OLG Düsseldorf 15. November 2018
3 Wx 175/18
BGB § 1981 Abs. 2

Voraussetzungen einer Anordnung der Nachlassverwaltung bei drohender Veräußerung des wertvollsten Nachlassgegenstands

letzte Aktualisierung: 2.8.2019
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.11.2018 – 3 Wx 175/18

BGB § 1981 Abs. 2
Voraussetzungen einer Anordnung der Nachlassverwaltung bei drohender Veräußerung des
wertvollsten Nachlassgegenstands

1. Zur Voraussetzung einer Anordnung der Nachlassverwaltung wegen Gefährdung der
Gläubigerbefriedigung seitens des Erben (hier betreffend Forderungen zweier
Pflichtteilsberechtigter gegen den Nachlass) durch die Veräußerung des – gemäß
Nachlassverzeichnis – einzig wirklich wertvollen Nachlassgegenstandes (Immobilieneigentum), ohne
Sicherheiten am Erlös gewährt zu haben, bei zur Zeit der nachlassgerichtlichen Entscheidung wegen
unbekannter Erbenanschrift nicht erreichbarem Arrest.

2. Zur Berücksichtigung des Fortfalls der tragenden Tatsachengrundlage nach Mitteilung und Beleg
der in Deutschland gelegenen Adresse des Erben mit der Beschwerdebegründung (hier mit der
Folge einer Änderung der die Nachlassverwaltung anordnenden angefochtenen Entscheidung) und
zum Einfluss des neuen Vortrags auf die Entscheidung, dem Beschwerdeführer die Kosten (auch)
des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

G r ü n d e :

I.
Mit Schreiben vom 29.05.2018 (Eingang bei Gericht am 04.06.2018) beantragen die
Beteiligten zu 1 und 2 die Anordnung der Nachlassverwaltung.

Zur Begründung tragen sie vor, die durch Erbvertrag des am 15.05.2018 verstorbenen
Erblassers vom 26.01.2015 eingesetzte Alleinerbin, die Beteiligte zu 3, gefährde sowohl
durch ihr Verhalten als auch durch ihre Vermögenslage die Befriedigung der Ansprüche
der Beteiligten zu 1 und 2 als Nachlassgläubigerinnen.

Diese seien als Töchter des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Hierzu legen sie deren
Geburtsurkunden vor.

Zudem würden auch Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 1 und 2 nach dem Tod deren
Mutter am 09.08.2015 bestehen, welche sich nunmehr nach dem Tod des Erblassers und
Alleinerben der Mutter gegen die Beteiligte zu 3 richteten.

Sie geben weiter an, dass der Nachlass nicht überschuldet sei und aus einer Immobilie
nebst Geldvermögen bestehe.

Der Aufenthaltsort der Beteiligten zu 3 befinde sich im Ausland und sei im Genaueren
unbekannt. Eine Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche werde dadurch vereitelt.

Zur Notwendigkeit der Anordnung der Zwangsverwaltung geben Beteiligten zu 1 und 2
weiter an, dass eine Titelerwirkung zu lange dauern würde. Es bestünde die Gefahr, dass
der Zugriff auf den Nachlass dann nicht mehr möglich sei. Verkaufsbemühungen
betreffend die Immobilie seien bereits angelaufen. Entsprechende Vermarktungs-Anzeige
der Sparkasse legen sie vor.

Eine Sicherheitsleistung sei seitens der Beteiligten zu 3 abgelehnt worden.
Die Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 1 und 2 werden grundsätzlich von der
Beteiligten zu 3 nicht bestritten.

Sie legt ein der Gegenseite zugesandtes vorläufiges Nachlassverzeichnis vor und sichert
den Beteiligten zu 1 und 2 die Befriedigung ihrer Ansprüche nach Verkauf der Immobilie
zu.

Eine Bekanntgabe ihrer Anschrift an die Beteiligten zu 1 und 2 lehnt sie ab.

