Bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einzelnen Wohnungseigentümer
letzte Aktualisierung: 3.3.2021
BGH, Urt. v. 15.5.2020 – V ZR 64/19
WEG a. F. §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 16 Abs. 4, 22 Abs. 1 u. 2, 21 Abs. 4 u. 5 Nr. 2;
u. 2
Bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einzelnen Wohnungseigentümer
a) § 16 Abs. 4 WEG a. F. steht einem Beschluss nicht entgegen, der einzelnen Wohnungseigentümern die Durchführung einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums mit der Maßgabe
gestattet, dass die bauwilligen Wohnungseigentümer sämtliche Errichtungskosten und Folgekosten
der Maßnahme tragen. Dies gilt auch dann, wenn eine solche – hinreichend bestimmt beschriebene
– Maßnahme im Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht geplant ist.
b) Hat ein Wohnungseigentümer eigenmächtig eine bauliche Veränderung des
Gemeinschaftseigentums vorgenommen, haben die Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz,
dies mit der Maßgabe zu genehmigen, dass der die Veränderung vornehmende
Wohnungseigentümer die Folgekosten der Maßnahme trägt.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts haben die Kläger keinen Anspruch
auf Beseitigung der Verschattungsanlage gemäß
i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG, weil sie aufgrund des Beschlusses der Wohnungseigentümer
vom 28. September 2018 gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung
verpflichtet seien. An der Wirksamkeit des Beschlusses ändere die hiergegen
erhobene Anfechtungsklage nichts. Anlass für eine Aussetzung des Verfahrens
bis zur Entscheidung über diese Klage bestehe nicht. Der Beschluss sei auch
nicht wegen mangelnder Beschlusskompetenz nichtig. Die Wohnungseigentümer
seien gemäß § 16 Abs. 4 WEG befugt, die Kostenverteilung abweichend
von dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu regeln. Jedenfalls im vorliegenden
Fall, in dem die Errichtung einer baulichen Anlage ausschließlich im
Interesse einzelner Wohnungseigentümer erfolge und der Genehmigungsbeschluss
im Zusammenhang mit dem Kostenfreistellungsbeschluss ergehe, sei
die bauliche Veränderung einschließlich der durch sie verursachten Folgekosten
als Einzelfall im Sinne der Vorschrift anzusehen. Deshalb komme es auf die
Frage, ob der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 1. Juni 2012 die
Anbringung der Verschattungsanlagen gestattet habe, nicht mehr an. Mangels
Vorgreiflichkeit sei die auf diesen Beschluss bezogene Zwischenfeststellungsklage
unzulässig. Die von den Klägern in der Berufungsinstanz zusätzlich ge-
stellten Hilfsanträge seien zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Den Ansprüchen stehe nicht nur der Beschluss vom 28. September 2018 entgegen,
diese seien darüber hinaus verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist
sei nach dem Einbau der Jalousien im September 2013 mit Ende des Jahres
2016 abgelaufen, da die Hauptanträge das Hilfsbegehren nicht umfassten und
deshalb zu keiner Hemmung der Verjährung geführt hätten.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Im Ergebnis zutreffend verneint das Berufungsgericht die von den Klägern
mit den Hauptanträgen geltend gemachten Ansprüche auf (vollständige)
Beseitigung der Verschattungsanlagen gemäß
Abs. 1 WEG und § 15 Abs. 3 WEG.
a) Ein nachteilig betroffener Wohnungseigentümer kann zwar bei einem
Verstoß gegen die in § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG geregelten Pflichten
nach
oder Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen (vgl. Senat, Urteil vom
10. Juli 2018 - V ZR 56/17,
zu dem Vorliegen eines Nachteils im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
14 Nr. 1 WEG keine Feststellungen getroffen hat, ist zugunsten der Kläger revisionsrechtlich
davon auszugehen, dass die von ihnen angeführten Auswirkungen
(Verschattung ihrer Wohnung und Beeinträchtigung der freien Sicht in den
Himmel) einen solchen Nachteil darstellen (Senat, Urteil vom 10. Juli 2018 -
V ZR 56/17,
b) Zu Recht leitet das Berufungsgericht aber aus dem Beschluss vom
28. September 2018 die Verpflichtung der Kläger ab, die bereits angebrachten
Verschattungsanlagen zu dulden.
