Zeitlich unbefristete Belegungsrechte; Sicherung durch beschränkte persönliche Dienstbarkeit
letzte Aktualisierung: 8.3.2019
BGH, Urt. v. 8.2.2019 – V ZR 176/17
BGB §§ 1090, 1092 Abs. 1; WoBindG §§ 5, 15 Abs. 1, 16 Abs. 1, 88d
Zeitlich unbefristete Belegungsrechte; Sicherung durch beschränkte persönliche
Dienstbarkeit
1. Es begegnet keinen sachenrechtlichen Bedenken, wenn eine beschränkte persönliche
Dienstbarkeit zugunsten einer juristischen Person ohne zeitliche Befristung bestellt wird
(Bestätigung von Senat, Urteil vom 11. März 1964 – V ZR 78/62,
2. Bei der vereinbarten Förderung gemäß § 88d II. WoBauG waren zeitlich unbefristete
Belegungsrechte nicht vorgesehen; eine darauf gerichtete schuldrechtliche Vereinbarung ist
unwirksam, und zwar auch dann, wenn die Kommune dem privaten Investor zur Errichtung von
Sozialwohnungen kostengünstiges Bauland überlassen hat.
3. Sind im Rahmen der vereinbarten Förderung gemäß § 88d II. WoBauG zeitlich unbefristete
Belegungsrechte vereinbart worden, kann in entsprechender Anwendung von § 139 BGB im Zweifel
davon ausgegangen werden, dass die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit ihrer Vereinbarung
Belegungsrechte für einen möglichst langen rechtlich zulässigen Zeitraum vereinbart hätten; deshalb
ist bei der Gewährung eines langfristigen, vergünstigten Kredits im Zweifel anzunehmen, dass die
im Gegenzug übernommenen Belegungsrechte während der Laufzeit des vergünstigten Kredits
fortbestehen sollen.
Entscheidungsgründe:
A.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben die Feststellungsanträge keinen
Erfolg, weil die durch Individualvereinbarung zustande gekommenen
Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien nicht zu beanstanden sind. Das dingliche
Recht sei sachenrechtlich wirksam bestellt worden. Dem Gesetz lasse sich
nicht entnehmen, dass eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zeitlich befristet
werden müsse, wenn sie - wie hier - zu Gunsten einer juristischen Person
bestellt werde. Auch die von der Klägerin übernommene schuldrechtliche Verpflichtung
zu der unbefristeten Einräumung von Belegungsrechten sei wirksam.
Sie verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Beklagte
dem Reichsbund nicht nur ein Darlehen gewährt, sondern ihm auch
Grund und Boden zur Verfügung gestellt habe. Die Unwirksamkeit dieser Verpflichtung
ergebe sich auch nicht aus
i.d.F. vom 28. April 1993, wonach die vereinbarten Leistungen bei einem städtebaulichen
Vertrag den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen.
Unter Berücksichtigung der dem Reichsbund gewährten Subvention überwögen
nämlich die Interessen der Klägerin das Interesse der Beklagten, sozial schwachen
Personen eine Unterkunft bieten zu können, nicht derart, dass von einer
unangemessenen Verpflichtung auszugehen wäre.
B.
Die Revision hat Erfolg.
I. Rechtsfehlerfrei sieht das Berufungsgericht die Feststellungsanträge
als zulässig an. Im Allgemeinen fehlt es zwar an einem Feststellungsinteresse,
wenn eine Leistungsklage möglich ist, die das Rechtsschutzinteresse des Klägers
wahrt; dies käme insoweit in Betracht, als die Klägerin feststellen lassen
will, dass die Beklagte die Löschungsbewilligung erteilen muss. Ist aber der
Gegner - wie hier - eine öffentliche Körperschaft, besteht trotz möglicher Leistungsklage
ein Feststellungsinteresse, weil zu erwarten ist, dass der Beklagte
sich einem Feststellungsurteil beugt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom
14. Juli 1958 - VII ZR 99/57,
4. April 2003 - V ZR 268/02,
II. In der Sache hält die Entscheidung rechtlicher Überprüfung in einem
wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht von der wirksamen
Bestellung der Dienstbarkeit aus, so dass deren Löschung nicht im Wege
der Grundbuchberichtigung gemäß
der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass beschränkte persönliche
Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB) zur Sicherung von Belegungsrechten
bestellt werden können (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 2012
- V ZR 221/11,
Bedenken, wenn eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit - wie
hier - zugunsten einer juristischen Person ohne zeitliche Befristung bestellt wird.