Die Beteiligte zu 3 bestreitet die Notwendigkeit der Anordnung der Nachlassverwaltung mit
der Begründung, dass andere Sicherungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden und der
Nachlass nicht komplex sei.

Durch Beschluss vom 17. August 2018 hat das Nachlassgericht Nachlassverwaltung
angeordnet und den Beteiligten zu 4. zum Nachlassverwalter bestellt. Hiergegen wendet
sich die Beteiligte zu 3. mit ihrem am 23. August 2018 bei Gericht eingegangenen
Rechtsmittel.

II.
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3. ist dem Senat infolge der mit weiterem Beschluss
des Nachlassgerichts vom 24. August 2018 ordnungsgemäß – insbesondere unter
ausreichender Würdigung der Rechtsmittelbegründung – erklärten Nichtabhilfe zur
Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG.

Es ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1
und 2 FamFG als befristete Beschwerde statthaft und insgesamt zulässig.

In der Sache erweist sich die Beschwerde – einzig – aufgrund einer im zweiten Rechtszug
neu eingetretenen Tatsache als begründet.

1.
Die angegriffene Entscheidung vom 17. August 2018 ist richtig gewesen.
Berechtigterweise ist das Nachlassgericht seinerzeit davon ausgegangen, dass die
Voraussetzungen des § 1981 Abs. 2 BGB vorlagen.

Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag eines Nachlassgläubigers die Nachlassverwaltung
anzuordnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Befriedigung der
Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des
Erben gefährdet wird (Satz 1); allerdings kann der Antrag nicht mehr gestellt werden, wenn
seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre verstrichen sind (Satz 2).

a) Keiner näheren Ausführungen bedarf, dass die Beteiligten zu 1. und 2. als
Pflichtteilsberechtigte Nachlassgläubiger sind, die Beteiligte zu 3. die Alleinerbin nach dem
Erblasser ist und die Zweijahresfrist nicht verstrichen sein kann.

b)Was die vorstehend beschriebene Annahme anbelangt (zum Folgenden: BayObLG
NJW-RR 2002, 871 ff; KG NJW-RR 2005, 378 ff; Senat, NJW-RR 2012, 843; BeckOK BGB
– Lohmann, Stand: 01.05.2018, § 1981 Rdnr. 6; MK-Küpper, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1981
Rdnr. 6; Staudinger-Dobler, BGB, Neubearb. 2016, § 1981 Rdnr. 22), gefährdet ein Erbe
die Gläubigerbefriedigung durch sein Verhalten, sei es schuldhaft oder nicht, namentlich
durch leichtsinnige Verschleuderung des Nachlasses, voreilige Befriedigung einzelner
Nachlassgläubiger, aber auch schon durch bloße Gleichgültigkeit, nach mehrfach
geäußerter Ansicht (Küpper, Dobler und vor allem KG, je a.a.O.) hingegen nicht allein
durch die Veräußerung zum Nachlass gehöriger Gegenstände; ferner durch seine (des
Erben) schlechte Vermögenslage, wenn sich – insbesondere infolge Verschuldung – das
Eigenvermögen des Erben so darstellt, dass die Gefahr eines Zugriffs der Eigengläubiger
auf den Nachlass besteht. Beseitigen kann ein Erbe eine vorhandene Gefährdung durch
Sicherheitsleistung.

