Einwendung des Fehlens einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung; Beweislast
letzte Aktualisierung: 4.8.2021
OLG Dresden, Beschl. v. 19.4.2021 – 4 W 109/21
BGB §§ 138, 1643 Abs. 1, 1822 Abs. 1 Nr. 5; ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 5
Einwendung des Fehlens einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung; Beweislast
1. Wer gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde einwendet, ein zugrunde
liegender Darlehensvertrag sei mangels einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung
sittenwidrig, trägt die Beweislast, wenn sich wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfristen nicht mehr
feststellen lässt, ob eine solche Genehmigung erteilt wurde.
2. Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer Grundschuldbestellung erstreckt sich auch
auf den zugrunde liegenden Darlehensvertrag, wenn zwischen beiden ein enger wirtschaftlicher
und rechtlicher Zusammenhang besteht.
3. Ein durch einen Minderjährigen abgeschlossener Darlehensvertrag ist nicht bereits deswegen als
sittenwidrig anzusehen, weil der Minderjährige aufgrund seiner Einkommens- und
Vermögensverhältnisse nur unter besonders günstigen Bedingungen zur Bedienung des Darlehens
in der Lage ist.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung, mit
der er sich gegen die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung aus einer
notariellen Urkunde wendet.
Der Antragsteller, geb. xx.xx.1981, war neben seinen Eltern Miteigentümer zu gleichen
Teilen des im Grundbuch des Amtsgerichts Meißen für D......, Blatt xxx, eingetragenen
Grundstücks der Gemarkung D......, Flurstück yyy, postalische Anschrift W...... Str. xx in
00000 N....... Das Grundstück ist mit einem teilsanierten Wohnhaus bebaut, das unter
anderem von dem Antragsteller und seinen Eltern bewohnt und bewirtschaftet wurde.
Am 18.12.1997 beantragten die Eltern des Antragstellers und der damals minderjährige
Antragsteller zur Finanzierung des beabsichtigten Erwerbs und der Sanierungskosten des
Grundbesitzes bei der ......kasse ......, der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, den
Abschluss von Darlehensverträgen über 140.000,- DM und 100.000,- DM. Am 13.01.1998
wurde der erste Darlehensvertrag über einen Betrag von 140.000,- DM zwischen den
genannten Beteiligten geschlossen (vgl. Anlage K3). Mit Beschluss des Amtsgerichts
Meissen - Vormundschaftsgericht - vom 24.02.1998 wurde den Eltern des Antragstellers die
vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zum Abschluss des Darlehensvertrages vom
13.01.1998 erteilt (vgl. Anlage AG 4).
Mit notariellem Kaufvertrag mit Auflassung vom 16.03.1998 (UR X XXX/XXXX) erwarben die
Eltern des Antragstellers und der Antragsteller den Grundbesitz zu jeweils gleichen Teilen für
einen Kaufpreis von 130.000,- DM (vgl. Anlage K1).
In Ziffer X 2. dieser Urkunde heißt es:
„Herr und Frau T......, die hier als gesetzliche Vertreter ihres minderjährigen Sohnes
S...... T...... ... handeln, beantragen hiermit die Genehmigung der heutigen
Erklärungen sowie - heute bereits vorsorglich - die in Ausübung der heute erteilten
Finanzierungsvollmacht bestellten Grundpfandrechte - durch das
Vormundschaftsgericht. Sie bevollmächtigen die beurkundende Notarin ..., diese
Genehmigung vom Vormundschaftsgericht für sie entgegenzunehmen und sie den
anderen Vertragsbeteiligten mitzuteilen. ... Die Entgegennahme und Mitteilung der
Genehmigung soll durch Vorlage einer Ausfertigung dieser Urkunde mit einer
beglaubigten Kopie der Genehmigungserklärung dem Grundbuchamt nachgewiesen
werden. Die Genehmigung zur heutigen Urkunde soll - soweit nicht ausdrücklich in der
Genehmigung anders bestimmt - auch als Genehmigung der in Ausübung der heute
erteilten Finanzierungsvollmacht bestellten Grundpfandrechte gelten. Zum
Darlehensvertrag vom 13.01.1998 mit der ......kasse ...... zu 140.000,- DM wurde
bereits unter Geschäftsnummer X 0008/98 vom Amtsgericht Meißen die
Genehmigung erteilt. ...“
Mit weiterer notarieller Urkunde vom 21.04.1998 (UR X XXX/XXX) bestellten die Eltern des
Antragstellers in eigenem Namen und zugleich handelnd für den vormaligen
Grundstückseigentümer als Sicherungsgeber sowie handelnd „vorbehaltlich der etwa
ausdrücklich noch erforderlichen vormundschaftlichen Genehmigung“ als gesetzliche
Vertreter ihres Sohnes an dem Grundbesitz eine Grundschuld in Höhe von 240.000,00 DM
zugunsten der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (vgl. Anlage AG 6).