Zwar belastet eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit - anders als eine
Grunddienstbarkeit - ein Grundstück grundsätzlich nur für begrenzte Zeit, da sie
nicht übertragbar (§ 1092 Abs. 1 BGB) und nicht vererblich (§ 1090 Abs. 2
i.V.m. § 1061 BGB) ist. Aber gleichwohl ist es zulässig, wenn durch die Bestellung
einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine Wirkung erzielt wird,
für die in erster Linie die Grunddienstbarkeit vorgesehen ist (vgl. Senat, Urteil
vom 11. März 1964 - V ZR 78/62,
sieht vor, dass Berechtigter einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine
juristische Person sein kann (
bestimmten Voraussetzungen sogar die Übertragung des Rechts (§ 1092
Abs. 2 i.V.m. § 1059a BGB, § 1092 Abs. 3 BGB). In diesen Bestimmungen ist
es angelegt, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit von vornherein
nicht auf einen bestimmten Zeitraum wie die Lebensspanne eines Menschen
beschränkt ist (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 1964 - V ZR 78/62, aaO;
2. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich
aber nicht verneinen, dass die von dem Reichsbund eingegangene und von der
Klägerin übernommene schuldrechtliche Verpflichtung nicht besteht, und dass
die Klägerin aus diesem Gesichtspunkt heraus die Wohnungen ab dem 1. Juli
2016 ohne Beachtung von Belegungsrechten vermieten darf und die Beklagte
zur Löschung der Dienstbarkeit gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verpflichtet
ist.
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die von der Klägerin
übernommene, zeitlich unbefristete schuldrechtliche Verpflichtung zu der Vermietung
der Wohnungen an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen gemäß
§ 134 BGB unwirksam.
aa) Das Rechtsgeschäft ist als sog. vereinbarte Förderung auf der
Grundlage von § 88d II. WoBauG zustande gekommen. Im Rahmen dieser
Wohnungsbauförderung nach dem dritten Förderweg konnten der Darlehensoder
Zuschussgeber und der Bauherr u.a. Belegungs- und Mietpreisbindungen
vereinbaren. Mit der Förderung von Mietwohnraum sollten bedürftige Haushalte
unterstützt werden, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen
können (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 2 Buchst. e II. WoBauG; vgl.
auch § 1 Abs. 2 des Wohnraumförderungsgesetzes, das mit dem Gesetz zur
Reform des Wohnungsbaurechts vom 13. September 2001, BGBl I 2376 ff. eingeführt
wurde und das Zweite Wohnungsbaugesetz ablöste). Diesen Zweck
erreichte die Förderung nach § 88d II. WoBauG durch eine Vereinbarung des
staatlichen Zuschuss- oder Darlehensgebers mit dem Bauherren, aufgrund derer
sich der Bauherr in der gesetzlich vorgesehenen Weise bindet und für den
darin liegenden Verzicht auf eine für ihn günstigere Vermietung nach den Gegebenheiten
des Marktes einen Ausgleich in Gestalt eines leistungsfreien Darlehens
oder Zuschusses erhält (vgl. zum Ganzen
bb) Bei der vereinbarten Förderung gemäß § 88d II. WoBauG waren zeitlich
unbefristete Belegungsrechte nicht vorgesehen; eine darauf gerichtete
schuldrechtliche Vereinbarung ist unwirksam, und zwar auch dann, wenn die
Kommune dem privaten Investor zur Errichtung von Sozialwohnungen kostengünstiges
Bauland überlassen hat.