Hinsichtlich der Veräußerung einzelner Nachlassgegenstände erscheint dem Senat eine
differenzierte Betrachtung geboten. Die dem heutigen Meinungsstand zugrunde liegende
Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts betraf die Veräußerung von
Mobilien, die im Hinblick auf den Gesamtnachlass von mehreren Millionen DM als nur von
marginalem Wert bezeichnet werden mussten; bei ihnen verstand sich eine
Gefährdungsannahme in der Tat ohne weitere Feststellungen nicht von selbst. Anders
sieht es aber bei abweichenden Wertverhältnissen und, insbesondere zugleich, signifikant
geringerer Sicherheit, sich aus dem Nachlass effektiv befriedigen zu können, aus. Diese
Sachverhaltsgestaltung betrifft jedenfalls anstehende Veräußerungen von
Immobilienvermögen durch einen Erben, sofern er den Gläubigern nicht Sicherungen am
Erlös einräumt (so zum Arrestverfahren auch Schneider NJW 2010, 3401/3402). Dann
liegt eine Gefährdung der Gläubigerbefriedigung zunächst typischerweise vor und kann
lediglich aufgrund der Gegebenheiten des einzelnen Falles, etwa der besonderen
Verlässlichkeit des Erben oder der Möglichkeit, unschwer einstweiligen zivilprozessualen
Rechtsschutz zu erlangen, ausgeschlossen sein. Daran ändert sich nichts dadurch, dass
der Erbe anführt, die Veräußerung gerade zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger
vorzunehmen. Auch lässt sich der hier vertretenen Sicht nicht entgegenhalten, einen
Anspruch auf Erhaltung des Nachlasses in seinem ursprünglichen Bestand habe ein
Nachlassgläubiger nicht. Denn es geht nicht um die Untersagung einer Veräußerung,
sondern um den Zusammenhalt des Nachlasses dem Werte nach, und der geordneten
Befriedigung und der Sicherung dient die Nachlassverwaltung auf Gläubigerantrag. Bei
alledem darf nicht aus dem Blick geraten, dass die gesetzliche „Bevorzugung“ von
Nachlassgläubigern gegenüber sonstigen Forderungsinhabern, etwa durch §§ 1981 Abs.
2, 1961 BGB, maßgeblich auf der Erwägung beruht, diese erhielten mit dem Erbfall ohne
ihren Willen neue Schuldner (vgl. zum Vorstehenden KG a.a.O.).

c)Nach diesen Grundsätzen war hier zur Zeit der Entscheidung des Nachlassgerichts eine
Gefährdung anzunehmen.

Zwar kann der Beteiligten zu 3. weder Verschleuderung des Nachlasses, noch eine
Bevorzugung einzelner Gläubiger vorgehalten werden, und sie steht – wie gerade auch die
recht zügige Erstellung und Übermittlung des Nachlassverzeichnisses, bei dem nur
wenige, objektiv noch nicht absehbare Positionen als Erinnerungsposten offen blieben,
zeigt – den Nachlasswerten auch nicht etwa gleichgültig gegenüber; schließlich ist nicht
ersichtlich, von den Beteiligten zu 1.und 2. nicht einmal behauptet, dass Eigengläubiger
der Beteiligten zu 3. versuchten, auf den Nachlass Zugriff zu nehmen.

Jedoch beabsichtigt sie die Veräußerung des (gemäß Nachlassverzeichnis) einzig wirklich
wertvollen Nachlassgegenstandes, des Immobilieneigentums, ohne Sicherheiten am Erlös
gewährt zu haben. Zur Zeit der nachlassgerichtlichen Entscheidung konnte auch keine
Rede davon sein, dass die Beteiligten zu 1. und 2. unschwer in der Lage gewesen wären,
einen dinglichen Arrest in das Hausgrundstück auszubringen. Dies gilt zwar nicht
bezüglich der gerichtlichen Zuständigkeit (wegen § 919, 2. Fall ZPO); auch mögen sie
nicht imstande gewesen sein, ihre Pflichtteilsforderungen genau zu beziffern, doch hätten
sie auf der Grundlage des (vor Erlass des Beschlusses des Nachlassgerichts
vorliegenden) Nachlassverzeichnisses, gegen dessen Richtigkeit sie substantielle
Einwendungen nicht erhoben haben, einen Mindestbetrag schätzen (vgl. § 2311 Abs. 2
Satz 1 BGB) und besichern lassen können. Demgegenüber ist mindestens fraglich, ob das
zuständige Amtsgericht auf der Grundlage höchstrichterlicher Rechtsprechung ein
Arrestgesuch überhaupt als zulässig behandelt hätte, dies aus zwei Gründen: Zum einen
wären die Beteiligten zu 1. und 2. außerstande gewesen, eine Anschrift der dortigen
Antragsgegnerin anzugeben oder auch nur vorzutragen, es gebe jedenfalls eine
inländische Anschrift, allenfalls hätten sie einen Zustellungsbevollmächtigten benennen
können (vgl. BGHZ 102, 332 ff; Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 253 Rdnr. 8 m.w.
Nachw.); zum anderen hätte das Amtsgericht der Auffassung sein können, dem Gesuch
fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil es auf einen mangels hinreichender Identifizierung
der Antragsgegnerin – eben durch ihre Anschrift – nicht vollstreckungsfähigen Titel
gerichtet sei (vgl. zuletzt BGH NJW 2018, 399 ff).