In Ziff. 3 der Urkunde heißt es:
„Für die Zahlung eines Geldbetrages, dessen Höhe der bewilligten Grundschuld
(Kapital, Zinsen und die sonstigen Nebenleistungen) entspricht, übernimmt T......,
S...... (= der Antragsteller), V...... und L...... (= die Eltern des Antragstellers) die
persönliche Haftung aus der sie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das belastete
Pfandobjekt in Anspruch genommen werden können. Sie unterwerfen sich wegen
dieser persönlichen Haftung der Gläubigerin gegenüber der sofortigen
Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in das gesamte Vermögen.
Auf Seite 8 der Urkunde heißt es:
„Vormundschaftliche Genehmigung
Die Ehegatten T......, die hier als gesetzliche Vertreter ihres minderjährigen Sohnes
S...... T...... ggf. für einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger handeln,
beantragen hiermit die Genehmigung der heutigen Erklärungen durch das
Vormundschaftsgericht. Die vormundschaftliche Genehmigung wurde bereits im
Zusammenhang mit der Beantragung der Genehmigung der Erklärungen im
vorgenannten Kaufvertrag beantragt und soll in diesem Zusammenhang erteilt
werden. Die Ehegatten T...... bevollmächtigen - höchst vorsorglich - soweit die für den
Kaufvertrag zu erteilende Genehmigung nicht gleichzeitig die Erklärungen in heutiger
Urkunde genehmigt, die beurkundende Notarin..., diese Genehmigung vom
Vormundschaftsgericht für sie entgegenzunehmen und den anderen Beteiligten
mitzuteilen. ... Die Entgegennahme und Mitteilung dieser Genehmigung soll durch
Vorlage einer Ausfertigung dieser Urkunde mit einer beglaubigten Kopie der
Genehmigungserklärung dem Grundbuchamt nachgewiesen werden. Zum
Darlehensvertrag vom 13.01.1998 mit der ......kasse ...... zu 140.000 DM wurde
bereits unter Geschäftsnummer X XXXX/XX vom Amtsgericht Meißen die
Genehmigung erteilt.“
Die vormundschaftliche Genehmigung für die Eintragung der Grundschuld in Höhe von
240.000,- DM mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung zur Urkunde vom 21.04.1998 (X
XXX/XXXX) erteilte das Amtsgericht Meissen - Vormundschaftsgericht - am 14.05.1998
(Anlage AG 5).
Die Eltern des Antragstellers, der Antragsteller und die ......kasse ...... schlossen unter dem
28.05.1998 den weiteren Darlehensvertrag über die Sanierungskosten gemäß Antrag vom
18.12.1997 über einen Betrag von 100.000,- DM (vgl. Anlage K3). Unter Ziff. 5 des Vertrages
heißt es:
„Das Darlehen kann erst in Anspruch genommen werden, wenn die vereinbarten
Sicherheiten bestellt sind und der ......kasse hierüber ggf. eine Bestätigung vorliegt.
