Einheitliches Vertragsverhältnis trotz getrennter Vertragsurkunden
letzte Aktualisierung: 30.07.2020
OLG Brandenburg, Urt. v. 18.2.2020 – 3 U 65/19
BGB §§ 133, 157
Einheitliches Vertragsverhältnis trotz getrennter Vertragsurkunden
Ein einheitlicher Vertrag liegt auch bei getrennten Urkunden vor, wenn die Wirksamkeit des einen Vertrages
von der Wirksamkeit des anderen abhängig ist und beide Verträge nur einheitlich gekündigt werden
können. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Räumung der vom Beklagten gewerbsmäßig genutzten Räume in
dem Objekt … Straße 2 in P… . Ferner verlangt er vom Beklagten, es zu unterlassen,
Fahrzeuge auf dem Grundstück abzustellen. Der Beklagte verlangt widerklagend die
Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Der Kläger ist seit Anfang 2017 als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch
eingetragen. Bei dem Objekt handelt es sich um eine zweistöckige Remise, die vom
Beklagten komplett genutzt wird. Vom Rechtsvorgänger des Klägers mietete er zunächst
mit „Wohnungs-Einheitsmietvertrag“ vom 06.03.2012 die im 1. Obergeschoss gelegenen
Räume mit einer Größe von ca 64 qm zu Wohnzwecken an. Am selben Tag schlossen die
damaligen Mietvertragsparteien einen „Mietvertrag für gewerbliche Räume“ über die im
Erdgeschoss vorhandenen Räume mit einer Größe von ca 100 qm zur Nutzung als
Rechtsanwaltskanzlei. Zum Gewerbemietvertrag gehörte die Nutzung eines Stellplatzes,
für den 40 € zu zahlen waren. Der Vermieter duldete es, dass der Beklagte weitere
Fahrzeuge auf dem Grundstück abstellte. Der Wohnraummietvertrag enthält die
handschriftlich eingefügte Klausel „Der Mietvertrag ist an den Gewerbemietvertrag
gebunden“. Der Gewerberaummietvertrag enthält die ebenfalls handschriftlich eingefügte
Klausel „Der Mietvertrag ist an den Wohnungsmietvertrag gebunden“.
Im Jahr 2014 kam es einvernehmlich zu einem Tausch der Räumlichkeiten und deren
Nutzung. Der Beklagte betrieb fortan seine Rechtsanwaltskanzlei im Obergeschoss und
nutzte das Erdgeschoss zu Wohnzwecken.
Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 18.07.2017 zum Jahresende, hilfsweise zum
31.03.2018 den Gewerbemietvertrag und wiederholte die Kündigung am 23.05.2018.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Gewerberaummietvertrag entspreche nach
dem Tausch der Räume nicht der gesetzlichen Schriftform. Aufgrund des Verstoßes gegen
das Schriftformerfordernis seien die Gewerberäume unabhängig von den im Vertrag
angegebenen Laufzeiten oder Bedingungen kündbar.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, die Räume in der … Straße 2, … P… genutzten
Räume, dort gelegen im Remisengebäude, Obergeschoss, bestehend aus zwei
Zimmern, einer Küche, einem Korridor, einem Bad, einer Toilette und einem
Bodenraum sowie einer Terrasse mit einer Fläche von ca 64,33 qm sowie den
hinter dem Gartengrundstück des Remisengebäudes befindlichen KfZ-Stellplatz
(Carport) in geräumtem Zustand herauszugeben.
2. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, auf dem Grundstück … Straße
2 und insbesondere auf dem Hofgelände, außerhalb zur Nutzung zugewiesener
Stellplätze Kraftfahrzeuge abzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat er beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an ihn 2.203 € zu zahlen.
Der Beklagte hat unter Vorlage zweier weiterer Mietverträge, einen über gewerbliche
Räume im 1. Obergeschoss und einen über Wohnraum im Erdgeschoss, behauptet, am
20.05.2014 seien zwei neue Mietverträge über die neue Nutzung der Räume im Objekt
geschlossen worden. Er hat die Auffassung vertreten, der Gewerberaummietvertrag
könne aufgrund der auch in diesen Verträgen enthalten Klauseln über die gegenseitige
Bindung der Verträge an den jeweils anderen Vertrag nicht allein gekündigt werden, da
das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis einheitlich als
Wohnraummietverhältnis zu beurteilen sei. Der Carport sei mit vermietet gewesen und
die Stellfläche vor dem Objekt ihm bei der ersten Besichtigung der Einheit im März 2012
als weiterer Stellplatz zugewiesen worden.