aa) Ein Anspruch auf Beseitigung der Anlagen aus § 15 Abs. 3 WEG
scheidet schon mangels Verstoßes gegen die Beschlusslage der Gemeinschaft
aus (vgl. Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 15 Rn. 81). Aufgrund der in dem Beschluss
der Wohnungseigentümer vom 28. September 2018 enthaltenen Genehmigung
der vorhandenen Verschattungsanlagen (dazu nachfolgend unter
cc) sind die Beklagten nach § 13 Abs. 2, § 22 WEG berechtigt, das gemeinschaftliche
Eigentum hierfür mitzubenutzen. Ihrer Berechtigung zur entsprechenden
Mitbenutzung des gemeinschaftlichen Eigentums entspricht eine Verpflichtung
der Kläger, diese Mitbenutzung zu dulden. Diese Duldungspflicht
steht einem Beseitigungsanspruch aus
BGB entgegen.
bb) Die Wohnungseigentümer können eine ohne die nach § 22 Abs. 1
WEG erforderliche Zustimmung vorgenommene bauliche Veränderung nachträglich
genehmigen (allgemeine Auffassung, vgl. nur Bärmann/Merle, WEG,
14. Aufl., § 22 Rn. 312 mwN). In diesem Fall ist ein Beseitigungsanspruch der
übrigen Eigentümer ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn nicht alle erforderlichen
Zustimmungen vorliegen, da dies nicht zur Nichtigkeit, sondern nur
zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen würde (vgl. Senat, Urteil vom
20. Juli 2018 - V ZR 56/17,
cc) Der Beschluss vom 28. September 2018 enthält eine nachträgliche
Genehmigung. Dies ergibt die gebotene objektive Auslegung des Beschlusses,
die der Senat selbst vornehmen kann (vgl. Senat, Urteil vom 8. April 2016 -
V ZR 104/15,
Betrachtung nur einen in die Zukunft gerichteten Inhalt, weil allen
Wohnungseigentümern gestattet wird, Verschattungsanlagen „anzubringen“
und von „entstehenden“ Einbau- und eventuellen Folgekosten die Rede ist. Den
Wohnungseigentümern ging es jedoch erkennbar darum, im Hinblick auf die
Anbringung von Verschattungsanlagen eine einheitliche Regelung für alle Mitglieder
der Wohnungseigentümergemeinschaft zu treffen. Eine Differenzierung
zwischen den Eigentümern, die eine Verschattungsanlage bereits angebracht
haben, und den übrigen Eigentümern war erkennbar nicht gewollt. Dies ergibt
sich eindeutig daraus, dass sich die Ausführung der Verschattungsanlagen in
Art und Form „den bereits vorhandenen Verschattungsanlagen“ weitestgehend
anzupassen hat und sich die Gestattung auf „alle Wohnungseigentümer“ bezieht.
Entscheidend für die Zulässigkeit der Anbringung von Verschattungsanlagen
sollte hiernach nicht der Zeitpunkt der Anbringung sein, sondern das Einhalten
der in dem Beschluss näher dargelegten Maßgaben, d. h. insbesondere
die Tragung der entstehenden Einbau- und Folgekosten sowie die Haftungsübernahme
für eventuell auftretende Schäden. Hierbei kann sich die Kostenregelung,
soweit es um bereits errichtete Verschattungsanlagen geht, naturgemäß
nicht auf die - schon angefallenen - Einbaukosten, sondern nur auf die
Folgekosten beziehen.
dd) Die in dem Beschuss hiernach enthaltene Genehmigung ist wirksam.
Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor.
