BayObLG 29. September 1982
BReg. 2 Z 72/82
GBO § 35

Zum „Beruhen" i.S. v. § 35 GBO

Aus den Gründen:
Die weitere Beschwerde ist gemäß § 78 GBO als Rechtsbeschwerde zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg, da die
angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht (§ 78 GBO i.V. mit §§ 550, 551 ZPO).
Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Begründung von Wohnungseigentum nicht
möglich ist unter Einbeziehung eines Gebäudes, das im
Wege des Eigengrenzüberbaus (s. hierzu und zum gestatteten Überbau insbesondere RGZ 160, 166, 177; BGHZ 62, 141
[= MittBayNot 1974, 140]; MünchKomm-Säcker, zu § 912
BGB, Rdnrn. 45 und 49 mwN.) auf das Nachbargrundstück
hinübergebaut wurde. Dies ergibt sich allerdings nicht aus
§ 1 Abs. 4 WEG, da in den Fällen des gestatteten oder des
Eigengrenzüberbaus der Überbau wesentlicher Bestandteil
des Grundstückes wird, von dem aus auf das Nachbargrundstück hinübergebaut wurde (BGHZ 62, 141). Das Sondereigentum soll also nicht mit Miteigentum an mehreren
Grundstücken verbunden werden, sondern nur mit dem Miteigentum an einem Grundstück, zu dem als wesentlicher Bestandteil der auf das Nachbargrundstück hinübergebaute
Gebäudeteil gehört.
Aus der Regelung von § 7 WEG in Verbindung mit §§ 3-5
und 8 WEG ergibt sich jedoch, daß klar geregelt sein. muß,
was Gegenstand des Sondereigentums ist und was zum gemeinschaftlichen Eigentum gehört, und daß diese Regelung
auch aus dem Grundbuch ersichtlich sein muß. Dies setzt
voraus, daß auch grundbuchmäßige Klarheit über die Eigentumsverhältnisse an den Gebäudeteilen besteht, die zum gemeinschaftlichen oder zum Sondereigentum gehören. Diese
Voraussetzung ist nicht erfüllt bei Gebäudeteilen, die im
Einverständnis mit dem Grundstücksnachbarn oder im
Wege des Eigengrenzüberbaus teilweise auf das Nachbargrundstück hinübergebaut wurden. Denn die Frage, von wo
aus übergebaut wurde, beantwortet sich in diesen Fällen
nach den Absichten und wirtschaftlichen Interessen des Erbauers (BGHZ 62, 141, 146). Die Verpflichtung, den Überbau
zu dulden, kann im Grundbuch nicht eingetragen werden
(MünchKomm-Säcker, zu § 912 BGB, Rdnr. 27).
Der Senat schließt sich daher grundsätzlich der Entscheidung des OLG Hamm in Rpfleger 1976, 317, 319 an, wonach
Wohnungseigentum nicht begründet werden kann, wenn ein
Gebäude auf mehreren Grundstücken im Rechtssinne errichtet wird. Der Senat ist allerdings mit Haegele, Grundbuchrecht, 6. Aufl., Rdnr. 1537, der Auffassung, daß eine Einschränkung des Grundsatzes für den Fall geboten ist, daß
der Überbau in Ausübung einer Grunddienstbarkeit erfolgt.
In diesem Fall wird der auf Grund der Dienstbarkeit übergebaute Teil der Tiefgarage nach §§ 95 Abs. 1 und 96 BGB
wesentlicher Bestandteil des herrschenden Grundstückes.
Dies ist aus dem Grundbuch auch ersichtlich. Wenn und soweit der Überbau daher auf Grund einer Dienstbarkeit erfolgt,wie sie imvorliegenden Falle für den jeweiligen Eigentümer des Grundstückes Flst. Nr. 6049 und 6049/1 und zu Lasten des Grundstückes FIst. Nr. 6049/2 bestanden hatte,
würde die Tatsache des Überbaus der Eintragung der Teilung nach § 8 WEG nicht entgegenstehen
Anmerkung der Schriftleitung:
Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Röll in diesem Heft
S. 5 sowie den vorstehend auf S. 14 abgedruckten Beschluß
des LG Bonn.
7. GBO § 35 (Zum „Beruhen" i.S. v. § 35 GBO)
Zur Frage, wann bei Vorhandensein eines privatschriftlichen
