OLG Frankfurt a. Main 01. Februar 2022
21 W 182/21
BGB §§ 2303, 2314

Aufforderung zur Nachbesserung des vom Erben angeforderten Nachlassverzeichnisses; keine Verwirkung des Erbanspruchs nach dem Längstlebenden

letzte Aktualisierung: 22.6.2022
OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.2.2022 – 21 W 182/21

BGB §§ 2303, 2314
Aufforderung zur Nachbesserung des vom Erben angeforderten Nachlassverzeichnisses; keine Verwirkung des Erbanspruchs nach dem Längstlebenden

Eine Aufforderung zur Nachbesserung des seitens des Pflichtteilsberechtigten vom Erben
angeforderten Nachlassverzeichnisses führt in der Regel noch nicht zur Verwirkung des
Erbanspruchs nach dem Längstlebenden, sofern die Pflichtteilsstrafklausel vorsieht, der Pflichtteil
müsse hierzu vom Längstlebenden gefordert werden.

Gründe

I.
Die am XX.XX:2020 in Stadt1 verstorbene Erblasserin war mit dem vorverstorbenen B Nachname1
verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, nämlich die Beteiligten 2), 3) und
5) sowie der am 7. Dezember 2015 vorverstorbene C Nachname1. Dessen Kinder sind die
Beteiligten zu 1) und 4).

Die Eheleute errichteten am 16. März 2007 ein handschriftliches und vom Nachlassgericht eröffnetes
Testament (Bl. 7 d. TA). Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre
vier Kinder als Schlusserben ein. Ferner enthält die letztwillige Verfügung eine sogenannte
Pflichtteilsverwirkungsklausel. Wörtlich heißt es:

„Sollte eines unser Kinder nach dem Tode des Erstverstorbenen den Pflichtteil fordern, so erhält
es beim Tode des Letztverstorbenen ebenfalls nur das Pflichtteil“.

Nach dem Tod des Ehemanns hat sich die Beteiligte zu 1) mit Schreiben ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten
vom 20. Juli 2018 an die Erblasserin gewandt und zur Vorbereitung
einer Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem verstorbenen Ehemann der Erblasserin
einen Auskunftsanspruch als gesetzliche Miterbin des Ehemanns geltend gemacht (Bl. 108 d.
A.). Diesen Auskunftsanspruch wiederholte sie nach Einsichtnahme in das gemeinschaftliche
Testament mit Schreiben vom 29. August 2018 und stützte ihn diesmal auf ihre Stellung als
Pflichtteilsberechtigte, wobei sie der Erblasserin eine Frist bis zum 10. September 2018 zur
Erstellung eines entsprechenden Nachlassverzeichnisses setzte (Bl. 104 d. A.). Mit Schreiben
vom 14. September 2018 übersandten die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Erblasserin
der Beteiligten zu 1) ein Nachlassverzeichnis (Bl. 179 f. d. A.), dass diese mit Schreiben
vom 2. Oktober 2018 als unzureichend zurückwies und Nachbesserung bis zum 19. Oktober
2018 anmahnte sowie zugleich einen Wertermittlungsanspruch hinsichtlich einer im Nachlass
sich befindenden Immobilie geltend machte (Bl. 97 ff. d. A.). Darauf reagierten die Verfahrensbevollmächtigten
der Erblasserin mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2018, machten ihrerseits
Gegenansprüche gegen die Beteiligte zu 1) geltend und schlugen eine gütliche Einigung
vor (Bl. 92 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 30. November 2018 wies der Verfahrensbevollmächtigte
der Erblasserin gegenüber den Rechtsanwälten der Beteiligten zu 1) darauf hin, dass
man längere Zeit nichts mehr gehörte habe und man daher davon ausginge, dass die Beteiligte
zu 1) die Sache nicht weiterbetreiben wolle (Bl. 146 d. A.). Weiterer Schriftverkehr erfolgte
nicht.

