OLG Frankfurt a. Main 20. Oktober 2011
20 W 548/10
GBO § 29; BGB § 883; GBO § 35; GBO § 23; GBO § 22

Löschung einer Vormerkung (bedingter Rückforderungsanspruch bei Übertragungsvertrag) nach dem Tod des Übergebers; Auswirkungen der Möglichkeit eines „Aufladens“ auf das Grundbuchverfahren

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 20w548_10
letzte Aktualisierung: 12.03.2012
OLG Frankfurt am Main , 20.10.2011 - 20 W 548/10
GBO §§ 22, 23, 29, 35; BGB § 883
Löschung einer Vormerkung (bedingter Rückforderungsanspruch bei
Übertragungsvertrag) nach dem Tod des Übergebers; Auswirkungen der Möglichkeit eines
„Aufladens“ auf das Grundbuchverfahren
1.Die Löschung einer Auflassungsvormerkung setzt unter Berücksichtigung der BGHRechtsprechung zur "Aufladung" einer Vormerkung die Löschungsbewilligung der Erben des
Berechtigten und den Nachweis ihrer Erbenstellung in der Form des § 29 GBO voraus.
(amtlicher Leitsatz)
2. Enthält ein notarielles Testament eine Pflichtteilsstrafklausel, kann das Grundbuchamt für den
Nachweis der Erbfolge einen Erbschein verlangen. (amtlicher Leitsatz)
3. § 23 GBO ist auf eine Vormerkung nicht anwendbar. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)


Gericht:
OLG Frankfurt 20. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 20.10.2011
Aktenzeichen: 20 W 548/10
Dokumenttyp: Beschluss


Quelle: juris Logo
Normen:
§ 29 GBO, § 35 Abs 1 GBO, § 2075 BGB, § 2269 BGB

Voraussetzungen für Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Erbenbeteiligung

Leitsatz

1. Die Löschung einer Auflassungsvormerkung setzt unter Berücksichtigung der BGH‐
Rechtsprechung zur "Aufladung" einer Vormerkung die Löschungsbewilligung der Erben des
Berechtigten und den Nachweis ihrer Erbenstellung in der Form des § 29 GBO voraus.
2. Enthält ein notarielles Testament eine Pflichtteilsstrafklausel, kann das Grundbuchamt für den
Nachweis der Erbfolge einen Erbschein verlangen.

Verfahrensgang einblendenVerfahrensgang ...
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der Beschwerde.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


1

Die als Eigentümer im Grundbuch des eingangs aufgeführten Grundbesitzes eingetragenen
Antragsteller sind die Söhne der Eheleute A1 und A2. Die Eltern der Antragsteller sind beide
verstorben, die Mutter am ...2010. Sie hatten sich durch notariellen Ehe‐ und Erbvertrag vom ...1956
(UR‐Nr. .../1956 des Notars B1, O2) gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt, dass nach
dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an die Antragsteller und die aus ihrer Ehe
noch hervorgehenden Kinder zu gleichen Teilen fallen sollte. Der Erbvertrag enthält weiter die
Klausel, dass für den Fall, dass ein Kind mit den Bestimmungen dieses Erbvertrages nicht
einverstanden ist, den Vertrag anficht oder aus dem Nachlass des Zuerstversterbenden seinen
Pflichtteil verlangt, auch aus dem Nachlass des Zuletztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll.
Der Erbvertrag ist vom Amtsgericht Darmstadt –Nachlassgericht‐ laut Protokoll vom 18.02.2010 nach
dem Tod der A2 erneut eröffnet worden.

2

Zu UR‐Nr. .../2003 des Verfahrensbevollmächtigten vom ...2003 schloss A2 mit ihren Söhnen, den
Antragstellern, einen Übergabevertrag u. a. auch hinsichtlich des hier betroffenen Grundstücks.
Unter § V der Urkunde hatten sich die Übernehmer verpflichtet, den übertragenen Grundbesitz unter
bestimmten Voraussetzungen wieder zurück zu übereignen. Weiter heißt es in § V der Urkunde vom
...2003:

3

"Das Recht, die Rückübereignung zu verlangen, erlischt mit dem Tod des Berechtigten. Es geht
nicht auf die Erben über. Vererblich ist aber der Anspruch auf Rückübereignung, wenn der zur
Rückforderung Berechtigte bereits zu Lebzeiten das Rückübertragungsverlangen gestellt hat."

