Aufhebung Erbvertrag durch Ehegattentestament, Auslegung
Wege ihrer Auslegung zu ermitteln ist. Die Grundbucheintragung darf (u.a.) nur vorgenommen werden, wenn der Wille
des Bewilligenden auf die Gestattung der Grundbucheintragung gerichtet ist (Ertl,
um ein „soweit“ zu ergänzen: Will der Gläubiger erkennbar
die Löschung seines Rechts jeweils nur unter bestimmten
Bedingungen (Teilerfüllung seiner Gesamtforderung) an bestimmten Grundbuchstellen, so ist bzw. wird die Eintragungsbewilligung auch nur insoweit wirksam, selbst wenn sie ihrem
Wortlaut nach weiterreicht, so etwa bei der aus Kostengründen für Teilvollzüge verwendeten Löschungsbewilligung.
Dies ist der andere Gesichtspunkt, unter dem auch der Beschluss des LG Berlin (RPfleger 2001, 409) seine Rechtfertigung erfährt, der den Vorlagezweck, nämlich den Zusammenhang von Grundbuchbewilligung und konkret gestelltem
Antrag für entscheidend hält, um den Umfang, in dem die
Eintragungsbewilligung wirksam geworden ist, zu ermitteln.
Gerade für diese letzte Fallgruppe liegt die Verantwortung
aber m.E. letztlich nicht beim Grundbuchamt, sondern beim
(die Bewilligung einreichenden) Notar. Dieser ist gemäß § 24
BNotO – und anders oder doch in viel stärkerem Maße als das
Grundbuchamt – zur Betreuung und Vertretung der Beteiligten berufen. Das Grundbuchamt muss den Beteiligten den
Schutz ihrer Interessen vor und nach dem Eintragungsverfahren im Wesentlichen selbst überlassen. Im Eintragungsverfahren selbst hat es die öffentlichen Interessen durch eine sichere
formelle Grundlage des Eintragungsverfahrens zu wahren
(Ertl,
Im vorliegenden Fall ist die Bewilligung vor der streitigen
Löschung bereits achtundfünfzig Mal teilvollzogen worden.
Die Gläubigerin hat zumindest in der Bewilligungserklärung
selbst überhaupt keinen Eintragungsantrag gestellt. Ein (wie
auch immer gearteter) „Treuhandauftrag“ ist jedenfalls dem
Wortlaut des Schreibens, mit dem die Bewilligung eingereicht
wurde, nicht zu entnehmen. Nicht einmal die Satzkonstruktion („... damit ... in Zukunft zwecks Entlassung aus der Mithaft auf dieses Grundbuchblatt Bezug genommen werden
kann“) lässt den Vorbehalt erkennen, dass die Bewilligung
nur nach Weisung durch den „Zentralnotar“ verwendet werden können sollte. Über die Aufbewahrung der Bewilligung
hatte das Grundbuchamt im übrigen gemäß
allein selbst zu entscheiden. Schließlich waren auch noch die
vom Ortsnotar vorgelegten Urkunden in sich und mit dem von
ihm gestellten Antrag stimmig (Auflassung nur nach Kaufpreiszahlung, Kaufpreiszahlung erst nach Sicherung der bzw.
zur Lastenfreistellung). Auch wenn der Ortsnotar bei seiner
Antragstellung nicht auf die Grundakte, bei der die Löschungsbewilligung lag, Bezug genommen hat und nicht die
Mithaft, sondern das endgültige Erlöschen der Grundschuld
vollzogen wurde, kann dem Grundbuchamt im vorliegenden
Fall deshalb nach meinem Dafürhalten kein Vorwurf gemacht
werden, wenn es die Löschung vollzogen hat. Ob das Grundbuchamt dem Ortsnotar nicht auch durch Zwischenverfügung
hätte aufgeben dürfen, eine „Bestätigung“ des Gläubigers
zum Vollzug beizubringen, will ich nicht entscheiden.
