Alleinige elterliche Vertretungsbefugnis durch Bevollmächtigung
letzte Aktualisierung: 07.08.2020
BGH, Beschl. v. 29.4.2020 – XII ZB 112/19
BGB §§ 167, 1626, 1629, 1671
Alleinige elterliche Vertretungsbefugnis durch Bevollmächtigung
a) Dem sich aus der gesetzlichen Gesamtvertretung des minderjährigen Kindes durch gemeinsam
sorgeberechtigte Eltern ergebenden Bedürfnis für eine Autorisierung eines Elternteils zur alleinigen
Wahrnehmung elterlicher Vertretungsbefugnisse kann durch Erteilung einer Vollmacht entsprochen
werden.
b) Das Grundverhältnis für diese Vollmacht ist regelmäßig das sich aus dem
fortbestehenden gemeinsamen Sorgerecht ergebende gesetzliche Rechtsverhältnis. Daraus ergeben
sich insbesondere Kontrollbefugnisse und -pflichten und gegebenenfalls auch Mitwirkungspflichten
des vollmachtgebenden Elternteils. Eines gesonderten Vertrags zwischen den Eltern bedarf es für
das Grundverhältnis nicht.
c) Die Bevollmächtigung des mitsorgeberechtigten Elternteils kann eine andernfalls notwendige
Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen, wenn und soweit sie dem
bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der
Kindesbelange gibt. Hierfür ist eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern
erforderlich, soweit eine solche auch unter Berücksichtigung des durch die Vollmacht erweiterten
Handlungsspielraums des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich ist.
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die nicht miteinander verheirateten Eltern
des im November 2012 geborenen Sohnes N. L. Sie streiten über das Sorgerecht.
Die 1974 geborene Kindesmutter ist kroatische Staatsangehörige, der
1956 geborene Kindesvater besitzt die Staatsangehörigkeit von Bosnien und
Herzegowina. Beide leben seit geraumer Zeit in Deutschland und sind getrennt.
Der Sohn hat - auch - die deutsche Staatsangehörigkeit. Er lebt bei der Kindesmutter,
die inzwischen verheiratet ist.
Die Eltern gaben kurz nach der Geburt übereinstimmende Sorgeerklärungen
ab. Sie führten in der Vergangenheit mehrere Verfahren, unter anderem
zum Kindesunterhalt und zum Umgangsrecht. Im Jahr 2013 beantragte die Kindesmutter
die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich. Das Amtsgericht
übertrug ihr in jenem Verfahren mit Zustimmung des Kindesvaters das alleinige
Aufenthaltsbestimmungsrecht. Im Jahr 2016 beantragte die Kindesmutter erneut
die Übertragung der vollständigen elterlichen Sorge. Das Verfahren wurde
beendet, nachdem der Kindesvater ihr am 16. Februar 2017 eine vom Gericht
protokollierte umfängliche Vollmacht erteilt hatte.
Im vorliegenden Verfahren hat die Kindesmutter wiederum beantragt, ihr
das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Sie beruft sich unter anderem darauf,
dass es in verschiedenen Angelegenheiten trotz der erteilten Vollmacht zu
Schwierigkeiten bei der Vertretung des Kindes gekommen sei und der Kindesvater
anschließend trotz ihrer Bitten nicht mitgewirkt habe. Dieser ist der Meinung,
dass es einer Übertragung des Sorgerechts wegen der im Vorverfahren
erteilten Vollmacht, jedenfalls aber wegen einer weiteren, während des vorliegenden
Verfahrens notariell beurkundeten Vollmacht vom 22. November 2017
nicht bedürfe.
Das Amtsgericht hat das Sorgerecht antragsgemäß der Kindesmutter
übertragen. Auf die Beschwerde des Kindesvaters hat das Oberlandesgericht
den Antrag der Kindesmutter zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene
Rechtsbeschwerde der Kindesmutter, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in
dass der Kindesmutter vom Kindesvater eine Vollmacht oder Ermächtigung
erteilt wurde und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass er diese
zeitnah widerrufen möchte.