4

Zur Sicherung des aufschiebend bedingten Rückerwerbsanspruchs bewilligten und beantragten die
Vertragsbeteiligten zu Lasten des betroffenen Grundbesitzes die Eintragung einer
Rückauflassungsvormerkung zu Gunsten der Übergeberin.
5

Am 18.06.2004 ist aufgrund dieser Bewilligung in Abt. II lfd. Nr. ... eine Auflassungsvormerkung für
A2 eingetragen worden.

6

Durch notariellen Vertrag des hiesigen Verfahrensbevollmächtigten, UR‐Nr. .../2010 vom ...2010,
haben die Antragsteller zu 1) und 2) das betroffene Grundstück verkauft, die Auflassung erklärt und
die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch beantragt. Unter VI Ziff. … der Urkunde haben
die Vertragsbeteiligten der Löschung aller nicht übernommenen Rechte in Abt. II und III des
Grundbuchs zugestimmt und deren Löschung bewilligt und beantragt. Gelöscht werden sollten die in
Abt. II des Grundbuchs als lfde. Nr. ... eingetragenen Rechte.

7

Unter dem 27.07.2010 hat der Verfahrensbevollmächtigte gemäß § 15 GBO unter anderem die
Löschung der Auflassungsvormerkung in Abt. II lfd. Nr. ... beantragt und eine Sterbeurkunde
vorgelegt, wonach A2 am ...2010 verstorben ist.

8

Durch die angefochtene Zwischenverfügung vom 02.08.2010 hat der Rechtspfleger beim
Grundbuchamt zur Löschung der Auflassungsvormerkung die Vorlage eines Erbscheins verlangt auf
Grund der in dem Übergabevertrag vom ...2003 vorgesehenen Vererblichkeit des
Rückübereignungsanspruchs, wenn dieser bereits zu Lebzeiten der Berechtigten geltend gemacht
wurde.

9

In einem Schriftsatz vom 20.12.2010 hat der Verfahrensbevollmächtigte die Auffassung vertreten,
die Auflassungsvormerkung sei ohne weitere Nachweise zu löschen, da der
Rückübereignungsanspruch ausdrücklich nicht vererblich gestellt sei. Der unter V des
Geltendmachung zu Lebzeiten sei lediglich als Hinweis auf die Gesetzeslage zu verstehen und nicht
als abweichende Vereinbarung. Falls das Grundbuchamt dieser Auffassung nicht folge und die
Löschung nicht vornehme, werde Beschwerde eingelegt.

10

Mit Beschluss vom 22.12.2010 hat der Rechtspfleger des Grundbuchamts "der Erinnerung des
Notars C1" aus den Gründen der angefochtenen Zwischenverfügung nicht abgeholfen.

11

Unter dem 07.04.2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte beglaubigte Fotokopien des
Erbvertrages der Eheleute A vom ...1956 und des Eröffnungsprotokolls vom 18.02.2010 vorgelegt
und um Vollzug seiner Anträge vom 27.07.2010 gebeten.

12

Mit Schreiben vom 03.05.2011 hat der Grundbuchrechtspfleger an der Zwischenverfügung
festgehalten. In einem Schriftsatz vom 24.05.2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte unter Hinweis
auf Entscheidungen des Oberlandesgericht Hamm und des Oberlandesgericht Düsseldorf die
Auffassung vertreten, dass die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch die Erben
ausreichend sei und um diesbezügliche Mitteilung gebeten. In einem Schreiben vom 26.05.2011 hat
der Rechtspfleger des Grundbuchamts mitgeteilt, dass eine eidesstattliche Versicherung zwar
zugelassen sei, soweit es darum geht, dass aus der Ehe keine weiteren Kinder als die im Testament
namentlich aufgeführten hervorgegangen sind. Dies gelte allerdings nicht in Anbetracht der
Pflichtteilsklausel, da dem Grundbuchamt ‐ anders als im Erbscheinsverfahren ‐ eine Anhörung
eventuell in Betracht kommender Erben verwehrt sei.

