Unterlassungsanspruch wegen zweckwidriger Nutzung des WEG; Geltendmachung (allein) durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
letzte Aktualisierung: 1.4.2022
BGH, Urt. v. 28.1.2022 – V ZR 86/21
WEG § 14 Abs. 1;
Unterlassungsanspruch wegen zweckwidriger Nutzung des WEG; Geltendmachung (allein)
durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Der einzelne Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von einem
anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung
des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende Unterlassungsansprüche können nunmehr allein
von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden (Bestätigung von Senat,
Urteil vom 16. Juli 2021 – V ZR 284/19,
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt der Klägerin die Prozessführungsbefugnis
für Ansprüche, die auf eine Beeinträchtigung oder Veränderung
des Gemeinschaftseigentums gestützt seien. Dies gelte auch für die mit Blick auf
das Gemeinschaftseigentum geltend gemachten Nebenansprüche (Auskunftsund
Zugangsanspruch). Nach § 9a Abs. 2 WEG in der Fassung des
Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) sei die Gemeinschaft
für die Ansprüche aus § 1004 BGB auf Beseitigung von Beeinträchtigungen des
Gemeinschaftseigentums ausschließlich zuständig. § 9a Abs. 2 WEG sei ab dem
Inkrafttreten des WEMoG am 1. Dezember 2020 anwendbar, weil § 48 Abs. 5
WEG eine Übergangsvorschrift nur für das Verfahrensrecht enthalte. Die Klägerin
könne die Beseitigungsansprüche auch nicht auf eine Beeinträchtigung ihres
Sondereigentums stützen. Zwar sei dem einzelnen Eigentümer die Abwehr solcher
Störungen auch nach der WEG-Reform möglich. Voraussetzung hierfür sei
aber eine konkrete tatsächliche Beeinträchtigung des Sondereigentums, worunter
nur Störungen zu verstehen seien, die im räumlichen Bereich des Sondereigentums
aufträten. Davon sei hier nicht auszugehen.
Deshalb stelle sich nur die Frage, ob ein aus Sicht der Klägerin vorliegenraus
ein eigenständig durchsetzbarer Abwehranspruch der Klägerin i.S.d. § 1004
Abs. 1 BGB folge. Dies scheide aus, weil hier
keine die Wohnnutzung eindeutig ausschließende Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter
darstelle. Unabhängig davon erscheine fraglich, ob der
Verstoß gegen eine im Grundbuch eingetragene Zweckbestimmung bzw. Gebrauchsregel
als Beeinträchtigung des Sondereigentums anzusehen sei. Jedenfalls
stehe nach der WEG-Reform dem einzelnen Wohnungseigentümer kein Abwehranspruch
wegen Verstoßes gegen eine Zweckbestimmung mehr zu. § 9a
Abs. 2 WEG bezwecke eine einheitliche Störungsabwehr durch die Gemeinschaft.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Revision ist entgegen der Auffassung der Beklagten insgesamt zugelassen
worden und nicht nur beschränkt auf Ansprüche, die sich aus einer Beeinträchtigung
des Gemeinschaftseigentums ergeben. Nach dem Tenor des Berufungsurteils
ist die
worden. Danach zur Fortbildung des Rechts und
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Frage zuzulassen,
welche Auswirkungen § 9a Abs. 2 WEG und die vom Gesetzgeber bewusst vorgesehenen
Übergangsvorschriften des
anhängige Verfahren haben, in denen die Gemeinschaft aus mehr als zwei Miteigentümern
besteht . Durch die Zulassung soll erkennbar eine Klärung herbeigeführt
werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer
gegen einen anderen Wohnungseigentümer nach Inkrafttreten des WEMoG
Ansprüche wegen Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums und/oder des
Sondereigentums geltend machen kann. Dies bezieht sich auf sämtliche Klageanträge
einschließlich des Klageantrags zu 4, hinsichtlich dessen Beurteilung
das Berufungsgericht im Übrigen ausdrücklich - jedenfalls auch - auf die Vorschrift
des § 9a Abs. 2 WEG verweist.