(1) Wie das Berufungsgericht richtig sieht, ändert die von den Klägern
gegen den Beschluss erhobene Anfechtungsklage als solche nichts an der
Wirksamkeit des Beschlusses. Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG ist ein Be-
schluss - von der Nichtigkeit abgesehen - gültig, solange er nicht durch rechtskräftiges
Urteil für ungültig erklärt ist. Eine Anfechtungsklage hat keine aufschiebende
Wirkung (vgl. hierzu nur Senat, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR
167/13,
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen hat, durch
Urteil des Amtsgerichts vom 27. Januar 2020 sei der Beschluss vom 28. September
2018 für ungültig erklärt worden, kann dahinstehen, ob diese neue Tatsache
im Revisionsverfahren berücksichtigt werden kann. Dass das Urteil
rechtskräftig ist, machen die Kläger nämlich selbst nicht geltend.
(2) Die Nichtigkeit der Genehmigung ergibt sich entgegen der Ansicht der
Kläger ferner nicht daraus, dass zu ihren Gunsten für das Revisionsverfahren
zu unterstellen ist, dass sie durch die angebrachten Verschattungsanlagen in
einem über das in § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß
hinaus beeinträchtigt werden. Wie dargelegt (oben Rn. 10), führte das Fehlen
einer erforderlichen Zustimmung nur zur Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses.
Die Prüfung etwaiger Anfechtungsgründe ist dem Anfechtungsverfahren
vorbehalten. Hinzu kommt, dass die Maßnahme als Modernisierungsmaßnahme
nach § 22 Abs. 2 WEG zulässig sein könnte. Zwar dürfte eine Modernisierungsmaßnahme
nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG u. a. nicht beschlossen
werden, wenn sie einen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigt.
Dafür reichte aber eine Benachteiligung im Sinne von § 22 Abs. 1
Satz 1 WEG nicht aus; sie könnte vielmehr erst angenommen werden, wenn die
Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der Modernisierung
verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in
zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juli
2018 - V ZR 56/17,
vorliegen, bedarf aber keiner Vertiefung, da ihr Fehlen, wie ausgeführt, nicht zur
Nichtigkeit des Beschlusses führte.
(3) Die Nichtigkeit der Genehmigung folgt auch nicht daraus, dass sie nur
zusammen mit der in dem Beschluss enthaltenen Kostenregelung Bestand hat.
Anders als die Kläger meinen, ist die Beschlusskompetenz auch im Hinblick auf
die Kostenregelung gegeben.
(a) Die Nichtigkeit der Kostenregelung hätte allerdings gemäß § 139
BGB die Gesamtnichtigkeit des Beschlusses vom 28. September 2018 zur Folge.
Die teilweise Aufrechterhaltung eines Beschlusses ohne den nichtigen Teil
kommt nur dann in Betracht, wenn nach dem tatsächlichen oder hypothetischen
Parteiwillen zweifelsfrei davon auszugehen ist, dass der Beschluss auch als
Teilregelung beschlossen worden wäre (vgl. allgemein Senat, Urteil vom 10.
Oktober 2014 - V ZR 315/13,
fehlt es, ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf. Dient eine bauliche
Maßnahme nur dem Interesse einzelner Wohnungseigentümer und bedarf die
Maßnahme der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, werden diese
in aller Regel ihre Zustimmung nur erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die
Kosten der Errichtung der baulichen Anlage und etwaige Folgekosten von den
begünstigten Eigentümern getragen werden (vgl. zur Anwendung des
§ 139 BGB im Zusammenhang mit der Regelung über die Folgekosten LG
München,
98 c; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 22 Rn. 25; Zschieschack,
hier die Anbringung von Verschattungsanlagen unabhängig von einer
Übernahme der Kosten und der Verantwortlichkeit für Errichtung und Betrieb
der Anlagen gestattet werden sollte, bietet der Beschluss der Wohnungseigentümer
nicht. Bei der auch im Blick auf § 139 BGB gebotenen objektiven
Auslegung ist die Gestattung vielmehr untrennbar mit der Kostenregelung verbunden.
(b) Es fehlt aber nicht an der Regelungskompetenz der Wohnungseigentümer.