13

Unter Hinweis auf den Beschluss des Oberlandesgericht Hamm vom 16.02.2011 ‐ 15 W 27/11‐
haben die Antragsteller dem Grundbuchamt die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung
angeboten, dass keines der Kinder nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils den Pflichtteil
verlangt habe. Mit Schreiben vom 05.10.2011 hat der Grundbuchrechtspfleger mitgeteilt, dass er die
Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm nicht teile, da zu Unrecht davon ausgegangen werde, dass
Grundbuchamt verwehrte Anhörung geboten, da alle in Betracht kommenden Erben den Pflichtteil
geltend gemacht haben könnten. Auch könne eine strafbewehrte eidesstattliche Versicherung nicht
vor dem Grundbuchamt abgegeben werden.

14

Die Beschwerde, über die nach Art. 111 Satz 1 FGG‐RG i. V. m. § 72 GBO n. F. nach der hier
erfolgten Nichtabhilfe gemäß § 75 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig (§ 73
GBO).

15

Insoweit ist klarzustellen, dass gegen Entscheidungen des Rechtspflegers nach der Abschaffung der
Durchgriffserinnerung und Neufassung des § 11 RpflegerG durch das Gesetz vom 06.08.1998 (BGBl I,
2030) das Rechtsmittel gegeben ist, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften
zulässig ist (§ 11 Abs. 1 RpflegerG). Das ist in Grundbuchsachen die Beschwerde gemäß § 71 Abs. 1
GBO (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 71, Rdnr. 5; Hügel: GBO, § 71, Rdnr. 71; Bauer‐ von Oefele: GBO,
2. Aufl., § 71, Rdnr. 2; Arnold/Meyer‐Stolte: RpflegerG, 7. Aufl., 2009, § 11, Rdnr. 86). Des Weiteren
steht dem Notar kein Beschwerderecht in eigenem Namen zu, so dass die Antragsteller als
Beschwerdeführer anzusehen sind (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 15, Rdnr. 20).

16

Die Beschwerde ist aber nicht begründet, denn mit der beanstandeten Zwischenverfügung ist im
Ergebnis zu Recht die Eigentumsumschreibung von der Vorlage eines Erbscheins nach der Erblasserin
abhängig gemacht worden.

17

Bei der beantragten Löschung der Rückauflassungsvormerkung kommt eine Anwendung des § 23
GBO nicht in Betracht; hierauf stützt sich die Beschwerde auch nicht. Es handelt sich hier nicht um
ein auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränktes Recht im Sinne dieser Vorschrift. Eine
Vormerkung kann zwar durch Rechtsgeschäft auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt
werden. Hier haben jedoch, wie sich aus der in der Eintragung in Bezug genommenen Bewilligung
ergibt, die Antragsteller zu 1) und 2) und ihre Mutter, die Erblasserin, in dem Übergabevertrag vom
Rückübertragungsanspruch inhaltlich auf die Lebenszeit der Berechtigten befristet. Dies wirkt sich
zwar auch auf die akzessorische Vormerkung aus, führt aber nicht zur Anwendbarkeit des § 23 GBO
(vgl. Schleswig‐Holsteinisches Oberlandesgericht FGPrax 2010, 282= Rpfleger 2011, 23; OLG Köln
FGPrax 2010, 14; BayObLG Rpfleger 1990, 61; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 23 Rdnr. 19, 43;
Bauer/von Oefele/Kohler, GBO, 2. Aufl., §§ 23, 24 Rdnr. 59).

18

Zur Löschung einer im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung bedarf es mithin wie für
deren Eintragung grundsätzlich der Bewilligung des Betroffenen nach § 19 GBO oder eines
Unrichtigkeitsnachweises im Sinne des § 22 GBO. Betroffener in diesem Sinne ist zunächst die im
Grundbuch als Berechtigte der Auflassungsvormerkung eingetragene A2, deren
Löschungsbewilligung auf Grund ihres Versterbens nicht vorgelegt werden kann.

