellen Preisliste
(derzeit S 67,- exkl. MwSt pro CPU-Minute) abzüglich 15%.“
Der Vertrag enthielt auch Bestimmungen über den Zeitpunkt der ersten Preiserhöhung,
den Maximalbetrag jeder Erhöhung und die Indexierung der Preise auf der Basis des
Verbraucherpreisindex 1986, wobei der Bezugswert die für das Jahr 1994 errechnete Indexzahl
war. In dieser Hinsicht sah § 5 Ziff. 3 des Vertrags u. a. vor: „… Es wird ausdrücklich
Wertbeständigkeit der Entgelte gemäß § 2 lit. a und b. vereinbart. Als Maß zur Berechnung der
Wertbeständigkeit dient der Verbraucherpreisindex 86 (VPI 86), herausgegeben vom
Österreichischen Statistischen Zentralamt (ÖSTAT), oder ein an seine Stelle tretender
Nachfolgeindex.“
Im September 2000 gründete APA in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
die APA-OTS, eine Tochtergesellschaft, die sich zu 100 % in ihrem Besitz befindet. Zwischen
beiden Gesellschaften besteht ein Gewinn- und Verlustausschließungsvertrag, aus dem sich
nach Angaben von APA und APA-OTS ergibt, dass APA-OTS finanziell, organisatorisch und
wirtschaftlich in das Unternehmen der APA eingegliedert ist und bei ihrer Geschäfts- und
Betriebsführung nach den Weisungen von APA vorzugehen hat. APA-OTS ist ferner
verpflichtet, ihre Jahresüberschüsse an APA abzuführen, während APA etwaige
Jahresfehlbeträge von APA-OTS auszugleichen hat.
Im September 2000 übertrug APA ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit den OTSDienstleistungen auf APA-OTS. Diese Veränderung wurde der Republik Österreich im
Oktober 2000 mitgeteilt, wobei ein vertretungsbefugter Mitarbeiter von APA auf Nachfrage der
österreichischen Behörden versicherte, dass APA nach der Ausgliederung solidarisch mit APAOTS hafte und sich an der bisherigen Gesamtleistung nichts ändern werde. Die österreichischen
Behörden erteilten daraufhin ihre Zustimmung zur künftigen Erbringung der OTSDienstleistungen durch APA-OTS und entrichten seitdem die Entgelte für diese Leistungen
direkt an APA-OTS.
Darüber hinaus wurden die Bestimmungen des Basisvertrags durch einen im Jahr 2001
vereinbarten ersten Nachtrag geändert, der ab dem 1. Januar 2002 wirksam war. Dieser
Nachtrag passte den ursprünglichen Vertrag aus Anlass der Umstellung auf den Euro in der
nachstehend in den Randnrn. 17 bis 20 ausgeführten Weise an.
Erstens wurde der Betrag der Jahresgebühr von 10 080 000 ATS für die Nutzung der
redaktionellen Artikel und der Medienarchive durch den Betrag von 800 000 Euro ersetzt.
Wegen der Indexklausel hätte der Preis für 2002 11 043 172 ATS (bei der Umstellung auf den
Euro gerundet auf 802 538,61 Euro) betragen müssen. Es wurde beschlossen, nicht diesen
Betrag festzulegen, sondern die runde Summe von 800 000 Euro, was einer Ermäßigung um
0,3 % entspricht.
Zweitens wurde der Preis für die Online-Abfragen aus den Informationsdiensten der
APA, der auf 67 ATS pro Minute festgelegt war, durch den Preis von 4,87 Euro pro Minute
ersetzt. Abgesehen von der bei der Umstellung auf den Euro vorgenommenen Rundung wurde
der innere Wert dieses Entgelts nicht geändert.
Drittens wurde, was die Indexberechnung betrifft, die auf der Grundlage des
Verbraucherpreisindex 1986 errechnete Indexzahl für das Jahr 1994 durch die auf der
Grundlage des Verbraucherpreisindex 1996 errechnete Indexzahl für das Jahr 2001 als
Ausgangsbasis ersetzt. In dieser Hinsicht wurde insbesondere § 5 Ziff. 3 des Basisvertrags
durch den ersten Nachtrag wie folgt geändert:
„Es wird ausdrücklich Wertbeständigkeit der Entgelte gemäß § 2 lit. a und b. vereinbart. Als
Maß zur Berechnung der Wertbeständigkeit dient der Verbraucherpreisindex 1996 (VPI 96),
herausgegeben von der Bundesanstalt Statistik Österreich oder ein an seine Stelle tretender
Nachfolgeindex.“
Viertens wurden abweichend von diesem Indexmechanismus bestimmte Preise für die