Einem Aktenvermerk vom 1. April 2019 zufolge äußerte die Beteiligte zu 1) gegenüber ihren
Verfahrensbevollmächtigten sodann am 29. März 2019, dass sie in jedem Fall den Pflichtteil
in Höhe von 2.542,52 € gerichtlich geltend machen wolle, aber kurz darauf am 1. April 2019
mitgeteilt habe, dass keine Klage eingereicht werden solle (Bl. 72 f. d. A.). Die Angelegenheit
wurde dann von ihr tatsächlich nicht weiterverfolgt. Insbesondere kam es weder zu einer Klageerhebung
noch zu einer Auszahlung eines Pflichtteils.

Nach dem Tod der Erblasserin hat die Beteiligte zu 5) einen Erbschein beantragt, der sie und
die Beteiligten zu 2) bis 4) als Erben zu gleichen Teilen ausweisen soll. Zur Begründung hat
sie sich auf die letztwillige Verfügung der Eheleute berufen und vorgebracht, die Beteiligte zu

1) habe ihren Pflichtteil geltend gemacht, weswegen sie aufgrund der Pflichtteilsverwirkungsklausel
von der Erbfolge ausgeschlossen sei, so dass nur ihr Bruder, der Beteiligte zu 4) als
Ersatzerbe für den vorverstorbenen C Nachname1 zu berücksichtigen sei. Dem Antrag ist die
Beteiligte zu 1) mit dem Argument entgegengetreten, der Pflichtteil sei von ihr nicht geltend
gemacht worden und der Auskunftsanspruch löse die Sanktion der Klausel noch nicht aus.
Das Nachlassgericht hat die Beteiligte zu 1) angehört. Hinsichtlich deren Angaben wird auf
Bl. 64 d. A. verwiesen. Sodann hat das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen
tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, die für die Erteilung des
beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet (Bl. 119 ff. d. A.).
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Erbfolge ergebe sich aus dem gemeinschaftlichen
Testament der Eheleute. Aufgrund des Verhaltens der Beteiligten zu 1) nach dem
Tod des Erblassers sei von deren Verwirkung ihres Erbrechts als Schlusserbin auszugehen.
Zwar habe sie den Pflichtteil nach dem vorverstorbenen Ehemann weder ausgezahlt bekommen
noch gerichtlich geltend gemacht. Ein Auskunftsverlangen allein löse die Wirkungen der
Pflichtteilsstrafklausel auch nicht aus. Allerdings habe die Beteiligte zu 1) über das schlichte
Auskunftsbegehren hinaus Kritikpunkte an dem erstellten Nachlassverzeichnis geäußert und
Nachbesserung verlangt. Durch dieses Verhalten habe sie gegenüber der Erblasserin zu verstehen
gegeben, dass sie ausdrücklich und ernsthaft den Pflichtteil einfordern wolle.

Gegen die ihren Verfahrensbevollmächtigten am 3. August 2021 zugestellte (Bl. 125 d. A.)
Entscheidung hat die Beteiligte zu 1) mit am 17. August 2021 (Bl. 126 d. A.) beim Nachlassgericht
eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 6.
Oktober 2021 begründet. Hierbei hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die Aufforderung zur
Nachbesserung des Nachlassverzeichnisses stelle entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts
weiterhin nur ein Auskunftsverlangen und keine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
dar.

Der Beschwerde hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht
zur Entscheidung vorgelegt. Daraufhin hat der Berichterstatter den Beteiligten
einen Hinweis erteilt, woraufhin die Beteiligte zu 1) weiter vorgetragen hat.

II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Nachlassgericht
ist zu Unrecht von einem Ausscheiden der Beteiligten zu 1) aus der Erbengemeinschaft
ausgegangen.