19

Die Voraussetzungen für die Löschung richten sich daher nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO. Danach
bedarf es zur Berichtigung des Grundbuchs keiner Bewilligung nach § 19 GBO, wenn die Unrichtigkeit
nachgewiesen wird. An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine
Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und sichergestellt sein muss,
dass am Verfahren nicht Beteiligte nicht geschädigt werden. Erforderlich ist der volle Nachweis. Ein
gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Der Antragsteller hat in der Form des § 29 GBO
alle Möglichkeiten auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten (neuen) Eintragung entgegen
stehen würden; lediglich ganz entfernte, bloß theoretische Möglichkeiten brauchen nicht
ausgeräumt zu werden. Die Löschung einer Auflassungsvormerkung wegen Unrichtigkeitsnachweises
ist nach diesem Maßstab nur möglich, wenn der Antragsteller in einer jeden Zweifel ausschließenden
Weise nachweist, dass das Bestehen oder Entstehen des zu sichernden Anspruchs ausgeschlossen ist
(Schleswig‐Holsteinisches Oberlandesgericht FGPrax 2010, 282, und Beschluss vom 10.11.2010, 2 W
144/10; vgl. auch Kammergericht, Beschluss vom 24.02.2011 ‐ 1 W 472/10 ‐; OLG Köln FGPrax 2010,
14 je zitiert nach juris und m. w. N.; OLG Bremen MDR 2011, 288). Dem hat sich der Senat für eine
ebenfalls die Möglichkeit des „Aufladens“ einer Vormerkung betreffende Sachverhaltsgestaltung
bereits mehrfach angeschlossen (Beschlüsse vom 14.02.2011 ‐ 20 W 440/10 ‐, vom 13.04.2011 ‐ 20
W 146/11 ‐ und vom 02.08.2011 ‐ 20 W 298/2011 ‐).

20

GBO nachgewiesen ist, dass der ursprünglich gesicherte Rückübertragungsanspruch der Erblasserin
aus dem Vertrag vom ...2003 nicht mehr existiert. In diesem Zusammenhang ist die jüngere
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum „Aufladen“ einer Vormerkung mit anderen Ansprüchen
zu berücksichtigen (BGHZ 143, 175=DNotZ 2007, 665; NJW 2008, 578 = DNotZ 2008, 514 = RPfleger
2008, 187; DNotZ 2008, 518 = Rpfleger 2008,187). Danach kann zum Einen eine erloschene
Vormerkung zur Sicherung eines neuen, deckungsgleichen Anspruchs verwendet werden und zum
Anderen eine Vormerkung auf Ansprüche mit anderen Voraussetzungen erstreckt werden.
Erforderlich ist jeweils, dass Schuldner, Gläubiger und Anspruchsgegenstand der neuen oder
zusätzlichen Ansprüche identisch sind. Dabei bedarf es nach den genannten Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs keiner Eintragung der Änderungen des Grundbuchs, so dass das „Aufladen“ der
Vormerkung mit anderen oder weiteren Ansprüchen durch notarielle Vereinbarung von Schuldner
und Gläubiger nicht aus dem Grundbuch und nicht einmal aus den Grundakten zwingend erkennbar
sein muss.

21

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass selbst für den Fall, dass man das Erlöschen des
ursprünglich gesicherten, auf die Lebenszeit der Erblasserin befristeten Anspruchs als nachgewiesen
ansehen wollte, nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese zu ihren Lebzeiten mit den
Antragstellern zu 1) und 2) eine Vereinbarung getroffen hat, wonach die Vormerkung nunmehr einen
anderweitigen vererblichen Rückübereignungsanspruch sichern soll. Der Senat schließt sich insoweit
den Ausführungen der zitierten Entscheidung des Schleswig‐Holsteinischen Oberlandesgerichts vom
09.07.2010 (vgl. FGPrax 2010, 282, Tz. 25, mit zust. Anm. von Lorbacher FGPrax 2010, 285) an, die zu
einem weitgehend vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist. Damit wären nämlich nicht nur der
Schuldner ‐ die Antragsteller zu 1) und 2) ‐ und der Anspruchsgegenstand ‐ Übertragung des
Eigentums an dem betroffenen Grundbesitz ‐ identisch geblieben, sondern auch der Gläubigerin, die
Erblasserin. Auch ein Übergang auf deren Gesamtrechtsnachfolger nach § 1922 BGB bedeutet keinen
Austausch des Gläubigers.