Zwar liege es im vorliegenden Fall nahe, dass die Übertragung der elterlichen
Sorge auf die Kindesmutter grundsätzlich dem Kindeswohl am besten
entspreche. Zwischen den Eltern bestehe ein Kommunikationskonflikt, der eine
gemeinsame Entscheidungsfindung in kindbezogenen Belangen kaum möglich
erscheinen lasse, insbesondere weil die Kindesmutter die Elternschaft des Kindesvaters
gegenüber dem Sohn nicht offenlegen wolle. Jedoch sei die Übertragung
der restlichen Sorgerechtsteile auf die Kindesmutter nicht geboten. Der
Kindesvater habe sie hinreichend bevollmächtigt bzw. ermächtigt, so dass sie
ohne weitere Übertragung im Rahmen der elterlichen Sorge für den Sohn tätig
werden könne.
Bei der Übertragung des Sorgerechts als Eingriff in das Elternrecht des
Kindesvaters sei insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen.
Da der Konflikt zwischen den Eltern hier aber nicht so weit gehe,
dass diese sich widersprechende Entscheidungen treffen würden, genüge es,
der Kindesmutter eine erleichterte Handhabung der Vertretung des Kindes bei
der Teilnahme am Rechtsverkehr zu ermöglichen. Hierzu würden die erteilten
Vollmachten (Ermächtigungen) als milderes Mittel ausreichen.
Neben in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hierzu vertretenen
unterschiedlichen Ansätzen sei zu berücksichtigen, dass die Bevollmächtigung
unter Gesamtvertretern auch im Gesellschaftsrecht abgelehnt worden sei. Allerdings
sei anerkannt, dass ein Gesamtvertreter den anderen ermächtigen
könne, die ihm zugewiesene Vertretungsmacht mit auszuüben. Die Ermächtigung
bedürfe anders als die Vollmacht keines Kausalgeschäfts. Sie sei auch im
Verhältnis gesamtvertretungsberechtigter Eltern möglich und zulässig. Letztlich
könne es jedoch dahingestellt bleiben, ob die vom Kindesvater erteilte Vollmacht
tatsächlich als Vollmacht im Rechtssinne oder als Ermächtigung zu verstehen
sei. Denn dem Kindesvater sei es erkennbar wichtig gewesen, die Befugnisse
der Antragstellerin zur Vertretung zu erweitern und damit auf den Ausgang
des vorliegenden Verfahrens Einfluss zu nehmen.
Die Details der rechtlichen Einordnung hätten für den Kindesvater erkennbar
nicht im Vordergrund gestanden. Die Erklärung vom 22. November
2017 sei zwar inhaltlich recht weitgreifend, halte sich aber noch im Rahmen
einer zulässigen Bereichsermächtigung . Letztlich komme es darauf an, ob ein
Widerruf der Vollmacht oder Ermächtigung ernstlich im Raum stehe. Denn es
gelte auch hier das Primat der Elternverantwortung, dem die Eltern gerecht
würden, wenn sie in Eigeninitiative Maßnahmen ergriffen, die zur Zweckerreichung
ausreichten. Auch wenn die Maßnahmen aus Rechtsgründen nicht mit
letzter Verbindlichkeit ergriffen würden, müsse es ausreichen, dass der Ermächtigende
bzw. Vollmachtgeber die Verbindlichkeit seines Handelns nicht in
Zweifel ziehe.
Die Eltern hätten sich am 16. Februar 2017 im Rahmen einer Vereinbarung
darauf verständigt, dass der Kindesvater der Kindesmutter eine umfassende
und unwiderrufliche Vollmacht erteilt und dies auch unmittelbar zu gerichtlichem
Protokoll so erklärt. Diese Vollmacht sei in der Folgezeit noch durch
die öffentlich beglaubigte Vollmacht vom 22. November 2017 ergänzt worden.
Eine solche Ermächtigung bzw. Vollmacht sei ein milderes Mittel, auch wenn
sie trotz der gegenteiligen Formulierung jederzeit widerruflich sei.