Die Fallumstände und auch die vermeintliche „Schadensbegrenzung“ durch das Grundbuchamt muten zu kurios an, um
mahnend den Zeigefinger zu erheben – die von Schöner/
Stöber (Rdnr. 2724a) erhobene rechtsdogmatische Kritik gegen die häufig aus Kosten- und/oder Bequemlichkeitsgründen
geübte Praxis, Löschungsbewilligungen (statt einzelner Pfandfreigaben) hinsichtlich Gesamtgrundschulden zum Teilvollzug zu bringen, erfährt durch den LG-Beschluss ihre praktische Rechtfertigung.
Notar Dipl.-Kfm. Dr. Jörg Munzig, Neu-Ulm
194 MittBayNot 3/2002Bürgerliches Recht
7.
Ehegattentestament, Auslegung)
1. Zur Aufhebung eines Erbvertrages durch nachfolgendes Ehegattentestament, das dem Erbvertrag zwar
nicht in allen Punkten sachlich widerspricht, aber als
umfassende und abschließende Regelung auszulegen
ist.
2. Zur Auslegung der in einem Ehegattentestament enthaltenen Klausel, dass der Überlebende „über das
gesamte Vermögen frei verfügen“ kann, wenn die
Ehegatten in einem vorausgegangenen Erbvertrag
bestimmt hatten, dass der Überlebende „diese Verfügung abändern und über den Nachlass frei verfügen“
kann.
BayObLG, Beschluss vom 18.3.2002 – 1Z BR 46/01 –, mitgeteilt von Johann Demharter, Richter am BayObLG
Zum Sachverhalt:
Der im Jahr 2000 im Alter von 93 Jahren verstorbene Erblasser war in
zweiter Ehe verheiratet, die zweite Ehefrau ist 1985 vorverstorben.
Diese Ehe des Erblassers blieb kinderlos; aus der ersten Ehe des Erblassers ging ein Sohn hervor, der 1995 verstorben ist. Die Beteiligte
zu 3 ist dessen Tochter. Die Beteiligten zu 2 und 4 sind Nichten der
zweiten Ehefrau. Der Beteiligte zu 1 ist der Neffe des Erblassers.
Am 19.1.1962 haben der Erblasser und seine zweite Ehefrau einen
notariellen Erbvertrag geschlossen, der folgende Regelungen enthält:
„Für den Fall unseres Todes setzen wir uns hiermit erbvertragmäßig gegenseitig zu Alleinerben ein. Der Sohn des Ehemanns
soll lediglich den Pflichtteil erhalten. Für den Fall, dass wir
beide zusammen versterben, soll die Schwester der Ehefrau
unsere Erbin sein. Ersatzerbin soll deren Tochter sein. Der Überlebende von uns soll berechtigt sein, diese Verfügung abzuändern und über den Nachlass frei zu verfügen.“
Am 5.10.1981 hat der Erblasser handschriftlich ein Testament errichtet, das von ihm selbst und seiner Frau unterschrieben wurde. Es hat
im Wesentlichen folgenden Inhalt:
„Testament und Erbvertrag
1. Für den Fall unseres Todes setzen wir uns gegenseitig zu
Alleinerben ein, bestimmen hiermit: Der Überlebende kann
über das gesamte Vermögen frei verfügen.
2. Nach dem Tode des Letztlebenden erhält von uns, das dann
noch vorhandene Vermögen, zu gleichen Teilen: … (Sohn des
Erblassers), … (Beteiligte zu 4) und … (Beteiligte zu 2).
3. (Testamentsvollstreckung)
4. (Vermächtnisse)“
Am 2.1.1990 errichtete der Erblasser ein handschriftliches Testament, in welchem er seinen Sohn als Alleinerben einsetzte.
Am 5.1.1995 errichtete der Erblasser ein weiteres handschriftliches
Testament, in welchem er seinen Neffen, den Beteiligten zu 1, zum
Alleinerben einsetzte.
Am 15.2.1996 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in
welchem er alle früheren etwaigen Verfügungen von Todes wegen
widerrief und den Beteiligten zu 1 als seinen Alleinerben einsetzte.