22

Wenn aber nicht auszuschließen ist, dass die Vormerkung einen anderen oder weiteren Anspruch
sichert, dessen Fortbestehen seinerseits nicht ausgeschlossen werden kann, ist nach inzwischen
weitgehend einheitlicher oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung der erforderliche Nachweis der
Grundbuchunrichtigkeit hinsichtlich der Vormerkung allein durch Vorlage der Sterbeurkunde der
Berechtigten nicht erbracht (vgl. Schleswig‐Holsteinisches Oberlandesgericht FGPrax 2010, 282, ;
Kammergericht, Beschluss vom 24.02.201, ‐ 1 W 472/10 ‐; je zitiert nach juris und m. w. N.; OLG Köln
FGPrax 2010, 14; OLG Bremen MDR 2011, 288; Senat, Beschlüsse vom 14.02.2011 ‐ 20 W 440/10 ‐
und vom 13.04.2011 ‐ 20 W 146/11 ‐).
23

Die Möglichkeit des „Aufladens“ der Vormerkung mit einem anderen oder weiteren (noch
bestehenden) Anspruch ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit nach §§ 22 Abs. 1 S. 1, 29 GBO
ausgeschlossen worden. Dass die Vormerkung auf einen anderweitigen vererblichen
Übereignungsanspruch erstreckt worden ist, ist zwar sicherlich nicht wahrscheinlich, aber auch nicht
bloß eine rein theoretische Möglichkeit, die dem Nachweis nach § 29 GBO ausnahmsweise nicht
entgegenstehen würde. Die Ausführungen in der Beschwerde ändern daran nichts, auch wenn zu
konstatieren ist, dass die Antragsteller zu 1) und 2) die Löschung der Auflassungsvormerkung
bewilligt haben. Die aufgezeigte Möglichkeit ist aber grundsätzlich nicht derart fernliegend, dass sie
nach den Maßstäben des Grundbuchverfahrens auszuschließen ist. Eine freie Beweiswürdigung, wie
sie dem Tatrichter in einem Rechtsstreit vor dem Prozessgericht ohne weiteres möglich wäre, ist
indes im Grundbuchverfahren mit seinen besonderen Formstrengen grundsätzlich nicht zulässig (vgl.
dazu Schleswig‐Holsteinisches Oberlandesgericht, FGPrax 2010, 282).

24

Hinzukommt, dass nach der Regelung des Rücktritts unter V dieses Vertrages der
Rückübereignungsanspruch ausdrücklich vererblich ist, wenn der zur Rückforderung Berechtigte
bereits zu Lebzeiten das Rückübertragungsverlangen gestellt hat.

25

Die Löschung der Vormerkung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises gemäß § 22 GBO durch die
Vorlage der Sterbeurkunde wurde deshalb durch das Grundbuchamt zu Recht als nicht möglich
angesehen, so dass es bei der Notwendigkeit der Bewilligung der Erben in der Form des § 29 GBO
sowie des Erbnachweises verbleibt.

26

Zwar ist die Löschungsbewilligung unter VI Nr…. der zum Vollzug beantragten Urkunde vom ...2010
durch die Antragsteller zu 1) und 2) erklärt worden. Der Nachweis, dass es sich bei ihnen um die
alleinigen Erben der eingetragenen Berechtigten handelt, ist aber durch den Ehe‐ und Erbvertrag
vom ...1956 und das Eröffnungsprotokoll vom 18.02.2010 noch nicht geführt. Auch die bisher nur
nicht den Pflichtteil verlangt haben, wäre nicht ausreichend zum Nachweis ihrer Erbenstellung.