Die Kindesmutter sei entgegen ihrem Vorbringen in der Lage, mit der erteilten
Vollmacht zu handeln. Die von ihr benannten Umstände seien nicht geeignet,
an ihrer Handlungsfähigkeit für das Kind zu zweifeln. In bestimmten Angelegenheiten
(Kindergartenaufnahmevertrag, Auswahl der Schule und des
Horts sowie religiöse Erziehung des Kindes) sei die Kindesmutter mit der Sorgerechtsvollmacht
im Besitz der hierfür erforderlichen Unterlagen und würden
sie weitergehende Schwierigkeiten (Identitäts- und Staatsangehörigkeitsnachweise)
auch im Fall der Sorgerechtsübertragung treffen. Zwar könne sie, weil es
sich nicht um eine Entscheidung handele, keine Bescheinigung nach Art. 39
Brüssel IIa-VO erhalten, jedoch gebe es im Verhältnis sowohl zu Kroatien als
auch zu Bosnien und Herzegowina andere Formen der Legalisation von Urkunden.
Soweit die Kindesmutter eine von beiden Eltern beabsichtigte Vornamensänderung
nicht habe bewirken können, habe die entsprechende Zwischenverfügung
des Standesamts Hinderungsgründe benannt, die sich auch mit einer
Sorgerechtsübertragung nicht hätten ausräumen lassen. Auch wenn der Kindesvater
während eines Aufenthalts von Kindesmutter und Sohn in Kroatien bei
dortigen Behörden vorgesprochen habe, habe dies lediglich zu einer Rückfrage
der Behörden bei der Großmutter mütterlicherseits geführt, um sich von der
Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu überzeugen.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende internationale
Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nach Art. 8 Brüssel IIa-VO aufgrund
des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes gegeben (zum zeitlichen An-
wendungsbereich der Neufassung vgl. Mansel/Thorn/Wagner
101). Nach Art. 15 Abs. 1 KSÜ ist wegen des gewöhnlichen Aufenthalts des
Kindes in Deutschland in der Sache auf jeden Fall deutsches Recht als lex fori
anzuwenden.
b) Auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen
ist eine Zurückweisung des Antrags der Kindesmutter gemäß § 1671
Abs. 1 BGB nicht gerechtfertigt. Nach
Antrag eines Elternteils auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts stattzugeben,
soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und
die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
aa) Nach den bisherigen Feststellungen des Oberlandesgerichts sind die
tatbestandlichen Voraussetzungen für die Übertragung des alleinigen Sorgerechts
auf die Kindesmutter wegen des bestehenden Kommunikationskonflikts
der Eltern im Ausgangspunkt gegeben. Daher ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz
zu unterstellen, dass die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf
die Kindesmutter - im Fall des Fehlens alternativer Regelungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten
- dem Kindeswohl im Sinne von
besten entspricht.
bb) Mit der Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung der Alleinsorge
auf den antragstellenden Elternteil gemäß § 1671 BGB ist zwangsläufig
ein Eingriff in das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht des anderen
Elternteils verbunden. Auch die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen
Sorge unterliegt daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG
1388/15 - juris Rn. 10; BVerfG
besondere nur dann in Betracht, wenn dem Kindeswohl nicht durch mildere Mittel
als die Sorgerechtsübertragung entsprochen werden kann.
(1) Die Frage, ob eine Sorgerechtsübertragung nach
durch die Erteilung einer Vollmacht in diesem Sinne entbehrlich werden kann,
wird in der Rechtsprechung der Obergerichte und im Schrifttum unterschiedlich
beurteilt.