(1) Gegen die Zulässigkeit von unbefristeten Belegungsrechten sprechen
zunächst die gesetzlichen Vorgaben des § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG. Nach
dieser Bestimmung soll die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte
und der vereinbarten Regelung der Miete 15 Jahre nicht überschreiten, wenn
nicht auf Grund der Zielsetzung und der Art der Förderung, insbesondere wegen
der Bereitstellung von Bauland oder wegen der Förderung zu Gunsten bestimmter
Personengruppen, ein längerer Zeitraum geboten ist. Soweit diese
Frage überhaupt erörtert wird, wird zwar vertreten, dass § 88d Abs. 2 Nr. 2
II. WoBauG der Vereinbarung einer zeitlich unbegrenzten Zweckbestimmung
nicht entgegenstehe (vgl. Dyong in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender,
Wohnungsbaurecht, Bd. 7 [1994], § 88d II. WoBauG Anm. 2.1; Hamm, BBauBl
1989, 395). Dies trifft aber nicht zu. Aus dem Wortlaut der Norm, aus der Gesetzesbegründung
und aus der Gesetzessystematik ergibt sich, dass unbefristete
Zweckbestimmungen mit § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG unvereinbar sind.
(a) § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG sieht für die in Ausnahmefällen mögliche
Vereinbarung eines längeren (also über die Regelhöchstdauer von 15 Jahren
hinausgehenden) Zeitraums zwar keine ausdrückliche Grenze vor. Bereits
aus dem Wortlaut der Norm („längerer Zeitraum“) ergibt sich aber, dass der Gesetzgeber
nur zeitlich begrenzte Beschränkungen des Bauherrn ermöglichen
wollte. Ein „Zeitraum“ besteht nämlich in einem durch Anfang und Ende gekennzeichneten
Zeitabschnitt (vgl. nur § 188 Abs. 2, § 211 Satz 2, § 938 BGB).
(b) Dieses Verständnis der Norm entspricht der Gesetzesbegründung
und der Systematik des Zweiten Wohnungsbaugesetzes.
(aa) Mit der Einfügung des § 88d II. WoBauG im Jahr 1989 (Artikel 1
Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom
21. Februar 1989, BGBl. I, 242) sollte den Bundesländern in Gestalt eines neuen,
sog. dritten Förderwegs eine gegenüber dem sog. ersten bzw. zweiten Förderweg
(§§ 25 bis 72 bzw. §§ 88 bis 88c II. WoBauG) flexiblere Förderung des
sozialen Wohnungsbaus ermöglicht werden. Die starren Bindungen des ersten
und zweiten Förderwegs, die auf eine im Gesetz vorgegebene sehr langfristige
Mietpreis- und Belegungsbindung der Wohnungen mit einem hohen Subventionsbedarf
angelegt waren, erschienen dem Gesetzgeber nicht mehr zeitgemäß.
Eine Regelhöchstdauer war zwar zunächst noch nicht vorgesehen; durch § 88d
II. WoBauG sollten aber auf Grund des von vornherein zeitlich begrenzten Eingriffs
in den allgemeinen Wohnungsmarkt kürzere Bindungen ermöglicht und
das Förderverfahren so für Investoren attraktiver gestaltet werden (vgl. BTDrucks.
11/3160 S. 1, 2 und 5). Der Zweck der Neuregelung belegt damit, dass
der Gesetzgeber nicht die unbefristete Bindung von Bauherren, sondern die
Vereinbarung kürzerer und flexiblerer Bindungen als nach bislang geltendem
Recht ermöglichen wollte.
(bb) Bestätigt wird dies durch die Überlegungen, die den Gesetzgeber im
Jahr 1994 dazu veranlassten, einen neuen Absatz 2, in dessen Nr. 2 die Regelhöchstdauer
von 15 Jahren genannt ist, in § 88d II. WoBauG einzufügen (Artikel
1 Nr. 10 des Gesetzes zur Förderung des Wohnungsbaus vom 6. Juni 1994,
BGBl. I, 1184). Die Ergänzung der Norm sollte die Anforderungen, die an die
vereinbarte Förderung nach § 88d II. WoBauG in Abgrenzung zum ersten und
zweiten Förderweg zu stellen sind, konkretisieren, und durch Nennung der Regelhöchstdauer
weitere positive Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft
privater Bauherren hervorrufen (vgl. BT-Drucks. 12/6616 S. 2 mit Plenarprotokoll
12/225 S. 19369 A).