2. In der Sache hat das Berufungsgericht die Klage mit sämtlichen Klageanträgen
zu Recht abgewiesen, auch wenn die hierfür gegebene Begründung
teilweise von Rechtsfehlern beeinflusst ist.
a) Dies gilt zunächst für die Abweisung des Klageantrags zu 3, mit dem
die Klägerin die Beseitigung des Deckendurchbruchs und die Wiederherstellung
des ursprünglichen Zustands des Fußbodenaufbaus in den Kellerräumen verlangt,
und damit auch für die mit den Klageanträgen zu 1 und 2 geltend gemachten
Nebenansprüche.
aa) Für einen Anspruch aus § 1004 BGB wegen der behaupteten Beeinträchtigung
des Gemeinschaftseigentums fehlt der Klägerin die Prozessführungsbefugnis.
(1) Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nicht bereits unmittelbar aus § 9a Abs. 2 WEG. Zwar übt nach dieser Vorschrift,
die aufgrund des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) vom
16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) ab dem 1. Dezember 2020 gilt, die GdWE die
sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Damit ist
nunmehr allein die GdWE für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden
Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus
prozessführungsbefugt. Für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht
anhängigen Verfahren besteht aber, wie der Senat zwischenzeitlich entschieden
hat, die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus
dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte geltend macht, über diesen
Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des
fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten
Organs über einen entgegenstehenden Willen der GdWE zur Kenntnis
gebracht wird (vgl. Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19, NJW-RR
2021, 1170 Rn. 12 ff., 20 ff.; Urteil vom 1. Oktober 2021 - V ZR 48/21, WuM
2021, 766 Rn. 15). Entsprechendes gilt für die Aktivlegitimation (vgl. Senat, Urteil
vom 1. Oktober 2021 - V ZR 48/21, aaO Rn. 16). Eine entsprechende Äußerung
des vertretungsberechtigten Organs lag im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
vor dem Berufungsgericht nicht vor; die Klägerin blieb deshalb weiter
prozessführungsbefugt.
(2) Die Sachlage hat sich aber im Revisionsverfahren geändert. Der nach
vom 13. August 2021 mitgeteilt, dass die GdWE der Klägerin untersagt, die hier
im Prozess anhängigen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen; insoweit hat
er auf einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer vom
22. Juli 2021 verwiesen. Aufgrund dieser eindeutigen Erklärung des Verwalters
ist die zunächst weiter fortbestehende Prozessführungsbefugnis der Klägerin
- ebenso wie ihre Aktivlegitimation - entfallen (vgl. zu den Anforderungen an die
Erklärung näher Senat, Urteil vom 28. Januar 2022 - V ZR 106/21, zur Veröffentlichung
bestimmt).
(3) Entgegen der Auffassung der Revision hat die GdWE ihr Recht, der
Klägerin durch Erklärung des zur Vertretung berechtigten Verwalters die
Prozessführungsbefugnis zu entziehen, nicht verwirkt. Dies käme zwar in Betracht,
wenn die GdWE noch vor Inkrafttreten des WEMoG das bis zu diesem
Zeitpunkt mögliche Recht der Vergemeinschaftung (vgl.
aF) des Anspruchs aus
dafür, dass sie auch nach Inkrafttreten des WEMoG der Prozessführung der Klägerin
nicht mehr durch ihren Verwalter widersprechen könnte. Dies ist jedoch
nicht der Fall. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für
die Annahme der Verwirkung eines Rechts neben dem reinen Zeitablauf erforderlich,
dass der Berechtigte durch sein gesamtes Verhalten bei dem Verpflichteten
das Vertrauen geschaffen hat, er werde sein Recht nicht mehr geltend machen
und dass dieser sich darauf eingerichtet hat; der Vertrauenstatbestand kann
nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (vgl. Senat, Urteil vom
11. Juni 2021 - V ZR 234/19,
2017 - V ZR 275/16,
rechtfertigt der Vortrag, die GdWE habe seit Erlass der von der Klägerin am
18. November 2016 erwirkten einstweiligen Verfügung in Kenntnis sämtlicher
Umstände keine Veranlassung gesehen, die Geltendmachung der Ansprüche an
sich zu ziehen, die Annahme einer Verwirkung nicht. Ein Wohnungseigentümer,
der eine auf
Gemeinschaftseigentums erhoben hatte, musste damit rechnen, dass die GdWE
den Anspruch vergemeinschaftete (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2014
- V ZR 5/14,
konnte durch eine Erledigungserklärung Rechnung getragen
werden (vgl. Urteil vom 24. Januar 2020 - V ZR 295/16,
Rn. 14).