Testaments und einer in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen zur Umschreibung des
Grundbuchs auf den Erben die Vorlage eines Erbscheins verlangt werden kann (hier: bei Verweisung auf das Testament
und dessen Klarstellung in einem Punkt).
BayObLG, Beschluß vom 29.9. 1982 — BReg. 2 Z 72/82 —
mitgeteilt von Dr. Martin Pfeuffer, Richter am BayObLG
Aus dem Tatbestand:
1.Der Onkel des Beteiligten, Dr. W., ist verstorben. Er war Allein- oder
Miteigentümer verschiedener Grundstücke sowie (Mit-)Inhaber von
Erbbaurechten.
Dr. W. hinterließ eine Reihe von Verfügungen von Todes wegen. Insbesondere heißt es in einem vom Erblasser ab 31. 5. 1967 unterzeichneten privatschriftlichen Testament:
„Zu meinem Erben setze ich X. und nach seinem Ableben seine leiblichen Nachkommen ein."
(X. ist der Vater des Beteiligten). In einem Erbvertrag vom 5. 4. 1968
[den Dr. W. mit einem Vermächtnisnehmer abschloß] ist vermerkt:
„Nicht aufgehoben sind alle sonstigen Verfügungen von Todes
wegen des Herrn Dr. W., soweit sie mit diesem Erbvertrag nicht in
Widerspruch stehen. Insbesondere bleiben aufrechterhalten:
a) Verfügungen von Todes wegen, durch welche Herr Dr. W. seine Erben bestimmt; ..."
In einem Erbvertragsnachtrag ist u. a. vermerkt:
„Ferner bleiben bestehen die privatschriftlichen Testamente von
Herrn Dr. W. vom 31. Mai 1967 (Erbeinsetzung) und vom 13. März 1971
(Vermächtnis. zugunsten von Frau Z.). Das Testament des Herrn
Dr. W. vom 31. Mai 1967 ist dahin auszulegen, daß Herr X. unbeschränkter Vollerbe von Herrn Dr. W. ist, während die leiblichen Abkömmlinge des Herrn X. nur als Ersatzerben eingesetzt sind, d. h. nur
für den Fall, daß Herr X. nicht Erbe wird. Es ist also keine Vor- und
Nacherbfolge angeordnet."
X. schlug die Erbschaft nach Dr. W. aus. Zur Niederschrift des Nachlaßgerichts vom 23. 3. 1982 erklärte der Beteiligte, er sei der einzige
Abkömmlung seines Vaters X. Infolge der Ausschlagung der Erbschaft durch seinen Vater sei Ersatzerbfolge eingetreten; er, der Beteiligte, sei Alleinerbe nach Dr. W. Entsprechende Grundbuchberichtigung werde beantragt.
2. Den Antrag auf Grundbuchberichtigung beanstandete der
Rechtspfleger beim Amtsgericht - Grundbuchamt — mit Zwischenverfügung vom 14. 4. 1982. In ihr wird die Vorlage eines Erbscheins
nach Dr. W. gefordert.
Hiergegen richtete sich die Erinnerung des Beteiligten vom 19. 5.
1982.
Der Erinnerung haben Grundbuchrechtspfleger und Grundbuchrichter nicht abgeholfen. Nach Vorlage hat das Landgericht die Beschwerde mit Beschluß vom 24. 6. 1982 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten eingelegte weitere Beschwerde vom 11. B. 1982,
mit der der Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs weiterverfolgt
wird.
Aus den Gründen:
IL
Die zulässige weitere Beschwerde (§§ 78, 80 Abs. 1 Satz 2
GBO) ist nicht begründet.
1.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen
Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
a) Wird nach dem Tod des im Grundbuch eingetragenen
Grundstückseigentümers die Berichtigung des Grundbuchs
(Umschreibung auf den Erben) beantragt (§ 22 Abs. 1 GBO),
so kann der Nachweis der Erbfolge — von dem hier nicht gegebenen Sonderfall des § 35 Abs. 3 GBO abgesehen —
grundsätzlich nur durch einen Erbschein geführt werden
(§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO; vgl. hierzu BGH Rpfleger 1982,
333/334[= MittBayNot 1983, 17, in diesem Heft]. Beruht die
16 MittBayNot 1983 Heft 1