Die Kostenregelung in dem Beschluss ist keine Änderung der Kostenverteilung,
der die Regelung in § 16 Abs. 4 WEG entgegenstehen könnte. Vielmehr
handelt es sich um eine von dieser Vorschrift nicht erfasste Maßgabe für die
Gestattung, Verschattungsanlagen anzubringen, und für die Genehmigung der
bereits angebrachten Anlagen.
(aa) Gemäß § 16 Abs. 4 WEG können die Wohnungseigentümer „im
Einzelfall“ zur Instandhaltung oder Instandsetzung i.S.d. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG
oder zu baulichen Veränderungen oder Aufwendungen i.S.d. § 22 Abs. 1 und 2
WEG durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend von Abs. 2 (Verteilung
nach Miteigentumsanteilen) regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch
oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer
Rechnung trägt. Eine nach dem Inhalt eines Beschlusses über den Einzelfall
hinausreichende Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ist dabei nicht von
der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 4 WEG gedeckt und daher nichtig
(Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09,
siehe auch BT-Drucks. 16/887 S. 24).
(bb) Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich um einen
Einzelfall, wenn sich die Kosten auf eine konkrete Maßnahme beziehen. Die
abweichende Kostenverteilung muss sich in dem Vollzug dieser Maßnahme
erschöpfen (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juni 2010 - V ZR 164/09,
Rn. 11; Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09,
vom 26. Oktober 2012 - V ZR 7/12,
steht eine generelle Kostenregelung für die von § 16 Abs. 4 WEG erfassten
Kosten. Eine solche können die Wohnungseigentümer nur gemäß § 10 Abs. 2
Satz 3 WEG durch Vereinbarung und nicht durch Beschluss herbeiführen. Eine
abstrakte Kostenregelung für künftige Maßnahmen stellt keinen Einzelfall dar
und ist deshalb unzulässig (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2012 - V ZR
7/12,
hat der Senat bislang, ob die Wohnungseigentümer nach § 16 Abs. 4 WEG
bei einer konkreten Maßnahme nicht nur über die Kosten der baulichen Veränderung
selbst, sondern auch über sich hieraus etwa ergebende Folgekosten
beschließen können (Senat, Urteil vom 28. Oktober 2016 - V ZR 91/16, NJW
2017, 1167 Rn. 18). Diese in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage
(vgl. zum Streitstand Bärmann/Becker, WEG, 18. Aufl., § 16 Rn. 133 mwN;
BeckOGK/Falkner, WEG, [1.12.2019], § 16 Rn. 223 ff. mwN) bedarf auch hier
keiner Entscheidung.
(cc) Die Wohnungseigentümer haben nämlich keine Änderung der Kostenverteilung
beschlossen.
(aaa) Die Vorschrift des § 16 Abs. 4 WEG betrifft die Verteilung der Kosten
des gemeinschaftlichen Eigentums. Sinn und Zweck der Regelung bestehen
darin, den Wohnungseigentümern für einzelne bauliche Maßnahmen,
gleich welcher Art, eine flexible Kostenregelung zu gestatten. Solche Maßnahmen
sind oft kostenintensiv und bringen nicht in gleichem Maße jedem Wohnungseigentümer
Vorteile. Es kann dann das Bedürfnis entstehen, diejenigen
Eigentümer, die von der Maßnahme besonders profitieren, abweichend von
dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel verhältnismäßig stärker zu belasten.
Dies soll durch § 16 Abs. 4 WEG ermöglicht werden (vgl. BeckOK
WEG/Bartolome, [1.2.2020], § 16 Rn. 165). Die Vorschrift setzt deshalb voraus,
dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Durchführung einer Maßnahme
beschlossen hat, für die die Gemeinschaft Kosten aufzuwenden hat, die
eigentlich nach dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten oder hilfsweise
nach dem gesetzlichen Maßstab (
(bbb) Um die Verteilung solcher Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums geht es in dem hier zu beurteilenden Beschluss der
Wohnungseigentümer jedoch nicht. Die Wohnungseigentümer haben nicht beschlossen,
als Gemeinschaft die Stahlbaukonstruktion vor der Glasfassade des
Gebäudes mit Verschattungsanlagen zu versehen. Vielmehr haben sie „nur“
von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, der Vornahme einer baulichen Veränderung
durch die Wohnungseigentümer selbst unter bestimmten Maßgaben zuzustimmen.