27

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt
grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von
Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt die Vorlage dieser Urkunde
und der Eröffnungsniederschrift, wobei die Vorlegung ersetzt werden kann durch die Verweisung auf
die die Urkunden enthaltenden Akten desselben Amtsgerichts (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 35 Rdnr.
45 m.w.H. ). Bei Vorliegen einer in öffentlicher Urkunde errichteten Verfügung von Todes wegen
kann das Grundbuchamt nur einen Erbschein verlangen, wenn sich bei der Prüfung des Erbrechts
begründete (konkrete) Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den tatsächlichen
Willen des Erblassers oder sonstige tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können, denn zu
solchen Ermittlungen ist das Grundbuchamt nicht befugt (BayObLG Rpfleger 2000, 266; OLG Köln
Rpfleger 2000, 157; Senat, Beschl. v. 30.11.2004 ‐20 W 223/2004 ‐; Demharter: GBO, 27. Aufl., § 35,
Rdnr. 39; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 788; Schaub in Bauer/von Oefele:
Grundbuchordnung, 2. Aufl., § 35, Rdnr. 126, 137; Meikel/Roth: Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 35,
Rdnr. 110).

28

Vorliegend haben sich die Antragsteller auf den Ehe‐ und Erbvertrag der Eheleute A vom ...1956
samt Eröffnungsprotokoll vom 18.02.2010 zur Behebung der Zwischenverfügung vom 02.08.2010
gestützt. Zwar könnte durch eidesstattliche Versicherung der Nachweis erbracht werden, dass aus
der Ehe der Erbvertragsparteien keine weiteren Kinder als die im Testament namentlich aufgeführten
hervorgegangen sind. In Rechtsprechung und Literatur wird ganz überwiegend die Auffassung
vertreten, dass bei Erbeinsetzung der Kinder eines Erblassers in einer Verfügung von Todes wegen,
die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, der Nachweis, dass keine oder keine weiteren als die
bekannten Kinder aus der Ehe des Erblassers hervorgegangen sind, durch eine in der Form des § 29
GBO abgegebene eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Erblassers bzw. nach deren Tod eines
Kindes, dass es das einzige Kind ist, geführt werden kann, sofern sich voraussichtlich auch das
Nachlassgericht mit einer solchen eidesstattlichen Versicherung begnügen müsste (Senat Rpfleger
1980, 434; Oberlandesgericht Schleswig FGPrax 1999, 206 bei Schlusserbeneinsetzung der
gemeinsamen Abkömmlinge; BayObLG Rpfleger 2000, 451; Oberlandesgericht Düsseldorf Rpfleger
2010, 321; Demharter, aaO., § 35, Rdnr. 40; Schaub in Bauer/von Oefele, aaO., § 35, Rdnr. 138;
Hügel: Grundbuchordnung, 2. Aufl., § 35, Rdnr. 117; Schöner/Stöber: aaO., Rdnr. 790; a. A.
Meikel/Roth: Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 35, Rdnr. 120).


