Nachweis der Anzahl der Kinder durch eidesstattliche Versicherung eines Kindes
letzte Aktualisierung: 13.10.2021
OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.3.2021 – 20 W 96/20
Nachweis der Anzahl der Kinder durch eidesstattliche Versicherung eines Kindes
Ist im Grundbuchverfahren zum Zweck des Nachweises der Erbenstellung durch eidesstattliche
Versicherung nachzuweisen, dass jemand das einzige Kind seiner Eltern ist, so ist die eidesstattliche
Versicherung in erster Linie durch die Eltern bzw. den überlebenden Elternteil abzugeben. Nur
wenn beide Eltern verstorben sind, kommt der Nachweis durch eidesstattliche Versicherung des
Kindes selbst in Betracht.
Gründe
I.
Herr Vorname1 Nachname1 und seine Ehefrau Vorname2 Nachname1, geb. Nachname2 (im
Folgenden: Erblasserin), ließen am 24.01.1978 ein gemeinschaftliches Testament notariell
beurkunden (UR-Nr. …/1978, Notar A in Stadt1; in Akte nicht paginiert). In dem Testament
setzten sich die Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben ein. Nacherben des Erstversterbenden
und Erben des Längstlebenden sollten die „gemeinschaftlichen Abkömmlinge“ zu
gleichen Teilen sein. Die Nacherbfolge sollte beim Tod des Vorerben „und, sofern gemeinschaftliche
Abkömmlinge vorhanden sind, auch bei einer Wiederverheiratung des Vorerben“
eintreten.
Die Erblasserin war als Eigentümerin des oben bezeichneten Grundstücks im Grundbuch eingetragen.
Sie verstarb am XX.XX.2007. Aufgrund des Testaments wurden daraufhin Herr
Vorname1 Nachname1 als Eigentümer und ein Nacherbenvermerk eingetragen.
Herr Vorname1 Nachname1 heiratete am 30.11.2016 erneut (vgl. die Eheurkunde des Standesamts
Stadt2 vom 01.02.2019; in Akte nicht paginiert).
Die Beteiligte ist Tochter des Herrn Vorname1 Nachname1 und der Erblasserin und als solche
bereits in dem Testament erwähnt (vgl. auch die beglaubigte Kopie aus dem Familienbuch;
in Akte nicht paginiert). Sie versicherte in notarieller Urkunde (UR-Nr. …/2018 ihres
jetzigen Bevollmächtigten vom 23.05.2018) an Eides statt, der einzige gemeinschaftliche
Abkömmling der Eheleute zu sein.
Die Beteiligte hat mit Schreiben vom 23.05.2018, vorgelegt mit notariellem Schriftsatz vom
15.03.2019, beantragt, das Grundbuch dahingehend zu berichtigen, dass sie anstelle des
Herrn Vorname1 Nachname1 als Nacherbin der Erblasserin als Eigentümerin in das Grundbuch
eingetragen werde (in Akte nicht paginiert).
Mit Zwischenverfügung vom 02.04.2019 (in Akte nicht paginiert) hat das Grundbuchamt die
Vorlage eines Erbscheins verlangt. Die Voraussetzungen für den Eintritt des Nacherbfalls seien
in einem Erbscheinsverfahren zu prüfen, dies könne nicht Gegenstand eines Grundbuchverfahrens
sein.
Hiergegen richtet sich die mit notariellem Schriftsatz vom 24.03.2020 eingereichte Beschwerde
der Beteiligten (in Akte nicht paginiert). Sie meint, der Nacherbfall sei eingetreten.
Die Unrichtigkeit des Grundbuchs sei in öffentlich beglaubigter Form nachgewiesen und
ihre Berechtigung belegt. Ein Erbschein sei in entsprechender Anwendung des § 35 Abs. 3
GBO nicht erforderlich.
Mit Beschluss vom 07.04.2020 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen (in
Akte nicht paginiert). Die Voraussetzungen für den Eintritt des Nacherbfalls und die Prüfung,
wer die gemeinsamen Abkömmlinge seien, seien in einem Erbscheinsverfahren zu prüfen.