(cc) Unbefristete Bindungen im Rahmen des dritten Förderwegs wären
im Hinblick auf die Regelungen über den ersten und zweiten Förderweg auch
systemwidrig. Denn selbst für diese Förderwege schreibt das Gesetz eine Befristung
der Bindung des Eigentümers bis längstens zu dem Zeitpunkt vor, ab
dem die durch die Subvention gewährten Vorteile aufgebraucht sind bzw. - im
Falle vorzeitiger Rückzahlung der Mittel - aufgebraucht wären (vgl. § 15 Abs. 1
und § 16 Abs. 1 WoBindG für den ersten Förderweg sowie § 88a Abs. 2
II. WoBauG für den zweiten Förderweg jeweils i.d.F. vom 19. August 1994).
(c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt allein der
Umstand, dass die Beklagte dem Reichsbund nicht nur ein Darlehen gewährt,
sondern ihm auch die erforderlichen Grundstücke verkauft hat, keine unbefristete
Bindung. Zwar sind Grund und Boden - zumal in städtischen Lagen - ein
knappes Gut, das bei einem Verkauf durch eine Stadt an einen Privaten dauerhaft
bei diesem verbleibt. § 89 Abs. 1 II. WoBauG weist den Gemeinden aber
zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus die Aufgabe zu, geeignete, ihnen
gehörende Grundstücke an Bauherren als Bauland für den Wohnungsbau zu
angemessenen Preisen zu überlassen; es ist also Teil des Konzepts des dritten
Förderwegs, dass die öffentliche Hand privaten Investoren nach Möglichkeit
werthaltiges, kostengünstiges Bauland zur Verfügung stellt (vgl. auch BTDrucks.
12/6616 S. 26). Ist letzteres geschehen, regelt § 88d Abs. 2 Nr. 2
II. WoBauG die Ausgestaltung der zu treffenden Vereinbarung. Danach rechtfertigt
die Bereitstellung von Bauland eine Bindung für einen „längeren Zeitraum“
als 15 Jahre; eine unbefristete Bindung hat der Gesetzgeber dagegen
nicht vorgesehen.
(2) Dieses Ergebnis entspricht allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts
und namentlich des Subventionsrechts.
(a) Die auf der Grundlage von § 88d II. WoBauG getroffene Vereinbarung
betrifft den Bereich des Verwaltungsprivatrechts; die Wahrnehmung von
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in den Formen des Privatrechts führt dazu,
dass die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen
Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert werden (BGH, Urteil vom
7. Februar 1985 - III ZR 179/83,
der Verwaltung sind zunächst die gesetzlichen Rahmenbedingungen einzuhalten
(Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. Senat, Urteil vom 18. September 2009
- V ZR 2/09,
Schranken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu beachten, sondern ist weitergehenden
Bindungen unterworfen, zu denen insbesondere die Einhaltung
des Übermaßverbots zählt (BGH, Urteil vom 7. Februar 1985 - III ZR 179/83,
- der zwischen dem Reichsbund und der Beklagten geschlossene
Vertrag einen städtebaulichen Vertrag darstellt, so dass die vereinbarten Leistungen
nach dem hier maßgeblichen
i.d.F. vom 22. April 1993 den gesamten Umständen nach angemessen sein
müssen, kann offen bleiben. Denn das Gebot zur angemessenen Vertragsgestaltung
beruht auf dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und ist daher auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung
für das gesamte Handeln der öffentlich-rechtlichen Körperschaften im
Rechtsverkehr mit Privaten bestimmend (vgl. zu § 11 BauGB Senat, Urteil vom
26. Juni 2015 - V ZR 144/14,
der Verhältnismäßigkeit folgt, dass der Staat einem Subventionsempfänger
zur Sicherung der Zweckbindung der Subvention keine beliebigen Beschrän-
kungen auferlegen darf. Die Beschränkungen müssen vielmehr geeignet und
