Bruchteilsgemeinschaft an Tiefgaragengrundstück; Beschluss zur Änderung der Kostentragungspflicht; Billigkeitskontrolle eines Mehrheitsbeschlusses
letzte Aktualisierung: 30.6.2025
BGH, Urt. v. 29.4.2025 – II ZR 47/24
Bruchteilsgemeinschaft an Tiefgaragengrundstück; Beschluss zur Änderung der Kostentragungspflicht;
Billigkeitskontrolle eines Mehrheitsbeschlusses
Ein Mehrheitsbeschluss der Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen ist am Maßstab der in
§ 745 Abs. 1 und Abs. 3 BGB festgelegten Grenzen zu messen. Ein danach wirksamer Mehrheitsbeschluss
unterliegt bei unveränderter Sachlage keiner Billigkeitskontrolle nach
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (OLG Frankfurt, Urteil
vom 19. Januar 2024 - 24 U 155/22, juris) im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die in § 8b der Kaufverträge enthaltene Kostenverteilung entspreche der
in
gelange, weil die jeweiligen kaufvertraglichen Regelungen zwischen der
das Parkhaus errichtenden GmbH und den kaufenden Parteien vereinbart worden
seien. Da zu diesem Zeitpunkt eine Bruchteilsgemeinschaft noch nicht bestanden
habe, könne diese Regelung keine Vereinbarung im Innenverhältnis der
Miteigentümer darstellen.
Die gesetzlich vorgesehene Kostenverteilung sei zwar abdingbar, durch
den Mehrheitsbeschluss vom 19. Oktober 2020 jedoch nicht wirksam abgeändert
worden. Da eine Regelung im Innenverhältnis der Bruchteilsgemeinschaft noch
nicht bestanden habe, habe der Beschluss dazu gedient, erstmals abweichend
von
Abs. 1 BGB einstimmig erfolgen oder ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne
des
Ein Mehrheitsbeschluss nach
Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes sei
nicht möglich, weil es sich bei der Änderung der Kostenverteilung um eine wesentliche
Veränderung des Gegenstands nach
Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Anspruch nach
des Anspruchs der Teilhaber auf Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands
nach § 743 BGB sei. Da das Recht jedes Teilhabers auf einen seinem
Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzung nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt
werden könne, könne dem Einzelnen spiegelbildlich auch nicht ohne
seine Zustimmung ein größerer Anteil an der Kostentragung übertragen werden.
Nach diesen Maßstäben entspreche die Änderung der Kostenverteilung nicht
dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen.
Der streitgegenständliche Beschluss berühre die wirtschaftlichen Grundlagen
und die Gestaltung der von Anfang an als egalitäre Gemeinschaft ausgestalteten
Bruchteilsgemeinschaft deutlich, da angesichts der ersten großen
Sanierungskosten die Kostentragungspflichten massiv zulasten der Tiefgaragenstellplatzeigentümer
hätten verändert werden sollen. Zwar könne eine einseitige
Auferlegung der Unterhaltungskosten im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn
einem Teilhaber sämtliche Vorteile aus der Nutzung des Teileigentums allein zukämen.
Auch seien die Tiefgaragenplätze in der Erhaltung kostenintensiver, so
dass die Stellplätze Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Kostenstruktur aufwiesen.
Allerdings sei die Nutzung der Parkplätze im Grunde gleich gelagert.
II. Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des mit Mehrheit der
Bruchteilseigentümer gefassten Beschlusses vom 19. Oktober 2020 ist gemäß
schlüssen im Recht der Gemeinschaft nicht geregelt. Nach allgemeiner Auffassung
kann aber auf Feststellung der Unwirksamkeit geklagt werden (BGH,
Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 159/09,
2. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Unwirksamkeit des
Beschlusses vom 19. Oktober 2020 nicht bejaht werden.
a) Die Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft, haben nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts am 19. Oktober 2020 mit der nach § 745 Abs. 1 Satz 2
BGB erforderlichen Mehrheit eine von der gesetzlichen Regelung des
abweichende Verteilung der auf das Parkhaus entfallenden Kosten beschlossen.