Der ......kasse werden ... folgende Sicherheiten bestellt: Grundschuld in Höhe von
240.000,- DM im Grundbuch von D......, Blatt 307 gemäß gesonderter
Zweckerklärung.“
Der Antragsteller und seine Eltern wurden am 20.05.1999 als Eigentümer des Grundstücks
im Grundbuch eingetragen.
Ein weiterer Darlehensvertrag über einen Betrag von 15.000,- DM wurde zwischen den
genannten Parteien- der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt volljährig - am 22.10.2001
geschlossen (vgl. Anlage K3).
Nachdem die Kredite notleidend wurden, wurde im Oktober 2005 und erneut im März 2009
die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet. Die hierzu eingeholten
Verkehrswertgutachten ergaben einen Verkehrswert von 139.000,- € bzw. 97.000,- €. Die
Antragsgegnerin hat das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung verwertet. Die
danach verbliebenen Restverbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen belaufen sich
ausweislich einer Forderungsaufstellung vom 08.06.2018 auf insgesamt 206.152,82 € (vgl.
Anlage K7).
Die Antragsgegnerin betreibt wegen eines Teilbetrages die Zwangsvollstreckung aus der
Grundschuldbestellungsurkunde vom 21.04.1998 und erwirkte unter dem 03.08.2018 einen
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit dem sie Forderungen des Antragstellers gegen
die Deutsche Bank AG pfändete.
Mit der vom Antragsteller beabsichtigten Vollstreckungsgegenklage begehrt er, die
Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin aus der vollstreckbaren
Grundschuldbestellungsurkunde vom 21.04.1998 für unzulässig zu erklären. Zu deren
Begründung trägt er vor, für die beiden während seiner Minderjährigkeit abgeschlossenen
Darlehensverträge lägen keine vormundschaftliche Genehmigungen vor, so dass sie
unwirksam seien. Darüber hinaus seien sämtliche geschlossenen Verträge wegen krasser
finanzieller Überforderung und Ausnutzung seiner Unerfahrenheit nichtig. Sie seien zudem
lediglich nach einer dementsprechenden Forderung einer Bankmitarbeiterin und auf Druck
seiner Eltern zustande gekommen.
Das Landgericht hat die begehrte Prozesskostenhilfe versagt, da das Berufen des
Antragstellers auf die Sittenwidrigkeit der 1998 geschlossenen Verträge treuwidrig sei. Der
Grundstückskaufvertrag, die Darlehensverträge und die Grundschuldbestellung seien
vormundschaftsgerichtlich genehmigt worden, wie aus den von der Antragsgegnerin
vorgelegten Beschlüssen, an deren Richtigkeit und Echtheit kein Zweifel bestehe, folge. Der
Umstand, dass die Genehmigungsbeschlüsse nach über 20 Jahren nicht mehr sämtlich
vorgelegt werden können bzw. auffindbar gewesen seien, sei entsprechend der Auskunft des
Amtsgerichts Meißen - Betreuungsgericht - vom 16.05.2012 (vgl. ALG 6) auf das
Verstreichen von Aufbewahrungsfristen zurückzuführen und könne nicht der
Antragsgegnerin angelastet werden. Zudem sei davon auszugehen, dass die beim
Grundstückserwerb beteiligte Notarin, das Grundbuchamt und das Vormundschaftsgericht
vorschriftsmäßig und ordnungsgemäß gearbeitet hätten.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, zu deren
Begründung er rügt, das Landgericht hätte das Vorliegen der Genehmigungen nicht einfach
unterstellen dürfen. Ferner rügt er die fehlende Auseinandersetzung mit der von ihm zitierten
zur krassen finanziellen Überforderung ergangenen Rechtsprechung. Nachdem die
Mitarbeiterin der Kreissparkasse in einem Besprechungstermin plötzlich gefordert habe, der
Antragsteller müsse ebenfalls Darlehensnehmer werden, hätten die Eltern ihn ihrerseits unter
Druck gesetzt. Die Verträge seien auch ausschließlich wirtschaftlich nachteilig für ihn
gewesen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Das Landgericht hat die vom Antragsteller begehrte Prozesskostenhilfe zu Recht
zurückgewiesen, da die beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg hat,
1. Die Prozessvoraussetzungen für eine Vollstreckungsabwehrklage wegen der gegen
den Kläger vollstreckbaren Ansprüche aus der Urkunde vom 21.04.1998 (UR X
XXX/XXXX) liegen vor, § 767 i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Der Antragsteller ist
Schuldner, die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Bank, für die die Forderung durch
die notarielle Urkunde vollstreckbar begründet wurde, zur Zwangsvollstreckung
berechtigte Gläubigerin.