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist gemäß § 58 FamFG statthaft. Sie ist fristgerecht
innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Nachlassgericht
eingegangen, § 63 FamFG. Zudem ist die Beteiligten zu 1) als Erbprätendentin beschwerdebefugt
(vgl. Keidel/Meyer - Holz, FamFG, 2020, § 59 Rn 79). Der Beschwerdewert liegt über
600 €, § 61 Abs. 1 FamFG.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 5) war
zurückzuweisen, da entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts die Pflichtteilsstrafklausel
nicht erfüllt ist, weswegen die Beteiligte zu 1) weiterhin Miterbin nach der Erblasserin ist.

a) Noch zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass die Abkömmlinge des
vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin und ihres Ehemanns als Ersatzerben anzusehen
sind. Dafür, dass die Eheleute die Kinder als Vertreter deren Stämme bedacht haben, spricht
bereits der Wortlaut der letztwilligen Verfügung, bei dem die Abkömmlinge ausdrücklich als
„Kinder“ benannt werden. Diese Sichtweise wird bestätigt durch den Umstand, dass die Kinder
jeweils zu gleichen Teilen als Erben vorgesehen sind. Etwaige verbleibende Zweifel an
dieser Auslegung kommen nicht zum Tragen, da gemäß § 2069 BGB von einer Ersatzerbenstellung
der Abkömmlinge des bedachten Kindes im Regelfall auszugehen ist.

b) Ferner ist dem Amtsgericht darin zu folgen, dass die Pflichtteilsklausel, die dem Wortlaut
zufolge sich nur auf die „Kinder“ bezieht, entsprechende Anwendung auf die Ersatzerben findet.
Dieses Verständnis wird vom Wortlaut der letztwilligen Verfügung nahegelegt. Wie bei
der Schlusserbenklausel sind bei der Pflichtteilsstrafklausel die „Kinder“ angesprochen. Zudem
steht einer etwaigen unterschiedlichen Behandlung der Zweck der Pflichtteilsklausel,
nämlich der Schutz des Längstlebenden, entgegen. Für diesen von den Erblassern beabsich-
tigten Schutz des Längstlebenden vor einer finanziellen Belastung ist es unerheblich, ob der
Pflichtteil an ein Kind oder einen Enkel auszuzahlen ist.

c) Nicht zu folgen vermag der Senat allerdings der Einschätzung des Nachlassgerichts, die
Beteiligte zu 1) habe aufgrund ihres Verhaltens nach dem Tod des Ehemanns der Erblasserin
die Pflichtteilsverwirkungsklausel erfüllt.

aa) Bei der in Rede stehenden Klausel handelt es sich um eine Pflichtteilsverwirkungsklausel
üblichen Zuschnitts. Der in der Klausel verwandte Begriff des „Forderns“ des Pflichtteils ist
mit den ebenfalls häufig benutzten Begriffen des Verlangens oder Geltendmachens gleichbedeutend
(vgl. auch OLG Rostock NJW-RR 2015, 776). Anhaltspunkte für ein abweichendes
Verständnis der testierenden Eheleute sind von den Beteiligten nicht vorgetragen worden und
auch im Übrigen nicht ersichtlich.

bb) Gegen diese Klausel üblichen Zuschnitts hat die Beteiligte zu 1) entgegen der Auffassung
des Nachlassgerichts nicht verstoßen.

aaa) Die Pflichtteilsstrafklausel verfolgt allgemein das Ziel, dem überlebenden Ehegatten den
Nachlass möglichst ungeschmälert zu erhalten (vgl. BayObLG MDR 1991, 252). Der Erblasser
will in der Regel mit der Sanktionsklausel seinen überlebenden Ehegatten nicht nur vor einer
vorzeitigen Schmälerung der als Einheit gesehenen Erbmasse oder Gefahr einer solchen
schützen, sondern ihm auch und gerade die persönlichen Belastungen ersparen, die mit einer
Auseinandersetzung mit dem (angeblich) Pflichtteilsberechtigten regelmäßig verbunden sind
(vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 331; OLG München NJW-RR 2008, 1034).

Die Pflichtteilsstrafklausel wird durch das bewusste Geltendmachen des Pflichtteils in Kenntnis
der Klausel ausgelöst (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 2021, § 2069 Rn 14). Die Verwirkung
der Pflichtteilsstrafklausel erfordert ein Fordern des Pflichtteils gegenüber dem Längstlebenden
seitens des Pflichtteilsberechtigten. Dabei wird ein Verlangen bzw. Fordern immer dann
angenommen, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Überlebenden ausdrücklich
und ernsthaft deutlich macht, dass er seinen Pflichtteil geltend machen will (vgl. OLG Rostock
NJW-RR 2015, 776).

