BGH 22. Oktober 1986
IV a ZR 143/85
BGB §§ 2311, 2312, 2049

Bewertung eines Landgutes zum Ertragswert

gehalten (Prot. VI S. 332 f.). Die Vorschrift soll einmal einer
Zersplitterung derartiger landwirtschaftlicher Betriebe entgegenwirken und dient damit dem öffentlichen Interesse an
der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien
(vgl. für § 1376 Abs. 4 BGB: BVerfGE 67, 348 = NJW 1985,
1329, 1330 [= DNotZ 1985, 149]). Der Schutzgedanke der Vorschrift liegt darin, das Landgut in seinem Bestand zu erhalten und mittels Anpassung der Pflichtteilsansprüche an den
Ertragswert zu vermeiden, daß seine Wirtschaftlichkeit
durch die Belastung mit diesen Ansprüchen gefährdet wird
(BGH Urteile vom 15. Dezember 1976, IV ZR 27/75 = LM BGB
§ 2312 Nr. 4 = MDR 1977, 479 = WM 1977, 202 [= MittBayNot 1977, 71]; vom 5. Mai 1983, III ZR 57/82 = VersR 1983,
1080, 1081). Andererseits ist von vornherein vom Gesetz nur
ein bestimmter Personenkreis begünstigt. Die Vorschrift findet nur Anwendung, wenn der Erbe, der das Landgut erwirbt,
selbst pflichtteilsberechtigt ist (§ 2312 Abs. 3 BGB). Ferner
ist Voraussetzung, daß der Erblasser die Anrechnung zum
Ertragswert letztwillig angeordnet hat oder dies nach der
Auslegungsregel des § 2049 BGB anzunehmen ist. Die auch
im öffentlichen Interesse liegende Begünstigung des übernehmenden Erben ist also von vornherein zugleich stark personenbezogen.
Bei der Anwendung der Vorschrift ist zu beachten, daß unter
den heutigen, stark gewandelten Verhältnissen die Auflösung eines Betriebes nicht von vornherein als eine für die
Agrarstruktur nachteilige Maßnahme angesehen werden
kann (BVerfGE 26, 215, 224 = NJW 1969, 1475). Allerdings
hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen
(BVerfGE 67, 348), daß trotz der in der Landwirtschaft zu beobachtenden tiefgreifenden Strukturwandlung die landwirtschaftlichen Betriebe und auch die Wirtschaftsauffassung
der Landwirte noch zahlreiche typische Eigenheiten aufweisen, die sie von der gewerblichen Wirtschaft unterscheiden.
Es besteht bei der Mehrheit der Landwirte weiterhin eine
starke innere Bindung an Grund und Boden. Dieser ist in der
Landwirtschaft im Unterschied zur gewerblichen Wirtschaft
nicht nur Standort, sondern maßgebender Produktionsfaktor. Die besonderen Produktionsbedingungen setzen dem
landwirtschaftlichen Betrieb von der Natur her Schranken
und führen zu einem Betriebsrisiko eigener Art. Insoweit ist
die Landwirtschaft gegenüber den gewerblichen Betrieben
in natürlicher und wirtschaftlicher Hinsicht benachteiligt.
Deshalb verstößt es ebensowenig wie im Rahmen des § 1376
Abs. 4 BGB (BVerfGE 67, 348) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, daß der ein Landgut übernehmende Erbe besser
behandelt wird als die weichenden Erben oder Pflichtteilsberechtigten. Das kann indessen nur solange gelten, als im
Einzelfall davon ausgegangen werden kann, daß der Gesetzeszweck, nämlich die Erhaltung eines leistungsfähigen
landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand einer der vom
Gesetz begünstigten Personen, erreicht werden wird.
Das ist hier möglicherweise nicht der Fall. Die Beklagte, die
an sich — folgt man der Testamentsauslegung des Berufungsrichters — zu dem gesetzlich privilegierten Personenkreis gehört, kann und will den landwirtschaftlichen Betrieb
nicht wieder aufnehmen, auch nicht durch eine Verpachtung
als Wirtschaftseinheit. Ob sie oder eine andere gesetzlich
privilegierte Person den Hof aus der Sicht zur Zeit des Erbfalles hätte übernehmen sollen, kann den Feststellungen des
Berufungsgerichts nicht entnommen werden. Im Berufungsurteil ist zwar von einer Übertragung spätestens nach dem
Tod der Beklagten auf den "berufenen Erben" die Rede. Da
nach Lage der Dinge sonst niemand in Frage kommt, ist damit vermutlich der Kläger selbst gemeint. Von einer (testamentarischen oder erbvertraglichen) Berufung des Klägers
zum Erben ist allerdings im Parteivortrag nirgends die Rede.