Der Beteiligte zu 1 hat am 15.5.2000 beim Amtsgericht einen Erbschein beantragt, der ihn aufgrund des notariellen Testaments vom
15.2.1996 als Alleinerben ausweisen sollte. Das Nachlassgericht hat
den Antrag am 24.5.2000 mit der Begründung zurückgewiesen, dass
das gemeinschaftliche Testament von 1981 maßgeblich sei, weshalb
alle nachfolgenden Testamente des Erblassers unwirksam seien. Der
Passus „der Überlebende kann über das Vermögen frei verfügen“
habe nur die Bedeutung einer Klarstellung der freien Verfügungsmöglichkeit zu Lebzeiten und bedeute nicht dieAufhebung jeder Bindungswirkung hinsichtlich der Erbeinsetzung.
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht durch
Beschluss vom 9.7.2001 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben
und dieses angewiesen, den vom Beteiligten zu 1 beantragten ErbRechtsprechung
schein zu erteilen. Dem ist das Nachlassgericht am 20.7.2001 nachgekommen.
Gegen den Beschluss des Landgerichts haben die Beteiligten zu 2
und 4 jeweils weitere Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, dass der
Beschluss des Landgerichts aufgehoben und der Erbschein vom
20.7.2001, der den Beteiligten zu 1 als Alleinerben ausweist, eingezogen wird.
Aus den Gründen:
Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 4 sind
zulässig und begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der gegen
den amtsgerichtlichen Beschluss gerichteten Beschwerde des
Beteiligten zu 1.
1.
(…)
2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung (
ZPO n.F.) nicht stand.
a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass
es sich bei dem Testament der Eheleute von 1981 um ein gemäß
Ehefrau zu Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden bestimmt. Durch das gemeinschaftliche Testament wurde
der Erbvertrag von 1962 jedenfalls hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung aufgehoben (
Nach dem Tod seiner Ehefrau konnte der Erblasser abweichende Verfügungen von Todes wegen nur dann wirksam treffen, wenn und soweit er nicht gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1
BGB an die im gemeinschaftlichen Testament enthaltene
Schlusserbeneinsetzung gebunden war. Für die Wirksamkeit
der Erbeinsetzung im Testament von 1996, auf die der Beteiligte zu 1 seine alleinige Erbenstellung stützt, ist daher ausschlaggebend, ob die vom Erblasser im gemeinschaftlichen
Testament von 1981 vorgenommene Schlusserbeneinsetzung
wechselbezüglich im Sinne von
Verfügung seiner Ehefrau ist.
b) Die vom Landgericht angenommene Eindeutigkeit, dass
keine Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung gegeben ist, besteht jedoch nicht.
Letztwillige Verfügungen, die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament getroffen haben, sind gemäß § 2270
Abs. 1 BGB wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass
die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Enthält ein gemeinschaftliches
Testament – wie hier – keine klare und eindeutige Anordnung
zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede einzelne Verfügung gesondert ermittelt werden (
Diese Auslegung ist grundsätzlich Sache der Richter der
Tatsacheninstanzen und unterliegt nur einer auf Rechtsfehler
beschränkten Nachprüfung durch das Gericht der weiteren
Beschwerde. Von derartigen Rechtsfehlern ist die Auslegung
des Landgerichts hier beeinflusst.
aa) Das Landgericht stützt das von ihm angenommene eindeutige Auslegungsergebnis im Wesentlichen auf die Klausel,
dass der Überlebende über das gesamte Vermögen frei verfügen kann. Diese Klausel ist aber für sich genommen gerade
nicht eindeutig. Sie kann auch nur die Ermächtigung zur
freien Verfügung unter Lebenden bedeuten, im Gegensatz zu
den Verfügungsbeschränkungen, denen ein Vorerbe unterliegt
(
mentarische Bestimmungen wie etwa, dass der Überlebende
„frei und ungehindert verfügen“ darf oder dass der Überlebende „in der Verfügung über den Nachlass des Erstversterbenden nicht beschränkt“ oder „zur freien Verfügung über die
Erbschaft berechtigt“ sein soll, im Zweifel nur eine Ermächtigung zur freien Verfügung unter Lebenden darstellen (vgl.