bb) Auch für einen Anspruch aus § 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt
einer behaupteten Beeinträchtigung ihres Sondereigentums ist die Klägerin nicht
prozessführungsbefugt.
(1) Im Ausgangspunkt kann allerdings ein Wohnungseigentümer insoweit
prozessführungsbefugt sein, als seine Klage auf eine Störung im räumlichen Bereich
des Sondereigentums gestützt wird, und zwar auch dann, wenn zugleich
das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist (vgl. Senat, Urteil
vom 11. Juni 2021 - V ZR 41/19,
1. Oktober 2021 - V ZR 48/21,
einen anderen Wohnungseigentümer, die der gestörte Wohnungseigentümer
selbst durchsetzen kann, können sich auf der Grundlage der zum
1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes
sowohl aus
Solche Ansprüche können dann bestehen, wenn Immissionen wie Lärm und Gerüche
auf das Sondereigentum einwirken (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2021
- V ZR 41/19,
gravierende Beeinträchtigung der Aussicht aus der Einheit oder eine starke Verschattung
der zu dem Sondereigentum gehörenden Räume gestützt wird, hat der
Senat eine eigene Prozessführungsbefugnis des Sondereigentümers in Betracht
gezogen (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2021 - V ZR 41/19,
Rn. 15). Ob eine solche Störung tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit
der Klage.
(2) Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annimmt, lässt sich dem
Vortrag der Klägerin aber die Behauptung einer Störung im räumlichen Bereich
ihres Sondereigentums nicht entnehmen. Es nicht zu beanstanden, dass es den
Vortrag der Klägerin, es liege auf der Hand, dass der erfolgte Erdaushub nicht
ohne statische Auswirkungen auf das Gebäude bleiben dürfte und auch Senkungen
oder Senkrisse in den folgenden Jahren nicht gänzlich ausgeschlossen
seien, als unzureichend bewertet. Dieser Vortrag bezieht sich auf das Gemeinschaftseigentum
und nicht (unmittelbar) auf das Sondereigentum. Die Statik
eines Gebäudes ist zwar auch für alle Sondereigentumseinheiten von elementarer
Bedeutung. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Störungsquelle im
Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums befindet und ein koordiniertes Vorgehen
der GdWE erforderlich ist (vgl. zum Brandschutz Senat, Urteil vom
28. Januar 2022 - V ZR 106/21, zur Veröffentlichung bestimmt).
cc) Für einen Anspruch aus
prozessführungsbefugt. § 9a Abs. 2 WEG findet insoweit keine Anwendung.
Nach der zuerst genannten Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber
den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet, deren Sondereigentum nicht
über das in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen.
Ihnen darf über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß
hinaus kein Nachteil erwachsen. Hier fehlt es aber bereits an einer hinreichenden
Darlegung einer Beeinträchtigung des Sondereigentums der Klägerin.
(1) Ebenso wie bei einem Anspruch aus
des Sondereigentums nach
wenn sich die Störung, die abgewehrt werden soll, auf den räumlichen Bereich
des Sondereigentums bezieht. Der Maßstab ist der gleiche (vgl. Senat, Urteil vom
11. Juni 2021 - V ZR 41/19,
beiden Anspruchsgrundlagen ergeben sich nur daraus, dass bei fehlendem Vortrag
des Klägers zu der Beeinträchtigung des räumlichen Bereichs des Sondereigentums
für einen Anspruch aus
fehlt, während der Anspruch aus
Fall materiell-rechtlich nicht gegeben ist.
