BFH 03. September 2019
IX R 8/18
HGB § 255 Abs. 1; EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 u. Abs. 3 S. 1

Unentgeltlicher Erwerb ohne Übernahme der Darlehen des Rechtsvorgängers

letzte Aktualisierung: 14.02.2020
BFH, Urt. v. 3.9.2019 – IX R 8/18

HGB § 255 Abs. 1; EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 u. Abs. 3 S. 1
Unentgeltlicher Erwerb ohne Übernahme der Darlehen des Rechtsvorgängers

1. Ein unentgeltlicher Erwerb i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG liegt vor, wenn im Rahmen der
Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein
(dingliches) Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück
abgesicherten Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden.
2. Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks
zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht vom Übergeber
übernommen hat.
3. Die bloße Verwendung des Veräußerungserlöses zur Tilgung privater Verbindlichkeiten nach der
Veräußerung führt nicht zur Entstehung von Veräußerungskosten.

Entscheidungsgründe

II.
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
--FGO--).

Das FG ist zutreffend von einem unentgeltlichen Erwerb der Klägerin (dazu unter 1.) und von einer Veräußerung
innerhalb der zehnjährigen Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgegangen (dazu unter 2.). Weiter hat das FG
auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zutreffend eine den Steuertatbestand ausschließende
Selbstnutzung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nur hinsichtlich des Nebengebäudes angenommen (dazu
unter 3.). Das FG hat schließlich den Veräußerungsgewinn zutreffend ermittelt und die von der Klägerin aus dem
Kaufpreis beglichenen Darlehensverbindlichkeiten nicht als (nachträgliche) Anschaffungskosten der Immobilie
eingeordnet (dazu unter 4.). Auch Veräußerungskosten nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 3 EStG liegen insoweit nicht vor
(dazu unter 5.).

1. Das FG ist zunächst zutreffend von einem unentgeltlichen Erwerb der Klägerin mit Vertrag vom 27.10.2004
ausgegangen.

a) Ein unentgeltlicher Erwerb liegt vor, wenn der Erwerber keine Gegenleistung erbringt. Das ist z.B. der Fall, wenn
zivilrechtlich eine Schenkung vorliegt (vgl. Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 38. Aufl., § 23 Rz 43; Musil in
Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 23 EStG Rz 231). Die Übernahme von Schulden beim Erwerb eines
Grundstücks hingegen stellt eine Gegenleistung dar. Es liegt in Höhe der Schuldübernahme ein Entgelt vor (vgl.
Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 05.07.1990 - GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II
1990, 847, Leitsatz 3; BFH-Urteile vom 06.09.2006 - IX R 25/06, BFHE 215, 465, BStBl II 2007, 265, unter II.1., Rz 8,
und vom 17.04.2007 - IX R 56/06, BFHE 218, 53, BStBl II 2007, 956, unter II.1., Rz 10; HHR/Stobbe, § 6 EStG Rz 193
Stichwort "Schuldübernahme"; HHR/Musil, § 23 EStG Rz 231). Denn der Übertragende wird von einer zivilrechtlichen
Verbindlichkeit befreit, in die der Übernehmer des Grundstücks eintritt.

