Form einer in Brasilien erklärten Erbausschlagung
letzte Aktualisierung: 16.12.2021
OLG Köln, Beschl. v. 14.7.2021 – 2 Wx 119/21
EuErbVO Art. 28; BGB §§ 1944, 1945
Form einer in Brasilien erklärten Erbausschlagung
1. Die Form einer in Brasilien erklärten Ausschlagung der Erbschaft nach einem in Deutschland
verstorbenen Erblasser richtet sich alternativ nach brasilianischem Recht (Ortsform) oder nach
deutschem Recht (das anzuwendende Erbrecht).
2. Die notwendige notarielle Beglaubigung der Unterschrift des Ausschlagenden kann im Wege der
Substitution durch die Beglaubigung einer vergleichbaren autorisierten Person des brasilianischen
Rechts ersetzt werden.
Gründe:
I.
Am xx.xx.2020 ist Frau A B (im Folgenden: Erblasserin) verstorben. Ihr Ehemann, Herr C
B, ist zwischen dem 13.xx.2020 und 14.xx.2020 vorverstorben. Die Erblasserin und ihr
Ehemann hatten am 24.06.1985 einen vom Nachlassgericht am 07.08.2020 eröffneten
Erbvertrag (UR.Nr. 1xx9/1985 des Notars D in E, Bl. 7 ff. d. Beiakte 75 IV 902/20)
geschlossen, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und darüber hinaus
keine weiteren Verfügungen getroffen haben.
Die Erblasserin hinterlässt keine Kinder. Ihre Eltern sind vorverstorben. Die Erblasserin hat
zwei Geschwister, die am xx.xx.1995 vorverstorbene F G und H. Die vorverstorbene F G
hat zwei Kinder hinterlassen, Herrn I G und die Antragstellerin. Herr I G hat die Erbschaft
durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom 18.09.2020 ausgeschlagen (Bl. 1 ff.
d. Beiakte 75 VI 1126/20). Weiterhin ist zur Akte gereicht worden eine
Ausschlagungserklärung der in Brasilien lebenden H vom 01.10.2020 in brasilianischer
Sprache mit beglaubigter deutscher Übersetzung, die von Frau J, einer „autorisierten
Schreiberin im außergerichtlichen Dienst“ in K, beglaubigt worden ist, wobei die
Beglaubigung wiederum „überbeglaubigt“ und mit einer Apostille versehen worden ist (Bl. 6
ff. d. Beiakte 75 VI 1126/20).
Mit notariell beurkundetem Antrag vom 19.11.2020 – UR.Nr. 2xx4/2020 des Notars L in M
– hat die Beteiligte die Erteilung eines Alleinerbscheins nach gesetzlicher Erbfolge
beantragt (Bl. 1 ff. d.A.).
Durch Beschluss vom 04.03.2021 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der
Beteiligten zurückgewiesen, weil die erforderliche Form der Ausschlagungserklärung nicht
gewahrt sei (Bl. 30 f. d.A.). Nach deutschem Recht sei eine Beglaubigung durch einen
deutschen Notar oder ein deutsches Konsulat oder die deutsche Botschaft erforderlich.
Nach der Ortsform, dem brasilianischen Recht, sei eine öffentliche Beurkundung
erforderlich, die hier ebenfalls nicht eingehalten worden sei.
Gegen diesen der Beteiligten am 09.03.2021 zugestellten Beschluss hat diese mit am
09.04.2021 beim Amtsgericht Brühl eingegangenen Schriftsatz vom 08.04.2021, auf
dessen Inhalt Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt (Bl. 35 ff. d.A.).
Durch Beschluss vom 21.04.2021 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 38
f. d.A.).
II.
Die zulässige Beschwerde der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antrag der Beteiligten auf Erteilung eines Alleinerbscheins nach gesetzlicher Erbfolge
ist entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts begründet. Der angefochtene
Beschluss ist daher aufzuheben. Die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der
Beteiligten erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.
Die Beteiligte ist Alleinerbin der Erblasserin nach gesetzlicher Erbfolge. Die gewillkürte
Erbfolge kommt nicht zum Tragen, weil die Einsetzung ihres Ehemannes als Alleinerben
durch den Erbvertrag vom 24.06.1985 infolge seines Vorversterbens und mangels
Einsetzung von Ersatzerben gegenstandslos ist. Da Erben erster Ordnung (§§ 1924, 1930
BGB) nicht vorhanden und die Eltern der Erblasserin vorverstorben sind, kommen als
Erben zweiter Ordnung gem.
Beteiligte und I G als Kinder der vorverstorbenen weiteren Schwester der Erblasserin in
Betracht. H und I G sind indes infolge ihrer Ausschlagungserklärungen als Erben gem. §
1953 Abs. 1 BGB weggefallen.
Die Ausschlagungserklärung des I G vom 18.09.2020 ist formgerecht zur Niederschrift des
Nachlassgerichts gem.
1, 1945 Abs. 1 BGB erfolgt. Abkömmlinge hat I G nicht, so dass sein Erbteil gem. § 1953
Abs. 2 BGB an die Beteiligte fällt.
Auch die Ausschlagung der H ist wirksam. Die Ausschlagung ist fristgerecht erfolgt. Sie
lebt im Ausland, so dass die Ausschlagungsfrist gem.
beträgt. Der Erbfall erfolgte am 18.07.2020. Die Ausschlagungserklärung ist am
20.10.2020 – auch in deutscher Sprache - beim Nachlassgericht eingegangen, so dass die
Ausschlagungsfrist unabhängig davon, wann die Frist zu laufen begann, gewahrt worden
ist.