Eine von
Mehrheitsbeschlusses nach
Fehrenbacher, Stand 1.3.2025, § 745 Rn. 9; MünchKommBGB/K. Schmidt,
9. Aufl., § 744, § 745 Rn. 5; Staudinger/Eickelberg, BGB, Neubearb. 2021, § 745
Rn. 8).
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Änderung
der Kostenverteilung eine wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen
Gegenstands im Sinn von
aa) Wesentliche Veränderungen des Gegenstands sind Änderungen der
äußeren Gestalt oder Änderungen der wirtschaftlichen Zweckbestimmung (BGH,
Urteil vom 17. April 1953 V ZR 58/52,
20. Dezember 1982 - II ZR 13/82,
II ZR 211/86,
Urteil vom 14. November 1994 - II ZR 209/93,
vom 8. März 2004 II ZR 5/02,
28. September 2005 - IV ZR 82/04,
verhältnismäßig kostspielige Maßnahmen betreffen (vgl. BGH, Urteil vom
17. April 1953 - V ZR 58/52,
II ZR 13/82,
bb) Die von der Mehrheit der Teilhaber am 19. Oktober 2020 beschlossene
Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für die Reinigung und Instandhaltung
des Parkhauses stellt keine wesentliche Veränderung des gemeinschaftlich genutzten
Grundstücks gemäß
Die Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels für die Reinigung und
Instandhaltung der Stellplätze berührt weder die äußere Gestalt des als Garagenanlage
genutzten Grundstücks noch führt sie zu einer erheblichen Änderung
der wirtschaftlichen Zweckbestimmung. Diese liegt weiterhin in der Nutzung des
Grundstücks als Garagenanlage.
c) Das Berufungsgericht richtet seine Prüfung zudem unzutreffend an der
Frage aus, ob die Änderung der Kostenverteilung dem Interesse aller Teilhaber
nach billigem Ermessen gemäß
aa) Nach
Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung
verlangen, sofern die Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache
nicht durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss geregelt sind. Ein Anspruch
nach
besteht auch dann, wenn eine bestimmte Regelung zwar vereinbart
oder mehrheitlich beschlossen wurde, aber lückenhaft ist (BGH, Urteil vom
17. Dezember 1973 - II ZR 59/72,
tatsächliche Änderung eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2006
VII ZB 29/06,
Umstritten ist, ob Mehrheitsbeschlüsse, die sich im Rahmen ordnungsgemäßer
Verwaltung und Benutzung halten, auch bei unveränderter Sachlage unter
Hinweis auf
Regelung nicht allseitig interessengemäß ist. Teilweise wird vertreten, dass
auch Mehrheitsbeschlüsse einer Billigkeitskontrolle unterfielen und § 745 Abs. 2
BGB eine allgemeine Kontrollfunktion zukomme (MünchKommBGB/K. Schmidt,
9. Aufl., § 744, § 745 Rn. 29; Schnorr, Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004,
S. 253 f.), mit der Folge, dass die Mehrheitsinteressen über den in § 745 Abs. 3
BGB verankerten spezifischen Minderheitsschutz hinaus eingeschränkt werden
können (vgl. Henke, Die Erfindungsgemeinschaft, 2005, Rn. 392). Nach anderer
Ansicht können lückenlose Mehrheitsbeschlüsse, die sich im Rahmen ordnungsmäßiger
Verwaltung und Benutzung halten, bei unveränderter Sachlage nicht mit
einem auf
Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Regelung in
Frage gestellt werden (Aderhold in Erman, BGB, 17. Aufl., § 745 Rn. 6;
Staudinger/Eickelberg, BGB, Neubearb. 2021, § 745 Rn. 50; BeckOGK
BGB/Fehrenbacher, Stand 1.3.2025, § 745 Rn. 29; Gregor in Herberger/
Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 745 BGB Rn. 4;
Henke, Die Erfindungsgemeinschaft, 2005, Rn. 395).
bb) Richtig ist die zuletzt genannte Auffassung. Ein Mehrheitsbeschluss
der Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen ist am Maßstab der in § 745
Abs. 1 und Abs. 3 BGB festgelegten Grenzen zu messen. Ein danach wirksamer
Mehrheitsbeschluss unterfällt bei unveränderte Sachlage keiner Billigkeitskontrolle
nach
Eine allgemeine Billigkeitskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen nach § 745
Abs. 2 BGB widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes (vgl. Staudinger/Eickelberg,
BGB, Neubearb. 2021, § 745 Rn. 50). Danach besteht ein Anspruch auf eine
Verwaltungsregelung durch gerichtliche Entscheidung nur, sofern nicht die Verwaltung
und Benutzung durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist.