(2) Aus dem von der Revision angeführten Urteil des Senats vom
21. Dezember 2000 (V ZB 45/00,
Diese Entscheidung ist noch zu
jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, die im Sondereigentum stehenden
Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen
Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem
der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben
unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. In diesem Zusammenhang
hat der Senat die von der Revision zitierte Aussage getroffen, dass bei
der Beseitigung einer tragenden Wand ein relevanter Nachteil der übrigen Wohnungseigentümer
erst dann ausgeschlossen ist, wenn kein vernünftiger Zweifel
daran besteht, dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums
unterblieben ist, insbesondere zum Nachteil der übrigen Eigentümer
keine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherheit
geschaffen worden ist (Senat, Urteil vom 21. Dezember 2000
- V ZB 45/00,
eine nach neuem Recht anspruchsbegründende Beeinträchtigung des
Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer im Sinne des § 14 Abs. 2
Nr. 1 WEG vorliegt, was - wie ausgeführt - zu verneinen ist. Ob die von der Beklagten
durchgeführten Baumaßnahmen nicht ohne Auswirkungen auf die Statik
des Gebäudes geblieben sind, kann deshalb dahinstehen.
dd) Eine mögliche Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums durch
etwaige Veränderungen der Kellerdecke bzw. des Kellerbodens kann die Klägerin
auch nicht gemäß
ist die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Der Anspruch ist aufgrund der Neuregelung
durch das WEMoG an die Stelle von § 15 Abs. 3 WEG aF getreten und
nunmehr allein der Gemeinschaft zugewiesen (vgl. Senat, Urteil vom
16. Juli 2021 - V ZR 284/19,
- V ZR 48/21,
b) Keinen Erfolg hat die Revision schließlich auch insoweit, als sie sich
gegen die Abweisung des Klageantrags zu 4 wendet, mit der die Klägerin von
der Beklagten die Unterlassung der Wohnnutzung beansprucht.
aa) Nutzte ein Eigentümer seine ihm als Teileigentum zugewiesenen
Räume zu Wohnzwecken oder umgekehrt ihm als Wohnungseigentum zugewiesene
Räume zu anderen Zwecken, konnte allerdings jeder Wohnungseigentümer
von ihm nach § 15 Abs. 3 WEG aF grundsätzlich Unterlassung dieser zweckwidrigen
Nutzung verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2017 - V ZR 193/16,
717 Rn. 19; siehe zum sog. unselbständigen Teileigentum Senat, Beschluss vom
4. Dezember 2014 - V ZB 7/13,
des bisherigen Wohnungseigentumsgesetzes ergangenen Rechtsprechung
des Senats liegt in der Nutzung einer Sondereigentumseinheit, die der durch die
Eintragung im Grundbuch der Einheit widerspricht,
zugleich eine Verletzung des Eigentums der übrigen Sondereigentümer.
Diese begründet einen Unterlassungsanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers
gemäß
Urteil vom 25. Oktober 2019 - V ZR 271/18,
Wohnungseigentümer fehlte bei der zweckwidrigen Nutzung einer Sondereigentumseinheit
jedoch sowohl für einen Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG aF als auch
für einen Anspruch aus
die Wohnungseigentümer diese Ansprüche durch Mehrheitsbeschluss an sich
gezogen und damit eine sog. gekorene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft
gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF begründet
hatten (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 169/14,
Urteil vom 15. Dezember 2017 - V ZR 275/16,
vom 25. Oktober 2019 - V ZR 271/18,
24. Januar 2020 - V ZR 295/16,
bb) Durch die WEG-Reform hat sich diese Rechtslage geändert. Der einzelne
Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von
einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer
zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende
Unterlassungsansprüche können nunmehr allein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
