Nachweis des Bedingungseintritts bei auflösend bedingter Nacherbeneinsetzung ggü. dem Grundbuchamt
letzte Aktualisierung: 23.5.2019
OLG Hamm, Beschl. v. 13.3.2019 – 15 W 364/18
GBO §§ 22, 29; BGB §§ 2065 Abs. 2, 2112, 2113 Abs. 1 u. 2, 2136
Nachweis des Bedingungseintritts bei auflösend bedingter Nacherbeneinsetzung ggü. dem
Grundbuchamt
Zu den Voraussetzungen für die Löschung eines Nacherbenvermerks (§ 51 GBO) aufgrund
Unrichtigkeitsnachweises (§§ 22, 29 GBO) in dem Fall, dass die Nacherbfolge unter der auflösenden
Bedingung einer Verfügung des Vorerben unter Lebenden über den gesamten Nachlass gestellt
worden ist (im Anschluss an Senat, 15 W 218/99).
G r ü n d e :
Die nach §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde der Beteiligten ist unbegründet.
Das Grundbuchamt hat die unter Löschung des Nacherbenvermerks vorzunehmenden
Eintragungen zu Recht davon abhängig gemacht, dass sämtliche Nacherben der in dem
notariellen Vertrag vom 23. Mai 2018 (UR.-Nr. ###/2018 des Rechtsanwalts T als Vertreter
des Notars I) erklärten Übertragung des Eigentums auf den Beteiligten zu 2) und
Bestellung des Wohnrechts zu Gunsten der Beteiligten zu 1) zustimmen.
Ein Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) kann nur dann gelöscht werden, wenn entweder der
eingetragene Nacherbe die Löschung bewilligt oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs in
der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist (§§ 19, 22 Abs. 1 GBO, Senat
f.). Beides ist vorliegend nicht der Fall.
1.
Das Grundbuch ist in Bezug auf den Nacherbenvermerk nicht aufgrund des zwischen den
Beteiligten abgeschlossenen Grundstücksübertragungsvertrags vom 23. Mai 2018
unrichtig geworden, weil das Grundstück dadurch mit Wirkung gegenüber dem Nacherben
aus dem Nachlass ausgeschieden wäre. Diese Folge tritt nur ein, wenn der Vorerbe das
Grundstück entweder mit Zustimmung aller Nacherben – die hier nicht vorliegt - oder aber
als befreiter Vorerbe entgeltlich an eine andere Rechtspersönlichkeit veräußert hat (§§
2112, 2113 Abs. 1 und 2, § 2136 BGB). Daher kann vorliegend dahin stehen, ob die
Beteiligte zu 1) in der Verfügungsmacht beschränkte oder befreite Vorerbin ist. Selbst
wenn sie als befreite Vorerbin gemäß §§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB zu entgeltlichen
Verfügungen über Nachlassgegenstände berechtigt wäre, gilt dies nicht für eine
unentgeltliche Übertragung, wie sie in dem in Rede stehenden Übertragungsvertrag erfolgt
ist (§ 2113 Abs. 2, Abs. 1 BGB). Diese ist im Falle des Eintritts des Nacherbfalles den
Nacherben gegenüber unwirksam. Die im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
erfolgte unentgeltliche Übertragung auf den Beteiligen zu 1) führt daher nicht dazu, dass
das Grundstück aus dem Nachlass ausgeschieden ist.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den Bestimmungen in dem notariellen Testament vom
24. Oktober 1983 (UR.-Nr. ###/1983 des Notars S). Der Umstand, dass der Erblasser der
Beteiligten zu 1) als Vorerbin darin ausdrücklich die Befugnis eingeräumt hat, zu Lebzeiten
das Nachlassvermögen unentgeltlich auf einen der gemeinsamen Söhne oder auf beide
gemeinsam zu übertragen, führt nicht zum Wegfall der Verfügungsbeschränkung aus §
2113 Abs. 2 BGB. Von dem Verbot unentgeltlicher Verfügungen kann ein Erblasser den
Vorerben grundsätzlich nicht entbinden (vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 78. Auflage, 2019,
§ 2136, Rn. 4).