Hierfür ist es nicht ausreichend, dass der Pflichtteilsberechtigte allein Auskunft begehrt. Zwar
wird der Erbe auch durch die Erstellung des Nachlassverzeichnisses im Wege der Auskunft
schon durch die Auseinandersetzung mit dem Pflichtteilsberechtigten belastet. Der Pflichtteilsberechtigte
hingegen benötigt zumindest die Auskunft über den Umfang des Nachlasses,
um sich entscheiden zu können, ob er seine Schlusserbeneinsetzung bestehen lassen oder
lieber seinen Pflichtteil in Anspruch nehmen möchte (vgl. BayObLG MDR 1991, 252; Sarres
ZEV 2004, 407; Palandt/Weidlich, BGB, 2021, § 2069 Rn. 14; zurückhaltend OLG Rostock
NJW-RR 2015, 776). Diese Differenzierung ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber
mit dem Auskunftsanspruch in § 2314 BGB und dem Pflichtteilsanspruch in § 2303 BGB zwei
unterschiedliche Ansprüche geregelt hat.

Demgegenüber ist es für ein Verlangen in dem vorgenannten Sinne nicht erforderlich, dass
die Pflichtteilsberechtigte diesen bereits gerichtlich eingefordert hat oder der Pflichtteil bereits
an sie ausgezahlt ist (vgl. OLG Hamm ZEV 2013, 397; OLG Düsseldorf NJW-RR 2011,
1515, Palandt/Weidlich, BGB, 2021, § 2069 Rn. 14).

Ob der Pflichtteilsberechtigte zu erkennen gibt, den Pflichtteil ernsthaft geltend machen zu
wollen, ist dabei aus der Sicht des Erben unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts
zu beurteilen.

bbb). Unter Zugrundelegung vorstehender Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass die
Beteiligte zu 1) gegenüber der Erblasserin ihren Pflichtteil nach dem Ehemann der Erblasserin
im Sinne der Pflichtteilsverwirkungsklausel gefordert hat.

Ein Fordern des Pflichtteils bereits mit Schreiben ihrer Anwälte vom 20. Juli 2018 kommt ohnehin
nicht in Betracht, da die Beteiligte zu 1) zu diesem Zeitpunkt unstreitig keine Kenntnis
von dem Testament hatte, die Kenntnis der Pflichtteilsklausel aber Voraussetzung für die Verwirkung
der Klausel ist. Ferner ist trotz der danach seitens der Beteiligten zu 1) erlangten
Kenntnis von dem Testament ebenfalls in dem Schreiben vom 29. August 2018 kein Verlangen
des Pflichtteils zu sehen, da hiermit lediglich Auskunft über den Nachlass verlangt wurde,
das bloße Verlangen der Auskunft jedoch regelmäßig kein Verlangen des Pflichtteils beinhaltet.
Des Weiteren hat die Beteiligte zu 1) auch nicht den Pflichtteil dadurch gefordert, dass sie
mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 die Richtigkeit des ihr übersandten Nachlassverzeichnisses
anzweifelte und zugleich einen Wertermittlungsanspruch hinsichtlich einer zum Nachlass
gehörenden Immobilie geltend machte.