2. Gegen die Wirksamkeit der persönlichen Vollstreckungsunterwerfung des
Antragstellers, bei der es sich um ein vollstreckbares abstraktes Schuldversprechen
im Sinne von
eine zusätzliche Sicherheit einräumt und ihm den Vollstreckungszugriff auf das
gesamte Vermögen des Schuldners eröffnet (s. dazu BGH MDR 1991, S.339 f.; MDR
2007, S.595, 596 = VersR 2007, S.1278, 1279) bestehen keine durchgreifenden
Bedenken. Der Antragsteller, vertreten durch seine Eltern, hat die persönliche
Vollstreckungsunterwerfung erklärt. Die für den Erwerb des Grundbesitzes durch
einen Minderjährigen gemäß
Genehmigung hat das Vormundschaftsgericht Meißen mit Beschluss vom 14.05.1998
erteilt. Die Genehmigung bezieht sich ausweislich des Beschlusses auch auf die
Erklärung der persönlichen Haftungsübernahme und
Zwangsvollstreckungsunterwerfung, so dass von deren Wirksamkeit auszugehen ist.
3. Dem steht nicht entgegen, dass das Schuldversprechen bzw. der dem
Schuldversprechen zugrundeliegende Grundstückskauf nebst Grundschuldbestellung
und die dazu abgeschlossenen Darlehensverträge vom 13.01.1998 und 28.05.1998
wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig oder aus sonstigen Gründen
unwirksam sind. Einwendungen gegen den Bestand und den Umfang der durch die
persönliche Vollstreckungsunterwerfung besicherten Forderung hat der Antragsteller
darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1986 – III ZR 77/85 –, Rn.
16, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 03. April 2009 – 5 W
2/09 –, Rn. 5, juris; Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl., § 780 Rdn. 12; Palandt/Bassenge,
aaO., § 1191 Rdn. 27 a.E.). Dieser Nachweis ist dem Antragsteller nicht gelungen.
Die Einwendungen des Antragstellers gegen den Leistungsanspruch der
Antragsgegnerin sind nicht begründet. Der Antragsgegner ist aus den
Darlehensverträgen vom 13.01.1998, 28.05.1998 und vom 22.10.2001 zur
Rückzahlung der Darlehensvaluta gem. Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin
wirksam verpflichtet worden.
a) Für den Darlehensvertrag vom 13.01.1998 folgt dies bereits daraus, dass die
entsprechende Genehmigung für den Abschluss des Vertrages durch das
Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 24.02.1998 wirksam erteilt wurde, §§ 1643
Abs. 1 BGB, i.V.m. § 1821 Nr. 5, § 1822 Nr. 8 BGB. Anhaltspunkte, die gegen die
Echtheit des Beschlusses sprechen, sind weder vorgetragen noch sonst wie
ersichtlich und werden von der Beschwerde auch nicht aufgezeigt.
