Kammergericht 24. November 2021
1 W 347/21
BGB § 878; BauGB § 250

Anwendbarkeit des § 878 BGB auf den Genehmigungsvorbehalt gem. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB; Nichtigkeit der (ursprünglichen) Berliner Umwandlungsverordnung

letzte Aktualisierung: 23.12.2021
KG, Beschl. v. 24.11.2021 – 1 W 347/21

BGB § 878; BauGB § 250
Anwendbarkeit des § 878 BGB auf den Genehmigungsvorbehalt gem. § 250 Abs. 1 S. 1
BauGB; Nichtigkeit der (ursprünglichen) Berliner Umwandlungsverordnung

Die Berliner Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gem. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB für die
Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten
Wohnungsmärkten vom 03. August 2021 ist nichtig, weil zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der
Verordnung am 06. August 2021 die Begründung für den Erlass der Verordnung nicht allgemein
zugänglich war. Die zum 13. August 2021 erfolgte Veröffentlichung der Begründung im Amtsblatt
von Berlin führte nicht zur Heilung des Begründungsmangels.
§ 878 BGB ist analog anwendbar auf Anträge auf Aufteilung von Gebäuden in
Wohnungseigentumsrechte nach § 8 Abs. 1 WEG, wenn ein solcher Antrag vor Inkrafttreten der
Berliner Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gemäß § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB für die
Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten
Wohnungsmärkten (Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB) vom 21. September 2021, die am
07. Oktober 2021 in Kraft getreten ist, beim Grundbuchamt eingegangen ist (Anschluss an BGH
NJW 2017, 1546 zur vergleichbaren Situation bei sog. Erhaltungssatzungen gem. § 172 BauGB).

Gründe

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) und hat in der Sache Erfolg. Das von dem
Grundbuchamt mit Ziff. 1 der angefochtenen Zwischenverfügung gem. § 18 Abs. 1 S. 1 2.
Alt. GBO aufgezeigte Eintragungshindernis - Genehmigung des zuständigen Bezirksamts
gem. § 250 Abs. 1 S 1 BauGB i. V. m. § 1 S. 1 der Verordnung über einen
Genehmigungsvorbehalt gem. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB für die Begründung oder Teilung
von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten
Wohnungsmärkten vom 03. August 2021 (im Folgenden: UmwandlungsVO1; GVBl. 2021,
932) – besteht nicht.

Nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB i. d. F. vom 14. Juni 2021 bedarf in Gebieten mit
angespannten Wohnungsmärkten i. S. v. § 201a S. 3 und 4 BauGB die Begründung oder
Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 WEG bei Wohngebäuden, die
bereits am Tag des Inkrafttretens einer entsprechenden Rechtsverordnung bestanden, einer
Genehmigung. Das Grundbuchamt darf bei in solchen Gebieten belegenen Grundstücken
die Eintragung der Teilung im Grundbuch nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung
oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist. Mit der
UmwandlungsVO1 hat der Senat von Berlin das gesamte Land Berlin zu einem Gebiet mit
einem angespannten Wohnungsmarkt i. S. v. § 201a S. 3 und 4 BauGB bestimmt. Die
UmwandlungsVO1 ist am 06. August 2021 in Kraft getreten (§ 3 UmwandlungsVO1). Die
Begründung zur UmwandlungsVO1 wurde erst am 13. August 2021 im Amtsblatt von
Berlin (S. 2823 ff.) veröffentlicht. Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der
UmwandlungsVO1 gem. § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB verlangt in Satz 4 der Vorschrift eine
Begründung. Die Begründungsverpflichtung dient dem Grundrechtsschutz, indem sie den
Verordnungsgeber dazu zwingt, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen und
deren Voraussetzungen zu belegen (vgl. BGH NJW 2019, 2844 ff. zur Nichtigkeit der
Hessischen Mietbegrenzungsverordnung v. 17. November 2015 wegen
Begründungsmangels). Dem Begründungsgebot wohnt die Verpflichtung inne, die
Begründung in zumutbarer Weise öffentlich bekannt zu machen. Die um eine Woche später
am 13. August 2021 im Amtsblatt von Berlin erfolgte Veröffentlichung der Begründung für
die UmwandlungsVO1 entspricht jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Senat
von Berlin durfte seine Begründung für die Ausweisung des gesamten Landes Berlin als
Gebiet mit angespannten Wohnungsmärkten nicht erst nach dem Inkrafttreten der
UmwandlungsVO1 zum 06. Augst 2021 bekannt machen. Weil die Pflicht zur Begründung
der UmwandlungsVO1 Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage des § 250 Abs. 1 S. 3 und 4
BauGB ist und eine Rechtsverordnung zur Bestimmung von Gebieten mit angespanntem
Wohnungsmarkt ohne öffentlich bekannt gemachte Begründung mit dem Wortlaut und
Normzweck der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar ist, handelt es sich um eine
Wirksamkeitsvoraussetzung, deren Fehlen zur Nichtigkeit der Verordnung führt (vgl. BGH
aaO.; zur grundsätzlichen Nichtigkeit fehlerhafter Rechtsverordnungen Brenner in v.
Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., RdNr. 82 zu Art. 80; Ossenbühl in
Isensee/Kirchhof, Handbuch d. Staatsrechts, Bd. 5, RdNr. 79 zu § 103 jew. m. w. N.).
Entscheidend ist, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der UmwandlungsVO1 die
gesetzlich erforderliche Begründung nicht zugänglich war (vgl. Titarenko, Die Berliner
Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB - Nichtigkeit und ihre Rechtsfolgen, GE
2021, 1105 ff). Die nachträgliche Veröffentlichung der Begründung im Amtsblatt für Berlin
vom 13. August 2021 führte nicht zur Heilung des Begründungsmangels. Mit Rücksicht auf
die erhöhte Grundrechtsrelevanz der Begrenzung von Umwandlungen von Mietwohnungen
in Wohnungseigentum strebt der Gesetzgeber - genauso wie bei Verordnungen zur
Regelung der Miethöhe bei Wiedervermietung in Zusammenhang mit der
Ermächtigungsgrundlage des § 556d Abs. 2 S. 5 bis 7 BGB - eine nachvollziehbare und
transparente Ausweisung der von der Verordnung betroffenen Gebiete an. Dieses Anliegen
erfordert die gesetzlich vorgeschriebene Bekanntmachung der Begründung zur Verordnung
bei deren Inkrafttreten (vgl. BGH aaO; sowie BGH GE 2020, 787 - 798 zum Ausreichen
des Vorliegens einer getrennt von der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung
veröffentlichten Begründung im Zeitpunkt des späteren Inkrafttretens der Verordnung).

Zwischenzeitlich ist die UmwandlungsVO1 gemäß § 3 S. 2 der (inhaltsgleichen)
Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB vom 21. September 2021 (im Folgenden:
UmwandlungsVO2, GVBl. 2021, 1175f), bei der Verordnungstext und Begründung nach §
250 Abs. 1 S. 4 BauGB in einem Akt veröffentlicht wurden, wieder außer Kraft getreten.
Das ist für den vorliegenden Fall aber ohne Relevanz. Das von dem Grundbuchamt
aufgezeigte Hindernis besteht gleichwohl nicht.