Zu diesen Maßgaben kann - neben der Kostenübernahme - etwa die
Übernahme von Verkehrssicherungspflichten gehören (vgl. Hogenschurz in
Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 22 Rn. 25). Ebenso können die Wohnungseigentümer
die Gestattung - wie hier - daran knüpfen, dass die Maßnahme fachmännisch
durchgeführt wird und ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild aufweisen
muss. Ob der Eigentümer von einer solchen Gestattung Gebrauch macht,
bleibt ihm überlassen. Entscheidet er sich hierfür, fallen nur ihm auch die entsprechenden
Kosten zur Last. Er erteilt die entsprechenden Aufträge, und nur
er hat gegenüber seinen Auftraggebern die Vergütung zu erbringen. Der Gemeinschaft
der Wohnungseigentümer entstehen daher insoweit keine Kosten,
die zu verteilen wären (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Senat, Urteil vom 28.
Oktober 2016 - V ZR 91/16,
mit der Auslegung einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Übertragung
einer Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht auf den Sondereigentümer).
Nimmt der begünstigte Eigentümer die bauliche Veränderung vor,
ohne die in der Gestattung vorgesehenen Maßgaben zu erfüllen, scheidet eine
Duldungspflicht der übrigen Eigentümer aus. Entspricht beispielsweise die
Maßnahme nicht dem (hier: für die Verschattungsanlagen) vorgeschriebenen
Erscheinungsbild, fehlt es von vorneherein an einer Gestattung. Der Wohnungseigentümer
ist zum Rückbau verpflichtet. Das Gleiche gilt, wenn der
Wohnungseigentümer zwar bei der Durchführung der baulichen Veränderung
die Maßgaben für die Gestattung erfüllt, er sich aber weigert, sie auch nach der
Errichtung einzuhalten.
(ccc) Nicht anders liegt es, wenn die Wohnungseigentümer - wie hier -
die Gestattung der baulichen Veränderung (auch) an die Übernahme der Folgekosten
geknüpft haben. Weigert sich ein Wohnungseigentümer nach Durchführung
der baulichen Veränderung, entstehende Folgekosten zu tragen, kann
von ihm der Rückbau verlangt werden (vgl. hierzu auch Hogenschurz in Jennißen,
WEG, 6. Aufl., § 22 Rn. 25). Die Regelung in § 16 Abs. 4 WEG erfasst solche
Sachverhalte nicht. Sie steht deshalb einem Beschluss nicht entgegen, der
- wie hier - einzelnen Wohnungseigentümern die Durchführung einer baulichen
Veränderung des Gemeinschaftseigentums mit der Maßgabe gestattet, dass
die bauwilligen Wohnungseigentümer sämtliche Errichtungskosten und Folgekosten
der Maßnahme tragen. Dies gilt auch dann, wenn eine solche - wie hier
durch den Verweis auf die schon vorhandenen Verschattungsanlagen hinreichend
bestimmt beschriebene - Maßnahme im Zeitpunkt des Beschlusses noch
nicht geplant ist. Hat ein Wohnungseigentümer - wie hier die Beklagten - eigenmächtig
eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums vorgenommen,
haben die Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz, dies mit
der Maßgabe zu genehmigen, dass der die Veränderung vornehmende Wohnungseigentümer
die Folgekosten der Maßnahme trägt.
(ddd) Sollten trotz einer entsprechenden Regelung der Wohnungseigentümergemeinschaft
ausnahmsweise doch Folgekosten entstehen, weil beispielsweise
im Rahmen der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht sofortiges
Handeln geboten ist, darf dies nicht zu Lasten der Wohnungseigentümer
gehen, die der baulichen Veränderung nur im Hinblick auf die Kostenregelung
zugestimmt haben. Sie sind vielmehr entsprechend
erfasst im Grundsatz auch Folgekosten (vgl. Senat, Urteil vom 19. Dezember
1991 - V ZB 27/90,
Wohnungseigentümer, der nicht zustimmt, gleichzustellen und deshalb zur
Kostentragung nicht verpflichtet (vgl. zur Anwendung des
bzw. des § 16 Abs. 3 WEG aF bei der Erteilung einer Zustimmung zu einer baulichen
Veränderung unter „Verwahrung gegen eine Kostenbeteiligung“ auch
OLG Düsseldorf,
Rn. 232 mwN).