Jahre 2002 bis 2004 direkt festgelegt. Der Preis von 8,50 ATS pro Zeile für die Aufnahme von
Presseaussendungen in den OTS-Dienst wurde ersetzt durch feste Entgelte von 0,66 Euro pro
Zeile für das Jahr 2002, 0,67 Euro für das Jahr 2003 und 0,68 Euro für das Jahr 2004. Bei
Anwendung der Wertsicherungsklausel hätte das Entgelt sich für das Jahr 2002 auf 9,31 ATS
pro Zeile (gerundet auf 0,68 Euro pro Zeile) erhöhen müssen. Der Preis wurde also um 2,94 %
für das Jahr 2002 und um 1,47 % für das Jahr 2003 ermäßigt.
Ein im Oktober 2005 vereinbarter zweiter Nachtrag, der ab 1. Januar 2006 wirksam war,
brachte zwei weitere Änderungen des Basisvertrags. Mit diesem zweiten Nachtrag wurde der
Basisvertrag in der nachstehend in den Randnrn. 22 und 23 dargestellten Weise geändert.
Erstens wurde der im Basisvertrag vereinbarte Kündigungsverzicht bis zum 31.
Dezember 1999 bis zum 31. Dezember 2008 erneuert.
Zweitens wurde der vereinbarte Rabatt auf den Preis für Online-Abfragen aus den
Informationsdiensten der APA, der im Basisvertrag auf 15 % festgelegt war, auf 25 % erhöht.
In dieser Hinsicht wurde § 2 lit. c des Basisvertrags durch den zweiten Nachtrag wie folgt
geändert:
„Folgende Bestimmungen des [Basisvertrags in der Fassung des ersten Nachtrags] werden mit
Wirksamkeit ab 1. Jänner 2006 wie folgt geändert:
1.
In § 2 lit. c. wird der Prozentsatz ‚15 %‘ durch ‚25 %‘ geändert.
…“
Im Jahr 2004 bot PN der Republik Österreich Nachrichtenagenturleistungen an, ohne
dass dieses Angebot jedoch zu einem Vertragsabschluss führte.
Mit ihren am 4. und am 19. Juli 2006 gestellten Anträgen begehrte PN beim
Bundesvergabeamt die Feststellung, dass die Teilung des Basisauftrags infolge der
Umstrukturierung von APA im Jahr 2000 sowie die von ihr als „De-facto-Vergaben“
bezeichneten Nachträge von 2001 und 2005 rechtswidrig gewesen seien, und, hilfsweise, dass
die Wahl der in Rede stehenden Vergabeverfahren rechtswidrig gewesen sei.
In Bezug auf die Antragsfristen führt das Bundesvergabeamt aus, dass die beanstandeten
Handlungen zwar in den Jahren 2000, 2001 und 2005 ausgeführt worden seien, der im
innerstaatlichen Recht gegen rechtswidrige Auftragsvergaben zur Verfügung stehende
Rechtsbehelf (d. h. der Feststellungsantrag mit vertragsauflösender Wirkung) jedoch erst
später, mit Wirkung ab 1. Februar 2006, geschaffen worden sei. Die für die Einlegung dieses
Rechtsbehelfs vorgesehene Frist betrage sechs Monate ab dem Datum des rechtswidrigen
Zuschlags. Das vorlegende Gericht hält die Anwendung von § 1496 des Allgemeinen
bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) für angebracht, wonach Verjährungsfristen nicht laufen
könnten, wenn die gebotene Rechtspflege nicht funktioniere, vorausgesetzt, diese Anwendung
wäre mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
Das Bundesvergabeamt hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof
folgende Fragen vorgelegt:
1.
Sind der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff
„vergeben“ in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen, dass sie auch
Sachverhalte umfassen, bei denen ein öffentlicher Auftraggeber beabsichtigt, künftig
Leistungen von einem Dienstleistungserbringer in Form einer Kapitalgesellschaft
entgegenzunehmen, wenn diese Leistungen zuvor von einem anderen Dienstleistungserbringer
Dienstleistungserbringers ist und andererseits den künftigen Dienstleistungserbringer
gleichzeitig über Weisungen beherrscht? Ist es in einem solchen Fall rechtserheblich, wenn
dabei für den öffentlichen Auftraggeber nicht gesichert ist, dass die Gesellschaftsanteile am
künftigen Dienstleistungserbringer während der gesamten Vertragslaufzeit des ursprünglichen
Vertrags nicht zur Gänze oder teilweise an Dritte veräußert werden, und auch nicht gesichert
ist, dass sich die Mitgliederzusammensetzung des ursprünglichen, als Genossenschaft
