BFH 29. Oktober 2019
IX R 22/18
EStG §§ 9 Abs. 1 S. 1, 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1

Veräußerungskosten nicht als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar

letzte Aktualisierung: 14.02.2020
BFH, Urt. v. 29.10.2019 – IX R 22/18

EStG §§ 9 Abs. 1 S. 1, 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1
Veräußerungskosten nicht als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar

1. NV: Veräußert der Steuerpflichtige eine private, zuvor nicht vermietete Immobilie, um sich die
nötigen Geldmittel für die Anschaffung eines Vermietungsobjekts zu verschaffen, sind die
Veräußerungskosten grundsätzlich nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
2. NV: Eine den Veräußerungszusammenhang überlagernde und diese verdrängende Veranlassung
durch die beabsichtigte Vermietung ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn sich der
Steuerpflichtige ohne wirtschaftlichen oder rechtlichen Zwang zur Veräußerung entschlossen hat
und er auch über die Verwendung des Veräußerungserlöses frei disponieren kann (Abgrenzung zu
Senatsurteil vom 11.02.2014 – IX R 22/13, BFH/NV 2014, 1195).

Entscheidungsgründe

II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die streitigen Aufwendungen sind keine Werbungskosten bei den
Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung.

1. Das FG hat zur Begründung u.a. ausgeführt, Maklerkosten, die für die Veräußerung eines Vermietungsobjekts
anfielen, könnten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Werbungskosten bei den
Vermietungseinkünften aus einem anderen Objekt sein (BFH-Urteil vom 11.02.2014 - IX R 22/13, BFH/NV 2014,
1195). Die dortigen Grundsätze seien auf den Streitfall übertragbar und erfassten auch die im Zusammenhang mit
dem gescheiterten Kaufvertrag angefallenen Rechtsanwalts- und Notarkosten. Zwar habe sich die Klägerin im
Kaufvertrag nicht verpflichtet, den Veräußerungserlös zur Tilgung der Zwischenfinanzierung einzusetzen. Vielmehr sei
sie in der Verwendung des Geldes frei gewesen und hätte auch das Angebot zur Fortsetzung des Darlehens
annehmen können. Das sei jedoch unschädlich, weil sie sich tatsächlich so verhalten habe, als ob sie auch rechtlich
gebunden gewesen wäre. Im Übrigen fehle eine Begründung für eine dahin gehende rechtliche Einschränkung. Die
Veräußerungskosten seien vielmehr schon dann durch die zukünftigen Einkünfte aus Vermietung veranlasst, wenn der
Veräußerungserlös von vornherein zur Bezahlung des neuen Vermietungsobjekts bestimmt gewesen und auch
tatsächlich dazu verwendet worden sei. Die Aufwendungen könnten allerdings nur anteilig berücksichtigt werden,
soweit dies der Fall war.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von
Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen,
wenn sie durch sie veranlasst sind. Eine derartige Veranlassung liegt vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher
Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die
Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden. Maßgeblich ist danach, ob bei wertender
Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten
Erwerbssphäre zuzuordnen ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 - GrS 1/06, BFHE 227,
1, BStBl II 2010, 672, unter C.III.1.a, Rz 93, sowie BFH-Urteil vom 20.06.2012 - IX R 67/10, BFHE 237, 368, BStBl II
2013, 275).

b) Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der (beabsichtigten) Veräußerung einer privaten Immobilie anfallen,
zählen danach grundsätzlich zu den Veräußerungskosten. Veräußerungskosten können sich steuerlich im
Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auswirken, sie können jedoch nicht als Werbungskosten bei
einer anderen Einkunftsart abgezogen werden. Das zeigt sich insbesondere, wenn das veräußerte Grundstück
vermietet war. Insofern kommt eine Zurechnung zu den (ehemaligen) Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
grundsätzlich nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 01.08.2012 - IX R 8/12, BFHE 238, 129, BStBl II 2012, 781 betreffend
Notar- und Gerichtskosten; BFH-Urteile vom 06.12.2005 - VIII R 34/04, BFHE 212, 122, BStBl II 2006, 265, und vom
11.02.2014 - IX R 42/13, BFHE 245, 131, BStBl II 2015, 633 betreffend Vorfälligkeitsentschädigung wegen
Verpflichtung zur lastenfreien Eigentumsübertragung). Entsprechendes gilt im Grundsatz auch, wenn der
Steuerpflichtige eine private und zuvor nicht vermietete Immobilie veräußert, um sich die nötigen Geldmittel für die
Anschaffung eines Vermietungsobjekts oder einer anderen Einkunftsquelle zu verschaffen. Ist die Frist gemäß § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bereits abgelaufen, handelt es sich um eine Umschichtung im nicht steuerbaren
Vermögensbereich. Damit zusammenhängende Aufwendungen wirken sich steuerlich nicht aus; sie können
grundsätzlich auch nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
oder bei einer anderen Einkunftsart abgezogen werden.