Aufgrund der in dem Erbvertrag weiter enthaltenen Anordnung, dass jedes Kind auch aus dem
Nachlass des zuletzt Versterbenden nur seinen Pflichtteil erhalten soll, wenn es mit den
Bestimmungen dieses Erbvertrages nicht einverstanden ist, den Vertrag anficht oder aus dem
Nachlass des zuerst Versterbenden seinen Pflichtteil verlangt, steht die Erbeinsetzung der
Antragsteller unter der (auflösenden) Bedingung, dass sie nach dem Tod ihres Vaters sich nicht gegen
den Erbvertrag gewendet, ihn insbesondere nicht angefochten haben und keine Pflichtteilsansprüche
gegen ihre Mutter geltend gemacht haben. Denn die getroffene Anordnung ist als "Strafklausel"
dahin auszulegen, dass das sanktionierte Verhalten beim Tod des Erstversterbenden den Verlust des
Erbrechts beim Tod des Überlebenden bewirkt. Der Abkömmling ist Schlusserbe nur unter der
Bedingung, dass er das sanktionierte Verhalten unterlassen hat, wobei die Strafklausel in der Regel
unter § 2075 BGB fällt (Palandt/Weidlich: BGB, 70. Aufl., § 2269 Rdnr. 13, § 2075 Rdnr. 6). Damit ist
die Tatsache des Nichtverlangens des Pflichtteils nach dem Erstverstorbenen
Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erbeinsetzung und damit für die Grundbuchberichtigung. Auch
diese Tatsache muss deshalb entsprechend dem im Grundbuchverfahren geltenden Grundsatz der
Beweismittelbeschränkung durch eine öffentliche Urkunde, gemäß § 35 Abs.1 Satz 1 GBO (als lex
specialis zu § 29 GBO) grundsätzlich durch einen Erbschein nachgewiesen werden. Zwar ist in
Rechtsprechung und Lehre weitgehend anerkannt, dass zum Nachweis der Erbfolge im Fall des § 35
Abs. 1 Satz 2 GBO auch andere öffentliche Urkunden, insbesondere Personenstandsurkunden,
herangezogen werden können und müssen (vgl. Zitate in dem Beschluss des BayObLG vom
08.06.2000, DNotZ 2001, 385, 386). Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 18.11.1993 ‐ 20
W 158/93 ‐ (Rpfleger 1994, 206) und 03.07.2001 (20 W 153/2001) für eine gleichgelagerte
Fallgestaltung ausgeführt ist, besagt auch die Annahme zugunsten der Antragsteller, es könne eine in
öffentlicher Urkunde abgegebene eidesstattliche Versicherung entsprechend § 2356 Abs. 2 BGB als
Beweismittel im Grundbuchverfahren Verwendung finden, noch nichts darüber, ob das
Grundbuchamt bzw. das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht alsdann den Nachweis der
Erbfolge als erbracht anzusehen habe (OLG Zweibrücken DNotZ 1986, 240, 242). Vielmehr greifen
dann die allgemeinen Grundsätze ein, nach denen das Grundbuchamt die Vorlegung eines Erbscheins
stets verlangen kann, sofern Zweifel hinsichtlich der Erbfolge verbleiben, die nur durch weitere
Ermittlungen tatsächlicher Art geklärt werden können, dass aber andererseits bloß abstrakte
Möglichkeiten, die das Erbrecht in Frage stellen können, das Verlangen nach Vorlage eines
Erbscheins nicht zu rechtfertigen vermögen ( Demharter, aaO., § 35 Rdnr. 39).

30

Vorliegend würde der Senat auch gegenüber dem Notar abgegebene eidesstattlichen
Versicherungen, wonach keiner der Antragsteller nach dem Tod ihres Vaters den Pflichtteil verlangt
habe und keinem etwas der Richtigkeit ihrer Angaben Entgegenstehendes bekannt sei, aufgrund der
unzweifelhaft bestehenden Interessenlage der Antragsteller und dem damit verbundenen
verminderten Beweiswert nicht für ausreichend erachten zum Nachweis der Nichtgeltendmachung
des Pflichtteils nach dem vorverstorbenen Vater der Antragsteller. Der Verlust der
Pflichtteilverlangen geknüpft, sondern sollte auch bei einer Anfechtung oder dem bloßen
Nichteinverständnis mit dem Vertrag eintreten. Bei diesen Bedingungen handelt es sich um komplexe
Umstände, die auch mit einer rechtlichen Würdigung verbunden sind, und deshalb dem Beweis nur
durch eine eidesstattliche Versicherung schwer zugänglich sind, insbesondere wenn es sich bei den
Versichernden um nicht rechtlich versierte Laien handelt.