erforderlich sein, um den mit der Subvention zulässigerweise verfolgten Zweck
für einen angemessenen Zeitraum sicherzustellen (vgl. Senat, Urteil vom
29. November 2002 - V ZR 105/02,
21. Juli 2006 - V ZR 252/05,
(b) Daran gemessen ist es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
unvereinbar, dem Subventionsempfänger solche Bindungen aufzuerlegen, die
er ohne zeitliche Begrenzung einhalten muss, nachdem die mit der Subvention
verbundenen Vorteile aufgebraucht sind. Aufgebraucht sind die Vorteile, die
sich aus einer auf der Grundlage von § 88d II. WoBauG gewährten Subvention
ergeben, namentlich dann, wenn die vergünstigten Kreditkonditionen enden
oder wenn eine angemessene Zeit nach vorzeitiger Rückführung des verbilligten
Kredits verstrichen ist. Der Verkauf von Bauland stellt regelmäßig keinen
unbefristet fortbestehenden Vorteil dar, zumal er schon aus kommunalrechtlichen
Gründen nur in engen Grenzen verbilligt erfolgen kann (näher Senat, Urteil
vom 29. November 2002 - V ZR 105/02,
§ 125 Abs. 1 Satz 2 NKomVG). Dauerhafte Beschränkungen lassen sich nur
erreichen, wenn der öffentliche Zweck nicht mit dem Instrument des Grundstücksverkaufs,
sondern mit dem dazu bestimmten Instrument der Ausgabe
eines Erbbaurechts verfolgt wird (vgl. Senat, Urteil vom 26. Juni 2015
- V ZR 144/14,
- V ZR 306/16,
cc) Danach ist die schuldrechtliche Verpflichtung unwirksam. Denn eine
Vertragsgestaltung, die das Angemessenheitsgebot missachtet, führt zur Nichtigkeit
der vertraglichen Regelung nach § 134 BGB (vgl. Senat, Urteil vom
29. November 2002 - V ZR 105/02,
6. November 2009 - V ZR 63/09,
b) Infolgedessen kommt auch in Betracht, dass die Beklagte die Löschung
der im Grundbuch eingetragenen Belegungsrechte bewilligen muss; ist
nämlich die schuldrechtliche Verpflichtung unwirksam, kann die Beklagte die
beschränkte persönliche Dienstbarkeit ohne rechtlichen Grund erlangt haben
und gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zur Herausgabe in Gestalt der Bewilligung
der Löschung des Rechts im Grundbuch verpflichtet sein (vgl. Senat,
Urteil vom 27. Juni 2014 - V ZR 51/13,
darauf gerichteter Anspruch von dem Reichsbund als Besteller der Dienstbarkeit
und damaligem Eigentümer auf die Klägerin übergangen ist, dürfte jedenfalls
die ergänzende Auslegung des Vertrags vom 27. Oktober 1995, mit dem
die Klägerin die schuldrechtlichen Verpflichtungen des Reichsbunds übernommen
hat, ergeben; da die Klägerin umfänglich die Pflichten des Reichsbunds
übernahm, sollten im Zweifel diejenigen Rechte auf sie übergehen, die sich im
Falle einer Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts ergaben.
III.
Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist gemäß
§ 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3
ZPO) ist dem Senat nicht möglich. Für beide Feststellungsanträge kommt es
nämlich darauf an, wann die Belegungsrechte enden; die Unwirksamkeit der
schuldrechtlichen Verpflichtung hat nicht ohne weiteres zur Folge, dass bereits
jetzt keine Belegungsrechte mehr bestehen. Sind im Rahmen der vereinbarten
Förderung gemäß § 88d II. WoBauG zeitlich unbefristete Belegungsrechte vereinbart
worden, kann vielmehr in entsprechender Anwendung von § 139 BGB
im Zweifel - und so auch hier - davon ausgegangen werden, dass die Parteien
in Kenntnis der Unwirksamkeit ihrer Vereinbarung Belegungsrechte für einen
möglichst langen rechtlich zulässigen Zeitraum vereinbart hätten; um zu klären,
welcher Zeitraum danach als vereinbart anzusehen ist, bedarf es weiterer Feststellungen.