Werden die Schulden nicht übernommen, sondern das Grundstück übereignet, die auf dem Grundstück lastenden
(Brief- oder Buch-) Grundschulden mit übernommen und --wie hier-- keine Freistellung des Übertragenden von den
zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verbindlichkeiten vereinbart, liegt weiterhin ein unentgeltlicher Erwerb vor. Denn
in diesem Fall erbringt der Erwerber keine Gegenleistung, sondern erwirbt nur das um den Wert der Belastungen
geminderte Grundstück. Eine Verbindlichkeit setzt eine dem schuldrechtlichen Anspruch des Gläubigers auf ein
bestimmtes Handeln (§ 194 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) entsprechende Leistungspflicht in der
Person des Schuldners selbst voraus (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990,
847, unter C.II.3.a, Rz 82; BFH-Urteil vom 17.11.2004 - I R 96/02, BFHE 208, 197, BStBl II 2008, 296, unter II.3.,
Rz 19). Daran fehlt es im Fall einer dinglichen Belastung des Grundstücks, die lediglich den Wert des Grundstücks
mindert. Denn der Übertragende übereignet nur das belastete Grundstück, nicht die mit den Belastungen
zusammenhängenden schuldrechtlichen Verbindlichkeiten (vgl BFH-Urteil in BFHE 208, 197, BStBl II 2008, 296, unter
II.3., Rz 19; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.04.1989 - V ZR 252/87, BGHZ 107, 156, Leitsatz 1 sowie B.II.3.a,
Rz 17; HHR/Stobbe, § 6 EStG Rz 193 Stichwort "Dingliche Lasten"). Die Grundschuld stellt ein Grundpfandrecht ohne
Bindung an eine persönliche Forderung dar. Dass die Grundschuld über die Sicherungsvereinbarung mit der zugrunde
liegenden Verbindlichkeit verbunden ist, führt nicht zur Übertragung der Verbindlichkeit. Die Grundschuld berechtigt
nur dazu, dass der Grundstückseigentümer die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden und der
Grundschuldgläubiger einen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags aus dem Veräußerungserlös hat (vgl. zum
Inhalt der Grundschuld Palandt/ Herrler, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Aufl., § 1191 Rz 1; MünchKommBGB/Lieder,
7. Aufl., § 1191 Rz 1).

b) Daher handelt es sich bei der am 27.10.2004 erfolgten Übertragung von der Mutter an die Klägerin um einen
unentgeltlichen Erwerb. Denn die Klägerin hat lediglich die dingliche Belastung übernommen, nicht aber die zugrunde
liegenden schuldrechtlichen Verpflichtungen aus den Darlehensverträgen. Die Klägerin hat mithin keine Gegenleistung
erbracht. Vielmehr hat sie das Grundstück, gemindert um den Wert der dinglichen Belastungen, erworben.

c) Daran ändert auch die im Übertragungsvertrag geregelte Einräumung eines dinglichen Wohnrechts nichts. Der Wert
des zurückbehaltenen Wohnrechts ist nicht den Anschaffungskosten zuzurechnen. Die Übertragung eines
Grundstücks unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnrechts (§ 1093 BGB) führt zivilrechtlich und steuerlich zu einem
unentgeltlichen Erwerb. Bestellt der Erwerber eines Wirtschaftsguts im Zusammenhang mit dem Erwerb des
Wirtschaftsguts zu Gunsten des Übertragenden ein Nutzungsrecht, gehört der Kapitalwert nicht zu den
Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Vielmehr mindert das dingliche Wohnrecht
von vornherein den Wert des übertragenen Vermögens (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 21.07.1992 -
IX R 72/90, BFHE 169, 317, BStBl II 1993, 486, unter 2.a, Rz 16; vom 07.06.1994 - IX R 33-34/92, BFHE 175, 70,
BStBl II 1994, 927, unter 2.a, Rz 17; vom 31.05.2000 - IX R 50-51/97, BFHE 191, 563, BStBl II 2001, 594, unter II.1.a,
Rz 16; in BFHE 208, 197, BStBl II 2008, 296, unter II.3., Rz 19; HHR/Musil, § 23 EStG Rz 231; Korn/Strahl in
Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, eKomm Bis VZ 2015, § 6 EStG Rz 82 (Aktualisierung vom 21.10.2016); Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz 40 "Nießbrauchserlass").

2. Das FG ist auch zu Recht von einer Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG ausgegangen.

a) Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a.
Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht
mehr als zehn Jahre beträgt. Im Fall des unentgeltlichen Erwerbs ist dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung des
Wirtschaftsguts durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG).

b) Im Streitfall hat die Mutter der Klägerin das Grundstück am 08.12.1998 erworben. Die unentgeltliche Übertragung
an die Klägerin erfolgte am 27.10.2004 mit der Folge, dass die Klägerin in die noch laufende Frist des § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG eintrat. Die durch die Klägerin erfolgte Veräußerung fand am 14.09.2007 und damit noch innerhalb
der Zehnjahresfrist statt.