31

Es gibt es auch keinen Erfahrungssatz, dass der Pflichtteil in Fällen wie dem hier vorliegenden nicht
verlangt würde (so schon der Senat in seinem zitierten Beschluss vom 18.11.1993 im Anschluss an
Böhringer: BWNotZ 1988, 155, 157 und Preißinger: Rechtspfleger 1992, 427, 429; Oberlandesgericht
Köln Rpfleger 2010, 263). Soweit die gegenteilige Ansicht damit begründet wird, dass ein unter
auflösender Bedingung eingesetzter Schlusserbe sich regelmäßig nicht selbst schädigen wird durch
das Verlangen des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden (vgl. Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann:
Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 35 Rdnr. 70 mit Fußnote 175) steht dem entgegen, dass die
wirtschaftlichen und persönlichen Lebensumstände von Schlusserben zu vielgestaltig sind, um einen
derartigen Erfahrungssatz zu rechtfertigen. Schon wirtschaftliche Zwänge können die
Geltendmachung des Pflichtteils erzwingen, ebenso wie das persönliche Verhältnis zu dem Vollerben
die Entscheidung des Schlusserben beeinflussen kann.

32

Schließlich führt das Argument, das der Entscheidung des Oberlandesgericht Hamm vom
08.02.2011 ‐ 15 W 27/11 ‐ (zitiert nach juris) zu Grund liegt, bei der vorliegenden Fallgestaltung
könne auch das Nachlassgericht nur auf der Grundlage der eidesstattlichen Versicherungen der
Antragsteller über die Erbscheinserteilung entscheiden, zu keiner anderen Beurteilung.

33

Zum einen kann dieses Argument zu keiner anderen Beweiswürdigung im Grundbuchverfahren
führen. Zum anderen trifft dieses Argument nicht zu. Während das Grundbuchamt und an seiner
Stelle der Beschwerdesenat wegen der im Grundbuchverfahren geltenden
Beweismittelbeschränkung gehindert ist, tatsächliche Ermittlungen darüber anzustellen, ob die
Antragsteller nach dem Tod ihres Vaters keine Pflichtteilsansprüche gestellt haben, gilt dies für das
Nachlassverfahren nicht. Dort könnte das Nachlassgericht bei verbleibenden Zweifeln nach
Würdigung der eidesstattlichen Versicherung der Antragsteller, sei es aufgrund eigener Ermittlungen
durch unbeteiligte Dritte zu einem anderen Beweisergebnis gelangen.

34

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Falle eines Verstoßes eines Antragstellers oder beider
Antragsteller gegen die Verwirkungsklausel sich die Frage der hieraus sich ergebenden Rechtsfolgen
stellt, also ob Ersatzerbschaft oder Anwachsung gilt (s. hierzu Wacke DNotZ 1990, 403). Dies könnte
nicht unerhebliche Auswirkungen auf den Kreis der anzuhörenden Beteiligten haben. Derartige
Amtsermittlungen können aber im Grundbuchverfahren nicht erfolgen.

35

Auch unter Berücksichtigung des Interesses der Antragsteller an der Kostengeringhaltung erscheint
es deshalb sachgerecht, die Erbeinsetzung der Antragsteller bzw. die tatsächlichen Voraussetzungen
für den Eintritt einer auflösenden Bedingung von dem dafür zuständigen Gericht und in der dafür
anzuwendenden Verfahrensart klären zu lassen.

36

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten folgt aus § 131 Abs. 1, Nr. 1 KostO.

37

Über die Erstattung außergerichtlicher Kosten war mangels Beteiligter mit einem
entgegengesetzten Verfahrensziel nicht zu entscheiden.

38

Die Festsetzung des Geschäftwertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2
KostO. Danach waren die geschätzten Kosten für den Erbschein zugrunde zu legen, da für den
Geschäftswert einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung die für die Beseitigung des
(vgl. Demharter: GBO, 27. Aufl., § 77 Rnr. 37).

39

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 78 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GBO zuzulassen, da die hier
entscheidungserhebliche Fragen der Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum
„Aufladen“ einer Vormerkung auf deren spätere Löschung wie auch der Nachweis der Erbfolge bei
notariellem Ehegattentestament mit Pflichtteilsklausel grundsätzliche Bedeutung haben und der
Bundesgerichtshof darüber ‐ soweit hier ersichtlich ‐ bisher noch nicht entschieden hat.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

20.10.2011

Aktenzeichen:

20 W 548/10

Rechtsgebiete:

Vormerkung
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

GBO § 29; BGB § 883; GBO § 35; GBO § 23; GBO § 22