eine Verwaltungs- und Benutzungsregelung zu beschließen eine weitgehende
Regelungskompetenz mit einem breiten Ermessensspielraum zu. Ordnungsmäßiger
Verwaltung im Sinne des
notwendige Maßnahmen nach § 744 Abs. 2 BGB, sondern alle Maßnahmen, die
nach den individuellen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung vernünftig
erscheinen (BGH, Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 159/09, ZIP 2010,
1690 Rn. 14 f. mwN). Im Vergleich zu dem, was durch Mehrheit beschlossen
werden kann, ist der Kreis der Maßregeln, die nach
werden können, enger. Was mehrheitlich nicht beschlossen werden kann, kann
auch nicht nach
mehrheitlich beschlossen werden kann, kann nach
werden. Nach letzterer Bestimmung darf unter mehreren zur Auswahl stehenden
Regelungen nur diejenige durchgeführt werden, die das Interesse aller Teilhaber
bestmöglich wahrt. Nur eine solche Regelung entspricht dem Interesse aller Teilhaber
nach billigem Ermessen (OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Oktober 2001
- 6 U 185/2000, juris Rn. 50). Die Anwendung dieser von
Maßstäbe auf die Inhaltskontrolle eines nach
Beschlusses würde der der Mehrheit eingeräumten Regelungskompetenz
vom Gesetz nicht vorgesehene Schranken auferlegen.
vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den Vorzug verdient,
dem Urteil der Mehrheit. Die Minderheit oder die von ihr angerufenen Richter
haben nicht das Recht, ihre eigene Beurteilung an die Stelle der Beurteilung
durch die Mehrheit zu setzen. Eine allgemeine Zweckmäßigkeits- oder Inhaltskontrolle,
bei der die Minderheit oder das Gericht die Auffassung der Mehrheit
ersetzen könnte, findet nicht statt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2010
II ZR 159/09,
29. Oktober 2001 - 6 U 185/2000, juris Rn. 53). Von einem bei der Abstimmung
unterlegenen Miteigentümer müssen solche Entscheidungen vielmehr auch dann
hingenommen werden, wenn er sich eine andere Regelung gewünscht hätte
(BGH, Urteil vom 14. November 1994 - II ZR 209/93,
Den berechtigten Interessen der Minderheit kann im Rahmen der an § 745 Abs. 1
und Abs. 3 BGB orientierten Inhaltskontrolle ausreichend Rechnung getragen
werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1994 - II ZR 209/93,
juris Rn. 11; Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 159/09,
mwN). Ein Anspruch des überstimmten Teilhabers auf eine Regelung "nach billigem
Ermessen" gemäß
sich im Rahmen von § 745 Abs. 1 und Abs. 3 BGB hält (vgl. BGH,
Urteil vom 8. März 2004 - II ZR 5/02,
vom 29. Oktober 2001 - 6 U 185/2000, juris Rn. 53). Nur ein Beschluss, der
nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, bindet die Minderheit nicht
(OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Oktober 2001 - 6 U 185/2000, juris Rn. 53).
III. Das Berufungsurteil ist danach insgesamt aufzuheben (§ 562 Abs. 1
ZPO). Die Sache ist gemäß
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der erkennende
Senat kann über die Wirksamkeit des Beschlusses zur Abänderung der Kostenverteilung
nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen
dazu getroffen hat, ob die beschlossene Änderung der Kostenverteilung
einer ordnungsgemäßen Verwaltung und Benutzung gemäß § 745 Abs. 1
BGB entspricht. Das Berufungsgericht wird sich zudem mit dem Vorbringen der
Kläger zu einer Verdinglichung der Kostenverteilungsregelung zu beschäftigen
haben, zu dem bisher, aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts folgerichtig,
ebenfalls keine Feststellungen getroffen sind.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:29.04.2025
Aktenzeichen:II ZR 47/24
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 745