Mit der Widerklage begehrt er die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zur
Abwehr der Kündigungen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 03.05.2019 Klage und Widerklage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich vorliegend nicht um ein einheitliches
Mietverhältnis über Wohnräume, sondern um zwei getrennte Mietverträge. Die Verträge
seien allerdings dergestalt miteinander verbunden, dass der eine nicht ohne den anderen
beendet werden könne. Die Kündigung allein des Gewerbemietvertrages sei unwirksam.
Die Mietverträge genügten den Formerfordernissen des
aus dem Gewerbemietvertrag sei nicht eingehalten worden. Zudem habe der Kläger
unbeachtet gelassen, dass nach den mietvertraglichen Vereinbarungen beide Verträge
aneinander gebunden seien.
Einen Unterlassungsanspruch könne der Kläger nicht mit Erfolg durchsetzen, die
Voraussetzungen des
Begrenzung der Abstellflächen und der Anzahl der PKW nicht zu entnehmen. Hinzu
komme, dass der Kläger eingeräumt habe, jahrelang die Parkgewohnheiten des
Beklagten geduldet zu haben.
Die Widerklage sei unbegründet, da sie unsubstantiiert sei. Es sei nicht ersichtlich,
inwieweit dem Beklagten Kosten für die Abwendung der Kündigung entstanden seien.
Hinzu komme, dass sich der Kläger vorprozessual mit keinem Wort auf die Mietverträge
vom 20.05.2014 berufen habe, die dem Kläger offenbar unbekannt gewesen seien.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit wechselseitigen Berufungen.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass das Gewerberaummietverhältnis kündbar
gewesen sei, da die Vertragsurkunde nicht der gesetzlichen Schriftform entspreche. Sie
enthalte unverständliche und jedenfalls sich widersprechende Klauseln mit der Folge,
dass es an einer vertraglichen Vereinbarung zur Laufzeit fehle. Es sei unklar, was mit der
Formulierung „Der Mietvertrag ist an den Wohnraummietvertrag gebunden“ gemeint sei.
Daraus könne jedenfalls nicht herausgelesen werden, dass der Gewerbemietvertrag nur
dann gekündigt werden könne, wenn der Wohnungsmietvertrag ende. Hätte man dies
gewollt, hätte man das in den Vertrag hineinschreiben müssen. Selbst wenn die Passage
in diesem Sinne zu verstehen sei, stünde dies in klarem Widerspruch zu Ziffer 3.1. des
Mietvertrages und der vereinbarten jederzeitigen Kündbarkeit. Deshalb fehle es an einem
essentiellen Kriterium für einen formwirksamen Vertrag, nämlich der vereinbarten
Laufzeit, so dass ein Schriftformverstoß mit der Folge der jederzeitigen Kündbarkeit
vorliege.
Der Beklagte hat im Laufe des Berufungsverfahrens das Obergeschoss und den dazu
gehörigen Carport, sowie die Schlüssel zum Obergeschoss übergeben, nicht aber einen
Schlüssel zur Eingangstür des Objekts, der erforderlich ist, um das Obergeschoss zu
erreichen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
1.
Die Berufung des Klägers hat in Bezug auf den geltend gemachten Räumungsanspruch
keinen Erfolg. Der Räumungsanspruch ist unbegründet, da die Kündigung allein des
Gewerbemietverhältnisses nicht wirksam ist.
a)
Vorliegend liegt ein einheitliches (Misch)mietverhältnis über die teilweise Nutzung der
Remise als Gewerbe und die teilweise Nutzung als Wohnraum vor, das nur einheitlich
gekündigt werden kann. Auf die Frage der Einhaltung des Schriftformerfordernisses des §
550 BGB kommt es deshalb hier nicht entscheidend an.
b)
Grundsätzlich gilt, dass dann, wenn der Mieter die Räumlichkeiten vereinbarungsgemäß
sowohl zu Wohn- als auch zu Gewerbezwecken nutzen kann, ein
Mischraummietverhältnis vorliegt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Mieter einen
bestimmten Teil der Räumlichkeiten ausschließlich gewerblich nutzt und in dem anderen
ausschließlich wohnt (z. Bsp. Gaststätte mit Wirtewohnung) oder ob er die Räume in
Ihrer Gesamtheit sowohl zum Wohnen als auch zu Gewerbezwecken nutzt (Blank in
Schmidt/Futterer, Mietrecht 14. Aufl. 2019, vor § 535, Randnummer 107).
