BFH 27. Mai 2020
II R 45/17
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1

Mittelbare Anteilsvereinigung bzgl. grundbesitzender Personengesellschaft bei zwischengeschalteter Kapitalgesellschaft

letzte Aktualisierung: 28.4.2021
BFH, Urt. v. 27.5.2020 – II R 45/17

GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1
Mittelbare Anteilsvereinigung bzgl. grundbesitzender Personengesellschaft bei
zwischengeschalteter Kapitalgesellschaft

1. Grundbesitzende Gesellschaft i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann sowohl eine Personenals
auch eine Kapitalgesellschaft sein.
2. Bei einer über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vermittelten (mittelbaren)
Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist für eine Anteilsvereinigung i. S. des
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht die
sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen maßgebend.
3. Hält der Erwerber bereits unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile am
Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer unmittelbarer oder
mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

Entscheidungsgründe

II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Erwerbsvorgang begründet keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand. Als "Anteil der Gesellschaft" i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist auch bei einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Gesellschaft anzusehen.

1. Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer --soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt-- ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden.

a) § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist gleichermaßen auf grundbesitzende Personen- und Kapitalgesellschaften anwendbar. Der Wortlaut der Vorschrift, der von "Vermögen" und "Anteil" an einer grundbesitzenden "Gesellschaft" spricht, differenziert insoweit nicht.

b) Die Steuerbarkeit wird durch die erstmalige Vereinigung der Anteile und hierbei durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Die Anteilsvereinigung kann auch dadurch erfolgen, dass der Erwerber die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft teils unmittelbar und teils mittelbar erwirbt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.03.2014 - II R 51/12, BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356, Rz 11, und vom 27.09.2017 - II R 41/15, BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667, Rz 13, jeweils m.w.N.).

c) Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft dann unmittelbar, wenn er zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird. Beim mittelbaren Anteilserwerb scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da es keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsieht. Unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilserwerb vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu beurteilen. Entscheidend kommt es auf die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft an (vgl. BFH-Urteile in BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356, Rz 12 f., und in BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667, Rz 14 f., jeweils m.w.N.).

d) Bei einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft setzt ein mittelbarer Anteilserwerb, der zu einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, voraus, dass der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten Gesellschaft (Zwischengesellschaft) oder bei den Zwischengesellschaften als auch bei der grundbesitzenden Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen. Dies ist beispielsweise bei Vorhandensein einer einzigen Zwischengesellschaft der Fall, wenn der Anteilserwerber mindestens 95 % der Anteile an der Zwischengesellschaft hält und diese ihrerseits zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Beteiligung der Gesellschaft, die Gesellschafterin der grundbesitzenden Gesellschaft ist, für Zwecke des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG dem Anteilserwerber als mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet. Der Gesetzgeber geht mit der Absenkung der Mindestbeteiligungsquote auf 95 % durch Art. 15 Nr. 1 Buchst. b des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) für Zwecke der Grunderwerbsteuer typisierend davon aus, dass der Anteilserwerber mit dem Erreichen dieser Quote in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen bei der grundbesitzenden Gesellschaft durchzusetzen (BFH-Urteile in BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356, Rz 14 f., und in BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667, Rz 16 f., jeweils m.w.N.).

Wird die Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft gehalten, ist für die Beurteilung, ob mittelbar mindestens 95 % der Anteile i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden, in Hinblick auf die zwischengeschaltete Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung des erwerbenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft maßgebend. Der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft vermittelt regelmäßig, soweit er mindestens 95 % beträgt, die rechtliche Möglichkeit für den beteiligten Gesellschafter, den Willen in der Personengesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen. Diese Möglichkeit hat der Gesellschafter auch in Bezug auf nachgeordnete Gesellschaften, an denen die Personengesellschaft wiederum zu mindestens 95 % beteiligt ist. Die Beteiligung an diesen Gesellschaften ist unmittelbar der Personengesellschaft und mittelbar deren Gesellschafter zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667, Rz 19 f.; ebenso bereits --nur für die mittelbare Beteiligungsebene-- BFH-Urteil in BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356, Rz 20).

Der Erwerb von Anteilen an einer zwischengeschalteten Personengesellschaft kann dann zu einer mittelbaren Anteilsvereinigung i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bei der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beitragen oder führen, wenn dem Erwerber nach dem Anteilserwerb mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der Personengesellschaft zuzurechnen sind. Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist die Beteiligung der Personengesellschaft an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft dem Anteilserwerber mittelbar zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667, Rz 22).

e) Dieselben Grundsätze gelten, wenn die grundbesitzende Gesellschaft eine Personengesellschaft ist und es sich bei der zwischengeschalteten Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt.

aa) Anteil der grundbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist auch in diesem Falle der Anteil an deren Vermögen und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung.

Der Gesellschafter, der am Gesellschaftskapital der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft mindestens 95 % der Anteile innehat, besitzt die rechtliche Möglichkeit, den Willen in der Kapitalgesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen. Diese Möglichkeit hat der Gesellschafter auch in Bezug auf nachgeordnete grundbesitzende Personengesellschaften, an denen die Kapitalgesellschaft wiederum zu mindestens 95 % beteiligt ist. Die Beteiligung an diesen grundbesitzenden Personengesellschaften ist unmittelbar der Kapitalgesellschaft und mittelbar deren Gesellschafter zuzurechnen.

bb) Für den Fall der mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft hat der BFH entschieden, dass als Anteil i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die Beteiligung aller Gesellschafter am Gesamthandsvermögen maßgeblich ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356, Rz 20). Der Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG würde verfehlt, wenn man insoweit zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften unterscheiden würde (BFH-Urteil in BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356, Rz 20). Es spricht viel dafür, dass dies --entgegen der vorstehenden Entscheidung-- auch für die unmittelbare Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft gilt. Im Streitfall muss diese Rechtsfrage allerdings nicht entschieden werden, da es nicht um die unmittelbare, sondern um die mittelbare Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile der grundbesitzenden Personengesellschaft geht.

f) Hält der Erwerber bereits mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

2. Das FG ist auf Grundlage des BFH-Urteils in BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356 von abweichenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Sache ist spruchreif. Die Vorentscheidung, der Grunderwerbsteuerbescheid vom 22.06.2012, der Änderungsbescheid vom 18.09.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 21.08.2013 werden aufgehoben. Der Erwerbsvorgang erfüllte den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht.

Nach den Feststellungen des FG war die Klägerin bereits vor Abschluss des Kaufvertrags mittelbar zu 95 % an der KG beteiligt. Diese Beteiligung wurde vermittelt durch ihre 100 %ige Beteiligung an der zwischengeschalteten B-GmbH, die ihrerseits 95 % Anteile am Vermögen der KG hielt. Der mittelbaren Beteiligung der Klägerin an der KG in Höhe von mindestens 95 % steht nicht entgegen, dass vor Abschluss des Kaufvertrags die G-GmbH als weitere Kommanditistin und die D-GmbH --bzw. mittelbar die V-GmbH-- als Komplementärin an der KG beteiligt waren. Denn für die mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden KG kommt es nicht auf die gesamthänderische Mitberechtigung, sondern auf den Anteil am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht nach § 121 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

27.05.2020

Aktenzeichen:

II R 45/17

Rechtsgebiete:

Grunderwerbsteuer

Normen in Titel:

GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1