Erbfolge jedoch auf einer Verfügung von Todes wegen, die
in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt die
Vorlage dieser Urkunde u'nd der Niederschrift über ihre Eröffnung (bzw. die Übersendung der beim gleichen Gericht
geführten Nachlaßakten, in denen sich diese Urkunden befinden; vgl. BGH NJW 1982, 170/172 [= MittBayNot 1981,
237]; BayObLGZ 1974, 1/3 f. [= MittBayNot 1974, 22]; dazu
Anmerkung von Bokelmann Rpfleger 1974, 435); das Grundbuchamt kann hier die Vorlage eines Erbscheins nur dann
verlangen, wenn es die Erbfolge durch diese Urkunden nicht
für nachgewiesen erachtet (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO; zum Umfang der Prüfungspflicht des Grundbuchamts in diesem Fall
vgl. BayObLG aaO m. Nachw.).
b) Als derartige öffentliche Urkunden kommen hier der Erbvertrag des Erblassers vom 5.4. 1968 sowie der Erbvertragsnachtrag vom 9. 7. 1979 in Betracht.
Für die Auffassung des Landgerichts, die Erbfolge nach Dr.
W. beruhe ausschließlich auf dessen privatschriftlichem Testament vom 31.5. 1967, nicht aber auf einer öffentlichen Urkunde (Erbvertragsnachtrag), spricht, daß sowohl der Erbvertrag vom 5.4. 1968 als auch der Erbvertragsnachtrag vom
9.7.1979, die ausschließlich Vermächtnisse zum Inhalt
haben, nicht aber eine Erbeinsetzung regeln, das zuvor errichtete privatschriftliche Testament vom 31.5. 1967 lediglich „aufrechterhalten" bzw. „bestehen bleiben" lassen.
Auch wenn der Erblasser in den Erbvertragsnachtrag zur
Auslegung seines Testaments vom 31.5. 1967 einen klarstellenden Hinweis (Ersatzerbfolge, nicht Vor- und Nacherbeinsetzung) hat aufnehmen lassen, könnte es deshalb an einem ausreichenden Nachweis dafür fehlen, der Erblasser
habe sich in den öffentlichen Urkunden nicht nur hinsichtlich der angeordneten Vermächtnisse, sondern auch in Bezug auf die Erbeinsetzung vertraglich binden wollen, so daß
er nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die Erbfolge einseitig abweichend von seiner letztwilligen Verfügung vom 31.5.
1967 zu bestimmen. Doch kann dies letztlich auf sich beruhen.
c) Liegen nämlich — wie hier — eine privatschriftliche und
eine in einer öffentlichen Urkunde (Erbvertragsnachtrag)
enthaltene Verfügung von Todes wegen vor, so kann nach
§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO von der Vorlage eines Erbscheins nur
dann abgesehen werden, wenn allein die in der öffentlichen
Urkunde enthaltene letztwillige Verfügung Grundlage der
Eintragung ist. Denn das privatschriftliche Testament kann
niemals, auch wenn es inhaltlich völlig klar ist, Grundlage
der Berichtigung des Grundbuchs auf den Erben sein
(Meyer-Stolte Rpfleger 1975, 313/314 in Anm. zu OLG Oldenburg Rpfleger 1974, 434). Liegen deshalb sowohl eine Verfügung von Tode wegen in einer öffentlichen Urkunde als auch
ein privatschriftliches Testament vor, so kann nach dem
Grundsatz des § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO auf die Vorlage eines
Erbscheins nur dann verzichtet werden, wenn die Erbfolge
— auch oder ausschließlich — auf der öffentlichen Verfügung von Todes wegen beruht, sei es, daß durch diese das
Testament aufgehoben oder wiederholt worden ist oder das
Testament unwirksam ist oder die Erbfolge aus anderen
Gründen nicht auf dem privatschriftlichen Testament beruht
(Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann — KEHE — Grundbuchrecht 2. Aufl., Rdnr. 65, Horber GBO 15. Aufl. Anm. 4 A b,
Güthe/Triebel Rdnr. 49, je zu § 35; Haegele Grundbuchrecht
6. Aufl. Rdnr. 296; Bokelmann Rpfleger 1971,337/338; vgl. ferner für den Fall eines der öffentlichen Verfügung nachfolgenden privatschriftlichen Testaments KG JFG 18, 332/334
f.; OLG Oldenburg aaO).
MittBayNot 1983 Heft 1