Zum Teil wird die Frage allgemein ( in aller Regel ) verneint (OLG Düsseldorf
Thormeyer [Stand: 15. Oktober 2019] § 1671 Rn. 43). Zum Teil wird die
Vollmachterteilung nur dann als ausreichend betrachtet, wenn eine Kommunikations-
und Kooperationsfähigkeit der Eltern besteht (OLG Saarbrücken Beschluss
vom 5. November 2018 - 6 UF 82/18 - juris Rn. 25 ff. mwN) oder wenn
die Vollmacht auf der Grundlage einer Individualvereinbarung erteilt wurde und
ein Mindestmaß einer tragfähigen Beziehung zwischen den Eltern besteht (OLG
Karlsruhe
OLG Bremen
das Bestehen einer sozialen Beziehung des Kindes zum bevollmächtigenden
Elternteil, damit die Vollmacht als ausreichend angesehen werden könne
(Hoffmann
Heilmann/Keuter Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1671 Rn. 21), während
wiederum andere die Vollmacht auch dann für ausreichend halten, wenn kein
Kontakt des vollmachtgebenden Elternteils zu dem Kind besteht (OLG Schleswig
Vollmachterteilung - wie vom Beschwerdegericht - auch eine Ermächtigung als
mögliches und gegebenenfalls vorrangiges Mittel in Betracht gezogen (vgl. OLG
Saarbrücken Beschluss vom 5. November 2018 - 6 UF 82/18 - juris Rn. 26 f.).
(2) Nach zutreffender Ansicht kann die Bevollmächtigung eines mitsorgeberechtigten
Elternteils durch den anderen eine Übertragung des Sorgerechts
ganz oder teilweise entbehrlich machen, wenn und soweit sie dem bevollmächtigten
Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung
der Kindesbelange gibt. Das setzt allerdings auch eine ausreichende
Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern voraus, soweit eine solche
unter Berücksichtigung der durch die Vollmacht erweiterten Handlungsbefugnisse
des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich ist.
(a) Zur Ermöglichung des alleinigen Vertreterhandelns eines mitsorgeberechtigten
Elternteils werden sowohl dessen Bevollmächtigung nach § 167 BGB
als auch, entsprechend der für die offene Handelsgesellschaft geltenden Regelung
in
(vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB [2016] § 1629 Rn. 42 ff.; Münch-
KommBGB/Huber 8. Aufl. § 1629 Rn. 34, 38; Palandt/Götz BGB 79. Aufl.
§ 1629 Rn. 5; NK-BGB/Kaiser 3. Aufl. § 1629 Rn. 22 f. mwN). Der Bundesgerichtshof
hat zur wirksamen Einwilligung in eine Operation des minderjährigen
Kindes die Ermächtigung des allein einwilligenden Elternteils durch den anderen
für möglich und erforderlich gehalten (
1143 f.).
Durch die Möglichkeit einer Ermächtigung wird indessen eine Autorisierung
des anderen Elternteils im Wege der Bevollmächtigung jedenfalls nicht
ausgeschlossen. Denn eine Beschränkung auf die Ermächtigung lässt sich dem
Gesetz nicht entnehmen. Es ist bereits fraglich, ob zwischen Vollmacht und Ermächtigung,
die übereinstimmend jeweils auf rechtsgeschäftlicher Grundlage
erteilt werden und zur alleinigen Vertretungsbefugnis eines Elternteils führen, im
Bereich der gesetzlichen Gesamtvertretung durch sorgeberechtigte Eltern
überhaupt wesentliche Unterschiede bestehen. Jedenfalls wird die Bevollmäch-
tigung des einen Elternteils durch den anderen weder durch gesetzliche Anordnung
noch aus übergeordneten Gesichtspunkten ausgeschlossen.
Soweit in Rechtsprechung und Literatur im Bereich des Gesellschaftsrechts
eine Bevollmächtigung als durch die in
§ 78 Abs. 4 Satz 1 AktG gesetzlich vorgesehene Ermächtigung ausgeschlossen
angesehen wird (vgl.