3. Eine den Steuertatbestand ausschließende Selbstnutzung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG hat das FG
auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu Recht nur hinsichtlich des Nebengebäudes, nicht hinsichtlich
des Hauptgebäudes angenommen.

a) Der Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG setzt voraus, dass
eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss
das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen
oder einem Dritten bewohnt. Eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" liegt hingegen nicht vor, wenn der
Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu
bewohnen (vgl. u.a. grundlegend BFH-Urteil vom 27.06.2017 - IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12
mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BFH; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 23 Rz 18). Ein
Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt,
sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht
zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung
genutzt werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 13). Dabei sind die Voraussetzungen für
jedes einzelne Wirtschaftsgut gesondert zu prüfen (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 23 Rz 15).

b) Nach den nicht weiter mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO)
Feststellungen des FG hat die Klägerin nur das Nebengebäude, nicht aber das Hauptgebäude zu eigenen
Wohnzwecken genutzt. Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorbringt, sie habe beide Gebäude ohne
abgegrenzte Nutzung zusammen mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten genutzt, handelt es sich um neues
tatsächliches Vorbringen. Dies kann wegen der Bindung des BFH an die Tatsachenfeststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 FGO) im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden.

24 4. Das FG hat schließlich zutreffend im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus dem privaten Veräußerungsgeschäft
nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG die von der Klägerin aus dem Kaufpreis beglichenen Darlehensverbindlichkeiten nicht
als nachträgliche Anschaffungskosten der Immobilie eingeordnet.

a) Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied
zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den
Werbungskosten andererseits. Der in § 23 EStG verwendete Begriff "Anschaffungskosten" ist i.S. des § 6 EStG und
des § 255 Abs. 1 HGB auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. zuletzt BFH-Urteil vom 08.11.2017 -
IX R 25/15, BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, Rz 16; H 23 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2007,
Stichwort "Anschaffungskosten"). Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die
geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu
versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Erwerben bedeutet nach der
Rechtsprechung des BFH das Überführen eines Gegenstands von der fremden in die eigene wirtschaftliche
Verfügungsmacht. Dies ist der Fall, wenn Eigentum und Besitz auf den Steuerpflichtigen übergegangen sind (vgl.
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 22.08.1966 - GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672, Rz 13; BFHUrteil
in BFHE 218, 53, BStBl II 2007, 956, unter II.1., Rz 10).

Nachträgliche Anschaffungskosten nach § 255 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative HGB sind Ausgaben, die nach Abschluss
des ursprünglichen Beschaffungsvorgangs anfallen, um die Verwendbarkeit eines Vermögensgegenstandes zu ändern
oder zu verbessern. Sie müssen in einem ursächlichen Veranlassungszusammenhang mit der Anschaffung stehen,
also durch das Anschaffungsgeschäft veranlasst sein. Wenn die Ausgaben durch den Inhaber des Wirtschaftsguts
selbst erfolgt sind und daher zu Aufwendungen geführt haben, liegen nachträgliche Anschaffungskosten nur vor, wenn
die Art und/oder Qualität des Wirtschaftsguts unverändert geblieben ist (vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 38. Aufl.,
§ 255 Rz 3; MünchKommHGB/Ballwieser, 3. Aufl., § 255 Rz 16 ff.; Zwirner/ Tippelhofer, Beck'sches Steuerberater-
Handbuch 2017/2018, 16. Aufl., § 255 HGB Rz 13; Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 317).