Maßgeblich sind die Verhältnisse zur Zeit des Erbfalles. Dazu fehlen Feststellungen. Das Berufungsgericht wird daher
zu prüfen haben, ob zu diesem Zeitpunkt die — realisierbar
erscheinende — Absicht der Beklagten bestand, den landwirtschaftlichen Betrieb selbst fortzuführen oder ihn jedenfalls nach ihrem Tode durch den Kläger fortführen zu lassen.
Deshalb wird das Berufungsurteil aufgehoben und die
Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Sollte die erneute Verhandlung ergeben, daß die Absicht zur
Fortführung des Betriebes zur Zeit des Erbfalles nicht bestand, wird das Berufungsgericht weiter zu erwägen haben,
ob der Kläger etwa die Beklagte in treuwidriger Weise dadurch veranlaßt hat, eine vorhandene Absicht zur Fortführung aufzugeben, daß er ohne berechtigten Anlaß seine Mitarbeit auf dem Hof einstellte. In diesem Fall könnte das Geltendmachen des Pflichtteils nach dem höheren Verkehrswert gegen Treu und Glauben verstoßen.
13. BGB §§ 2311, 2312, 2049 (Bewertung eines Landgutes
zum Ertragswert)
1. Bei der Bemessung des Pflichtteils ist die Ertragswertrechnung gemäß §§ 2312, 2049 BGB nicht gerechtfertigt,
wenn im Einzelfall nicht davon ausgegangen werden kann,
daß der Gesetzeszweck, nämlich die Erhaltung eines leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand
einer vom Gesetz begünstigten Person erreicht werden wird.
Entsprechendes gilt auch dann, wenn es sich um praktisch
baureife Grundstücke handelt, die ohne Gefahr für die dauernde Lebensfähigkeit aus dem Landgut herausgelöst werden können (Anschluß an BVerfGE 67, 348 [= DNotZ 1985,
149]).
2. a) Zur Berücksichtigung einer latenten Steuerlast bei der
Bewertung von Vermögen für die Pflichtteilsberechnung.
b) Bei der Bemessung des Pflichtteils sind auch durch Konfusion erloschene Ansprüche des Erben gegen den Erblasser zu berücksichtigen.
BHG, Urteil vom 22.10.1986 — IV a ZR 143/85 —
Aus dem Tatbestand:
Die Parteien, Halbgeschwister, sind die einzigen Kinder der am
23. Mai 1978 verstorbenen Erblasserin; die Klägerin ist vorehelich geboren, die Beklagte stammt aus der im Jahre 1919 geschlossenen
Ehe der Erblasserin mit deren 1974 vorverstorbenem Ehemann.
Die Erblasserin hatte ein 28,2650 ha großes landwirtschaftliches
Anwesen, das R.-Bauerngut, mit in die Ehe gebracht; in der Ehe
bestand allgemeine Gütergemeinschaft. Am 15. April 1957 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem es heißt:
1. Im Falle des Ablebens des einen Teiles ist der andere Teil
Alleinerbe mit nachfolgender Einschränkung.
2. Im Falle des Ablebens des einen Teils erhält ... (die Klägerin)
30.000,— DM ... Damit ist sie auch reichlich mit ihrem Pflichtteil abgefunden. Mit der Überweisung dieses Betrages durch eine Bank
nach dem 15. Juni 1957 ist der obige Anspruch ... (der Klägerin) hinfällig.
3. Nach dem Tode auch des 2. Eheteils ist ... (die Beklagte) Alleinerbin. Ausdrücklich wird betont, daß der überlebende Ehegatte vollkommen befreiter Vorerbe ist und vollkommen frei über das gesamte
Vermögen verfügen, also auch nach Belieben verkaufen und kaufen
kann, wie er will. Ebenso steht es dem überlebenden Eheteil frei, mit
der Tochter einen Übergabevertrag zu schließen oder nicht."
