BGH 24. Januar 2025
V ZR 51/24
BGB §§ 917 Abs. 1, 242; LBO Ba-Wü § 71

Überfahrtbaulast; zivilrechtliches Wegerecht

letzte Aktualisierung: 14.03.2025
BGH, Urt. v. 24.1.2025 – V ZR 51/24

BGB §§ 917 Abs. 1, 242; LBO BW § 71
Überfahrtbaulast; zivilrechtliches Wegerecht

Eine Überfahrtbaulast begründet kein zivilrechtliches Wegerecht.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte sei schon nicht verpflichtet, die
Nutzung der Zufahrt zu dulden und müsse den Weg daher weder instand halten
noch die Überfahrt behindernde Gegenstände entfernen. Eine Duldungspflicht
ergebe sich nicht aus der Baulast, da diese keine unmittelbare zivilrechtliche Wirkung
habe. Insbesondere ergebe sich hieraus kein Nutzungsanspruch des
Eigentümers des begünstigten Grundstücks. Der Klägerin stehe auch kein Notwegrecht
aus § 917 BGB zu. Die Erreichbarkeit der Garagen gehöre nicht zur
notwendigen Verbindung, weil das Grundstück über eine öffentliche Straße erreichbar
sei und sich dort Parkmöglichkeiten befänden. Das gelte selbst dann,
wenn die Zufahrt mittels einer Baulast gesichert sei. Fehlten die Voraussetzungen
des § 917 BGB, ergebe sich auch aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis
kein Wegerecht.

II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend ist der Ausgangspunkt
des Berufungsgerichts, wonach die geltend gemachten Ansprüche
voraussetzen, dass die Beklagte zur Duldung der Nutzung des Weges durch die
Klägerin verpflichtet ist. An dieser Voraussetzung fehlt es.

1. Frei von Rechtsfehlern verneint das Berufungsgericht einen Anspruch
der Klägerin gegen die Beklagte auf Einräumung eines Notwegrechts. Fehlt einem
Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung
mit einem öffentlichen Weg, kann der Eigentümer nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB
von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung
ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a) Welche Art der Benutzung eines Grundstücks im Sinne von
§ 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnungsmäßig ist, bestimmt sich nicht nach den persönlichen
Bedürfnissen des Eigentümers des verbindungslosen Grundstücks,
sondern danach, was nach objektiven Gesichtspunkten diesem Grundstück angemessen
ist und den wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht. Zu berücksichtigen
sind dabei die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung
und die sonstigen Umstände des Einzelfalls (vgl. Senat, Urteil vom 19. November
2021 - V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 8 mwN).

b) Eine in diesem Sinn ordnungsmäßige Benutzung setzt bei einem Wohngrundstück
nach ständiger Rechtsprechung des Senats in der Regel (nur) die
Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus. Von der Erreichbarkeit des Grundstücks
zu unterscheiden ist das Interesse eines Eigentümers, auf sein Grundstück
zu fahren und Kraftfahrzeuge dort abzustellen. Grenzt das Grundstück, für
das ein Notweg beansprucht wird, an eine öffentliche Straße, kann es mit Kraftfahrzeugen
angefahren werden. Objektiv ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen
auf dem Grundstück für die ordnungsmäßige Benutzung des Wohngrundstücks
nicht notwendig. Damit ist seine ordnungsmäßige Benutzung zu Wohnzwecken
selbst dann gewährleistet, wenn keine Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück abgestellt
werden können (näher Senat, Urteil vom 19. November 2021 - V ZR
262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 9 mwN).

c) Nach diesen Grundsätzen verneint das Berufungsgericht zutreffend
eine Notsituation des zu Wohnzwecken genutzten und mit einem öffentlichen
Weg verbundenen Grundstücks der Klägerin. Etwas anderes folgt entgegen der
Auffassung der Revision nicht aus der Entscheidung des Senats vom 24. Januar
2020 (V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 27). Soweit der Senat für den dort
zu entscheidenden Fall ausgeführt hat, dass sich die Nutzung der Garagen zum
Abstellen von Kraftfahrzeugen nicht als ordnungsmäßige Benutzung im Sinne
von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle, weil die Garagen baurechtlich nicht genehmigt
und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähig seien, ist dem
- wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. November 2021 (V ZR 262/20,
NJW-RR 2022, 522 Rn. 10 mwN) klargestellt hat - nicht im Umkehrschluss zu
entnehmen, dass die Nutzung nach öffentlichem Recht zulässiger Bauten ohne
weitere Voraussetzungen eine ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks im
Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Dass die auf dem Grundstück genutzten
Bauten baurechtlich genehmigt sind, stellt nur eine notwendige, aber noch keine
hinreichende Voraussetzung für ein Notwegrecht dar.

d) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich der
Garagenbau auf einem verbindungslosen Teil des Grundstücks befindet, da das
Grundstück nicht gewerblich genutzt wird (näher Senat, Urteil vom 19. November
2021 - V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 13; Urteil vom 24. Januar
2020 - V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 23).

2. Aus der auf dem Grundstück der Beklagten lastenden Überfahrtbaulast
folgt ebenfalls keine Duldungspflicht der Beklagten.

a) Die im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnungsmäßige Benutzung
eines zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks, welches eine Verbindung mit
einem öffentlichen Weg aufweist, erfordert es im Allgemeinen auch dann nicht,
dass auf einem verbindungslosen Grundstücksteil errichtete Garagen zum Abstellen
von Kraftfahrzeugen genutzt werden können, wenn deren Zufahrt mittels
Baulast gesichert ist. Die Baulast als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung (vgl.
§ 71 LBO BW) gewährt - wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt - privatrechtlich
weder dem dadurch Begünstigten einen Nutzungsanspruch noch verpflichtet
sie den Eigentümer, die Nutzung zu dulden (vgl. Senat, Urteil vom
19. November 2021 - V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 15 mwN). Eine Überfahrtbaulast
begründet kein zivilrechtliches Wegerecht.

b) Soweit für Unterlassungsansprüche und die Arglisteinrede, die dem
Herausgabeanspruch des Eigentümers entgegengesetzt wird, bisweilen etwas
anderes vertreten wird (vgl. etwa OLG Hamburg, BeckRS 2020, 49488 Rn. 34 ff.;
OLG Hamm, ZfIR 2017, 786, 789 ff. m. zust. Anm. Burbulla), erscheint dies zweifelhaft,
kann aber hier dahinstehen, da die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch
geltend macht, sondern von der Beklagten ein positives Tun begehrt.

Einen solchen Anspruch gewährt eine Baulast ohnehin nicht.

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten
im Wege des Schadensersatzes scheidet mangels eines Anspruchs
auf Einräumung eines Notwegrechts ebenfalls aus.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

24.01.2025

Aktenzeichen:

V ZR 51/24

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 917 Abs. 1, 242; LBO Ba-Wü § 71