Löschung einer Grunddienstbarkeit bei endgültigem Wegfall des Vorteils für das herrschende Grundstück
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 34wx19_11
letzte Aktualisierung: 17.11.2011
OLG München, 28.10.2011 - 34 Wx 19/11
Löschung einer Grunddienstbarkeit bei endgültigem Wegfall des Vorteils für das
herrschende Grundstück
1. Zur Löschung einer Grunddienstbarkeit in Form eines Getränkeausschank- und Vertriebsverbots wegen endgültigen Wegfalls des Vorteils für das herrschende Grundstück (hier: Aufgabe
des Brauereibetriebs). (amtlicher Leitsatz)
2. Ein Vorteil gemäß
nicht mehr, wenn feststeht, dass der Brauereibetrieb in absehbarer Zeit nicht mehr aufgenommen
werden wird.
3. Bei einem Verbot zum Schutz des Gewerbes ist erforderlich, dass die betriebliche Einrichtung
dem herrschenden Grundstück als Eigenschaft mit gewisser Dauerhaftigkeit anhaftet und damit
seinen Charakter prägt. Der Betrieb eines Getränkehandels in Büroräumen und/oder eines
Getränkemarktes erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
4. Die verfahrensfehlerhaft unterbliebene Anhörung des Buchberechtigten im Grundbuchberichtigungsverfahren gemäß
DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Im Grundbuch war seit 12.7.1977 eine Grunddienstbarkeit in Form eines Getränkeausschankund Vertriebsverbots für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks eingetragen. Auf dem herrschenden Grundstück befand sich damals eine Brauerei. Das herrschende Grundstück wurde
mehrfach geteilt. Die Grunddienstbarkeit verblieb allein an dem Restgrundstück, das schließlich
in Teileigentum aufgeteilt wurde. Die Beteiligte ist Eigentümerin einer Teileigentumseinheit,
zugunsten derer zuletzt noch die Dienstbarkeit eingetragen war. Eine Brauerei wird auf dem
Grundstück nicht mehr betrieben.
Auf Antrag der Eigentümerin des dienenden Grundstücks hat das Grundbuchamt am 23.9.2009
die Dienstbarkeit gelöscht.
Unter dem 21.10.2010 hat die Beteiligte als Eigentümerin des herrschenden Grundstücks gegen
die Löschung Beschwerde mit dem Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs eingelegt. Sie hat
dies damit begründet, dass zwar der Brauereibetrieb eingestellt sei und auf dem herrschenden
Grundstück keine Produktion mehr stattfinde. Ansonsten sei aber hinsichtlich ihrer geschäftlichen Beziehung bzw. gewerblichen Tätigkeit von dem herrschenden Grundstück aus keine
wesentliche Veränderung eingetreten. Es werde dort der Vertrieb bzw. Handel mit Getränkeprodukten betrieben. Der mit der Grunddienstbarkeit gesicherte Vorteil für die Benutzung des
herrschenden Grundstücks bestehe fort, wobei vor allem auf die mit der Lage verbundene
Zweckbestimmung abzustellen sei. Bereits nach dem Inhalt der Dienstbarkeit bestehe kein
unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Brauereibetrieb und dem abgesicherten Getränkeausschank- und Vertriebsverbot. Durch die Einstellung des Brauereibetriebs sei der Vorteil für
die Benutzung des herrschenden Grundstücks nicht weggefallen. Bereits aufgrund der räumlichen Nähe zum dienenden Grundstück stelle es für das herrschende einen erheblichen Vorteil
dar, dass weiterhin das Vertriebsverbot aufrecht erhalten bleibe. Selbst wenn man einen gegenwärtigen Vorteil für das herrschende Grundstück verneinen würde, sei das Interesse am Erhalt
der Grunddienstbarkeit schon dadurch begründet, dass künftige Vorteile gesichert würden. Man
sei bestrebt, dort zusätzlich einen Getränkeverbrauchermarkt zu installieren. Aufgrund der
räumlichen Umgebung und dem damit zu erwartenden Zulauf erscheine der Standort als
geeignet. Dieser Standortvorteil würde dem herrschenden Grundstück entzogen, wenn es durch
den Wegfall der Grunddienstbarkeit zur Einrichtung einer ähnlichen Betriebsstätte auf dem
dienenden Grundstück komme.