organisierten Dienstleistungserbringers während der gesamten Vertragslaufzeit nicht ändert?
2.
Sind der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff
„vergeben“ in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen, dass sie auch
Sachverhalte umfassen, bei denen ein öffentlicher Auftraggeber mit den
Dienstleistungserbringern während der Geltungsdauer eines auf unbestimmte Zeit mit diesen
zur gemeinsamen Dienstleistungserbringung abgeschlossenen Vertrags Änderungen des
Entgelts für gewisse vertragliche Leistungen vereinbart und eine Wertsicherungsklausel neu
formuliert, wenn diese Änderungen zu geänderten Entgelten führen und anlässlich der EuroUmstellung erfolgen?
3.
Sind der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff
„vergeben“ in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen, dass sie auch
Sachverhalte umfassen, bei denen ein öffentlicher Auftraggeber mit den
Dienstleistungserbringern während der Geltungsdauer eines auf unbestimmte Zeit mit diesen
zur gemeinsamen Dienstleistungserbringung abgeschlossenen Vertrags im Wege einer
Vertragsänderung einerseits einen zum Zeitpunkt der Neuvereinbarung nicht mehr geltenden
Kündigungsverzicht erneut für drei Jahre vereinbart, wobei bei dieser Vertragsänderung
andererseits zusätzlich eine höhere Rabattierung als bisher für gewisse mengenabhängige
Entgelte für einen bestimmten Leistungsbereich festgelegt wird?
4.
Für den Fall der Bejahung des Vorliegens einer Vergabe im Sinne einer der ersten drei
Fragen: Ist Art. 11 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 92/50 oder sind sonstige Vorschriften des
Gemeinschaftsrechts wie insbesondere der Transparenzgrundsatz dahin auszulegen, dass sie es
einem öffentlichen Auftraggeber gestatten, Leistungen in einem einzigen Leistungsvertrag in
einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung zu vergeben, wenn
Teile der Dienstleistungen von Ausschließlichkeitsrechten, wie in Art. 11 Abs. 3 Buchst. b der
Richtlinie 92/50 genannt, umfasst sind? Oder gebieten es der Transparenzgrundsatz oder
sonstige Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bei der Vergabe überwiegend nicht prioritärer
Dienstleistungen, dass in einem solchen Fall dennoch eine Vergabebekanntmachung vor einer
Auftragsvergabe vorgenommen wird, um den interessierten Unternehmerkreisen die
Überprüfung zu ermöglichen, ob tatsächlich Leistungen vergeben werden, die einem
Ausschließlichkeitsrecht unterliegen? Oder gebieten es die Vorschriften des
Gemeinschaftsrechts über die Vergabe öffentlicher Aufträge, dass in einem solchen Fall die
Leistungen je nach vorliegendem oder nicht vorliegendem Ausschließlichkeitsrecht nur in
getrennten Vergabeverfahren vergeben werden dürfen, um zumindest teilweise einen
Vergabewettbewerb zu ermöglichen?
5.
Für den Fall der Beantwortung der vierten Frage dahin, dass ein öffentlicher Auftraggeber
die nicht von Ausschließlichkeitsrechten umfassten Leistungen gemeinsam mit den vom
Ausschließlichkeitsrecht umfassten Leistungen in einem einzigen Vergabeverfahren vergeben
darf: Kann ein Unternehmer bei fehlender eigener Verfügungsbefugnis über Daten, die einem
Ausschließlichkeitsrecht eines marktbeherrschenden Unternehmens unterliegen, seine
diesbezügliche vergaberechtliche Leistungsfähigkeit zur Erbringung der Gesamtleistung an
einen öffentlichen Auftraggeber damit begründen, dass dieser Unternehmer auf Art. 82 EG und
eine aus dieser Bestimmung abzuleitende Pflicht des die Datenverfügungsbefugnis
die Daten zu angemessenen Bedingungen weiterzugeben?

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

EuGH

Erscheinungsdatum:

19.06.2008

Aktenzeichen:

C-454/06 (pressetext Nachrichtenagentur GmbH)

Normen in Titel:

GWB §§ 97 ff.; RL 92/50/EWG Art. 3, 8, 9; EG Art. 234