BayObLG
1998 § 2271 57; MünchKomm/Musielak BGB 3. Aufl. § 2271
Rdnr. 31; Soergel/M. Wolf BGB 12. Aufl. § 2271 Rdnr. 24;
Palandt/Edenhofer BGB 61. Aufl. § 2271 Rdnr. 22). Maßgeblich sind freilich die Umstände des Einzelfalles. Es ist jedoch
nicht ersichtlich, dass das Landgericht diese Auslegungsmöglichkeit überhaupt in Betracht gezogen hat.
bb) Das Landgericht hat ergänzend die im Erbvertrag enthaltene Freistellungsklausel (Berechtigung des Überlebenden
„diese Verfügung abzuändern“), die im gemeinschaftlichen
Testament nicht mehr enthalten ist, mit dem Hinweis darauf
herangezogen, dass das gemeinschaftliche Testament und der
Erbvertrag insoweit sachlich nicht unvereinbar seien. Auch
dies ist rechtsfehlerhaft.
Ein früheres Testament wird durch ein späteres insoweit aufgehoben, als es mit diesem in Widerspruch steht (§ 2258
Abs. 1 BGB); das gilt hier auch für das Verhältnis des früheren Ehegattenerbvertrages zum späteren gemeinschaftlichen
Testament (
besteht einmal, wenn die Testamente sachlich miteinander
nicht vereinbar sind, also die getroffenen testamentarischen
Anordnungen nicht nebeneinander Geltung erlangen können,
sondern einander entgegengesetzt sind und sich dadurch
gegenseitig ausschließen. Aber auch wenn die testamentarischen Anordnungen sachlich miteinander in Einklang stehen,
kann ein Widerspruch im Sinne von
mehreren letztwilligen Verfügungen dem im späteren Testament zum Ausdruck kommenden Willen des Erblassers zuwiderliefe, etwa weil dieser seine Erbfolge mit dem späteren
Testament abschließend und umfassend – also ausschließlich
– regeln wollte (BGH
hat das Landgericht offenbar nicht erwogen. Sie kommt hier
in Betracht, da die Eheleute – anders als in dem vom Landgericht herangezogenen Fall BGH
um die Nachholung einer zuvor nicht getroffenen Schlusserbeneinsetzung ging – im späteren gemeinschaftlichen Testament eine in sich vollständige Regelung nach Art des Berliner Testaments getroffen haben.
3. Der Erblasser war an die Schlusserbeneinsetzung der
Beteiligten zu 2 und 4 gebunden.
a) Der Senat kann die Auslegung der letztwilligen Verfügungen selbst vornehmen, da es weiterer Ermittlungen nicht
bedarf. Auf der Grundlage des vom Landgericht festgestellten
Sachverhalts ergibt die Auslegung, wie nachfolgend darzulegen ist, dass ein Wille der Eheleute zur fehlenden Wechselbezüglichkeit oder freien Abänderbarkeit der gesamten
Schlusserbeneinsetzung nicht vorliegt, sich jedenfalls nicht
zweifelsfrei feststellen lässt sodass hinsichtlich der als
Schlusserben eingesetzten Beteiligten zu 2 und 4 zumindest
die Auslegungsregel des
b) Die Eheleute haben im gemeinschaftlichen Testament
von 1981 ihre Erbfolge abschließend und umfassend geregelt.