Mit Beschluss vom 28.12.2010 hat das Grundbuchamt die Eintragung eines Amtswiderspruchs
abgelehnt. Es sei in Bezug auf das herrschende Grundstück zu prüfen, ob die Belastung des
dienenden Grundstücks einen Vorteil im Sinne des
nur dem persönlichen, mit der Grundstücksnutzung nicht im Zusammenhang stehenden Vorteil
eines bestimmten Berechtigten diene, könne nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein. Für
das herrschende Grundstück könne ein solches Verbot nur dann von Vorteil sein, wenn dieses für
das Gewerbe, zu dessen Gunsten der Wettbewerb verboten werden solle, besonders eingerichtet
sei und in dessen Beschaffenheit seine objektive Grundlage finde. Die Aufgabe des Brauereibetriebes und die Erstellung von Wohnungs- und Teileigentum auf dem früheren Brauereigelände sei offenkundig. Werde aber das Gewerbe auf dem herrschenden Grundstück endgültig
nicht mehr ausgeübt, erlösche die Grunddienstbarkeit. Der Betrieb eines Getränkehandels reiche
für einen Grundstücksvorteil im Sinne von
auf Dauer bestehenden Einrichtungen". Lager- und Büroräume seien ohne größere bauliche
Veränderungen für eine Vielzahl anderer Gewerbearten nutzbar; ein Getränkehandel könne von
beliebigen Grundstücken aus betrieben werden. Die Unterbindung des Vertriebs anderer als von
der Niederlassung bezogener Getränke könne zwar von Vorteil für deren Betreiber sein. Jedoch
sei ein solcher Vorteil nur mehr ein wesentlich persönlicher, von der Grundstücksnutzung als
solcher gelöster; er könne die Aufrechterhaltung einer Grunddienstbarkeit nicht rechtfertigen.
Durch die Löschung des Rechts sei deshalb keine Unrichtigkeit des Grundbuchs eingetreten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten mit dem Antrag, die Löschung der Grunddienstbarkeit zu revidieren, hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung das Grundbuchamt
anzuhalten, einen Widerspruch gegen die vorgenommene Löschung einzutragen. Auf dem herrschenden Grundstück (Teileigentum) befinde sich nach wie vor der Sitz des Unternehmens. Die
Dienstbarkeit sei für die Benutzung des Grundstücks objektiv nützlich. Es reiche sogar ein
mittelbarer Vorteil aus. Der Inhaber der Beteiligten habe das dienende Grundstück an die jetzige
Grundstückseigentümerin veräußert und dieser sei bereits damals bekannt gewesen, dass die
Beteiligte nachhaltig und umfangreich Getränke aller Art vertreibe. Trotzdem sei der Eintragung
der Grunddienstbarkeit zugestimmt worden, während man nun die Löschung betreibe, obwohl
sich ihre betriebliche Tätigkeit nicht wesentlich geändert habe.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist als grundsätzlich statthafte Beschwerde nach
behandeln. Es richtet sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Eintragung eines Amtswiderspruchs. Mit dem Antrag vom 21.10.2010 hat die Beteiligte im Wege der Beschwerde
gegen die Löschung ausdrücklich auch die Wiedereintragung der Dienstbarkeit beantragt. Insoweit ist sie unzulässig, weil sie sich gegen eine Eintragung in Form der Löschung richtet (Demharter GBO 27. Aufl. § 71 Rn. 49, 51). Die Beschwerde ist indessen beschränkt zulässig (vgl.
Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit - verlangt werden, nach
das Rechtsmittelauch mit diesem - zulässigen - Inhalt einlegen möchte (vgl. Demharter § 71 Rn.
55).
2. Die Beschwerde ist auch in diesem beschränkten Umfang unbegründet.
Die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach
Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat,
durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die letztere Voraussetzung liegt nicht vor.