Der Notar hat mit Schriftsatz vom 23.07.2020 „als Notar und auch im Namen der [Beteiligten
zu 2]“ Beschwerde eingelegt (in Akte nicht paginiert). Der Beschwerde hat das Grundbuchamt
mit Beschluss vom 26.08.2020 nicht abgeholfen (in Akte nicht paginiert).
II.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Die Beschwerde ist gemäß
Abs. 1 Satz 1 GBO ist eine der Beschwerde unterliegende Entscheidung im Sinne des § 71
Abs. 1 GBO (Senat v. 18.08.2020 – 20 W 197/20, Juris-Rn. 25; OLG München NJW-RR
2021, 42, 43; KG
Die Beschwerde ist insoweit begründet, als die Zwischenverfügung zu ergänzen ist.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Zwischenverfügung nach
sind erfüllt. Der von der Beteiligten beantragten Eintragung steht das Hindernis entgegen,
dass sie nicht nachgewiesen hat, der einzige Abkömmling ihrer Eltern zu sein.
Das Grundbuch ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO zu berichtigen, wenn die Unrichtigkeit
nachgewiesen wird.
Unrichtig und im Sinne der Beteiligten zu berichtigen ist das Grundbuch im vorliegenden
Fall, wenn nicht Herr Vorname1 Nachname1, sondern die Beteiligte (Allein-) Eigentümerin
des Grundstücks ist. Da keine Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments ersichtlich sind,
sind Voraussetzungen für das Eigentum der Beteiligten nur der Eintritt des Nacherbfalls und
ihre Stellung als einziges Kind der Erblasserin und des Herrn Vorname1 Nachname1. Gemäß
dem Testament tritt der Nacherbfall ein, wenn sich der Vorerbe, also Herr Vorname1 Nachname1,
wieder verheiratet und „gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden sind“.
Nach dem Vorbringen der Beteiligten liegen diese Voraussetzungen vor. Es genügt dabei,
wenn die Beteiligte einziges Kind ihrer Eltern ist, obwohl die Formulierung im Testament
„gemeinschaftliche Abkömmlinge“ im Plural steht. Dies ist nicht so zu verstehen, dass der
Nacherbfall nur dann eintreten soll, wenn mindestens zwei Abkömmlinge existieren. Vielmehr
ist die Formulierung ersichtlich nur der sprachlichen Vereinfachung geschuldet und
schließt den Fall ein, dass es bei einem gemeinschaftlichen Abkömmling bleibt. Es ist nicht
erkennbar, warum die Erblasserin und ihr Ehemann den Nacherbfall erst ab dem Vorhandensein
von zwei Kindern hätten eintreten lassen wollen.
Die Beteiligte hat den Nachweis dieser Voraussetzungen jedoch bislang nicht ordnungsgemäß
erbracht.
Nach
erforderliche Erklärungen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind,
durch öffentliche Urkunden nachzuweisen. Abweichend davon kann der Nachweis der Erbfolge
nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO grundsätzlich nur durch einen Erbschein geführt werden.
Beruht die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde
enthalten ist, so genügt es nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO, wenn anstelle des Erbscheins die
Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden. Erachtet
das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann
es die Vorlegung eines Erbscheins verlangen. All dies gilt auch für den Nachweis der Nacherbfolge
(
Ein Erbschein liegt hier nicht vor. Die Nacherbfolge beruht jedoch auf einer Verfügung von
Todes wegen, einem notariell beurkundeten Testament. Mit diesem allein kann die Beteiligte
ihre Stellung als Nacherbin jedoch auch nicht nachweisen.
Enthält ein Testament eine bedingte Erbeinsetzung, so genügt es allein als Nachweis der
Erbfolge nicht. Vielmehr ist das Grundbuchamt unter Reduktion seines Ermessens nach § 35
Abs. 1 Satz 2 2.Hs. GBO gehalten, einen Erbschein oder für den Nachweis ausreichende Erklärungen
der Beteiligten in der Form des
Rn. 8).