K. Schmidt 4. Aufl. § 125 Rn. 10; Staub/Habersack HGB 5. Aufl. § 125 Rn. 13
mwN; Baumbach/Hopt/Roth HGB 39. Aufl. § 125 Rn. 9; vgl. auch Senatsurteil
vom 26. Februar 2020 - XII ZR 51/19 -
dies auf den Besonderheiten des Gesellschaftsrechts und der Stellung der Gesellschafter
bzw. des Vorstands (der Geschäftsführer) als Organen der Gesellschaft
sowie der Unübertragbarkeit der organschaftlichen Willensbildung und
-erklärung (
(Gesamt-)Vertretung von Minderjährigen durch ihre Eltern nach § 1629 BGB
fehlt es dagegen für eine analoge Anwendung von
(bzw. § 78 Abs. 4 Satz 1 AktG) bereits an einer planwidrigen Regelungslücke,
weil die gesetzlichen Regeln zur Stellvertretung nach
Anwendung finden und neben der Bevollmächtigung von Dritten ebenfalls
die Bevollmächtigung des einen gesamtvertretungsberechtigten Elternteils
durch den anderen ermöglichen. Hierdurch wird sowohl den Bedürfnissen einer
ungehinderten Teilnahme Minderjähriger am Rechtsverkehr als auch des
Schutzes des jeweiligen Geschäftsgegners hinreichend Rechnung getragen, so
dass für eine analoge Anwendung der auf die offene Handelsgesellschaft zugeschnittenen
Regelung in
Bedürfnis besteht (NK-BGB/Kaiser 3. Aufl. § 1629 Rn. 23 mwN).
Soweit vom Oberlandesgericht angeführt worden ist, dass es für die Ermächtigung
im Gegensatz zur (Unter-)Bevollmächtigung keines Grundverhält-
nisses bedürfe, kann dies für die vorliegende Konstellation der Gesamtvertretung
durch Eltern schon deshalb nicht durchgreifen, weil das Grundverhältnis in
beiden Fällen übereinstimmend in der fortbestehenden gemeinsamen elterlichen
Sorge besteht (Weber
gemeinsamer elterlicher Sorge kommen sowohl Bevollmächtigung
als auch Ermächtigung in Betracht. Die Erteilung einer Vollmacht dient bei Gesamtvertretung
durch beide Eltern wie eine entsprechende Ermächtigung gerade
dem Ziel, den Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge zu ermöglichen,
indem sie eine Übertragung des Sorgerechts entbehrlich macht.
Aus der fortbestehenden elterlichen Sorge nach §§ 1626 ff. BGB ergibt
sich sodann regelmäßig das Grundverhältnis. Daraus folgen gegebenenfalls
auch Mitwirkungspflichten sowie Kontrollbefugnisse und -pflichten des vollmachtgebenden
bzw. ermächtigenden Elternteils. Auch wenn sich aus der gemeinsamen
Sorge kein Weisungsrecht des Vollmachtgebers ergibt, hat dieser
- neben der inhaltlichen Beschränkung der Vollmacht (Ermächtigung) - jedenfalls
die Möglichkeit, die Vollmacht bzw. Ermächtigung etwa im Fall der nicht
kindeswohlentsprechenden Wahrnehmung durch den bevollmächtigten Elternteil
zu widerrufen. Auf den Widerruf der Vollmacht kann dabei wegen der mangelnden
Disponibilität des Elternrechts nicht wirksam verzichtet werden (vgl.
OLG Hamm
etwa eines Auftrags, bedarf es für das Grundverhältnis dagegen nicht. Ein solcher
kann mithin auch nicht Voraussetzung für den Vorrang der Vollmacht gegenüber
einer Sorgerechtsübertragung sein.
Ebenso wie ein außenstehender Dritter von den Eltern bevollmächtigt
werden kann, für das Kind zu handeln, ist es erst recht möglich, dass ein mitsorgeberechtigter
Elternteil den anderen mit der Folge bevollmächtigt, dass die-
ser befreit von den Beschränkungen der Gesamtvertretung unmittelbar für das
Kind rechtsgeschäftlich handeln kann. Eine Notwendigkeit, dass der (Unter-)
Bevollmächtigte außer im Namen des Kindes auch im Namen des bevollmächtigenden
Elternteils handelt, besteht entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts
(ebenso Weber
Gutzeit BGB [2016] § 1629 Rn. 43 f.) nicht. Vielmehr kann der (unter-)
bevollmächtigte Elternteil das Kind unmittelbar allein vertreten. Ob sich aus der
Art des Auftretens des bevollmächtigten Elternteils etwa Konsequenzen für die
Folgen einer eventuellen Vertretung ohne Vertretungsmacht ergeben können
(vgl.