dd) Ob das Berufungsgericht zu Recht davon abgesehen hat, das Berufungsverfahren
gemäß § 148 ZPO in direkter oder in entsprechender Anwendung
bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Beschlussanfechtungsverfahren
auszusetzen, wäre zwar grundsätzlich im Rahmen einer Revision überprüfbar
(vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 - VI ZR 45/12,
7 mwN auch zur Gegenauffassung). Dies würde allerdings eine innerhalb der
Frist des § 551 Abs. 2 ZPO erhobene Verfahrensrüge (§ 557 Abs. 3 Satz 2
i.V.m. § 551 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 b) ZPO) voraussetzen, an der es hier fehlt (vgl.
zu der Frage einer Aussetzung wegen eines Anfechtungsverfahrens Senat, Urteil
vom 4. April 2014 - V ZR 167/13,
2018 - V ZR 328/17,
von Amts wegen auszusetzen, was ohnehin nur unter engen
Voraussetzungen möglich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1987 - IVa
ZR 105/86,
2. Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Auf der Grundlage der Feststellungen
des Berufungsgerichts und des Amtsgerichts liegen die Voraussetzungen für
einen allein in Betracht kommenden Anspruch aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286
Abs. 1 BGB wegen Verzugs nicht vor.
3. Das Berufungsgericht hat den von den Klägern im Wege der Klageerweiterung
gestellten Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses
vom 1. Juni 2012 zu Recht abgewiesen. Als Zwischenfeststellungsklage gemäß
Klägern geltend gemachten Beseitigungsansprüche nicht vorgreiflich ist. Auch
als Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist der Antrag nicht zulässig,
da es an dem erforderlichen Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit fehlt.
Insoweit werden von den Klägern auch keine Einwendungen erhoben.
4. Im Ergebnis zutreffend verneint das Berufungsgericht schließlich die
hilfsweise geltend gemachten Ansprüche der Kläger auf Beseitigung oder Veränderung
der angebrachten Jalousien in der Weise, dass für sie die freie Sicht
aus ihren Fenstern und von ihren Balkonen gewährleistet ist.
a) Die Kläger sind auch insoweit aufgrund des Beschlusses vom
28. September 2018 zur Duldung der bereits angebrachten Verschattungsanlagen
verpflichtet, wovon auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht.
Ansprüche aus § 15 Abs. 3 WEG und aus
deshalb aus. Die hilfsweise geltend gemachten Anträge betreffen denselben
Streitgegenstand wie die Hauptanträge. Das Begehren der Kläger ist auf die -
zumindest teilweise - Beseitigung der angebrachten Verschattungsanlagen gerichtet.
Der Antrag auf teilweise Beseitigung ist lediglich ein Minus zur vollständigen
Beseitigung und geht in dem Hauptantrag auf.
b) Auf die weiteren Überlegungen des Berufungsgerichts zu einer Verjährung
der mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Ansprüche kommt es deshalb
nicht an. Sie tragen die Entscheidung allerdings nicht. Da die Ansprüche
auf teilweise Beseitigung der Verschattungsanlagen in den mit den Hauptanträgen
geltend gemachten Ansprüchen auf vollständige Beseitigung als Minus
enthalten sind, hat die gerichtliche Geltendmachung der Hauptanträge gemäß §
204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch zu einer Hemmung der hilfsweise geltend gemachten
Ansprüche geführt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.05.2020
Aktenzeichen:V ZR 64/19
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NJW-RR 2020, 1022-1025
Normen in Titel:WEG a. F. §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 16 Abs. 4, 22 Abs. 1 u. 2, 21 Abs. 4 u. 5 Nr. 2; BGB § 1004 Abs. 1 u. 2