geltend gemacht werden (so auch bereits Senat, Urteil vom
16. Juli 2021 - V ZR 284/19,
(1) Eine dem § 15 Abs. 3 WEG aF entsprechende Vorschrift gibt es nach
dem neuen Recht nicht mehr. Sie ist durch
Hiernach besteht die von konkreten Beeinträchtigungen losgelöste Pflicht
der Wohnungseigentümer, das in der Gemeinschaft geltende Regelwerk einzuhalten,
nur gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Soweit ein
Verstoß gegen das Regelwerk keinen Wohnungseigentümer konkret beeinträchtigt,
ist es nach der Auffassung des Gesetzgebers sachgerecht, dass die damit
zusammenhängenden Auseinandersetzungen nicht zwischen einzelnen Wohnungseigentümern
geführt werden, sondern mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
(vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 52 u. 53). Anspruchsinhaber ist
hiernach die Gemeinschaft (vgl. auch Senat, Urteil vom 16. Juli 2021
- V ZR 284/19,
(2) Das WEMoG hat allerdings nichts daran geändert, dass die einer
Zweckbestimmung widersprechende Nutzung einer Sondereigentumseinheit
sich als (mittelbare) Beeinträchtigung des Eigentums aller Wohnungseigentümer
darstellt (vgl. hierzu näher Senat, Urteil vom 25. Oktober 2019 - V ZR 271/18,
Anspruch steht vielmehr den einzelnen Wohnungseigentümern zu. Die Wohnungseigentümer
sind jedoch nicht (mehr) befugt, diesen Anspruch geltend zu
machen. Prozessführungsbefugt ist nach § 9a Abs. 2 WEG nur die GdWE (so
auch LG Frankfurt a.M.,
Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1435 f.; Hogenschurz in Jennißen, WEG,
7. Aufl., § 14 Rn. 12; Hügel/Elzer,
Dötsch/Schultzky/Zschieschak, WEG-Recht 2021, Kapitel 4 Rn. 31). Insoweit
liegt der Fall anders als bei einer Beeinträchtigung von Störungen im räumlichen
Bereich des Sondereigentums, für die die Wohnungseigentümer weiter prozessführungsbefugt
sind. Wie gezeigt, soll nach dem in der Gesetzesbegründung dokumentierten
Willen des Gesetzgebers die Gemeinschaft für die Abwehr von Verletzungen
des Binnenrechts allein zuständig und damit prozessführungsbefugt
sein. Hiermit verträgt es sich nicht, wenn der Anspruch auf Einhaltung des Binnenrechts
nach
der auf das gleiche Ziel gerichtete Anspruch aus
von den einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden könnte. Dem
entspricht es, dass die Gemeinschaft nach bisherigem Recht zwar den Anspruch
eines Wohnungseigentümers aus
aus § 15 Abs. 3 WEG aF - wegen zweckwidriger Nutzung einer anderen
Einheit im Interesse eines einheitlichen Vorgehens an sich ziehen konnte, nicht
jedoch Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur
Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen
(vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 2020 - V ZR 295/16,
Rn. 12, 18).
(3) Lehnt es die GdWE ab, gegen eine zweckwidrige Nutzung vorzugehen,
kann der einzelne Sondereigentümer unter den Voraussetzungen von § 18
Abs. 2 Nr. 2 WEG ein Einschreiten beanspruchen und mit einer Beschlussersetzungsklage
(§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) durchsetzen. Unter welchen Voraussetzungen
im Einzelnen eine Pflicht zum Einschreiten anzunehmen ist, ist noch ungeklärt
(vgl. dazu allgemein Sommer/Heinemann in Jennißen, WEG, 7. Aufl.,
§ 18 Rn. 122), hier aber nicht entscheidungserheblich (vgl. auch Senat, Urteil
vom 28. Januar 2022 - V ZR 106/21, zur Veröffentlichung bestimmt).
cc) Folglich kann sich der von der Klägerin mit dem Klageantrag zu 4 geltend
gemachte Unterlassungsanspruch nur aus
den sie aber nicht prozessführungsbefugt ist. Ob die weitere - die Begründetheit
des Antrags betreffende - Annahme des Berufungsgerichts zutreffend ist, es
liege keine zweckwidrige Nutzung durch die Beklagte vor, kann offenbleiben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:28.01.2022
Aktenzeichen:V ZR 86/21
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
WEG § 14 Abs. 1; BGB § 1004