§ 167 Rn. 4 mwN), betrifft die Haftung nach
Zulässigkeit der Bevollmächtigung eines gesamtvertretungsberechtigten Elternteils
durch den anderen noch der einheitlichen Alleinvertretung des Kindes
durch den bevollmächtigten Elternteil entgegen. Nichts anderes gilt für solche
Angelegenheiten, in denen die Eltern in Ausübung der elterlichen Sorge im eigenen
Namen handeln.
(b) Die Bevollmächtigung kann eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts
nach
Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur alleinigen Wahrnehmung
der Kindesbelange gibt. Hierfür ist allerdings eine ausreichende
Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern erforderlich, soweit eine solche
auch unter Berücksichtigung des durch die Vollmacht erweiterten Handlungsspielraums
des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich ist.
(aa) Dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Übertragung des
Sorgerechts unterbleiben muss, folgt - wie ausgeführt - bereits zwingend aus
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn ein Eingriff in die elterliche Sorge
als Bestandteil des Elternrechts muss stets auf das im Sinne des Kindes-
wohls und der beiderseitigen Elternrechte erforderliche Maß begrenzt bleiben.
Der Eingriff ist aber nicht erforderlich, wenn die Handlungsbefugnisse des Elternteils
bereits durch die Vollmacht erweitert sind und dieser dadurch in die
Lage versetzt wird, in den maßgeblichen Kindesbelangen allein tätig zu werden.
Infolge der ihm erteilten Vollmacht ist der Elternteil dann auch ohne Abstimmung
mit dem anderen Elternteil ausreichend handlungsfähig und trägt dementsprechend
die Hauptverantwortung für das Kind. Die Vollmacht ermöglicht
so vor allem, dass Konflikte in der Kommunikation und Kooperation mit dem
anderen Elternteil weitgehend vermieden werden können (vgl. Geiger/Kirsch
Die bloße Ankündigung einer Vollmachterteilung lässt die Erforderlichkeit
einer Sorgerechtsübertragung allerdings noch nicht entfallen. Denn die Vollmachterteilung
kann vom Familiengericht weder ausgesprochen noch angeordnet
werden und hindert eine Sorgerechtsübertragung nur dann, wenn sie zum
für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich erfolgt ist.
(bb) Auch bei Vorliegen einer Vollmacht erfordert der Fortbestand der
gemeinsamen elterlichen Sorge eine Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft
der Eltern, soweit diese zur wirksamen Ausübung der Vollmacht im Interesse
des Kindeswohls erforderlich ist. Denn anderenfalls wäre die Vollmachterteilung
nicht geeignet, eine Sorgerechtsübertragung entbehrlich zu machen.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die Vollmacht der
Bestand der gemeinsamen elterlichen Sorge sowie die Befugnisse des vollmachtgebenden
Elternteils nicht eingeschränkt werden. Dieser bleibt etwa befugt,
in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung allein für das Kind zu entscheiden,
solange sich das Kind bei ihm aufhält (§ 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB).
Ferner bleiben ihm Auskunftsrechte sowie seine Kontrollbefugnisse erhalten.
Diese verbliebenen Rechte sind bei Bedarf weiterhin im Interesse des
Kindswohls auszuüben. So kann der vollmachtgebende Elternteil insbesondere
etwa bei mangelnder Akzeptanz der Vollmacht verpflichtet sein, dadurch notwendig
gewordene Mitwirkungshandlungen zu erbringen. Allgemein obliegt es
ihm, die Vollmachtausübung durch den anderen Elternteil nicht durch eigene
Handlungen zu konterkarieren. Stellt er dagegen eine missbräuchliche Ausübung
der Vollmacht fest, so kann er unter Umständen gehalten sein, diese zu
widerrufen.