151MittBayNot 1987 Heft 3


Die Klägerin erhielt am 15. Juli 1957 die genannten 30.000,— DM.
Ferner erhielt die Beklagte von ihrer Mutter und deren Ehemann aufgrund Vertrages vom 17. März 1958 vier Bauplätze als Ausstattung.
Mit Vertrag vom 28. April 1976 übertrug die Erblasserin das R.-Bauerngut gegen ein Leibgedinge, Übernahme gewisser Belastungen und
Einräumung eines Nießbrauchs- und Holzeinschlagsrechts an die
Beklagte, und zwar als Ausstattung in Anibchnung auf ihre Erb- und
Pflichtteilsansprüche, für ihre Mitarbeit auf dem Anwesen und „zum
Ertragswert".
Die Klägerin hält das gemeinschaftliche Testament vom 15. Juni 1957
für ein Berliner Testament im Sinne von § 2269 BGB, so daß die
Beklagte das gesamte Gut von der Erblasserin und nicht teilweise als
Nacherbin von ihrem Vater erhalten habe.
Die Klägerin hat Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 BGB zunächst
in Höhe von- 281.252,— DM nebst Zinsen beansprucht. Dabei legt sie
für das der Beklagten überlassene Bauerngut einen Wert von
1.215.010,— DM zugrunde und rechnet die 30.000,— DM, die sie 1957
erhalten hat, hinzu.
Die Beklagte hält sich für die Nacherbin ihres Vaters, zumindest
stehe ihr ein Pflichtteil nach dem Vater zu. Die Hofübergabe sei keine
Schenkung; das Landgut sei vollständig nach dem Ertragswert zu berechnen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 161.931,75 DM
nebst Zinsen verurteilt und hat die Klage im übrigen abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten teilweise stattgegeben, die Urteilssumme auf 102.963,62 DM nebst Zinsen vermindert und die Berufung im übrigen sowie die Anschlußberufung der
Klägerin zurückgewiesen, mit der diese weitere 52.224,60 DM nebst
Zinsen verlangt hat. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter. Die Anschlußrevision der Klägerin
ist weiterhin darauf gerichtet, die Urteilssumme auf insgesamt
214.156,35 DM nebst Zinsen zu erhöhen.
Aus den Gründen:
Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der
Klägerin führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
A. I. Das Berufungsgericht legt das gemeinschaftliche
Testament rechtsfehlerfrei dahin aus, daß die Erblasserin
und ihr vorverstorbener Ehemann sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben (und nicht nur zu Vorerben) eingesetzt haben.
Auch die Beklagte läßt das im Revisionsverfahren gelten.
II. Demgemäß geht das Berufungsgericht davon aus, daß die
Erblasserin alleinige Vollerbin ihres Ehemannes geworden
ist und daß das R.-Bauerngut der Beklagten daher durch den
Übergabevertrag von 1976 vollständig aus dem Vermögen
der Erblasserin (und nicht etwa teilweise als Nacherbin
nach ihrem Vater) zugefallen ist. Auf dieser Grundlage bewertet es das auf die Beklagte übertragene Bauerngut zum
Stichtag (Zeitpunkt der Übertragung) mit 1.054.000 DM.
Dabei geht es von einem unbestrittenen Ertragswert des
Gutes von 174.000,— DM aus und schlägt 880.000,— DM als
(etwas verminderten) Verkehrswert einer 4.000 qm großen
Fläche hinzu, die zum Anwesen gehört, aber zur Bewirtschaftung nicht benötigtes Bauerwartungsland sei. Von der
Summe setzt das Berufungsgericht den Wert der übernommenen Belastungen, des Leibgedinges, des Nießbrauchs und der durch die Übergabe mitabgegoltenen Arbeit
der Beklagten auf dem Gut sowie den Pflichtteilsanspruch
der Beklagten nach ihrem Vater ab und gelangt so zu der
Annahme einer Schenkung an die Beklagte in Höhe von
541.634,41- DM.