1. Gemäß § 139 BGB führt die Nichtigkeit eines Teils der vertraglichen
Regelungen nur dann zu der Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts, wenn
nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein
würde. Eine solche Teilnichtigkeit ist zwar in erster Linie gegeben, wenn nach
Entfernung („Hinausstreichen“) des unwirksamen Teils ein Vertragsinhalt übrig
bleibt, der für sich allein einen Sinn behält. Nach dem Sinngehalt der Vorschrift
ist sie aber grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn die Parteien anstelle der
nichtigen Regelung, hätten sie die Nichtigkeit gekannt, eine andere, auf das
zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom
5. Juni 1989 - II ZR 227/88,
2000 - XI ZR 248/99,
2005 - V ZR 37/05,
- V ZR 260/06,
bei übermäßig langen Bindungsdauern in Individualverträgen unter anderem
deshalb zugelassen, weil die Rückabwicklung von bereits weitgehend durchgeführten
Verträgen praktisch zu kaum überwindbaren Schwierigkeiten führen
würde (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1972 - VIII ZR 14/71,
2. Diese Erwägungen gelten hier gleichermaßen. Die Beklagte durfte den
Verkauf des Grundstücks und die Gewährung des Darlehens schon aufgrund
kommunalrechtlicher Vorgaben (näher dazu Senat, Urteil vom 29. November
2002 - V ZR 105/02,
vornehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin eine befristete
Klausel nicht genauso akzeptiert hätte, wie sie die unbefristete Klausel akzeptiert
hat, bestehen nicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Parteien
in Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel Belegungsrechte für einen mög-
lichst langen rechtlich zulässigen Zeitraum vereinbart hätten (vgl. auch Senat,
Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 260/06,
dass es darauf entscheidend ankommt, ergibt sich dies auch daraus, dass der
Vertrag vom 30. Januar 1995 eine salvatorische Klausel enthält. Welchen Zeitraum
die Parteien danach vereinbart hätten, hängt von den Vorteilen ab, die
dem Reichsbund gewährt wurden; danach bestimmt sich, ob die Beklagte
schon jetzt bewilligen muss, dass die Dienstbarkeit gelöscht wird. Einzelheiten
hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig -
nicht festgestellt. Dies wird nachzuholen sein.
IV.
Infolgedessen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für das weitere
Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Der erste Feststellungsantrag ist darauf gerichtet, dass die Klägerin
die Wohnungen ab dem 1. Juli 2016 frei und ohne Beachtung von Belegungsrechten
vermieten kann. Da im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den
Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage
entspricht (vgl. nur Senat, Urteil vom 26. Februar 2016
- V ZR 250/14,
auch die Feststellung, dass die Belegungsrechte ggf. zu einem späteren Zeitpunkt
enden. Anders als der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat, ist das Berufungsgericht
an einer solchen Auslegung nicht deshalb gehindert, weil der Antrag bislang
von allen Beteiligten anders verstanden worden wäre. Das ergibt sich schon
daraus, dass die Vorinstanzen die vertraglichen Vereinbarungen insgesamt als
wirksam angesehen haben; von diesem rechtlichen Standpunkt aus war die
Klage ohne weiteres unbegründet, und es bestand bislang (noch) kein Anlass
zu einer näheren Befassung mit dem Inhalt des Antrags.
a) Daher wird das Berufungsgericht zunächst unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls zu klären haben, wann die Belegungsrechte enden.
