BGH 11. November 2022
V ZR 145/21
BGB §§ 873 Abs. 1, 874 S. 1, 1018

Zu den Anforderungen an das herrschende Grundstück bei Eintragung einer Grunddienstbarkeit

letzte Aktualisierung: 16.2.2023
BGH, Beschl. v. 11.11.2022 – V ZR 145/21

BGB §§ 873 Abs. 1, 874 S. 1, 1018
Zu den Anforderungen an das herrschende Grundstück bei Eintragung einer
Grunddienstbarkeit

a) Wenn der aus einer Grunddienstbarkeit Berechtigte durch Bezeichnung des herrschenden
Grundstücks im Grundbuch eindeutig bezeichnet ist, kommt eine abweichende Auslegung anhand
der Eintragungsbewilligung und der tatsächlichen Verhältnisse nicht in Betracht. Dies gilt auch
dann, wenn die Grunddienstbarkeit zugunsten einer noch wegzumessenden Teilfläche bestellt
worden war (im Anschluss an Senat, Beschluss vom 23. September 1993 – V ZB 27/92, BGHZ 123,
297, 301).
b) Herrschendes Grundstück im Sinne von § 1018 BGB kann nur ein selbständiges Grundstück im
Sinne der Grundbuchordnung, also eine räumlich abgegrenzte, auf einem besonderen
Grundbuchblatt gebuchte Fläche sein. Ausreichend, aber auch erforderlich ist dabei, dass das
Grundstück im Zeitpunkt der Eintragung der Dienstbarkeit rechtlich selbständig ist.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Urteil in BeckRS 2021,
15933 veröffentlicht ist, ist die Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks
1523/21 entstanden. Zwar sei im maßgeblichen Grundbuch des dienenden
Grundstücks 1523/17 eine Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks 1523 eingetragen
worden. Bezogen auf das Grundstück 1523 fehle es aber an einer korrespondierenden
dinglichen Einigung, weil sich die Einigung in der Urkunde
URNr. 2271 F/69 auf das noch wegzumessende Grundstück der Kläger (das
spätere Flurstück 1523/21) bezogen habe. Da dieses Grundstück bei der Eintragung
der Dienstbarkeit in das Grundbuch des Grundstücks 1523/17 grundbuchrechtlich
noch nicht existiert habe, sei das Grundbuch zu diesem Zeitpunkt richtig
gewesen. Die Bewilligung und die Eintragung beträfen kein Aliud, sondern ein
überobligatorisches Mehr gegenüber der Einigung, hätten also dem mit der Einigung
Gewollten entsprochen und seien lediglich darüber hinaus gegangen.
Durch die spätere grundbuchrechtliche Entstehung des Grundstücks 1523/21
habe sich an der bereits entstandenen Dienstbarkeit nichts mehr geändert, auch
wenn das Grundbuch dadurch eventuell unrichtig geworden sei.

II.
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Er ist gegenüber den Klägern nicht
aufgrund einer Grunddienstbarkeit verpflichtet, den Bewuchs seines Grund-
stücks 1523/17 auf höchstens vier Metern zu halten. Denn eine solche Grunddienstbarkeit
zugunsten des klägerischen Grundstücks 1523/21 ist nicht entstanden.

1. Voraussetzung für die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit
ist gemäß § 873 BGB eine Einigung über den Eintritt der Rechtsänderung
und eine Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. Einigung
und Eintragung müssen inhaltlich übereinstimmen (vgl. Senat, Beschluss vom
23. September 1993 - V ZB 27/92, BGHZ 123, 297, 301). Die Grunddienstbarkeit
ist auf dem für das dienende Grundstück angelegten Grundbuchblatt in Abteilung
II einzutragen (§ 10 Abs. 1 lit. a GBV; siehe auch Senat, Urteil vom
7. März 2014 - V ZR 137/13, WM 2014, 710 Rn. 9 mwN).

a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts,
dass sich die dingliche Einigung hinsichtlich der Belastung mit einer Dienstbarkeit
auf das spätere Grundstück 1523/17 und hinsichtlich der Berechtigung ausspätere
Grundstück 1523/21
bezog. Richtig ist auch, dass die am 17. Januar 1974 auf dem Grundbuchblatt
des Grundstücks 1523/17 erfolgte Eintragung, die das Grundstück 1523 als herrschendes
Grundstück benennt, hiermit nicht übereinstimmt.

b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts,
dass gleichwohl eine Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks 1523/21
entstanden sei. Da Einigung und Eintragung inhaltlich nicht übereinstimmen,
sind die Voraussetzungen von § 873 BGB nicht erfüllt.

c) Nichts Anderes folgt aus den in Bezug genommenen Urkunden. Wenn
der aus einer Grunddienstbarkeit Berechtigte durch Bezeichnung des herrschenden
Grundstücks im Grundbuch eindeutig bezeichnet ist, kommt eine abweichende
Auslegung anhand der Eintragungsbewilligung und der tatsächlichen
Verhältnisse nicht in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn die Grunddienstbarkeit
zugunsten einer noch wegzumessenden Teilfläche bestellt worden war (so bereits
Senat, Beschluss vom 23. September 1993 - V ZB 27/92, BGHZ 123, 297,
301).