b) Der Antragsteller ist auch aus dem Darlehensvertrag vom 28.05.1998 wirksam zur
Rückzahlung der erhaltenen Darlehensvaluta verpflichtet worden. Zwar konnte die für
die Wirksamkeit des Darlehensvertrages erforderliche Genehmigung durch das
Vormundschaftsgericht nicht vorgelegt werden. Mit Schreiben vom 14.05.2012 hat das
Amtsgericht Meißen - Betreuungsgericht - hierzu mitgeteilt, dass nicht mehr
beantwortet werden könne, ob der Kreditvertrag vom 28.05.1998 genehmigt worden
sei, da die Verfahrensakten gemäß den Aufbewahrungsbestimmungen bereits
vernichtet worden seien. Entgegen der Ansicht der Beschwerde geht der mangelnde
Nachweis einer vormundschaftlichen Genehmigung aber zu Lasten des
Antragstellers, der sich auf die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages beruft. Hinzu
kommt, dass das Vorliegen einer Genehmigung auch indiziell bestätigt wird durch den
Umstand, dass die mit dem grundbuchrechtlichen Vollzug des Grundstückserwerbs
beauftragte Notarin sowohl in der Urkunde vom 16.03.1998 (vgl. Ziff. X. 2) als auch in
der Urkunde vom 21.04.1998 (vgl. Seite 8) mit der Einholung der für den Erwerb
sowie der Finanzierung erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen
beauftragt wurde, hierzu auch offensichtlich Verfahren vor dem
Vormundschaftsgericht Meissen geführt wurden und der Grundstückserwerb durch
das Grundbuchamt grundbuchrechtlich im Jahr 1999 vollzogen wurde. Dass hierbei
die erforderlichen Genehmigungen des Kaufvertrages, der Auflassung und auch des
Darlehensvertrages vom 28.05.1998 durch das Vormundschaftsgericht vorgelegen
haben, liegt angesichts dessen auf der Hand. Dass die vormundschaftsgerichtliche
Genehmigung des Grundstückskaufvertrages vom 16.03.1998 beantragt wurde und
auch vorgelegen hat, wird zudem durch die in Ziffer X.2 der notariellen Urkunde
geregelten Nachweispflicht gegenüber dem Grundbuchamt belegt. Zumindest hätte
dem Antragsteller angesichts dieser Umstände der Nachweis oblegen, dass die von
der Notarin beantragte Genehmigung versagt worden ist.
Selbst wenn eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung hinsichtlich des
Darlehensvertrages vom 28.05.1998 nicht gesondert erteilt wurde, wovon jedoch nach
obigen Darlegungen auszugehen ist, kann sich der Antragsteller nicht auf deren
Fehlen berufen. Denn die am 24.02.1998 und am 14.05.1998 erteilten
vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen sind so auszulegen, dass davon
sowohl der (schuldrechtliche) Grundstückskaufvertrag nebst Auflassung als auch die
zur Finanzierung erforderlichen Darlehensverträge sowie die Bestellung einer
Grundschuld im Umfang eben dieser Darlehensverbindlichkeiten mit umfasst gewesen
sein sollte.
Die Reichweite der Genehmigung ist durch Auslegung zu ermitteln (s
279; OLG Hamm 18.3.2016 - 2 WF 170/15, juris Rn 48,
MünchKomm/Kroll-Ludwigs Rn 7). Dies ist insbesondere bei wirtschaftlich
zusammenhängenden Rechtsgeschäften relevant. Zwar erstreckt sich die
Genehmigung zur Bestellung einer Grundschuld (§ 1821 Abs 1 Nr. 1 BGB) nicht ohne
Weiteres auf die nach § 1822 Nr. 8 BGB genehmigungsbedürftige Aufnahme des
Kredites, den die Grundschuld sichern soll (OLG Celle
1954, 64; BGB-RGRK/Dickescheid Rn 8; Soergel/Zimmermann Rn 13; Palandt/Götz
Rn 13; MünchKomm/Kroll-Ludwigs Rn 8; Erman/Schulte-Bunert Rn 6). Die Auslegung
der Genehmigungen ergibt aber hier, dass mit der Genehmigung zur Urkunde vom