2.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die unentgeltliche Übertragung des
Grundstücks auf den Beteiligten zu 2) dazu geführt hat, dass die nur auflösend bedingt
angeordnete Nacherbeneinsetzung wegen Eintritts der Bedingung entfallen wäre.
a)
In der Rechtsprechung ist zwar seit langem anerkannt, dass der Erblasser einen
Nacherben wirksam unter der Bedingung einsetzen kann, dass der Vorerbe nicht
anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfügt. Eine solche als auflösende
Bedingung der Nacherbeneinsetzung einzuordnende Ermächtigung an den Vorerben kann
auch sachlich dahin eingeschränkt werden, über den Nachlass anderweitig nur in
bestimmtem Rahmen (insbesondere nur zugunsten bestimmter Personen) zu verfügen,
wie es hier geschehen ist. Der Wirksamkeit einer solchen Regelung steht nach der
Rechtsprechung insbesondere die Vorschrift des
in einem solchen Fall verfügt der Vorerbe über seinen eigenen Nachlass, indem er die
auflösende Bedingung herbeiführt, und damit zum unbeschränkten Vollerben wird (RGZ
95, 278;
218/99,
169 f; OLG Braunschweig
b)
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung bestehen nach Auffassung des Senats auch
keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, den Bedingungseintritt nicht nur an eine
Verfügung von Todes wegen, sondern – wie dies vorliegend in dem notariellen Testament
vom 24. Oktober 1983 erfolgt ist - auch an eine Verfügung des Vorerben unter Lebenden
binden zu können. Jedenfalls dann, wenn das Testament dem Vorerben ausdrücklich eine
solche Ermächtigung erteilt und dieser mit seinem Rechtsgeschäft unter Lebenden zu
erkennen gibt, davon Gebrauch machen zu wollen, muss der Eintritt der Bedingung als
rechtlich wirksam erfolgt angesehen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 24.08.1999,15 W
218/99,
c)
Eine Ermächtigung des überlebenden Ehegatten zu einer anderweitigen Verfügung unter
Lebenden wäre allerdings unwirksam, wenn sie so gestaltet ist, dass ihm die Befugnis
eingeräumt wird, über einzelne Nachlassgegenstände zu verfügen. Denn eine Vor- und
Nacherbfolge kann nur für den Nachlass insgesamt oder für einen Bruchteil der Erbschaft
angeordnet werden. Dagegen ist nach der Systematik des Gesetzes eine
Sondernachfolge in einzelne Nachlassgegenstände unzulässig (Senat, OLGR Hamm
2000, 44-46; vgl. auch OLG Braunschweig,
der Eintritt der auflösenden Bedingung der Nacherbeneinsetzung nicht lediglich für
einzelne Nachlassgegenstände herbeigeführt werden, sondern muss nach der Gestaltung
der Ermächtigung im Testament den gesamten Nachlass erfassen.
Diesen Vorgaben wird die entsprechende Regelung im Testament vom 24. Oktober 1983
gerecht. Denn der Erblasser hat die Nacherbeneinsetzung unter die auflösende Bedingung
gestellt, dass die Beteiligten zu 1) zu ihren Lebzeiten zu Gunsten eines oder beider Söhne
über das gesamte ererbte Vermögen unentgeltlich verfügen werde. Nach den
vorstehenden Ausführungen hat er damit in zulässiger Weise die Nacherbeneinsetzung
unter die auflösende Bedingung einer lebzeitigen Verfügung der Beteiligten zu 1) gestellt.
d)
Jedoch lässt sich im gegebenen Fall mit den Mitteln des Grundbuchrechts nicht feststellen,
dass die auflösende Bedingung, unter die der Erblasser die Nacherbenan- ordnung
gestellt hat, hier auch eingetreten ist. Denn es steht nicht fest, dass die Beteiligte zu 1) in
dem Übertragungsvertrag vom 23. Mai 2018, mit dem sie mit dem in Rede stehenden
Grundstück nur einen einzelnen Vermögensbestandteil übertragen hat, über den
gesamten Nachlass verfügt hätte. Hierfür erforderlich wäre der Nachweis, dass das
Grundstück jedenfalls den wesentlichen Nachlass ausmacht. Denn allein die Verfügung
über einen vom Erblasser nicht benannten Nachlassgegenstand unter mehreren, die der
Vor- und Nacherbfolge unterliegen, vermag den Vorerben nicht aus der erbrechtlichen
Bindung zu lösen (Senat,
gesamten Nachlass ausmacht, im gegebenen Fall mit den im Grundbuchrecht zulässigen
Mitteln nicht zu führen ist, bleibt es mit dem Grundbuchamt dabei, dass die beantragten
Eintragungen unter Löschung des Nacherbenvermerks nur erfolgen können, wenn
Zustimmungserklärungen sämtlicher Nacherben zu den beantragten Rechtsänderungen in
der Form des § 29 GBO vorgelegt werden.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:13.03.2019
Aktenzeichen:15 W 364/18
Rechtsgebiete:
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
MittBayNot 2020, 150-151
ZEV 2019, 415-417
Zerb 2019, 159-161
GBO §§ 22, 29; BGB §§ 2065 Abs. 2, 2112, 2113 Abs. 1 u. 2, 2136