Zuzugeben ist dem Nachlassgericht zwar, dass hierdurch eine Beharrlichkeit der Interessenverfolgung
zum Ausdruck gekommen ist, die über eine grobe Einschätzung des Nachlasswertes
hinausgeht. Gleichwohl wird hierdurch die Grenze zum Verlangen des Pflichtteils noch
nicht überschritten, handelt es sich vielmehr weiterhin ausschließlich um die - wenngleich energische
- Forderung ggf. anspruchsvorbereitender Informationen. Obgleich eine Belastung
für den durch die Klausel zu schützenden Erben hierin unverkennbar ist und insoweit das Ziel
der Pflichtteilsverwirkungsklausel nicht in vollem Umfang erreicht wird, ist an der gesetzlichen
Trennung zwischen den Ansprüchen aus § 2303 BGB und § 2314 BGB schon aus Gründen
der Rechtssicherheit festzuhalten. Finanzielle Nachteile für den Erben sind hiermit nicht
verbunden, da ein etwaiger Verzug mit der Zahlung des Pflichtteils durch ein gesteigertes
Auskunftsverlangen ebenfalls in Form der Erhebung eines Wertermittlungsanspruchs nach
§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht begründet wird. Hinzu kommt, dass andernfalls bereits ein
völlig unzureichendes Nachlassverzeichnis den Pflichtteilsberechtigten dazu zwingen würde,
eine Entscheidung zwischen Geltendmachung des Pflichtteils und Bewahrung des Erbanspruchs
nach dem Längstlebenden zu treffen, obwohl ihm hierzu eine brauchbare Informationsgrundlage
fehlt. Sofern die Testierenden hingegen bereits das bloße Auskunftsverlangen
als besondere Form der Belastung für den Überlebenden ausschließen wollen, steht es ihnen
frei, die Pflichtteilsverwirkungsklausel weiter zu fassen und nicht nur das Verlangen des
Pflichtteils, sondern bereits die Auskunft über die Höhe des Nachlasses als entsprechend zu
ahndendes Verhalten festzuschreiben.

Schließlich verwirkte die Beteiligte zu 1) ihren Erbteil auch nicht dadurch, dass sie am 29.
März 2019 ihre Verfahrensbevollmächtigten anwies, den Pflichtteil geltend zu machen. Denn
diese Anweisung widerrief sie bereits am 1. April 2019, einem Sontag, ohne dass das Verlangen
der Erblasserin zur Kenntnis gelangt wäre. Auf deren verobjektivierte Sicht kommt es
hingegen an.

Aus den Angaben der Beteiligten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Nachlassgericht,
die im Wesentlichen lediglich den vorliegenden Schriftverkehr bestätigen, lässt sich
ebenfalls kein Verlangen des Pflichtteils ersehen. Insbesondere bestätigte sie ausdrücklich,
von einer gerichtlichen Auseinandersetzung bewusst Abstand genommen zu haben.

d) Mangels Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel ist die Beteiligte zu 1) weiterhin Mitglied
der Erbengemeinschaft nach der Erblasserin, weswegen der Erbscheinsantrag der Beteiligte
zu 5) zurückzuweisen war.

3. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung folgt der gesetzlichen Regelung für den Normalfall.
Soweit es die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens anbelangt, entspricht es der Billigkeit,
von einer Kostenerhebung abzusehen, § 81 FamFG. Die Beschwerde ist erfolgreich gewesen.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten in erster und zweiter Instanz ist nicht veranlasst.
Dies entspräche nicht zuletzt in Anbetracht des verwandtschaftlichen Verhältnisses zwischen
den Beteiligten sowie der fehlenden Eindeutigkeit der zu treffenden Entscheidung nicht
der Billigkeit.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen
nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die sich an der rechtlichen Bewertung
der konkreten Gesamtumstände orientiert. Folglich ist kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung
des Senats gegeben.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 61, 40 GNotKG. Sie richtet sich gemäß § 61
Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Interessen, denen das Rechtsmittel ausweislich des Antrags
der Beschwerdeführerin dient. Ziel des Antrags der Beteiligten zu 1) ist die Verhinderung
des von den Beteiligten zu 5) beantragten Erbscheins. Damit ist für den Geschäftswert
auch des Beschwerdeverfahrens die spezielle Regelung betreffend der Verfahren zur Erteilung
eines Erbscheins in § 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG heranzuziehen, wonach maßgeblich der Wert
des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls ist, von dem nur die vom Erblasser herrührenden
Verbindlichkeiten abgezogen werden. Den Wert des Nachlasses bemisst der Senat auf der
Grundlage der Angaben des Beteiligten zu 5) auf etwa 140.000 Euro (Bl. 4 d. A.). Daraus ergibt
sich der im Tenor festgesetzte Beschwerdewert.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

01.02.2022

Aktenzeichen:

21 W 182/21

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Kostenrecht
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 2303, 2314