Dabei kommt es nicht allein darauf an, ob die Parteien ihre Rechtsbeziehungen in einem
einzigen Vertrag regeln oder ob sie mehrere Mietverträge abschließen (Schmidt/Futterer,
a.a.O., Rn 108). Insoweit haben die Parteien die Wahl. Allerdings spricht im Falle der
Erstellung zweier getrennter Vertragsurkunden eine Vermutung für die rechtliche
Selbständigkeit der Verträge. Diese kann aber widerlegt werden, wenn besondere
Umstände für die Zusammengehörigkeit der Mietgegenstände vorliegen (BGH, Urteil vom
12.10.2011, VIII ZR 251/10,
245/12, BeckRs 2013,9616; Blank in Schmidt/Futterer, a.a.O., Rn 108). Auch wenn die
Parteien getrennte Verträge über die Wohn- und Geschäftsräume geschlossen haben,
kann der nach den
einheitliches Vertragsverhältnis gewollt ist, dies zum Beispiel dann, wenn die Parteien
beide Vereinbarungen inhaltlich aufeinander abstimmen und als Einheit bezeichnen oder
aber, wenn sie den Bestand des einen Vertrages von dem anderen abhängig machen
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.12.2006, 10 U 115/06,
Emmerich, 2018, vor § 535 Rn. 27 mwN; Zehelein, Beck OK BGB, Bamberger/Roth
/Hau/Poseck, 52. Edition, Stand 01.01.2019, § 535, Rn 159 ff). Bei Vermietung von
Wohnraum und Gewerberaum durch zwei getrennte Urkunden reicht allerdings das
einseitige Interesse und der Wille einer Partei an der gemeinsamen Anmietung nicht für
die Annahme eines Mischmietverhältnisses aus, und zwar auch nicht bei engem zeitlichen
Zusammenhang der Vertragsabschlüsse und enger räumlicher Verbindung der beiden
Objekte. Erforderlich ist vielmehr eine übereinstimmende Zweckbestimmung der Parteien
(Borutzki-Pasing in: Hannemann/Wiegner, Münchener Anwaltshandbuch Mietrecht, 5.
Aufl. 2019, § 6, V. Rn 25).
c)
Dies zugrunde gelegt, konnte der Kläger hier das Mietverhältnis über die vom Beklagten
als Rechtsanwaltskanzlei genutzten Räume nicht (teilweise) kündigen, ohne das gesamte
Mietverhältnis zu kündigen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob vorliegend für das
Mietverhältnis die Vorschriften über die Wohnraummiete oder die Vorschriften über die
Geschäftsraummiete anzuwenden wären. Denn die Wirksamkeit der Kündigung scheitert
bereits daran, dass die Teilkündigung unzulässig ist.