,
Hinzu rechnet das Berufungsgericht den halben Wert der
vier Baugrundstücke, die die Beklagte im Jahre 1958 als Ausstattung erhalten hat, ferner einen Betrag von 59.430,— DM,
auf den es die 30.000,— DM, die die Klägerin 1957 bekommen
hat, zum Ausgleich des Kaufkraftschwundes umrechnet.
Nach Abzug von Gutachterkosten in Höhe von 1.490,— DM
errechnet das Berufungsgericht die Pflichtteilsergänzung,
die die Klägerin zu beanspruchen habe, auf 102.963,62 DM.
B. Dieses Vorgehen des Berufungsgerichtes ist nicht in
jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei.
I. Die Revision wirft die grundsätzliche Frage auf, ob in den
Fällen des § 2312 BGB — abweichend vom Wortlaut dieser
Vorschrift — eine Sonderbewertung von Bau- oder Bauerwartungsland zulässig ist.
1.Diese Frage kann nicht mit Hilfe von Art. 103 BayAGBGB
a. F. in Verbindung mit der Verordnung vorn 31. Juli 1926
(BayGS III 96; GVBI 1926 5.387) beantwortet werden ,(vgl.
BGH Urteil vom 15.3.1965 — III ZR 108/63 = LM BGB § 2325
Nr. 5 BI. 3, 3 R). Dort ist zwar die Multiplikation des jährlichen Reinertrages mit 25 (jetzt 18) landesrechtlich nur vorgeschrieben „vorbehaltlich der Berücksichtigung besonderer Umstände", die der gerichtliche Sachverständige hier in
der Qualität von Grundbesitz als Bauerwartungsland annimmt. Diese Frage kann aber nicht durch Landesrecht entschieden werden; Art. 137 EGBGB läßt Landesrecht nur für
die Bestimmung des Ertragswertes zu. Wann der Ertragswert maßgebend ist, ist nach Bundesrecht zu beurteilen.
Auszugehen ist daher von §§ 2311, 2312 BGB.
Auf die von BVerfGE 67, 348, 362 ff. (= DNotZ 1985, 149) in
den Vordergrund gestellte Frage nach der Art der Verweisung auf Landesrecht als einer „statischen" oder „dynamischen" kommt es hier entgegen der Auffassung der Revision
nicht an. Dieses Problem entstand im Zusammenhang mit
§ 1376 Abs. 4 BGB nur deshalb, weitdort lediglich auf § 2049
Abs. 2 BGB verwiesen wird und weil es hier weder eine
Art. 137 EGBGB entsprechende bundesrechtliche Norm
über die Zuweisung der Kompetenz an die Länder gibt, noch
landesrechtliche Bewertungsvorschriften geben kann.
Daher „adaptiert" § 1376 Abs. 4 BGB gewissermaßen die
landesrechtlichen Vorschriften gemäß Art. 137 EGBGB für
den (zusätzlichen) Anwendungsbereich des § 1376 BGB und
läßt sie daher zu „partiellem Bundesrecht" werden. Das ist
bei § 2049 BGB anders; im (ursprünglichen) Anwendungsbereich dieser Norm ist das Recht der Berechnung des
Ertragswertes, ebenso wie bei §§ 1515, 2312 BGB von vornherein ausschließlich landesrechtlich geordnet und gemäß
Art. 3 EGBGB a. F. — künftig Art. 1 Abs. 2 EGBGB n. F. —
auch landesrechtlichen Neuregelungen zugänglich.
2. Daß es sich um ein Landgut im Sinne von § 2312 BGB handelt, ist nicht zweifelhaft (BGH Urteil vom 4.5.1964 — III ZR
159/63 = LM BGB § 2329 Nr. 5/6 = NJW 1964, 1414, 1416
Abs. 4; Urteil vorn 12.1.1972 — IV ZR 124/70 = LM BGB § 2312.
Nr. 2 BI. 1 R Abs. 2; Urteil vom 15.12.1976 — IV ZR 27/75 = LM
BGB § 2312 Nr. 4 BI. 2 Abs. 1 [= MittBayNot 1977, 71]; Urteil
vom 5.5.1983 — III ZR 57/82 = VersR 1983, 1080; Urteil vom
12.7.1974 — IV ZR 19/73 S. 9; Urteil vom 14.11.1986 — IV ZR
142/66). Was zu einem Landgut gehört, bestimmt der Eigentümer im Rahmen der Verkehrsauffassung durch „Widmung" (vgl. Kegel, Liber amicorum Ernst J. Cohn 85 ff., 112).