2.
Die nach alledem den nachlassgerichtlichen Beschluss tragende Tatsachengrundlage ist
dadurch entfallen, dass die Beteiligte zu 3. mit der Beschwerdebegründung ihre (in
Deutschland gelegene) Adresse in hinreichend verlässlicher Form mitgeteilt hat, denn bei
dieser Lage kann – wie gezeigt – nicht mehr gesagt werden, es bestehe Grund zur
Annahme, die Befriedigung der Beteiligten zu 1. und 2. als Nachlassgläubigerinnen sei
gefährdet, da einstweiliger Rechtsschutz, wenn überhaupt, allenfalls unter Schwierigkeiten
zu erlangen wäre.

a)Die Beteiligte zu 3. hat ihre (inländische) Anschrift ab 1. September 2018 konkret
benannt und, anders als zuvor, ausdrücklich deren Mitteilung an die Beteiligten zu 1. und

2. nicht ausgeschlossen sowie die Richtigkeit ihrer Angaben durch Kopien ihres gültigen
Personalausweises und der Meldebestätigung der Stadt A. vom 4. September 2018
nachgewiesen. Auch die Beteiligten zu 1. und 2. erheben keine konkreten Einwände
gegen den diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten zu 3.

b)Dieses Vorbringen ist nach § 65 Abs. 3 FamFG im Beschwerdeverfahren zu beachten.

Jene Vorschrift besagt, dass die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweismittel
gestützt werden kann. Nicht erforderlich ist, dass diese erst nach Erlass der
angefochtenen Entscheidung zur Verfügung standen oder erst nach diesem Zeitpunkt dem
Beschwerdeführer bekannt geworden sind, mit anderen Worten nicht früher geltend
gemacht werden konnten (BGH MDR 2008, 764 f [zur ZPO]; Keidel-Sternal, FamFG, 19.
Aufl. 2017, § 65 Rdnr. 10).

Danach ist maßgeblich der Verfahrensstoff im Zeitpunkt des Erlasses der
Beschwerdeentscheidung, hier des vorliegenden Beschlusses.

III.
Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, für
das Beschwerdeverfahren auf dieser Vorschrift in Verbindung mit dem Rechtsgedanken
des § 97 Abs. 2 ZPO und rechtfertigt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin – wie
zuvor gezeigt – vor dem Nachlassgericht zu Recht unterlegen gewesen ist und sie mit
ihrem Rechtsmittel nur aufgrund neuen Vorbringens obsiegt. Ausschlaggebend auf das
Obsiegen und Unterliegen abzustellen, ist deshalb geboten, weil sich die vorliegende
Nachlasssache in ihrem sachlichen Gehalt als reine Zivilstreitigkeit darstellt, nämlich als

Streit um eine Sicherung für bestehende Forderungen, ohne dass persönlicher
Verbundenheit eine erkennbare Bedeutung zukäme.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1
FamFG liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1, 64 Abs. 2
GNotKG, wobei der Senat von einem Nachlassreinwert von 420.000 € ausgegangen ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

15.11.2018

Aktenzeichen:

3 Wx 175/18

Rechtsgebiete:

Erbenhaftung
Kostenrecht
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZEV 2019, 210-211

Normen in Titel:

BGB § 1981 Abs. 2