Die Ausschlagung der H ist auch formgerecht erklärt worden. Dabei kann offenbleiben, ob
sich die Bestimmung des auf die Form der Ausschlagung anwendbaren Rechts nach Art.
28 EuErbVO oder Art. 11 Abs. 1 EGBGB richtet, weil nach beiden Vorschriften auf die
Form alternativ brasilianisches Recht (Ortsform) und deutsches Recht (das anzuwendende
Erbrecht) zur Anwendung kommt. Die Ortsform ist allerdings nicht gewahrt, weil nach
brasilianischem Recht (Art. 1806 Zivilgesetzbuch) eine Ausschlagungserklärung mittels
öffentlicher Urkunde oder zu Protokoll des Gerichts erfolgen muss. Hier ist die
Ausschlagungserklärung weder mittels öffentlicher Urkunde noch zu Protokoll eines
Gerichts erfolgt.
Die Form der Ausschlagung ist allerdings nach deutschem Recht, dem auf die Erbfolge
anwendbaren Recht (
Abs. 1 BGB ist die Ausschlagung gegenüber dem Nachlassgericht entweder zur
Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Hier
liegt die Ausschlagung in öffentlich beglaubigter Form vor. Zwar ist davon auszugehen,
dass die öffentliche Beglaubigung im Sinne von § 1945 Abs. 1 2. Hs. Alt. 2 BGB
grundsätzlich die Beglaubigung durch einen deutschen Notar meint. Allerdings ist die
Beglaubigung der Unterschrift der Ausschlagungserklärung der H durch einen deutschen
Notar im vorliegenden Fall im Wege der Substitution durch die Beglaubigung einer
vergleichbaren autorisierten Person im Sinne des brasilianischen Rechts ersetzt worden.
Bei der Substitution stellt sich die Frage, ob ein von einer in- oder ausländischen Norm
vorausgesetztes Tatbestandsmerkmal auch dadurch erfüllt werden kann, dass es sich im
Geltungsbereich eines nicht berufenen Rechts verwirklicht. Die Substitution hängt nach
allgemeiner Ansicht davon ab, ob das in Frage stehende ausländische Rechtsinstitut dem
an sich vorausgesetzten inländischen Rechtsinstitut nach der ratio der Norm bezüglich der
beurkundenden Person und des Beurkundungsvorgangs funktional gleichwertig ist
(Staudinger/Looschelders, BGB, Neubearbeitung 2019, Stand 18.12.2020, Einleitung IPR
Rn. 1219, 1220 m.w.N.; Palandt/Thorn, BGB, 79. Aufl. 2020,
Schmidt/Kottke,
auszugehen.
Die Aufgaben der brasilianischen Notare entsprechen den typischen Aufgaben lateinischer
Notare. Dazu gehören u.a. auch Unterschriftsbeglaubigungen. Dabei sind die Notare in
Brasilien befugt, sogenannte Schreiber („escreventes“) als Vertreter zu beschäftigen, die
gesetzlich befugt sind, bestimmte notarielle Akte durchzuführen (Art. 20 des Gesetzes Nr.
8.935 vom 19.11.1994). Hierzu zählen u.a. Unterschriftsbeglaubigungen, nicht aber
Beurkundungen. Dementsprechend ist die Unterschrift der H nicht nur von einer
Schreiberin („escreventes“) beglaubigt worden, sondern deren Beglaubigung wiederum
„überbeglaubigt“ worden. Dafür, dass die Schreiberin zur Beglaubigung der Unterschrift
der H befugt war, spricht im Übrigen auch Art. 5 Abs. 2 des - auf brasilianische Urkunden
anwendbaren - Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer Urkunden von der
Legalisation. Danach wird durch die Apostille die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft,
in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat, und gegebenenfalls die Echtheit
des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist, nachgewiesen, d.h. die
Echtheit des Beglaubigungsvermerks. Soweit das Nachlassgericht die Gleichwertigkeit der
Beglaubigung nach brasilianischem Recht mit einer Beglaubigung durch einen deutschen
Notar im Hinblick auf die beurkundende Person abgelehnt hat, ist dem nicht zu folgen. Der
Zweck des Formerfordernisses einer Unterschriftsbeglaubigung gem. § 1945 BGB besteht
allein darin, die Identität des Urhebers der Erklärung festzustellen (MüKo-BGB/Leipold, 8.
Aufl. 2020, § 1945 Rn. 1), nicht aber rechtliche Bewertungen wie beispielsweise bei der
Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages vorzunehmen. Es kommt daher nicht darauf
an, ob die Schreiberin („escreventes“) vorliegend eine vergleichbare Ausbildung hat wie
ein deutscher Notar. Maßgebend ist vielmehr, dass sie ebenso wie ein deutscher Notar
befähigt ist, Beglaubigungen von Unterschriften vorzunehmen, wovon auszugehen ist.
Aufgrund der von der Beteiligten vorgelegten Unterlagen ist weiterhin davon auszugehen,
dass auch der Beglaubigungsvorgang ordnungsgemäß erfolgt und mit einer Beglaubigung
nach deutschen Recht vergleichbar ist, d.h. H beim Beglaubigungsvorgang anwesend war
und die Schreiberin („escreventes“) die Echtheit ihrer Unterschrift unter der
Ausschlagungserklärung festgestellt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
nicht statt, weil der Beteiligten ein Beschwerdegegner nicht gegenübersteht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Köln
Erscheinungsdatum:14.07.2021
Aktenzeichen:2 Wx 119/21
Rechtsgebiete:
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Gesetzliche Erbfolge
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
EuErbVO Art. 28; BGB §§ 1944, 1945