Befreiung von der notariellen Verschwiegenheitspflicht im Falle des Versterbens eines Beteiligten
Befreiung von der notariellen Verschwiegenheitspflicht im Falle des Versterbens eines Beteiligten
a) Im Rahmen des § 18 Abs. 2, 2. Halbs. BNotO hat die Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob der verstorbene Beteiligte, wenn er noch lebte, bei verständiger Würdigung der Sachlage die Befreiung erteilen würde oder ob unabhängig hiervon durch den Todesfall das Interesse an einer weiteren Geheimhaltung entfallen ist (Fortführung von Senatsbeschluss vom 10. März 2003 NotZ 23/02,
b) Dabei ist nur über die auf einen bestimmten tatsächlichen Vorgang bezogene Befreiung des Notars von der Verschwiegenheitspflicht zu entscheiden, aber nicht (auch nicht nur mittelbar) darüber, ob überhaupt und wie der bei einer stattgebenden Entscheidung von seiner Verschwiegenheitspflicht entbundene Notar dem Antragsteller die erstrebte Information zu verschaffen hat.
c) Mit dem Tod entfällt das Interesse des Erblassers an der Geheimhaltung seines letzten Willens den gesetzlichen Erben gegenüber insoweit, als der letzte Wille diese betrifft. Denn um die Verwirklichung des letzten Willens sicherzustellen, müssen insbesondere über die Erbeinsetzung der testamentarischen Erben und die damit verbundene Enterbung der gesetzlichen Erben auch letztere informiert werden.
BGH, Urt. v. 20.7.2020 – NotZ(Brfg) 1/19
Problem
Die Entscheidung betrifft eine nicht ganz gewöhnliche Situation, namentlich die Klage eines „enterbten“ Sohnes gegen den Präsidenten des Landgerichts als Aufsichtsbehörde gem.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht habe. Der Kläger habe keine überzeugende Begründung für die Vermutung der Manipulation vorgebracht. Selbst bei entsprechender Befreiung durch den Landgerichtspräsidenten bestünde kein Anspruch gegen den Notar auf Einsicht in die Akten.
Entscheidung
Der Kläger hatte beim Bundesgerichtshof mit seiner Berufung weitgehend Erfolg. Der Beklagte müsse die Befreiung erteilen. Insofern bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null. Zwar lasse nicht allein das Versterben eines Beteiligten dessen Geheimhaltungsinteresse an der notariellen Urkunde entfallen, mit dem Tod des Erblassers entfalle aber das Gemeinhaltungsinteresse bzgl. seinen letzten Willens gegenüber den gesetzlichen Erben – soweit die letztwillige Verfügung den gesetzlichen Erben betreffe. Um die Verwirklichung des letzten Willens sicherzustellen, müsse insbesondere auch der gesetzliche Erbe über seine Enterbung entsprechend informiert werden. Dementsprechend müsse auch das Nachlassgericht – wie vorliegend geschehen – die gesetzlichen Erben über den Inhalt der Verfügung von Todes wegen informieren und sie diesen gegenüber bekannt geben (vgl.
Das Geheimhaltungsinteresse des Erblassers sei insofern auch nicht nur bezüglich des eröffneten Originaltestaments etnfallen, sondern auch in Bezug auf die beim Notar verbliebene Abschrift. Aus Sicht des Erblassers sei der Inhalt beider Dokumente notwendig identisch, sodass kein Grund ersichtlich sei, den Inhalt der Abschrift anders als den des Originals geheim zu halten. Dies gelte jedoch nicht für die Teile der letztwilligen Verfügung, die den Kläger nicht betreffen. Insofern sei weder das Geheimhaltungsinteresse entfallen, noch könne davon ausgegangen werden, dass der Erblasser – wenn er noch lebte – bei verständiger Würdigung der Sachlage die Befreiung erteilen würde.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:20.07.2020
Aktenzeichen:NotZ(Brfg) 1/19
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BNotO § 18 Abs. 2 Hs. 2