Dazu kann auch Bau- oder Bauerwartungsland gehören (vgl.
RG Warn 1909 Nr. 411; LM BGB § 2312 Nr. 2; Urteil vorn
12.7.1974 S. 10 f.).
3. Eine andere Frage ist es, ob der Schutzzweck des § 2312
BGB eine Reduktion des Anwendungsbereichs erfordert
(vgl. dazu Johannsen WM 1973, 540; 1977, 303). Dieser Zweck
wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zuletzt VersR 1983, 1080) darin gesehen, „das (konkrete) Landgut in seinem Bestand zu erhalten und durch die Ausrichtung der Pflichtteilsansprüche am Ertragswert zu vermeiden, daß seine Wirtschaftlichkeit durch die Belastung mit
diesen Ansprüchen gefährdet wird".
MittBayNot 1987 Heft 3
BVerfGE 67, 348 — Beschluß vom 16.10.1984 —) will der
Gesetzgeber (des § 1376 Abs. 4 BGB) die Zersplitterung derartiger Betriebe vermeiden, die dann drohe, wenn der Zugewinnausgleich auf der Basis der realen Werte durchgeführt
werde. Damit werde das gleiche Ziel verfolgt wie im Erbrecht
der Höfeordnung. Demgemäß gehe es nicht um das privatwirtschaftliche Interesse des Betriebsinhabers an möglichst
geringer Zahlung, sondern um das öffentliche Interesse an
der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien
(BVerfGE 15, 337, 342). Die Regelung wirke deshalb der Zerschlagung bäuerlicher Betriebe und der bei der Abfindung
weichender Erben drohenden Gefahr der Überschuldung
entgegen.
4. Dieser Befund, insbesondere die angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Oktober 1984,
die darin ausgesprochenen Folgerungen für den Bereich des
§ 1376 Abs. 4 BGB und die sie tragende, den Bundesgerichtshof bindende (§ 31 'Abs. 1 BVerfGG) Begründung,
machen eine Neuformulierung des Schutzzwecks der
§§ 231Z, 2049 BGB unumgänglich.
II. 1. Der Ertragswert im Sinne von §§ 2312, 2049 BGB unterscheidet sich vom Verkehrswert (§ 2311 BGB) in aller Regel
beträchtlich. Die Vorschriften führen daher zu einer bedeutenden Begünstigung desjenigen, der das Landgut erhält.
Dem entspricht eine ebensolche Benachteiligung der zurückgesetzten Angehörigen. Diese Ungleichbehandlung bedarf der Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht läßt in diesem Zusammenhang die unter
I. 3. angeführten Zwecke ausreichen. Wo genau die Grenze
des verfassungsrechtlich noch Vertretbaren verläuft, ist bisher noch nicht vollständig geklärt.
2. Der Senat sieht es nicht als seine Aufgabe an, den hier
verbliebenen Gestaltungsspielraum bis zur äußersten verfassungsgerichtlichen Grenze auszuschöpfen; dem Bundesgerichtshof obliegt es vielmehr in erster Linie, den Inhalt des
einfachen Rechtes (hier § 2312 BGB) — unter Berücksichtigung der Bedeutung der Gebote der Verfassung — gegebenenfalls mit den Mitteln der richterlichen Rechtsfortbildung — unterhalb der genannten äußersten verfassungsgerichtlichen Grenze festzulegen. Damit wird zugleich erreicht, daß das Bundesverfassungsgericht nicht in die Lage
gebracht wird, auf Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes auf diesem Gebiet
den Inhalt des geltenden einfachen Rechts (selbst) bestimmen zu müssen.
