Festsetzung des Vergütungsanspruchs eines Nachlasspflegers
letzte Aktualisierung: 4.2.2021
OLG Hamm, Beschl. v. 8.7.2020 – 10 W 26/19
BGB § 1915 Abs. 1 S. 2; FamFG §§ 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, 95 Abs. 1 Nr. 1;
Festsetzung des Vergütungsanspruchs eines Nachlasspflegers
Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers bei mittlerer Schwierigkeit der Tätigkeit und einem
werthaltigen Nachlass von ca. 500.000 €.
Gründe:
Die nach
vom 03.05.2020 ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht gem. § 44 Abs.2 FamFG
eingelegt worden.
Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Der Anspruch der Beteiligten zu 2) auf
Gewährung rechtlichen Gehörs ist durch den Beschluss des Senats vom 23.04.2020 nicht
in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden.
1. a) Es stellt bereits dem Grunde nach keine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör dar, dass der Senat vor Erlass des vorgenannten Beschlusses nicht
ausdrücklich darauf hingewiesen hat, die Entscheidung auf den rechtlichen Aspekt stützen
zu wollen, dass der Einwand der mangelhaften Geschäftsführung im
Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen ist.
Die Nichterteilung eines rechtlichen Hinweises verstößt dann gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen
Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter
nach dem bisherigen Prozessverlauf – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt
vertretbarer Rechtsauffassungen – nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, NJW 2003,
3687 ff. m. w. N.).
Die Beteiligte zu 2) hat während des erstinstanzlichen Vergütungsfestsetzungsverfahrens
durchgehend die Ansicht vertreten, der von dem Beteiligten zu 1) abgerechnete
Zeitaufwand sei im Hinblick auf bestimmte Tätigkeiten gar nicht oder nicht in dem Umfang
vergütungsfähig, weil es sich entweder um für die Erben nutzlose Tätigkeiten gehandelt
habe oder der für die Tätigkeiten aufgewendete Zeitaufwand überhöht sei.
Das Nachlassgericht hat dagegen sowohl in dem Festsetzungsbeschluss vom 18.12.2018
als auch in dem Nichtabhilfebeschluss vom 13.02.2019 zu erkennen gegeben, dass es
sämtliche Tätigkeiten in dem abgerechneten Zeitaufwand für vergütungsfähig hält und nur
die Plausibilität der Abrechnung zu überprüfen sei, dem Nachlasspfleger wegen seiner
eigenverantwortlichen Amtsführung jedoch kein bestimmtes Handeln vorgeschrieben oder
verboten werden könne.
Die Beteiligte zu 2), deren Bevollmächtigter die eigene Rechtsauffassung mehrfach
umfassend unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und juristische Literatur dargelegt hat,
musste daher damit rechnen, dass es im Beschwerdeverfahren entscheidend auf die
rechtliche Frage ankommen würde, ob ihre Einwände gegen die Abrechnung des
Beteiligten zu 1) im Vergütungsfestsetzungsverfahren erfolgreich berücksichtigt werden
können. Die Entscheidung des Senats war nach diesen Maßstäben nicht überraschend.
b) Selbst wenn man dies anders sehen und einen Verstoß gegen den Anspruch
auf rechtliches Gehör annehmen würde, wäre dieser jedenfalls nicht
entscheidungserheblich.
Das Vorbringen der Beteiligten zu 2) in der Anhörungsrüge vermag eine abweichende
rechtliche Würdigung nicht zu rechtfertigen.
Insbesondere lässt sich dem ergänzend zur Begründung der Anhörungsrüge vorgelegten
Beschluss des BGH vom 11.04.2012 (XII ZB 459/10) nicht entnehmen, dass sämtliche
Einwendungen gegen den von dem Nachlasspfleger abgerechneten Zeitaufwand im
Vergütungsfestsetzungsverfahren mit Erfolg erhoben werden können.
Aus der vorgenannten Entscheidung des BGH ergibt sich insoweit lediglich, dass im
Vergütungsfestsetzungsverfahren im Hinblick auf die Entscheidungskompetenz des
Rechtspflegers nur solche Einwendungen zu berücksichtigen sind, die ihren Grund im
Vergütungsrecht haben. Hierzu hat der BGH weiter unter Verweis auf Entscheidungen des
Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Köln ausgeführt, dass
deshalb das Betreuungsgericht die Angemessenheit der Tätigkeit und des Zeitaufwandes
zu überprüfen habe, um festzustellen, ob und ggf. in welchem Umfang ein
Vergütungsanspruch überhaupt entstanden ist.