21.04.1998 die Sicherungsabrede und die Bestellung der vereinbarten Sicherheit
sowie die dazu erforderliche Kreditaufnahme durch den Antragsteller im Umfang von
insgesamt 240.000,- DM als genehmigt anzusehen ist. Es lag ein enger rechtlicher
und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskauf nebst
Auflassung und der zur Sicherheit bestellten Grundschuld einerseits und der dazu
erforderlichen Kreditaufnahme im Umfang von 240.000,- DM andererseits vor, da
nicht nur der Grundstückskauf selbst, sondern auch die Sanierung des Objektes nach
dem Willen der Beteiligten vorgesehen war und von der Kreditaufnahme mit umfasst
gewesen sein soll. Dies wird durch den Umstand belegt, dass bereits in dem
Darlehensantrag vom 18.12.1997 für den Kauf und die Sanierung des Objekts nebst
Nebenkosten eine gesamte Kreditaufnahme von 240.000,- DM vorgesehen war. Die
Aufteilung in zwei Darlehensverträge war nur dem Umstand geschuldet, dass das für
die Sanierung vorgesehene Darlehen zweckgebunden aus Mitteln der Kreditanstalt für
Wiederaufbau gewährt werden sollte. Insoweit lag ein einheitlicher Geschäftsvorgang
vor, der neben dem Grundstückskauf auch die Bestellung der vereinbarten
Sicherheiten und die erforderliche Kreditaufnahme durch den Antragsteller mit
umfasste, so dass nicht nur der Darlehensvertrag vom 13.01.1998 sondern auch der
vom 28.05.1998 als genehmigt anzusehen ist (vgl. Staudinger/Veit (2020) BGB
§ 1828, Rn. 55 m.w.N.; Soergel/Zimmermann Rn 13; MünchKomm/Kroll-Ludwigs Rn
8; Erman/Schulte-Bunert Rn 6). Dem steht nicht entgegen, dass der Darlehensvertrag
zeitlich später als die Genehmigung zur Urkunde vom 21.04.1998 abgeschlossen
wurde, denn es bestand eine enge rechtliche und wirtschaftliche Verbindung zwischen
dem bereits genehmigten Darlehensvertrag vom 13.01.1998 und dem zum Zeitpunkt
der Vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung vom 24.02.1998 noch nicht
abschlussreifen aber hinreichend bestimmten weiteren Kredit, der der von vornherein
geplanten und notwendigen Sanierung des zu erwerbenden Grundbesitzes dienen
sollte, wie dem Vormundschaftsgericht auch bekannt gewesen ist.
c) Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, dass die von ihm abgeschlossenen
Darlehensverträge gem. § 138 Abs. 2 BGB sittenwidrig und nichtig seien, weil sie ihn
finanziell in krasser Weise überfordert hätten, da er zum damaligen Zeitpunkt nicht
über die erforderlichen finanziellen Einkünfte zur Bedienung der Darlehen verfügt
habe.
aa) Liegt wie hier ein Darlehensvertrag mit marktüblichen Konditionen vor, ist der
Abschluss nicht allein deshalb mit den guten Sitten unvereinbar, weil der
Darlehensnehmer nicht in der Lage ist, die eingegangenen Verpflichtungen zu
erfüllen. Die Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie lässt es zu, auch risikoreiche
Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die nur unter
besonders günstigen Bedingungen, gegebenenfalls unter dauernder
Inanspruchnahme des pfändungsfreien Einkommens, erbracht werden können. In
dem Abschluss eines Vertrages, der eine solche Verpflichtung zum Inhalt hat, kann
deshalb ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ein Verstoß gegen die guten Sitten
regelmäßig nicht gesehen werden (Nassall in:
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl.,
(Stand: 04.02.2021), Rn. 223). Solche, eine Sittenwidrigkeit begründenden
besonderen Umstände hat der Antragsteller nicht ausreichend dargelegt.