a) Gemäß
für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Dieser Vorteil muss gerade
für die Benutzung des herrschenden Grundstücks bestehen, sich also aus seiner allgemeinen
Grundstückssituation in Verbindung mit dem mit der Grunddienstbarkeitsbestellung verfolgten
Zweck ergeben. Ein rein persönlicher Vorteil für den gegenwärtigen Eigentümer genügt nicht
(vgl. z.B. Staudinger/Mayer BGB Neubearb. 2009, § 1019 Rn. 6 m. w. N.). Soll die Grunddienstbarkeit einem Gewerbebetrieb dienen, so wird als Voraussetzung verlangt, dass das herrschende Grundstück für dieses Gewerbe besonders eingerichtet ist oder zumindest eingerichtet
werden soll und diese Einrichtung auf Dauer eine Gewähr für die Beibehaltung des Betriebs
bildet (vgl. Staudinger/Mayer § 1019 Rn. 12 m. w. N.; aus der Rspr. OLG München MDR 1983,
934). Dies gilt sowohl für Benutzungs- als auch für Unterlassungsdienstbarkeiten, also auch für
Wettbewerbsbeschränkungen. Bei einem Verbot zum Schutz des Gewerbes ist für die Ausgestaltung als Grunddienstbarkeit erforderlich, dass das herrschende Grundstück für das
Gewerbe, das auf dem dienenden Grundstück untersagt werden soll, speziell und auf eine die
Dauer des Betriebs garantierende Weise eingerichtet ist, wie z.B. mit einer entsprechenden Produktionsstätte. Entscheidend ist (vgl. Staudinger/Mayer § 1019 Rn. 12; Bayer in Bauer/von
Oefele GBO 2. Aufl. AT III Rn. 360), dass die betriebliche Einrichtung dem herrschenden
Grundstück als Eigenschaft mit gewisser Dauerhaftigkeit anhaftet und damit seinen Charakter
prägt. Allgemeine betriebliche Einrichtungen wie Wandgestelle, Schaufenster und anderes, die in
der Nutzung indifferent bleiben, genügen nicht (OLG München
MünchKomm/Joost BGB 5. Aufl. § 1019 Rn. 5).
b) Auch für künftige Zwecke kann eine Grunddienstbarkeit bestellt werden (vgl. Staudinger/
Mayer § 1019 Rn. 10; Bayer in Bauer/von Oefele AT III Rn. 363). Allerdings reicht nicht jede
abstrakte Möglichkeit, sondern es genügen nur solche Vorteile, mit denen nach objektiven
Anhaltspunkten bei einem normalen und regelmäßigen Verlauf der Dinge gerechnet werden
kann. Es reicht aus, wenn auf dem herrschenden Grundstück ein Gewerbebetrieb erst eingerichtet und dadurch erst in Zukunft die objektive Grundlage geschaffen werden soll, um die Grunddienstbarkeit ausüben zu können. Dies ändert aber nichts an der Notwendigkeit, dass das herrschende Grundstück für das Gewerbe besonders eingerichtet ist oder im Falle der Bestellung für
künftige Zwecke wenigstens die Absicht besteht.
c) Nach dem vom Grundbuchamt festgestellten Veränderungen waren die Voraussetzungen an
dem ehemals dienenden Grundstück auch bei weiter Auslegung (vgl.
mehr gegeben. Das frühere Brauereigrundstück ist in Teileigentum aufgeteilt. Es steht - anderes
behauptet auch die Beteiligte nicht - fest, dass der Betrieb einer Brauerei in absehbarer Zeit nicht
mehr aufgenommen werden wird. Der Betrieb eines Getränkehandels in Büroräumen und/oder
auch eines Getränkemarktes erfüllt die oben genannten Voraussetzungen nicht. Insoweit kann
auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen werden. Lager- und Büroräume sind ohne
größere bauliche Veränderungen für eine Vielzahl anderer Gewerbearten nutzbar. Ein Vorteil
gerade für das konkrete Grundstück in seiner Lage, Beschaffenheit und Zweckbestimmung ist
nicht mehr gegeben. Der in der Wettbewerbsbeschränkung liegende Vorteil besteht auch für
jedes andere Grundstück, von dem aus ein Getränkevertrieb oder auf dem ein Getränkemarkt
betrieben werden soll.
Demnach gibt es keine Anhaltspunkte, dass durch die Löschung das Grundbuch unrichtig
geworden ist.
d) Allerdings wurde die Beteiligte vor der nach
Auch wenn hierin eine Gesetzesverletzung im Sinn des
oben unter a-c) an einer Unrichtigkeit des Grundbuchs.
III.
Einer gesonderten Entscheidung über die begehrte einstweilige Anordnung (
nicht mehr.
IV.
Der Geschäftswert entspricht in etwa dem Wert, der seinerzeit beanstandungsfrei für die Eintragung der Gewerbebetriebsbeschränkung (50.000 DM) angesetzt wurde (§ 131 Abs. 4, § 30
Abs. 1,
V.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (
vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:28.10.2011
Aktenzeichen:34 Wx 19/11
Rechtsgebiete:
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Grundbuchrecht
BGB §§ 1018, 1019; GBO §§ 22, 53