Auch aus den vom BGH zitierten Entscheidungen (BayObLG
1999, 1591; OLG Köln
keine andere rechtliche Beurteilung. Denn auch diese vertreten – wie der hiesige Senat –
die Ansicht, dass der Einwand mangelhafter Geschäftsführung im
Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen ist. Etwas anderes kann nur
unter Umständen dann gelten, wenn von dem Nachlasspfleger von vornherein nutzlose
Tätigkeiten entfaltet werden, die z. B. nur dazu dienen sollen, einen möglichst hohen
Vergütungsanspruch zu erlangen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. Nutzbarkeit der
abgerechneten Tätigkeiten ist jedoch zu berücksichtigen, dass – worauf das
Nachlassgericht bereits zutreffend hingewiesen hat – die Pfleger ihre Tätigkeit
eigenverantwortlich entfalten und keiner Zweckmäßigkeitskontrolle durch das
Nachlassgericht unterliegen. Entscheidend ist daher, ob der Nachlasspfleger die jeweilige
Tätigkeit zur pflichtgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte. Auf
die Sicht des Rechtspflegers oder die der unbekannten Erben kommt es dagegen nicht an.
Der Beteiligte zu 1) durfte sämtliche abgerechneten Tätigkeiten zur pflichtgemäßen
Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten und hat den hierfür erforderlichen
Zeitaufwand – wie in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt – schlüssig dargelegt. Es
ist damit für diese Tätigkeiten sämtlich ein Vergütungsanspruch in festgesetzter Höhe
entstanden.
Schließlich steht auch die Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses einer
gerichtlichen Geltendmachung von etwaigen Mängeln der Amtsführung nicht entgegen, da
solche Einwendungen mit der Vollstreckungsgegenklage nach
V. m.
XII ZB 459/10, Rn. 18 m. w. N.), bei deren Erfolg die Zwangsvollstreckung aus dem
Festsetzungsbeschluss ganz oder teilweise einzustellen sein wird.
2.
Eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand,
dass der Beteiligten zu 2) die Schriftsätze des Beteiligten zu 1) vom 23.08.2018 (Bl. 305
ff.) und vom 16.10.2018 (Bl. 381 ff.) versehentlich vor Erlass des Beschlusses vom
23.04.2020 nicht zur Kenntnis gebracht worden ist.
Zwar kann es eine Gehörsverletzung darstellen, wenn das Gericht seiner Entscheidungen
Tatsachen zugrunde gelegt hat, zu denen sich der Betroffene zuvor nicht hat äußern
können (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Auflage 2020, § 44 Rn. 39).
Das trifft jedoch vorliegend nicht zu, denn beide vorgenannten Schreiben enthalten keine
neuen Tatsachen, auf die der Senat die Entscheidung gestützt hätte.
Der Schriftsatz vom 23.08.2018 enthält zunächst Ausführungen zur damals beabsichtigen
Aufhebung der Nachlasspflegschaft, die für die Frage der Vergütungsfestsetzung irrelevant
sind. Der weitere Inhalt dieses Schriftsatzes hinsichtlich der Erstellung der
Erbschaftssteuererklärung und des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ergibt sich –
soweit er entscheidungserheblich ist – auch aus dem mit gleichem Datum eingereichten
Vergütungsfestsetzungsantrag (Bl. 338 ff.), der der Beteiligten zu 2) mit Verfügung vom
10.09.2018 mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt und zu dem ausführlich Stellung
genommen worden ist.
In dem Schriftsatz vom 16.10.2018 hat der Beteiligte zu 1) lediglich Stellung genommen zu
den durch die Beteiligte zu 2) erhobenen Einwendungen gegen seine
Vergütungsabrechnung. Der Schriftsatz enthält weder neues Tatsachenvorbringen noch
hat der Senat seine Entscheidung darauf gestützt.
3.
Schließlich liegt keine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung vor, soweit unter Ziffer
II. der Gründe des angefochtenen Beschlusses nicht mehr ausdrücklich auf die Frage der
Abrechenbarkeit eines Zeitaufwandes für das Erstellen von Kopien eingegangen worden
ist.
Aus dem Umstand, dass die entsprechende Beanstandung der Beschwerdeführerin unter
Ziffer I. der Gründe wiedergegeben worden ist, ist ersichtlich, dass der Senat diesen
Einwand zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Zudem
hat der Beteiligte zu 1) im Schriftsatz vom 27.05.2020, der der Beteiligten zu 2) bekannt
gegeben worden ist, klargestellt, dass er den Zeitaufwand für das Fertigen von Kopien
nicht abgerechnet hat. Den Zusatz „kopieren“ habe er nur hinzugesetzt, um die gleichzeitig
abgerechneten Kopierkosten zu erläutern. Die Beanstandung, der Beteiligte zu 1) dürfe
den Zeitaufwand für das Kopieren nicht abrechnen, weil dieser bereits bei der Bemessung
der Höhe des Stundensatzes berücksichtigt worden sei, ist spätestens damit hinfällig.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:08.07.2020
Aktenzeichen:10 W 26/19
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB § 1915 Abs. 1 S. 2; FamFG §§ 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, 95 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 767