bb) Die Minderjährigkeit des Antragstellers bei Abschluss der Darlehensverträge vom
13.01. und 28.05.1998 begründet für sich genommen noch nicht die Annahme einer
sittenwidrigen Ausnutzung seiner Unerfahrenheit durch die Antragsgegnerin. Denn die
zeitlich spätere und gestaffelte Genehmigung sowohl der Kreditaufnahme als auch
des Grundstücksgeschäfts durch das Vormundschaftsgericht spricht entscheidend
gegen die Annahme einer den Interessen des minderjährigen Antragstellers
entgegenstehenden familiären Drucksituation bei der Darlehensaufnahme. Sie ist
auch mit der Behauptung, die Kreditaufnahme durch den Antragsteller sei durch die
Bank allein veranlasst worden, nicht zu vereinbaren. Die Genehmigung des
Familiengerichts vermag zwar nur die Einschränkung der Vertretungsmacht des
Vormunds durch den Genehmigungsvorbehalt, nicht aber sonstige materiell-rechtliche
Mängel des Rechtsgeschäfts zu beseitigen (OLG Frankfurt 15.5.2018 - 20 W 38/18,
juris Rn 12,
Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit oder infolge Anfechtung trotzdem unwirksam sein
(Staudinger/Veit (2020) BGB § 1828, Rn. 59). Im Rahmen der
Ermessensentscheidung zur Erteilung der Genehmigung hat das
Vormundschaftsgericht aber auch alle Vor- und Nachteile sowie die Risiken des zu
prüfenden Geschäfts für den Minderjährigen abzuwägen und zwar vom Standpunkt
eines verständigen, die Tragweite des Geschäfts überblickenden Volljährigen. In die
Abwägung sollen auch Überlegungen der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit des
Geschäfts einfließen, dabei sind nur die Interessen des Mündels, nicht solche dritter
Personen maßgeblich. Bei der Abwägung der gesamten Mündelinteressen ist ein
genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft dann genehmigungsfähig, wenn es einer
ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung entspricht (vgl. Staudinger/Veit (2020) BGB
§ 1828, Rn. 26 m.w.N.). Da die Genehmigung des Grundstückskaufs und der
Darlehensaufnahme erteilt wurde, ist davon auszugehen, dass die genannten
Voraussetzungen vorgelegen haben. Da die Bedingungen der Darlehensaufnahme
zur Finanzierung des Grundstücksgeschäftes durch das Vormundschaftsgericht
geprüft und für angemessen erachtet worden sind, durfte die Antragsgegnerin auch
darauf vertrauen, dass keine in der Minderjährigkeit des Antragstellers oder in der
familiären Situation insbesondere im Verhältnis zu seinen Eltern begründeten
Umstände vorlagen, die für eine Sittenwidrigkeit der beabsichtigten
Darlehensaufnahme sprechen.
cc) Es liegt auch kein Fall einer bloßen Mithaftung für ein fremdes Darlehen vor, die
bei Hinzutreten weiterer besonderer Umstände wie eine krasse finanzielle
Überforderung eine Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB begründen kann.
Maßgebend für die Abgrenzung zwischen der Begründung einer echten
Mitdarlehensnehmerschaft und einer Mithaftungsübernahme des Kreditgebers ist die
von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Rechtsfolge. Maßgeblich ist der
wirkliche Parteiwille bei Abschluss des Darlehensvertrages, der im Wege der
Vertragsauslegung nach
Mitdarlehensnehmer ist ungeachtet der Vertragsbezeichnung in aller Regel nur
derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes - sachliches
und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie als im
wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung bzw. Verwendung der
Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 – XI ZR
325/03 –, Rn. 12 - 16, juris). Nach dem Inhalt der Darlehensverträge diente die
Kreditaufnahme dem Ankauf und der Sanierung eines Wohngrundstücks, an dem der
Antragsteller neben seinen Eltern zu gleichen Teilen Miteigentum erwerben sollte und
dass von den Darlehensnehmern gemeinsam bewohnt und bewirtschaftet werden
sollte. Aus der maßgeblichen Sicht der Kreditgeberin war daher mit der Aufnahme der
Darlehen und dem Grundstückskauf ein unmittelbares wirtschaftliches und
persönliches Eigeninteresse des Antragstellers verbunden. Die von dem
Antragsgegner zur Begründung seiner Rechtsansicht angeführte Rechtsprechung ist
daher mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.