Das Testament stellt eine vollständige Regelung nach Art
eines Berliner Testaments dar. Es regelt die gegenseitige
Erbeinsetzung, wie sie bereits im Erbvertrag enthalten ist, bestimmt ebenso wie der Erbvertrag die freie Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten über das Vermögen, trifft eine
Rechtsprechung
MittBayNot 3/2002
Bürgerliches Recht
MittBayNot 3/2002
neue Schlusserbeneinsetzung und enthält, anders als der Erbvertrag, die Anordnung der Testamentsvollstreckung sowie
die Aussetzung von Vermächtnissen. Der vorangegangene
Erbvertrag enthielt mit Ausnahme der Abänderungsklausel
nichts, was nicht im späteren Testament gleich lautend erneut
oder abweichend geregelt wäre. Die Eheleute haben nicht nur
neue Regelungen getroffen, sondern auch wesentliche Punkte
aus dem Erbvertrag unverändert in ihr gemeinschaftliches
Testament übernommen (gegenseitige Erbeinsetzung; freie
Verfügungsbefugnis); dann kann aber nicht angenommen
werden, dass der einzige Punkt im Erbvertrag, der im späteren
Testament nicht nochmals aufgegriffen wird (Abänderungsbefugnis), fortgelten sollte. Vielmehr ist das spätere Testament als umfassende und abschließende (ausschließliche) Regelung auszulegen. Diese hebt den vorangegangenen Erbvertrag gemäß
bezüglich zur Einsetzung des Erblassers durch die Ehefrau,
mit der Folge, dass die spätere Verfügung des Erblassers, soweit sie der Einsetzung der Beteiligten zu 2 und 4 widerspricht, unwirksam ist.
c) Die Schlusserbeneinsetzung des Erblassers zugunsten
der Verwandten der Ehefrau war wechselbezüglich zu seiner
Alleinerbeinsetzung durch die Ehefrau; jedenfalls lässt sich
ein gegenteiliger Wille nicht feststellen. Wie oben bereits
ausgeführt, muss die Klausel, der Überlebende könne über
das Vermögen frei verfügen, keineswegs eine Freistellung von
der Schlusserbeneinsetzung bedeuten; hierfür spricht nicht
einmal eine Vermutung. Für die Auslegung der Klausel als
Ermächtigung zur freien Verfügung unter Lebenden spricht
hier insbesondere der Vergleich mit der ursprünglich im Erbvertrag enthaltenen, im späteren Testament aber nicht wieder
aufgegriffenen Freistellungsklausel. Dort hatte es geheißen,
dass der Überlebende berechtigt sein soll „diese Verfügung
abzuändern und über den Nachlass frei zu verfügen“, während es im späteren Testament nur heißt, dass der Überlebende „über das gesamte Vermögen frei verfügen“ kann; die
freie Abänderungsberechtigung wurde von den Ehegatten
nicht übernommen. Die Ehegatten wollten also gerade keine
Berechtigung zur Abänderung der Schlusserbeneinsetzung,
sondern nur eine freie Verfügung über das Vermögen unter
Lebenden. Hierfür lässt sich unterstützend auch die Stellung
der Verfügungsklausel im Testamentsaufbau anführen. Im
Unterschied zum Erbvertrag steht die Klausel im gemeinschaftlichen Testament weiter oben gleich im Anschluss an
die Alleinerbeinsetzung. Auch ist nunmehr von Verfügung
über das Vermögen (nicht: Nachlass) die Rede und bezieht
sich die erst anschließend geregelte Schlusserbeneinsetzung
auf „das dann noch vorhandene Vermögen“.
4.
Umstände, die gegen diese Auslegung sprechen, sind nicht
ersichtlich. Das gilt auch mit Blick auf die damalige Lebenssituation der Eheleute und den Kreis der eingesetzten
Schlusserben. Das gemeinschaftliche Testament wurde rund
20 Jahre nach dem Erbvertrag am Tage des 75. Geburtstages
des Erblassers errichtet. Die Testatoren, deren Ehe kinderlos
geblieben war, haben ihre gegenseitige Alleinerbeinsetzung
erneuert und als Schlusserben nunmehr teils den Sohn des
Ehemannes und teils Verwandte der Ehefrau eingesetzt. Der
Nachlass des Erstversterbenden und das Vermögen des Überlebenden – nach dem Tode des Erstversterbenden zu einer einheitlichen Vermögensmasse vereinigt – sollte, soweit nach
dem Tode des Letztversterbenden noch vorhanden, teils in
den Mannesstamm und teils in die Verwandtschaft der Ehefrau zurückfließen. Das spricht nicht gegen die Annahme
einer Wechselbezüglichkeit, sondern im Zusammenhang mit
den übrigen Umständen im Gegenteil dafür. Jedenfalls greift
zugunsten der Beteiligten zu 2 und 4 die Auslegungsregel des
den Fall seines Überlebens eingesetzte Verwandte (§ 1589
BGB) der Ehefrau, die ihrerseits den Erblasser bedacht hat.