Zwar haben die Parteien hier zwei getrennte Verträge über die Nutzung der Wohnräume
und die Nutzung der Geschäftsräume getroffen. Die Auslegung der Verträge ergibt
allerdings, dass ein einheitliches Vertragsverhältnis gewollt war, und zwar sowohl
hinsichtlich der im Jahr 2012 geschlossenen Verträge als auch hinsichtlich der - anlässlich
des Tausches der Räumlichkeiten im Jahr 2014 - abgeschlossenen Verträge, deren
Wirksamkeit der Kläger nach Vorlage der Originale im Termin vor dem Landgericht auch
im Berufungsverfahren nicht mehr in Frage stellt. Für einen derartigen Willen der
Parteien spricht bereits als Indiz, dass im ursprünglichen Formular über die Wohnräume
die Kaution nicht gesondert ausgewiesen wurde, im Formular über die Gewerberäume
dagegen die Kaution insgesamt mit 4.950 € ausgewiesen wurde, d.h. auch die für die
Wohnräume zu entrichtende Kaution enthält. In beiden Verträgen ist darüber einheitlich
die Übergabe von 8 Schlüsseln für das gesamte Objekt vereinbart, ohne zwischen
Wohnräumen und Gewerbeeinheit zu unterscheiden. Auch dies spricht bereits indiziell für
eine rechtliche Verbundenheit. Entscheidend ist aber, dass die Parteien die Verträge
durch die individualvertraglichen Zusatzvereinbarungen in Ziffer 19. bzw. 20 der
Verträge, die sowohl in den ursprünglichen Verträgen als auch in den neuen Fassungen
enthalten sind, in der Weise voneinander abhängig gemacht haben, dass beide Verträge
„aneinander gebunden“ sein sollten. Dies ist schon dem Wortlaut nach so zu verstehen,
dass beide Verträge in der Weise aneinander geknüpft werden sollten, dass die
Wirksamkeit des einen von der Wirksamkeit des anderen abhängig sein sollte, beide also
nur gemeinsam Bestand haben sollten und deshalb – von beiden Seiten – auch nur
einheitlich beendet, d.h. gekündigt werden können sollten. Die Verträge enthalten mit
dieser Formulierung eine ausdrückliche Zweckbestimmung, die aus ihnen - unabhängig
von der Verwendung zweier Vertragsformulare - eine rechtliche Einheit herstellt.
d)
Folge dieses einheitlichen Rechtsverhältnisses ist, dass dieses auch nur insgesamt
gekündigt werden kann. Die Parteien können das Mietverhältnis nach Belieben
ausgestalten; insbesondere steht es ihnen frei, ob sie mehrere Sachen getrennt oder als
zusammengehörende Einheit vermieten. Haben sie sich für die letztgenannte Möglichkeit
entschieden, so gilt der allgemeine Grundsatz, dass der Vertrag nur insgesamt aufgelöst
werden kann (Blank in Schmidt/Futterer, a.a.O. § 542, Rn 87). Eine Teilkündigung ist
unzulässig (OLG Karlsruhe Rechtsentscheid vom 30.03.1983, 3 REMiet 1/83).
2.
Die Berufung des Klägers hat aber Erfolg, soweit er vom Beklagten verlangt, es zu
unterlassen Kraftfahrzeuge außerhalb des Carports auf dem Grundstück abzustellen.
a)
Der Kläger als Eigentümer des Objekts hat einen dahingehenden Unterlassungsanspruch
aus § 1004 BGB. Er ist nicht nach
Fahrzeugen außerhalb der Carports zu dulden, da dieses nicht vom vertraglichen
Anspruch aus dem Mietverhältnis umfasst ist.
b)
Der Umfang des Vertragsgegenstandes bzw. des Nutzungsrechts ergibt sich aus dem
Vertrag oder sonstigen Vereinbarungen der Parteien. Dabei ist zu prüfen, ob dem Mieter
die Nutzung einer bestimmten Sache lediglich gestattet wird oder ob sie vom
Mietgebrauch erfasst ist. Fehlt zu den einzelnen Punkten eine Vereinbarung oder sind nur
unvollständige Abreden getroffen worden, muss der Umfang des Gebrauchsrechts durch
Auslegung des Vertrages gem.
Verkehrsanschauung ermittelt werden.
c)
Unstreitig beinhaltete der ursprüngliche Mietvertrag nur die Nutzung des Carports zum
Abstellen von Fahrzeugen. Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich aus der
jahrelangen Duldung des Abstellens weiterer Fahrzeuge auf der restlichen Stellfläche vor
dem Objekt keine - schlüssige - Erweiterung des Mietverhältnisses auf die Nutzung
weiterer Stellflächen auf dem Hof herleiten. Dafür, dass der Beklagte die bloße
Gestattung als Angebot auf eine konkludente Erweiterung des mietvertraglichen
Gebrauchs ansehen konnte und nicht lediglich als bloße - widerrufliche - Erlaubnis, gibt
es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Allein die jahrelange Übung reicht hierfür nicht
aus. Bei der Gestattung handelt es sich deshalb allenfalls um eine jederzeit kündbare
Leihe. Diese hat der Kläger gekündigt, so dass der Beklagte die Hoffläche nicht mehr als
Parkfläche nutzen darf.