Im vorliegenden Fall ist das privatschriftliche Testament
des Erblassers vom 31.5. 1967 in der späteren öffentlichen
Urkunde nicht aufgehoben worden. Auch ist es nicht rechtsunwirksam oder für die Erbfolge völlig unerheblich. Vielmehr
enthält das privatschriftliche Testament die maßgebliche
Erbeinsetzung. In den späteren öffentlichen Urkunden heißt
es insoweit lediglich, dieses Testament bleibe aufrechterhalten oder bestehen. Der Inhalt dieses Testaments ist aber
in den öffentlichen Urkunden nicht wiedergegeben, so daß
— angesichts der von einem Notar gewählten Formulierung
— nicht davon ausgegangen werden kann, es sei hiermit
eine (erneute) Erbeinsetzung gewollt gewesen. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, inwieweit private Urkunden, die in einer öffentlichen Urkunde lediglich in Bezug genommen worden sind, damit Teil dieser öffentlichen Urkunde werden (vgl. hierzu § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG; Palandt BGB
41. Aufl. Anm. 3.a, b, Jansen FGG 2. Aufl. Rdnrn. 19, 21, Keidel/Kuntze/Winkler FGG 11. Aufl. Rdnrn. 29 bis 32,43, 48, 62,
je zu § 9 BeurkG m. Nachw.). Die in den Erbvertragsnachtrag
vom 9. 7. 1979 weiter aufgenommene Bestimmung über das
Verhältnis zwischen dem in erster Linie eingesetzten Bruder
X. und den bei dessen Wegfall berufenen leiblichen Abkömmlingen ändert hieran nichts, da auch diese Klausel
ausdrücklich nur der Auslegung des privatschriftlichen
Testaments des Erblassers vom 31. 5. 1967 dienen soll.
Schließlich kann auch nicht der in der weiteren Beschwerde
herausgestellte rechtliche Gesichtspunkt durchgreifen, die
öffentliche Urkunde vom 9. 7.1979 würde jedenfalls dann als
Nachweis für die Erbfolge ausreichen, wenn das privatschriftliche Testament vom 30.5. 1967 aus irgendwelchen
Gründen unwirksam (oder verloren gegangen) sei; denn ein
solcher Fall liegt hier gerade nicht vor. An der Wirksamkeit
des privatschriftlichen Testaments sind Zweifel nicht geäußert worden; sie sind auch nicht ersichtlich. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die Erbfolge im vorliegenden
Fall nicht auf diesem Testament beruht.
d) Nach alledem kann die Zwischenverfügung des Grundbuchamts, mit der zur Vornahme der beantragten Grundbuchberichtigung die Vorlage eines Erbscheins verlangt
worden ist, nicht beanstandet werden. Es kommt daher
nicht auf die von den Beteiligten angeführte, eine andere
Fallgestaltung betreffende Entscheidung des Senats BayObLGZ 1974, 1 ff. [= MittBayNot 1974, 22] sowie auch nicht
darauf an, ob der Nachweis — hier z. B. zu der Frage, wer als
„leibliche Nachkommen" in Betracht kommt (bei derartiger
Unbestimmtheit des Erben wird zum Teil stets die Vorlage
eines Erbscheins verlangt; vgl. z. B. Güthe/Triebel GBO
6. Aufl. § 35 Rdnr. 56; Bokelmann Rpfleger 1971, 337/340 m.
Nachw.) — auch durch andere öffentliche Urkunden, z. B.
durch eine formgerechte eidesstattliche Versicherung, erbracht werden könnte (vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 434
m. abl. Anm. von Meyer-Stolte; vgl. hierzu ferner BGH, Beschluß vom 9.7. 1980 — V ZB 3/80 -, wiedergegeben bei
Otto Rpfleger 1980, 415/417; BayObLG aaO S. 5 ff.).
B. GBO § 35 Abs. 1 Satz 1, § 51(Zum Nachweis der Nacherbfolge)
Die Nacherbfolge bedarf gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO des
Nachweises durch Erbschein auch dann, wenn das Recht
des Nacherben gemäß § 51 GBO im Grundbuch eingetragen
ist und eine Sterbeurkunde des Vorerben vorgelegt wird.
BGH, Beschluß vom 26. 5.1982 -.V ZB 8/81 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BayObLG

Erscheinungsdatum:

29.09.1982

Aktenzeichen:

BReg. 2 Z 72/82

Erschienen in:

MittBayNot 1983, 16-17

Normen in Titel:

GBO § 35