Die Einsetzung der Beteiligten zu 2 und 4 ist somit wechseld) Die Auslegungsregel des
Stelle gemäß
Erbe eingesetzt hat. Ob aufgrund individueller Auslegung
auch bezüglich dieser Einsetzung eine Wechselbezüglichkeit
zu bejahen ist (vgl. zur Unterscheidung zwischen der Einsetzung eigener Verwandter und der Verwandten des Ehegatten
J. Mayer in Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag 3. Aufl.
zu 1 als Alleinerben erteilte Erbschein; dieser ist in jedem Fall
unrichtig und vom Amtsgericht einzuziehen.
(…)
8. BGB §§ 2247 Abs. 1, 2255 (Vernichtung eines früheren
Testaments nach Errichtung eines formunwirksamen Widerrufstestaments)
1.
Ein vom Erblasser unterschriebenes Testament ist
nicht eigenhändig i.S.d.
der Niederschrift des Textes die Hand des Erblassers
derart geführt wird, dass die Schriftzüge von einem
Dritten geformt werden.
2.
Vernichtet der Erblasser eine Testamentsurkunde, so
können Zweifel an der Widerrufsabsicht i.S.d. § 2255
BGB bestehen, wenn der Erblasser zuvor ein weiteres
Testament mit einer widersprechenden Regelung der
Erbfolge errichtet hatte und – in Unkenntnis der
Formunwirksamkeit dieses Testaments – davon ausgegangen ist, bereits hiermit das frühere Testament
aufgehoben zu haben.
OLG Hamm, Beschluss vom 11.9.2001 – 15 W 224/01 –
Zum Sachverhalt:
Der am 22.8.1927 geborene Erblasser war nicht verheiratet und hatte
keine Kinder. Der Beteiligte zu 3) ist der Sohn des vorverstorbenen
Bruders des Erblassers. Nach der Darstellung des Beteiligten zu 4)
kommen Personen aus den Stämmen anderer Geschwister des Erblassers als weitere gesetzliche Erben in Betracht, die derzeit noch
nicht ermittelt sind. Der Beteiligte zu 4) nimmt für sich in Anspruch,
als Nachlasspfleger diese noch unbekannten gesetzlichen Erben in
dem vorliegenden Verfahren zu vertreten.
Am 26.9.1998 errichtete der Erblasser ein eigenhändig geschriebenes
und unterschriebenes Testament, im welchem er den Beteiligten zu 1)
zu seinem Alleinerben einsetzte. Dieses Testament ist im Original
nicht mehr vorhanden. Es existiert lediglich eine Fotokopie. Hierin
heißt es u.a. wie folgt:
„Mein Universalerbe soll mein Freund K sein.
Er soll allein über all meine Bank und Sparkassen-Vermögen
verfügen. Ebenso meine Wohnungseinrichtung, Auto usw. …“
Am 4.7.1999 errichtete der Erblasser in seiner Wohnung ein weiteres
privatschriftliches Testament, das er eigenhändig unterschrieb. Wie
der von der Unterschrift im Schriftbild deutlich abweichende Text
dieses Testamentes niedergeschrieben wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig. Dieser Text lautet auszugsweise wie folgt:
„Mein Universalerbe soll mein Freund G sein. Er soll allein über
all meine Bank- und Sparkassenvermögen verfügen. Ebenso
meine Wohnungseinrichtung etc. Auto. …“
Im weiteren Verlauf des 4.7.1999 wurde der Erblasser zur Behandlung in das Krankenhaus aufgenommen und verblieb dort zunächst
Entscheidung, Urteil
Gericht:BayObLG
Erscheinungsdatum:17.03.2002
Aktenzeichen:1Z BR 46/01
Rechtsgebiete:Testamentsform
Erschienen in:
MittBayNot 2002, 194-196
DNotZ 2003, 58-62
NJW-RR 2002, 1160-1162
Rpfleger 2002, 446-448
BGB § 2258, 2270, § 2271