3. Aus der Sicht des Senats verbietet es sich„ für die Ertragswertberechnung gemäß § 2049, 2312 BGB in Zukunft zusätzlich vorauszusetzen, daß die damit verbundene Benachteiligung der zurückgesetzten Angehörigen des Erblassers zur
Abwehr konkreter nachteiliger Folgen für die Agrarstruktur
oder zur Abwehr einer (bloßen) Gefahr solcher Fragen erforderlich ist. Derartige Folgen oder sogar nur eine derartige
Gefahr im Einzelfall festzustellen, ist ein Zivilprozeß über
Pflichtteilsansprüche nicht der geeignete Ort. Vielmehr erscheint es im Bereich der §§ 2049, 2312 BGB — ebenso wie
bei § 1376 Abs. 4 BGB — (BVerfGE 67, 348) — nach wie vor
verfassungsrechtlich unbedenklich, den Erben, der ein
Landgut übernimmt, aus Gründen übergeordneten Allgemeininteresses „besser" zu behandeln als die weichenden Erben und die Pflichtteilsberechtigten, sofern nur im
Einzelfall davon ausgegangen werden kann, daß der GesetMittBayNot 1987 Heft 3
zeszweck, nämlich die Erhaltung eines leistungsfähigen
landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand einer vom Gesetz begünstigten Person, erreicht werden wird.
Handelt es sich dagegen z. B. um ein bestimmtes Landgut,
das nicht als geschlossene Einheit fortgeführt wird und
nicht (mehr) lebensfähig ist, oder auch um einen Betrieb, der
zwar (noch) bewirtschaftet wird, von dem aber abzusehen
ist, daß er binnen kurzem nicht mehr als solcher wird gehalten werden können, dann kann der Übernehmer, da seine
„Privilegierung" vor dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht
zu rechtfertigen ist, nicht länger den „Schutz" der §§ 2312,
2049 BGB genießen. Diese vorkonstitutionellen Vorschriften
und die daraus folgende, vielfach schwerwiegende Benachteiligung naher Angehöriger können aber auch insoweit
nicht mehr eingreifen, als es sich um einzelne Grundstücke
handelt, die praktisch baureif sind und deren Herauslösung
aus dem Hof ohne Gefahr für dessen dauernde Lebensfähigkeit ist. Diese Rechtsfolgen sind umso mehr gerechtfertigt
und im Bereich der §§ 2312, 2049 BGB umso dringender geboten, als es hier — anders als bei § 13 HöfeO und § 17
GrdstVG — nach dem Gesetzeswortlaut und nach allgemeiner Auffassung keine „Nachabfindungen" gibt.
Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die von ihm als Bauerwartungsland qualifizierte Fläche für die Bewirtschaftung des Anwesens (auf Dauer) nicht erforderlich ist. Unter diesen Umständen ,hat das Berufungsgericht den eingeklagten Pflichtteil
im Ergebnis mit Recht nicht nach ihrem Ertragswert berechnet.
Ob Art. 3 GG im Einzelfall eine weitergehende Korrektur
nötig machen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung.
III. Die Revisibn beanstandet, daß das Berufungsgericht es
abgelehnt hat, bei der Bewertung des Bauerwartungslandes
die darauf ruhende „latente Steuerlast" wertmindernd ins
Gewicht fallen zu lassen. Diese Rüge ist begründet. Die
latente Einkommensteuerlast der Erben ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zwar nicht als Nachlaßverbindlichkeit anzusehen, aber für die Pflichtteilsberechnung im Rahmen der Bewertung jedenfalls dann zu berücksichtigen (BGH Urteil vom 26.4.1972 — IV ZR 114/70 =
NJW 1972, 1269 ff.; Senatsurteil vom 17.3.1982 — IV a ZR
27/81 = NJW 1982, 2497, 2498 [= DNotZ 1983, 187]; BGH
Urteil vom 7.5.1986 IV b ZR 42/85 = FamRZ 1986, 776 [= MittBayNot 1986, 181 = DNotZ 1986, 633]), wenn der Wert nur
durch Verkauf realisiert werden kann.
IV. Die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht
habe es versäumt, eine Anwendung des § 2330 BGB in Erwägung zu ziehen, ist dagegen nicht begründet. Ein Anhalt
dafür, die Erblasserin sei — über die Erbeinsetzung und über
die Abgeltung der Dienste der Beklagten durch den Übertragungsvertrag (vom Berufungsgericht mit 198.054,— DM angesetzt) hinausgehend — zur Versorgung der Beklagten sittlich verpflichtet gewesen, besteht nach deM Vortrag der Beklagten nicht.