3.
Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg.
Der Kläger ist dem Beklagten zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus §§
341, 280 BGB in Höhe von 887,03 € verpflichtet.
a)
Der schuldhaft eine materiell unbegründete Kündigung aussprechende Vermieter haftet
dem Mieter aus vertraglicher Nebenpflichtverletzung gemäß
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, die dieser zur Abwehr der Kündigung aufwendet
(BGH, Urteil vom 4.6.2014 – VIII ZR 289/13). Beim Vorwurf einer fahrlässig begangenen
positiven Vertragsverletzung sind strenge Maßstäbe anzulegen; das Risiko eines
Rechtsirrtums trägt grundsätzlich der Schuldner, also der die unberechtigte Kündigung
aussprechende Vermieter, es sei denn, er ist unverschuldet zu der irrtümlichen
Beurteilung des Kündigungsrechts gelangt (BGH, Urteil vom 4.6.2014 – VIII ZR 289/13;
BGH, Urteil vom 11.01.1984, VIII ZR 255/82).
b)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt eine fahrlässige Nebenpflichtverletzung
des Klägers vor. Er hätte bereits aufgrund der ihm vorliegenden Mietverträge die Bindung
beider Verträge aneinander erkennen können. Dass ihm sein Rechtsvorgänger nicht
sämtliche Mietverträge ausgehändigt hat, kann im Übrigen nicht zu Lasten des Mieters
gehen. Dass der Beklagte selbst Rechtsanwalt ist, steht dem Anspruch nicht entgegen.
Auch ein Rechtsanwalt darf in eigenen Angelegenheiten zur Durchsetzung seiner Rechte
einen Kollegen beauftragen.
c)
Der Beklagte kann allerdings seine zur Abwehr der unberechtigten Kündigungen
erforderlichen Rechtsanwaltskosten nur einmal aus einem Gegenstandswert von 9.781,80
€ verlangen. Bei der Abwehr einer Kündigung aus einem Mietverhältnis richtet sich der
Gegenstandswert für die Vergütung des Rechtsanwalts nach §§ 23 Abs. 1, Satz 3, RVG,
41 Abs. 1 GVG nach dem einjährigen Entgelt, wobei die Nebenkosten nur dann
mitgerechnet werden, wenn sie, was hier nicht der Fall ist, als Pauschale vereinbart sind.
Das so zu berechnende einjährige Entgelt beträgt 9.781,80 €. Dass der Kläger zwei
Kündigungen ausgesprochen hatte, erhöht den zugrunde zu legenden Gegenstandswert
nicht. Es handelt sich um eine Angelegenheit im Sinne von
gerichtlichen Verfahren würde sich der Streitwert einer vom Mieter erhobenen
Feststellungsklage auf Feststellung des Fortbestands eines Mietverhältnisses nicht
dadurch erhöhen, dass diese mehrere Kündigungen betrifft (KG Berlin, Beschluss vom
12.01.2012, 8 W 31/11). 03.02.2014, 67 T 20/14). Gleiches gilt für eine auf mehrere
Kündigungen gestützte Räumungsklage (KG, a.a.O. m.w.N).
d)
Der Beklagte kann nur eine Gebühr von 1,3 verlangen.
Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach
Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Ist
die Gebühr, wie hier der Fall, von einem Dritten zu ersetzen, ist die vom Rechtsanwalt
getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG zu ersetzen, soweit sie unbillig ist.
Vorliegend ist der Ansatz einer über die Mittelgebühr von 1,3 hinausgehenden Gebühr
unangemessen, da nichts dafür ersichtlich ist, dass Umfang und Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit über den Durchschnitt hinausgingen.
e)
Bei einem Gegenstandswert von 9.781,80 € ergibt sich bei einer Rahmengebühr von 1,3
eine Gebühr von 725,40 €, zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale (Nr.
7002 VV RVG) von 20 € also 745,40 € netto, das sind 887,03 € brutto.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708, 713 ZPO.
5.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht
vorliegen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:18.02.202
Aktenzeichen:3 U 65/19
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 133, 157