aa) Zwar kann gemäß § 874 BGB bei der Eintragung eines Rechts, mit
dem ein Grundstück belastet wird, zur näheren Bezeichnung des Inhalts des
Rechts auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. Die Person
des Berechtigten muss jedoch aus dem Grundbuch selbst ersichtlich sein. Ist der
Berechtigte durch Bezeichnung des herrschenden Grundstücks im Grundbuch
eindeutig bezeichnet, ist für eine Auslegung anhand der Eintragungsbewilligung
kein Raum. Gerade weil der Berechtigte aus der Eintragung unmittelbar hervorgehen
muss, besteht jedenfalls bei unzweideutiger Verlautbarung kein Anlass
für den Rechtsverkehr, anhand der Bewilligung zu prüfen, ob die Eintragung damit
übereinstimmt. Von Bedeutung ist auch nicht, dass Berechtigter einer Grunddienstbarkeit
nicht ein namentlich bestimmter, sondern der jeweilige Eigentümer
des herrschenden Grundstücks ist (§ 1018 BGB), und dass deswegen der Berechtigte
durch Bezeichnung dieses Grundstücks eingetragen wird. Denn wenn
dies in eindeutiger Form geschehen ist, so ist der Berechtigte der Grunddienstbarkeit
unzweideutig bezeichnet (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom
23. September 1993 - V ZB 27/92, BGHZ 123, 297, 301).
bb) Daran gemessen richtet sich die Person des Berechtigten hier allein
nach der Grundbucheintragung.

(1) Im Grundbuch des mittlerweile im Eigentum des Beklagten stehenden
Grundstücks 1523/17 ist als herrschendes Grundstück eindeutig das Grundstück
1523 bezeichnet und nicht das klägerische Grundstück 1523/21, das der in der
dinglichen Einigung genannten Parzelle 2 entspricht. Die Bezeichnung des herrschenden
Grundstücks mit der Flurstücksnummer 1523 ist schon deshalb eindeutig,
weil dieses Grundstück weiterhin existiert. Dass das herrschende Grundstück
eindeutig bezeichnet ist, wird hier besonders augenfällig, weil das Grundstück
1523 ebenfalls im Eigentum des Beklagten steht und dieser daher keine
Veranlassung hatte anzunehmen, dass eigentlich ein Dritter berechtigt sein
sollte. Demgegenüber ist unerheblich, dass alle Grundstücke aus dem früheren
Flurstück 1523 hervorgegangen sind.

(2) Entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger in der Verhandlung
vor dem Senat vertretenen Ansicht ist § 1025 BGB nicht anwendbar.
§ 1025 Satz 1 BGB regelt die Teilung des Grundstücks des Berechtigten. Hier
sollte aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht das gesamte
ursprüngliche Grundstück 1523 - aus dem sowohl herrschendes als auch belastetes
Grundstück hervorgegangen sind - begünstigt und sodann nach Bestellung
einer Grunddienstbarkeit geteilt werden. Vielmehr sollte nur ein noch wegzumessender
Teil zu Lasten eines anderen noch wegzumessenden Teils berechtigt
werden.

2. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, ergeben sich keine
Besonderheiten aus dem Umstand, dass die Grunddienstbarkeit zugunsten einer
noch wegzumessenden Teilfläche bestellt worden und das Grundstück der
Kläger zum Zeitpunkt der Eintragung der Dienstbarkeit noch nicht entstanden
war.

a) Das Berufungsgericht übersieht nämlich, dass herrschendes Grundstück
im Sinne von § 1018 BGB nur ein selbständiges Grundstück im Sinne der
Grundbuchordnung, also eine räumlich abgegrenzte, auf einem besonderen
Grundbuchblatt gebuchte Fläche sein kann (vgl. BayObLGZ 1965, 267, 271;
ebenso Staudinger/Weber, BGB [2017] § 1018 Rn. 43; BeckOGK/Kazele, BGB
[1.11.2022] § 1018 Rn. 131; NK-BGB/Otto, 5. Aufl., § 1018 BGB Rn. 35;
MüKoBGB/Mohr, 8. Aufl., § 1018 Rn. 24). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der
Vorschrift und wird, soweit ersichtlich, nicht in Zweifel gezogen. Ausreichend,
aber auch erforderlich ist dabei, dass das Grundstück im Zeitpunkt der Eintragung
der Dienstbarkeit rechtlich selbständig ist. Ist das herrschende Grundstück
bei Bestellung der Dienstbarkeit noch rechtlich unselbständig, kann das Grundstück
durch eine Identitätserklärung bei Eintragung grundbuchmäßig bestimmt
werden. Zu Gunsten eines katastermäßig selbständigen, aber rechtlich unselbständigen
Grundstücks kann dagegen keine Grunddienstbarkeit bestellt werden
(ebenso Staudinger/Weber, aaO).

b) Hier existierte das klägerische Grundstück 1523/21 zum Zeitpunkt der
Eintragung noch nicht. Damit hätte die Eintragung der Dienstbarkeit nicht erfolgen
dürfen, und sie konnte nicht zur Entstehung der Dienstbarkeit zugunsten des
Grundstücks 1523/21 führen. Möglich gewesen wäre allenfalls eine Sicherung
des Anspruchs auf Einräumung der Dienstbarkeit durch Vormerkung gemäß
§ 883 Abs. 1 BGB (vgl. Staudinger/Weber, BGB [2017] § 1018 Rn. 43). Die
Dienstbarkeit konnte auch durch die spätere Anlegung des Grundbuchblatts für
das Flurstück 1523/21 nicht entstehen, weil - wie ausgeführt - Einigung und Eintragung
inhaltlich nicht übereinstimmen (vgl. oben Rn. 7).

III.
1. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils
nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte
Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif
ist (§ 563 Abs. 3 ZPO); die Klage ist auch mit dem erstmals in der Berufungsinstanz
gestellten Hilfsantrag abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

11.11.2022

Aktenzeichen:

V ZR 145/21

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Vormerkung
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 873 Abs. 1, 874 S. 1, 1018