(cc) Entgegen den aufgeführten abweichenden Auffassungen ergeben
sich für die Eignung der Bevollmächtigung keine über die für die Beurteilung
des Kindeswohls nach § 1697 a BGB maßgeblichen Kriterien hinausgehenden
generellen oder typisierenden Beschränkungen. Daher kann die Vollmacht weder
allgemein als in der Regel ungeeignet angesehen werden, weil die elterliche
Sorge des die Vollmacht erteilenden Elternteils nur formal aufrechterhalten bliebe
(so aber OLG Düsseldorf
(entgegen Hoffmann
1128; Heilmann/Keuter Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1671 Rn. 21) auf
Fälle beschränkt, in denen zwischen dem Kind und dem vollmachtgebenden
Elternteil ein persönlicher Kontakt besteht. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall
zu entscheiden, ob die Vollmacht unter den gegebenen Umständen ausreicht,
um die Kindesbelange verlässlich wahrnehmen zu können. Ob dies der Fall ist,
bestimmt sich aufgrund der für die Sorgerechtsübertragung nach § 1671 BGB
anerkannten Kriterien (vgl. Senatsbeschluss
1439 Rn. 13 ff. mwN), wobei die Erforderlichkeit einer (teilweisen) Sorgerechtsübertragung
stets mit Blick auf die erteilte Vollmacht und die durch sie erweiterten
Handlungsbefugnisse des hauptverantwortlichen Elternteils zu beurteilen
Dass die Vollmacht - wie ausgeführt - mangels Disponibilität des Elternrechts
nicht wirksam unwiderruflich erteilt werden kann (vgl. OLG Hamm ZKJ
2011, 303; Hammer
1879, 1880 f.), steht dem grundsätzlich nicht entgegen, so dass es auch keiner
- ohnedies unsicheren - Prognose bedarf, mit welcher Wahrscheinlichkeit die
Vollmacht vom vollmachtgebenden Elternteil künftig widerrufen werden könnte.
Da die wirksam erteilte Vollmacht den hauptverantwortlichen Elternteil mit erweiterten
Handlungsbefugnissen ausstattet, ergäbe sich insoweit erst durch den
Widerruf der Vollmacht eine geänderte Sachlage, die sodann als Grund für eine
Sorgerechtsentscheidung nach § 1671 BGB oder ggf. für die Abänderung einer
bereits ergangenen Entscheidung nach
dd) Bei Anwendung der vorgenannten Maßstäbe auf den vorliegenden
Fall ist die Zurückweisung des Antrags der Kindesmutter auf der Grundlage der
vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen nicht gerechtfertigt.
(1) Die im vorliegenden Fall vom Kindesvater der Kindesmutter erteilten
Vollmachten sind zur Ermöglichung deren Alleinhandelns in den von den Vollmachten
umfassten Bereichen geeignet, eine Sorgerechtsübertragung entbehrlich
zu machen. Einer Ermächtigung im Rechtssinne bedurfte es dazu nicht, so
dass auch für eine entsprechende Umdeutung insoweit kein Anlass besteht.
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die erteilten
Vollmachten nicht nach § 168 Satz 1 BGB infolge einer etwaigen Beendigung
des Grundverhältnisses erloschen. Die Rechtsbeschwerde beruft sich hierfür
darauf, dass ein von den Eltern als Grundgeschäft vereinbarter Auftrag von Seiten
der Kindesmutter beendet worden sei. Da sich das nach § 168 Satz 1
BGB der Erteilung der Vollmacht zugrundeliegende Rechtsverhältnis bereits
aus der fortbestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge ergibt, konnte dieses
durch einseitige Erklärung, insbesondere durch Kündigung, von vornherein
nicht beendet werden.
(3) Auf die vom Oberlandesgericht aufgeworfene Frage, ob und ggf. mit
welcher Wahrscheinlichkeit ein Widerruf der Vollmacht zu erwarten sei, kommt
es ebenso wenig an wie auf den Umfang der erteilten Vollmacht. Denn allein
die Möglichkeit des Widerrufs schließt es nicht aus, dass die Vollmacht eine
Sorgerechtsübertragung überflüssig macht. Ein Widerruf der Vollmacht kommt
daher nur dann zum Tragen, wenn er tatsächlich erklärt worden ist. Entgegen
der im Wesentlichen aus dem Gesellschaftsrecht hergeleiteten Auffassung des
Oberlandesgerichts ist selbst eine alle Angelegenheiten umfassende Vollmachterteilung
grundsätzlich möglich, weil der vollmachtgebende Elternteil auch in
diesem Fall nicht auf die elterliche Sorge verzichtet, sondern insoweit weiter
berechtigt und verpflichtet bleibt. Auf die vom Oberlandesgericht angeführte
Erneuerung der Vollmacht kommt es insoweit mithin nicht an.