V. Nicht einwandfrei ist das Berufungsurteil jedoch auch
insoweit, als es die von der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätze zum Ausgleich des Kaufkraftschwundes bei der
Bewertung von Geschenken im Rahmen der Berechnung
einer Pflichtteilsergänzung nicht folgerichtig anwendet. Es
berücksichtigt den Kaufkraftschwund (vgl. BGHZ 65, 75; 96,
174, 180) zwar im Zusammenhang mit der Zahlung von
30.000,— DM an die Klägerin im Jahre 1957 und rechnet zum
von 29.430,- DM hinzu. Dagegen unterläßt es einen entsprechenden Zuschlag sowohl bei der Grundstücksschenkung
an die Beklagte im
-Jahre 1958 als auch bei dem in dem Übertragungsvertrag von 1976 enthaltenen Schenkungsanteil an
die Beklagte. Gründe, die eine derartige Differenzierung
rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
C. Aus diesen Gründen muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden, soweit es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist. Aber auch die Anschlußrevision hat Erfolg.
I.Zu Unrecht beanstandet die Anschlußrevision, daß das Berufungsgericht im Rahmen der Berechnung der eingeklagten Pflichtteilsergänzung auch den - noch offenen Pflichtteilsanspruch der Beklagten nach ihrem Vater gegen
'die Erblasserin berücksichtigt hat. Hierzu wird auf BGHZ 88,
102, 108 (= MittBayNot 1984, 38 = DNotZ 1984, 497) und auf
die daran anschließende Diskussion in der Rechtswissenschaft (einerseits Kuchinke in seiner Anmerkung JZ 1984, 96;
andererseits Dieckmann FamRZ 1983, 1104, 1105; vgl. auch
MK-Frank, BGB § 2311 Rdnr. 5 und MK-Siegmann, BGB
§ 1976 Rcfnr. 8, beide m.w.N.) verwiesen. Beim Tode der Erblasserin noch offene Pflichtteilsansprüche der Beklagten
nach ihrem Vater sind zwar mit dem Erbfall nach der Erblasserin durch Konfusion erloschen. Das ändert aber nichts
daran, daß diese Ansprüche - auch im Falle einer Verjährung - bis zuletzt erfüllbar geblieben sind und daher der Beklagten als der Rechtsnachfolgerin der Erblasserin vorab zugute kommen müssen (vgl. z. B. §§ 1976, 1991 Abs. 2, 2143,
2175, 2377 BGB; BGB Urteil vom 18.1.1978 - IV ZR 181/76 =
DNotZ 1978, 487, 489), bevor das Vermögen der Erblasserin
(und ihre Geschenke) für die Berechnung des Pflichtteilsund des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Klägerin nach
ihrer Mutter bewertet werden kann.
II. Das Berufungsgericht bewertet das Bauerwartungsland,
das zu dem Landgut gehört, zwar gesondert, aber nicht nach
dem vollen, sondern nach einem (etwas) verminderten Verkehrswert. Das begründet es so: Maßgebend sei nicht ohne
weiteres der Verkaufs- oder Verkehrswert, sondern der
innere Wert, den das Land in der Hand eines jeden Erben
gehabt haben würde. Nur unter normalen Verhältnissen
orientiere dieser sich am Verkaufwert. Bei der Schätzung sei
zu berücksichtigen, daß möglicherweise nicht alle Teile des
Anwesens zu einem Preis hätten verkauft werden können,
der damals der allgemeinen Lage auf dem Grundstücksmarkt entsprochen hätte. Außerdem könne nicht außer
Betracht bleiben, daß der Grund und Boden tatsächlich
landwirtschaftlich genutzt worden sei'und auch künftig genutzt werden solle; anderenfalls werde die Entscheidungsfreiheit der Beklagten einem unangemessen starken Druck
ausgesetzt. Aus diesen Gründen erscheine es angebracht,
den Wert unterhalb des Verkehrswertes von 240,- DM auf
nur 220,- DM festzulegen.
Diese Begründung rügt die Anschlußrevision mit Recht als
fehlerhaft.