Anders als in den der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung zugrunde liegenden
Sachverhalten bestehen auch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für die
Annahme einer krassen finanziellen Überforderung des Antragstellers zum Zeitpunkt
der Kreditaufnahme im Jahr 1998. Der Vortrag, er sei bei monatlichen Einkünften in
Höhe von rund 1.300,- DM aus eigener Arbeitstätigkeit zur Erbringung der jährlichen
Zinsbelastung i.H.v. 15.023,50 DM für die übernommenen Kreditverbindlichkeiten
nicht in der Lage gewesen, lässt für sich genommen noch nicht auf seine krasse
finanzielle Überforderung schließen. Vielmehr ist angesichts der beabsichtigten
Verwendung der Darlehensvaluta zum gemeinsamen Ankauf des Wohngrundstücks
und der nachfolgend geplanten Sanierung nicht nur auf die Einkünfte des
Antragstellers abzustellen, denn der Antragsteller hat im Rahmen der Kreditaufnahme
keine Sicherheit für ein fremdes Darlehen gestellt oder nur lediglich mittelbare Vorteile
erlangt. Aus diesem Grund kann auch nicht die vom Antragsteller angeführte
Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit der Mithaftungsübernahme von Kindern
herangezogen werden, die sich regelmäßig für eine fremde Schuld bzw.
Investitionsentscheidung verbürgt bzw. Darlehen aufgenommen haben (vgl. u.a. BGH,
Urteil vom 25. Januar 2005 – XI ZR 325/03 –, Rn. 12 - 16, juris m.w.N.). Liegt wie hier
ein unmittelbares wirtschaftliches und persönliches Eigeninteresse an der
Kreditaufnahme vor, muss im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Wert der
Immobilie - auch nach Sanierung - Berücksichtigung finden. Im Hinblick auf den für
Kauf und geplante Sanierung aufgewendeten Betrag in Höhe von
122.710,05 €/240.000,- DM einerseits und dem durch das sechs Jahre nach dem
Kauf erstellte Verkehrswertgutachten von 2005 belegten Wert der Immobilie in Höhe
von 139.000,- €/ 271.860,37 DM anderseits liegen keine Anhaltspunkte für die
Annahme vor, der vom Antragsteller erworbene Miteigentumsanteil sei tatsächlich
wertlos gewesen oder die für die Sanierung des Wohnhauses aufgenommenen Mittel
seien überwiegend zweckwidrig verwendet worden. Daneben sind bei dem hier
vorliegenden Erwerb eines Miteigentumsanteils bei der Prüfung einer krassen
finanziellen Überforderung nicht nur das Einkommen des Antragstellers und der Wert
der Immobilie, sondern auch die Einkünfte seiner Eltern, die unstreitige Vermietung
von zumindest einer Wohnung im Objekt und der zum Zeitpunkt der
Darlehensaufnahme erwartenden Wohnvorteile in Form von ersparter Miete zu
berücksichtigen. Es bedarf auch keiner weiteren Aufklärung, ob er mit seinem
Einkommen zum damaligen Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, die Darlehensraten
allein zu bedienen, denn vor dem Hintergrund des Erwerbs eines Miteigentumsanteils
ist bei der Prüfung einer finanziellen Überforderung die finanzielle Situation auch der
mithaftenden Eltern als weitere Miteigentümer zu berücksichtigen, die indes vom
darlegungs- und beweisbelasteten Antragsteller nicht näher beleuchtet wird. Vor
diesem Hintergrund ergeben sich aus dem Sachvortrag des Antragstellers keine
hinreichend schlüssigen Anhaltspunkte für die Annahme seiner krassen finanziellen
Überforderung im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme, die für die Antragsgegnerin als
Kreditgeberin erkennbar gewesen wäre.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten. Die Verpflichtung des Antragstellers, die Kosten
des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz (Ziff. 1812
Anlage KV GKG); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Gründe für die Zulassung
der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Dresden
Erscheinungsdatum:19.04.2021
Aktenzeichen:4 W 109/21
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Bürgschaft u.a. Personalsicherheiten
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 138, 1643 Abs. 1, 1822 Abs. 1 Nr. 5; ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 5