c) Von diesen Grundsätzen hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFH/NV 2014, 1195 unter sehr engen
Voraussetzungen eine Ausnahme gemacht und in einem Sonderfall die für den Verkauf einer Vermietungsimmobilie
angefallenen Maklerkosten als Werbungskosten bei der Vermietung anderer Objekte zum Abzug zugelassen. Eine die
Zuordnung zu den Veräußerungskosten überlagernde und diese verdrängende Veranlassung durch die Erzielung von
Vermietungseinkünften sei mit dem FG jedenfalls dann anzunehmen, wenn "ausschließlicher Grund für die
Beauftragung des Maklers das Erzielen liquider Mittel für eine Entschuldung ist, um mit Hilfe der dadurch möglichen
Darlehenstilgung es weiterhin zu ermöglichen, aus den damit entschuldeten Objekten Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung zu erzielen". Danach müssen die Veräußerung und die dadurch ermöglichte (teilweise) Entschuldung
conditio sine qua non für die Fortsetzung der Vermietungstätigkeit und das Erzielen steuerpflichtiger Einkünfte sein.
Unerheblich ist, ob das Kreditinstitut die Entschuldung verlangt hat. Entscheidend kommt es auf den objektiven
wirtschaftlichen Zusammenhang an (vgl. auch BFH-Urteil vom 13.10.2015 - IX R 35/14, BFHE 252, 34, BStBl II 2016,
210 betreffend Beiträge für eine in die Finanzierung eingebundene Risikolebensversicherung). Es bedarf keiner
Entscheidung, ob stets eine unwiderrufliche Verfügung über den Veräußerungserlös im Veräußerungszeitpunkt
erforderlich ist oder ob der erforderliche Zusammenhang zwischen den Veräußerungskosten und der (beabsichtigten)
Einkünfteerzielung, wie das FG meint, auch auf andere Weise festgestellt werden kann.

d) Eine vergleichbare Sachlage ist im Streitfall jedenfalls nicht gegeben. Die Klägerin war nach den tatsächlichen
Feststellungen des FG nicht wirtschaftlich gezwungen, das Hausgrundstück zu veräußern, um die Eigentumswohnung
anschaffen zu können. Sie hat die Zwischenfinanzierung über 60.000 EUR offenbar erhalten, ohne das
Hausgrundstück dinglich belasten zu müssen. Das Kreditinstitut hat auch nicht verlangt, dass der Veräußerungserlös
bis zu dessen Tilgung auf das Darlehenskonto gezahlt werden muss. Es hat der Klägerin vielmehr angeboten, das
Darlehen in voller Höhe zu geänderten Konditionen fortzusetzen. Die Klägerin musste sich mithin nicht entschulden,
um (weiterhin) Vermietungseinkünfte erzielen zu können. Sie hat sich vielmehr ohne jeden wirtschaftlichen Zwang
dazu entschlossen, das Haus zu verkaufen und das frei gewordene Kapital in die neue Eigentumswohnung zu
investieren. Unter diesen Umständen ist eine den Veräußerungszusammenhang überlagernde und diesen
verdrängende Veranlassung durch die Erzielung von Einkünften nicht anzunehmen. Es handelt sich vielmehr um eine
Umschichtung im nicht steuerbaren Vermögensbereich. Die Veräußerungskosten, zu denen auch die Aufwendungen
gehören, die angefallen sind, um den gescheiterten ersten Verkauf rückabzuwickeln und einen weiteren Verkauf zu
ermöglichen, wirken sich daher nicht aus.

3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil kann keinen Bestand haben. Die Sache ist
spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

29.10.2019

Aktenzeichen:

IX R 22/18

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer

Normen in Titel:

EStG §§ 9 Abs. 1 S. 1, 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1