Der Nachweis des Eintritts des Nacherbfalls durch Wiederverheiratung des Vorerben, des
Herrn Vorname1 Nachname1, ist hier zwar durch die Heiratsurkunde in der Form des § 29
Abs. 1 Satz 2 GBO erbracht. Für die Stellung der Beteiligten als Alleinerbin fehlt jedoch der
Nachweis, dass neben ihr keine weiteren gemeinschaftlichen Abkömmlinge der Erblasserin
und des Herrn Vorname1 Nachname1 existieren. Dafür genügt die eidesstattliche Versicherung
der Beteiligten selbst nicht.
Eine Lücke im urkundlichen Nachweis, die den Umstand betrifft, dass keine weiteren Kinder
geboren worden sind, kann durch die Vorlage einer in der Form des
eidesstattlichen Versicherung beider Eltern oder jedenfalls des überlebenden Elternteils
geschlossen werden (Senat
408, 410 f.; Senat
Versicherung des Kindes selbst für ausreichend gehalten (OLG Schleswig NJW-RR 1999,
1530, 1531;
v. 26.06.2019 – 1 W 73/17, Juris-Rn. 37 f.; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 2010,
928, 929, wo es nur um Nachkommen der verstorbenen Mutter ging).
Wenn aber ein Elternteil des Kindes, wie hier der Vater der Beteiligten, noch am Leben ist,
wovon der Senat hier in Bezug auf Herrn Vorname1 Nachname1 mangels entgegenstehender
Informationen ausgeht, so reicht eine eidesstattliche Versicherung des Kindes, keine Geschwister
zu haben, nicht aus. Da die eidesstattliche Versicherung hier den an sich erforderlichen
Nachweis durch öffentliche Urkunden nach
eine vergleichbare Richtigkeitsgewähr für die in Rede stehende Tatsache bieten. Dies setzt
voraus, dass die eidesstattliche Versicherung durch diejenige Person abgegeben wird, die
über die bestmögliche Kenntnis der Tatsache verfügt. Bei der Frage, welche gemeinsamen
Kinder existieren, ist die Kenntnis der Eltern denen eines ihrer Kinder überlegen. So ist beispielsweise
nicht auszuschließen, dass die Eltern vor der Geburt des Kindes oder in dessen
Kleinkinderzeit noch ein anderes Kind hatten, dass aber aus irgendwelchen Gründen in eine
Pflegefamilie weggegeben wurde, wovon das andere Kind nie etwas erfahren hat. Nur dann,
wenn die Eltern, weil verstorben, als Informationsquellen ausfallen, ist es akzeptabel, sich
mit der eidesstattlichen Versicherung des Kindes zu begnügen, bevor auf diesem Wege gar
kein Nachweis mehr möglich ist.
Wie aus den vorstehenden Ausführungen ersichtlich, kann es nicht bei der durch das Grundbuchamt
erlassenen Zwischenverfügung bleiben. Vielmehr ist der Beteiligten die Möglichkeit
einzuräumen, den zu ihrer Eintragung noch fehlenden Nachweis auch durch Vorlage einer
entsprechenden eidesstattlichen Versicherung ihres Vaters zu erbringen.
Nachdem die Beschwerde teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist, entfällt eine Kostenhaftung
der Beteiligten nach
besteht keine Veranlassung. Mangels weiterer Beteiligter entfällt eine Entscheidung
über die Erstattung von Kosten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach
sind nicht gegeben. Zwar hat der Bundesgerichtshof, soweit ersichtlich, über die vorliegende
Problematik noch nicht entschieden, die Entscheidung des Senats folgt jedoch der einheitlichen
Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung.
Eine Geschäftswertfestsetzung ist entbehrlich.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:11.03.2021
Aktenzeichen:20 W 96/20
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Kostenrecht
GBO § 35 Abs. 1