Steht einem Dritten ein dingliches Recht an einem Grundstück zu und löst der Eigentümer das dingliche Recht ab,
sind die Ablösezahlungen dann nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB, wenn durch das
dingliche Recht die Befugnisse des Eigentümers i.S. von § 903 BGB, wozu u.a. auch das Recht auf Nutzung und
Veräußerung des Vermögensgegenstandes zählt, beschränkt waren und der Eigentümer durch die Ablösezahlung die
Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse beseitigt und sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche
Verfügungsmacht an dem Grundstück verschafft (vgl. BFH-Urteile in BFHE 218, 53, BStBl II 2007, 956, unter II.1. und
II.2.b, Rz 11 und 15 betreffend die Abwehr eines Anfechtungsanspruchs; vom 18.11.2014 - IX R 49/13, BFHE 247,
435, BStBl II 2005, 224, unter II.1.a, Rz 13, betreffend einen Vorbehaltsnießbrauch; vom 07.06.2018 - IV R 37/15,
BFH/NV 2018, 1082 betreffend eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit; Schindler in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 6
Rz 41). Erwirbt ein Steuerpflichtiger einen mit einem dinglichen Nutzungsrecht belasteten Gegenstand, so erhält er
zunächst um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum. Löst er das Nutzungsrecht ab, so verschafft er sich die
vollständige Eigentümerbefugnis an dem Gegenstand. Daher sind Aufwendungen zur Befreiung von einem
Nießbrauch als nachträgliche Anschaffungskosten einzustufen (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 21.12.1982 - VIII R 215/78,
BFHE 138, 44, BStBl II 1983, 410; in BFHE 169, 317, BStBl II 1993, 486; vom 15.12.1992 - IX R 323/87, BFHE 169,
386, BStBl II 1993, 488, betreffend ein dingliches Wohnrecht; vom 22.02.2007 - IX R 29/05, BFH/NV 2007, 1100, und
vom 26.01.2011 - IX R 24/10, BFH/NV 2011, 1480; Korn/Strahl in Fuhrmann/Kraeusel/ Schiffers, eKomm Bis VZ 2015,
§ 6 EStG Rz 84 (Aktualisierung vom 06.03.2019); BMF-Schreiben in BStBl I 2013, 1184, Rz 59, "Nießbrauchserlass").

Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen allerdings nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks
Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht übernommen hat. Die Belastung eines
unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsguts mit einer Grundschuld führt nicht zu Anschaffungskosten (vgl. BFH-Urteil
vom 14.04.1992 - VIII R 6/87, BFHE 169, 511, BStBl II 1993, 275, Rz 13). Denn die Belastung mit einer Grundschuld
beruht weder auf einem entgeltlichen Anschaffungsgeschäft noch verändert sie die Nutzbarkeit des Grundstücks oder
dient der Herstellung eines betriebsbereiten Zustands. Die Eintragung einer Grundschuld hat keine Einschränkung der
Nutzungsbefugnisse zur Folge. Die Belastung sichert auch nicht den Übergang in die Verfügungsmacht des
Erwerbers, da sie über die Sicherungsvereinbarung nur den Darlehensanspruch des Gläubigers, nicht aber den
Verschaffungsanspruch des Erwerbers absichert.

Entsprechendes gilt für die Löschung der Grundschuld. Die Löschung der Grundschuld führt nicht zu einer
(weitergehenden) Verschaffung der (dinglichen) Verfügungsmacht über das Grundstück und erweitert auch nicht die
Nutzungsbefugnisse. Das (wirtschaftliche) Eigentum und der Besitz sind bereits bei (unentgeltlichem) Erwerb des
Grundstücks übergegangen. Die spätere Zahlung auf das Darlehen, das die Grundschuld besichert, hat hierauf keine
Auswirkung. Sie erweitert nicht die Verfügungsbefugnis des Grundstückseigentümers. Dieser kann das Grundstück
--wie im Streitfall und in der Praxis zumeist der Fall-- lastenfrei auf den Erwerber übertragen und die den
Grundschulden zugrunde liegenden Drittverbindlichkeiten tilgen. Alternativ kann der Veräußerer die Grundschuld auch
bestehen lassen und mit dem Erwerber eine Übernahme der besicherten Darlehensverbindlichkeiten an Erfüllung statt
(§ 364 Abs. 1 BGB) unter Anrechnung auf den Kaufpreis vereinbaren.

Der Eigentümer muss zwar u.U. die Zwangsvollstreckung hinnehmen (vgl. Erman/ Wenzel, BGB, 15. Aufl., § 1191
Rz 127). Die Verpflichtung des Eigentümers, die Zwangsvollstreckung zu dulden, ist aber in der Regel durch die
Sicherungsvereinbarung beschränkt. Die Zahlung auf ein Darlehen zwecks Ablösung einer Grundschuld muss daher
anders behandelt werden als Zahlungen zur Ablösung von dinglichen Nutzungsrechten wie Vorbehaltsnießbrauch und
Wohnrecht. Anders als bei der Ablösung eines Nutzungsrechts kommt es nicht zur Übertragung eines
Vermögenswerts vom Berechtigten auf den Grundstückseigentümer (vgl. BFH-Urteil in BFHE 169, 511, BStBl II 1993,
275, Rz 13).