Für die Aufteilung in Wohnungseigentumsrechte im Bereich einer sog. Erhaltungssatzung
hat der Bundesgerichtshof in Zusammenhang mit § 172 BauGB bereits im Jahr 2016
entschieden, dass § 878 BGB auf die Teilung durch den teilenden Eigentümer nach § 8 Abs.
1 WEG entsprechend anwendbar ist (vgl. BGH NJW 2017, 1546). Von einer analogen
Anwendung dieser Vorschrift ist in diesem Zusammenhang auszugehen, weil § 878 BGB
nach seinem Wortlaut nur auf Verfügungen Anwendung findet, an denen ein anderer als der
Eigentümer beteiligt ist. Die Aufteilung eines Grundstücks gem. § 8 WEG stellt jedoch eine
„Eigenverfügung“ dar, sodass die Vorschrift keine unmittelbare Anwendung finden kann.
Die Regelungslücke besteht darin, dass die Vorschrift des § 878 BGB nicht sämtliche
Verfügungen an einem Grundstück erfasst, sondern nur Verfügungen, an denen ein anderer
als der Grundstückseigentümer selbst beteiligt ist (BGH NJW 2017, 1546 Rn. 14). Bei der
Aufteilung in Wohnungseigentum besteht das Schutzbedürfnis zugunsten des teilenden
Eigentümers gem. § 8 WEG in gleicher Weise, da auch sie erst mit der Eintragung in das
Grundbuch wirksam wird und bis zu diesem Zeitpunkt die Teilungserklärung keinerlei
materiell-rechtliche Wirkung entfalten kann (vgl. BGH NJW aaO.). Der
Grundstückseigentümer ist in gleicher Weise wie bei den von § 878 BGB unmittelbar
geregelten Fällen auf die Tätigkeit des Grundbuchamts angewiesen und unterliegt den damit
verbundenen, von ihm nicht beeinflussbaren Verzögerungen.

Weil sich im Gesetz keine abweichende Regelung für das Genehmigungserfordernis nach
§ 172 Abs. 1 S. 4 BauGB findet, ist § 878 BGB analog auch bei einem
Genehmigungserfordernis anzuwenden, das sich erst nach Stellung des Vollzugsantrags
ergibt. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2019 bestätigt (vgl. BGH
NJW-RR 2020, 395 f Rn. 11). Der Senat hat sich ihr angeschlossen (Senat, Beschluss vom 4.
Mai 2017 – 1 W 173/17 – FGPrax 2017, 197).

Diese Rechtsprechung ist auch auf den neu geschaffenen § 250 BauGB zu übertragen. Hier
besteht dieselbe Regelungslücke und dasselbe Schutzbedürfnis. Der Eigentümer ist in
gleicher Weise von der Bearbeitungsgeschwindigkeit des Grundbuchamts abhängig. Der
Gesetzgeber hätte mit Blick auf § 878 BGB für einzelne Verfügungsbeschränkungen eine
von dieser Norm abweichende Regelung treffen können (vgl. BGH NJW 2017, 1546
Rn. 20) und somit anordnen können, dass die neuen Verfügungsbeschränkungen des § 250
Abs. 1 S. 1 BauGB n. F. auch ohne Rücksicht auf § 878 BGB gelten sollen. Dies ist aber
nicht geschehen. Wenn der Gesetzgeber, dem die vorgenannte Rechtsprechung
Bundesgerichtshofs bei Erhaltungssatzungen bekannt war, gewollt hätte, dass § 878 BGB
keine analoge Anwendung finden solle, hätte er dies ausdrücklich in der neuen Norm des
§ 250 BauGB regeln müssen. Dies hat er jedoch nicht getan.

Damit ist davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der
Genehmigungsvorbehalt in § 250 BauGB i. V. m. der Berliner UmwandlungVO2 nur für
Anträge gilt, die nach Inkrafttreten der Berliner UmwandlungsVO2 gestellt wurden (vgl.
DNotl-Report, 15/2021, S. 113 ff.; Drechsler, Baulandmobilisierungsgesetz – Das
Genehmigungserfordernis des §§ 250 Bau GB aus notarieller Sicht, notar 2021,252 ff.,
(257); Titarenko, aaO., (1107)). Der vorliegende Antrag ging spätestens am 6. August 2021
bei dem Grundbuchamt ein. Die UmwandlungsVO2 ist erst am 7. Oktober in Kraft
getreten, § 9 Abs. 1 UmwandlungsVO2.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

24.11.2021

Aktenzeichen:

1 W 347/21

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Öffentliches Baurecht
WEG

Erschienen in:

ZWE 2022, 37-41

Normen in Titel:

BGB § 878; BauGB § 250