Insoweit bedarf es nicht - wie der Vertreter der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat gemeint hat - einer Überprüfung der mit dem Kredit
verbundenen Vorteile im Verhältnis zu den entgangenen Marktmieten nach
heutigem Stand. Maßgeblich sind nämlich die Vorstellungen der Parteien bei
Vertragsschluss; es kommt nicht darauf an, wie sich die Mieten einerseits und
die Kreditkonditionen andererseits später tatsächlich entwickelt haben. Wie
oben ausgeführt (vgl. Rn. 10), stellte das im Rahmen der vereinbarten Förderung
gewährte Darlehen (bzw. der Zuschuss) einen Ausgleich für den Verzicht
auf eine profitablere Vermietung zu den Gegebenheiten des Marktes dar. Deshalb
ist bei der Gewährung eines langfristigen, vergünstigten Kredits im Zweifel
anzunehmen, dass die im Gegenzug übernommenen Belegungsrechte während
der Laufzeit des vergünstigten Kredits fortbestehen sollen. Eine Vereinbarung
dieses Inhalts wäre aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach dem
von der Revision in Bezug genommenen Darlehensvertrag werden Zinsen für
eine Dauer von 35 Jahren nicht erhoben. Ggf. kann auch der nach Ablauf von
35 Jahren vorgesehene Zinssatz von 4 % aus der maßgeblichen Sicht der Vertragsparteien
bei Abschluss des Darlehensvertrags als Subvention anzusehen
gewesen sein; dann wäre der Fortbestand der Belegungsrechte bis zur endgültigen
Rückführung des Darlehens vereinbart worden.
b) Ausgehend von dem Vortrag der Klägerin zu dem Inhalt des Darlehensvertrags
kommt allerdings in Betracht, dass die Beklagte nach Ablauf der
zinslosen Phase von 35 Jahren einer vorzeitigen Rückführung des Darlehens
durch die Klägerin zustimmen und in der Folge von der weiteren Ausübung der
Belegungsrechte absehen muss. Da die Stadt im Bereich des Verwaltungsprivatrechts
handelt, kann ihr Ermessen nämlich dahingehend reduziert sein, dass
sie einer vorzeitigen Rückführung des Darlehens zustimmen muss; ggf. wird
nämlich bei der Ermessensausübung neben dem für die Klägerin inzwischen
ungünstigen Zinssatz von 4 % zu berücksichtigen sein, dass eine Wohnungsgenossenschaft
ihrerseits die Aufgabe hat, ihren Mitgliedern zu Wohnraum zu
verhelfen. Dies gilt umso mehr, als nach den - zeitlich allerdings später ergangenen
- Förderrichtlinien für das Land Niedersachsen für den dritten Förderweg
eine Bindungsdauer von maximal 35 Jahren vorgesehen gewesen sein soll (vgl.
Behring/Kirchner/Ulbrich, Förderpraxis des sozialen Wohnungsbaus, 1998,
S. XIV und 25 f.). Die hierauf bezogenen Rechtsfragen sind aber nicht Gegenstand
dieses Rechtsstreits. Sie betreffen vielmehr die von der Beklagten künftig
zu treffende Ermessensentscheidung, die sich nach den Verhältnissen bei Auslaufen
der zinslosen Phase richtet (vgl. Senat, Urteil vom 29. November 2002
- V ZR 105/02,
2. Ob der zweite Feststellungsantrag, der die Verpflichtung der Beklagten
zur Bewilligung der Löschung zum Gegenstand hat, begründet ist, hängt davon
ab, ob die Bindungsfrist abgelaufen ist. Sollte dies noch nicht anzunehmen sein,
stünde einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB derzeit der Grundsatz
von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen, weil die Klägerin verpflichtet
wäre, der Beklagten eine auf angemessen befristete Belegungsrechte bezogene
beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu bestellen. Der Antrag wäre dann
als zur Zeit unbegründet abzuweisen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:08.02.2019
Aktenzeichen:V ZR 176/17
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Öffentliches Baurecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
ZNotP 2020, 27-31
ZWE 2019, 263
BGB §§ 1090, 1092 Abs. 1; WoBindG §§ 5, 15 Abs. 1, 16 Abs. 1, 88d