Der innere Wert, mit dem das Berufungsgericht argumentiert, oder auch der sogenannte „wahre innere Wert" ist eine
Denkfigur, mit deren Hilfe die Rechtsprechung bei außergewöhnlichen Preisverhältnissen unter Ausnahmebedingungen (Stopp-Preise; Chrustschow-Ultimatum und Berliner
Grundstückspreise) unangemessenen Ergebnissen entgegenzuwirken versucht hat. Darauf zurückzugreifen, besteht jedoch im vorliegenden, keineswegs ungewöhnlichen
Einzelfall keinerlei Anlaß. Das Berufungsgericht hätte daher
für die als Bauerwartungsland qualifizierte Fläche keinen
unter dem Verkehrwert liegenden Betrag ansetzen dürfen.
Entgegen .der Auffassung der Revision bestehen gegen die
Erwägungen des Berufungsgerichts zur Bemessung der als
Bauerwartungsland besonders bewerteten Fläche, insbesondere im Zusammenhang mit der Maschinenhalle und
den Stallgebäuden, keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beklagte als „Hoferbin" ist bei der Gestaltung
der Anlagen des_Landgutes nicht völlig frei in dem Sinne,
daß sie zu Lasten der durch § 2312 BGB- zurückgesetzten
Klägerin Respektierung jeder willkürlichen, auch objektiv
nicht erforderlichen Maßnahme der Betriebs- oder Strukturverbesserung erwarten durfte. Ihr muß aber jedenfalls ein
gewisser unternehmerischer Ermessenspielraum eingeräumt werden (vgl. BGHZ 91, 154, 167). Daß dieser hier überschritten wäre, ist nicht ersichtlich.
D. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das
Berufungsgericht auch zu beachten haben, daß der Wert
einer gemischten Schenkung nach der Rechtsprechung des
Senats nicht ohne weiteres mit der objektiven Wertdifferenz
zwischen Leistung und Gegenleistung gleichgesetzt werden
darf. Vielmehr ist insoweit maßgebend, welche Bewertung
der Leistungen durch die Vertragspartner bei einer verStändigen, die konkreten Umstände berücksichtigenden Wertbeurteilung (noch) vertretbar war.(Senatsurteil vom 27.5. 1981 IV a ZR 132/80 = NJW 1981, 2458, 2459 [= MittBayNot 1982,
32]).
Ferner wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß
die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Erbin der Mutter gemäß
§ 2325 BGB nur dann im Sinne von § 2329 Abs. 1 Satz 1 BGB
haftet, wenn der Nachlaß nicht wertlos oder sogar negativ
(überlastet) war. Sollte die Beklagte nicht gemäß § 2325 BGB
mit dem Nachlaß für die Pflichtteilsergänzung haften, dann
käme nur der subsidiäre Anspruch gegen die Beklagte in
ihrer Eigenschaft als Beschenkte gemäß § 2329 BGB in Betracht, so daß die Beklagte von vornherein nur mit dem
Geschenk haftet (BGHZ 80, 205, 209 [= MittBayNot 1981, 191
= DNotZ 1983, 111]; Senatsurteil vom 9.10.1985 - IV a ZR
1/84 - NJW 1986, 1610) und der Klageantrag anders zu
fassen wäre (BGHZ 85, 274, 282 [= DNotZ 1983, 374] und
ständig).
14. BGB §§ 2212 ff.; BeurkG §§ 7, 27 (Notar als Testamentsvollstrecker)
1. Die notarielle Beurkundung einer testamentarischen
Testamentsvollstreckerernennung ist nicht deshalb unwirksam, weil der beurkundende Notar mit dem ernannten Testamentsvollstrecker in einer Notarsozietät verbunden ist.
2. Überträgt der Erblasser die Auswahl testamentarisch bedachter Organisationen und die Bestimmung der Höhe der
einzelnen Zuwendungen durch notarielles Testament dem
beurkundenden Notar, dann ist diese Verfügung von Todes
wegen unwirksam.
3. Der Testamentsvollstrecker klagt nicht nur dann als Partei
kraft Amtes, wenn er ein seiner Verwaltung unterliegendes
Recht geltend macht, sondern auch dann, wenn sonst die
Prozeßführung im Rahmen seiner Verwaltungsaufgabe liegt.
Entscheidend für die Zulässigkeit seiner Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Erbrechts
MittBayNot 1987 Heft 3

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

22.10.1986

Aktenzeichen:

IV a ZR 143/85

Erschienen in:

MittBayNot 1987, 151

Normen in Titel:

BGB §§ 2311, 2312, 2049