b) Daran gemessen hat das FG zu Recht wegen der Zahlung auf die Darlehen das Entstehen nachträglicher
Anschaffungskosten in Höhe von 265.748 EUR verneint. Denn dieser Betrag ist geleistet worden, um
Verbindlichkeiten eines Dritten --hier der Mutter der Klägerin-- abzulösen. Im Streitfall hatte die Klägerin das Eigentum
an dem Grundstück bereits im Jahr 2004 unentgeltlich durch Schenkung erworben. Der Erwerbsvorgang war
seinerzeit abgeschlossen. Die Tilgung war nicht auf eine Verschaffung oder Erweiterung der dinglichen
Verfügungsmacht gerichtet. Bei wirtschaftlicher Betrachtung entfällt die Ablösezahlung allein auf die Tilgung der den
Grundschulden zugrunde liegenden Darlehensverbindlichkeiten und nicht auf die Anschaffung des Grundstücks.

Die Ablösung der Darlehen hat zudem ihre Ursache darin, dass seitens der Mutter der Klägerin zum Verkaufszeitpunkt
die Darlehen noch nicht zurückgeführt waren. Die Ablösung stellt eine bloße Verwendung des Veräußerungserlöses
dar. Auch bei der Mutter der Klägerin wäre die Tilgung der den Grundschulden zugrunde liegenden Verbindlichkeiten
ohne steuerliche Auswirkung geblieben und hätte sich nicht auf die Anschaffungskosten ausgewirkt. Daher wird auch
in der Rechtsprechung des Senats die Ablösung von Belastungen nach einem unentgeltlichen Erwerb dann nicht zu
den Anschaffungskosten gerechnet, wenn es sich um rein privat veranlasste Verbindlichkeiten gegenüber einem
Dritten handelt (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2008 - IX R 11/08, BFH/NV 2009, 1100, NV-Leitsatz 2 und unter II.1.b,
Rz 13). Dies ist entschieden worden z.B. für Vermächtnis- oder Pflichtteilsverbindlichkeiten (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 169, 511, BStBl II 1993, 275, und in BFH/NV 2009, 1100).

5. Eine Einordnung der Tilgungsbeträge als Veräußerungskosten nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 3 EStG scheidet ebenfalls
aus.

a) Veräußerungskosten sind alle durch den Veräußerungsvorgang veranlassten Kosten, die nicht zu den
nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gehören und auch nicht im Rahmen einer steuerlich relevanten
Zwischennutzung Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
darstellen oder wegen privater Nutzung nach § 12 EStG nicht abziehbar sind. Abziehbar sind danach die durch die
Veräußerung des Wirtschaftguts veranlassten Aufwendungen (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.1996 - X R 65/95,
BFHE 182, 363, BStBl II 1997, 603; Schmidt/ Weber-Grellet, a.a.O., § 23 Rz 82; HHR/Musil, § 23 EStG Rz 288; Kube
in Kirchhof, a.a.O., § 23 Rz 19; KKB/Bäuml, EStG, 4. Aufl., § 23 Rz 361; Trossen in BeckOK EStG, Kirchhof/
Kulosa/Ratschow, 4. Edition Stand 01.07.2019, § 23 Rz 304).

b) Die streitigen Aufwendungen der Klägerin sind nicht durch die Veräußerung veranlasst. Vielmehr hat die Klägerin
private Verbindlichkeiten ihrer Mutter mit dem Veräußerungserlös getilgt. Diese Verwendung der erlangten Mittel steht
mit der Veräußerung weder unmittelbar noch mittelbar in Zusammenhang. Die Zahlung hat sich zudem zeitlich --durch
Einzahlung auf ein Anderkonto-- nach der Veräußerung abgespielt und hat auch keinen Niederschlag im Kaufvertrag
zwischen Veräußerer und Erwerber gefunden. Die bloße Verwendung des Veräußerungserlöses zur Tilgung privater
Verbindlichkeiten nach der Veräußerung führt nicht zur Entstehung von Veräußerungskosten i.S. von § 23 Abs. 3
EStG.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

03.09.2019

Aktenzeichen:

IX R 8/18

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Erschienen in:

MittBayNot 2020, 389-393
ZEV 2020, 186-190

Normen in Titel:

HGB § 255 Abs. 1; EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 u. Abs. 3 S. 1