(4) Die Rechtsbeschwerde rügt hingegen mit Recht, dass das Oberlandesgericht
die von der Kindesmutter gegen die Tauglichkeit der Vollmacht vorgebrachten
Gründe auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen
als nicht durchgreifend betrachtet hat.
Die Kindesmutter hat im vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen
erstinstanzlichen Vortrag für die Notwendigkeit einer umfassenden Übertragung
des Sorgerechts angeführt, dass sich die Vollmacht in verschiedenen Angelegenheiten
als nicht ausreichend erwiesen und der Kindesvater eine alsdann
notwendige Mitwirkung trotz Aufforderung nicht geleistet habe. Die von der Kindesmutter
insoweit angeführten Angelegenheiten beziehen sich auf die Anmeldung
des Kindes in der Kindertagesstätte, einen Antrag auf Vornamensänderung
und eine Anmeldung des Kindes beim kroatischen Konsulat in Frankfurt
a.M., für die trotz der Vollmacht auch jeweils weitere Erklärungen und Unterlagen
des Kindesvaters verlangt worden seien.
Die vom Oberlandesgericht dagegen angeführten Erwägungen vermögen
nicht zu überzeugen. Sofern das Oberlandesgericht darauf verweist, die
Kindesmutter habe mit der ihr ausgestellten Vollmachturkunde einen Kindergartenaufnahmevertrag
abschließen können, geht es darüber hinweg, dass die
Kindesmutter die mangelnde Akzeptanz der Vollmacht nachvollziehbar vorgetragen
hat. Da sich die Vollmacht danach im Rechtsverkehr als nicht ausreichend
erwiesen hat, war es vom Kindesvater zu verlangen, dass er die von seiner
Seite noch notwendige Mitwirkung leistete. Die Rechtsbeschwerde macht
mit Recht geltend, dass von der Kindesmutter nicht - wie vom Oberlandesgericht
offenbar erwartet - verlangt werden konnte, gegen den Träger der Einrichtung
rechtlich vorzugehen, zumal die Mitwirkung dem Kindesvater ohne Weiteres
zumutbar war. Schon die Gefahr einer eintretenden Verzögerung hätte dem
Kindeswohl widersprechen können. Ähnlich verhält es sich mit der einvernehmlichen
Namensänderung. Auch insoweit bedurfte es nach dem Vorbringen der
Kindesmutter und den entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts der
Mitwirkung des Kindesvaters. Aus der vom Oberlandesgericht angestellten Erwägung,
dass eine Mitwirkung des Kindesvaters auch bei entsprechender Sorgerechtsübertragung
auf die Kindesmutter erforderlich gewesen wäre, ergibt
sich nichts anderes. Denn auch dann würde sich aus einer unterlassenen Mitwirkung
des Kindesvaters jedenfalls dessen mangelnde Kooperationsbereitschaft
ergeben, was nach den genannten Maßstäben dem Fortbestand der elterlichen
Sorge trotz Vollmachterteilung entgegensteht.
3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, weil eine Übertragung
der vollständigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter auf der Grundla-
ge der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen nicht durch die erteilten
Vollmachten entbehrlich gemacht wird.
Dem Senat ist eine abschließende Sachentscheidung nicht möglich. Die
Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil noch weitere tatsächliche
Feststellungen notwendig sind. Das Oberlandesgericht wird insbesondere
die bislang unterbliebene persönliche Anhörung der Eltern nachzuholen
haben. Im Hinblick auf die Erziehungseignung der Mutter ist bislang noch
nicht gewürdigt worden, dass diese offensichtlich nicht bereit ist, das Kind über
die Vaterschaft des Antragsgegners aufzuklären (vgl. dazu Senatsbeschluss
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:29.04.2020
Aktenzeichen:XII ZB 112/19
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
OHG
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
NJW 2020, 2182-2186
Normen in Titel:BGB §§ 167, 1626, 1629, 1671