Notarhaftung; Verjährungsbeginn
letzte Aktualisierung: 25.11.2019
BGH, Urt. v. 10.10.2019 – III ZR 227/18
Notarhaftung; Verjährungsbeginn
Die Verjährung des notariellen Amtshaftungsanspruchs beginnt, wenn dem Geschädigten Tatsachen
bekannt oder grob fahrlässig unbekannt sind, die auch aus der Perspektive eines Laien das Vorgehen
des Notars als irregulär und daher möglicherweise pflichtwidrig erscheinen lassen.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 227/18
Verkündet am:
10. Oktober 2019
Abs. 2a Satz 2 Nr. 2
Die Verjährung des notariellen Amtshaftungsanspruchs beginnt, wenn dem Geschädigten
Tatsachen bekannt oder grob fahrlässig unbekannt sind, die auch
aus der Perspektive eines Laien das Vorgehen des Notars als irregulär und daher
möglicherweise pflichtwidrig erscheinen lassen (Fortführung von Senat, Urteil
vom 7. März 2019 - III ZR 117/18,
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 - III ZR 227/18
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2019
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des
Kammergerichts vom 28. August 2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen mit
Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten,
die den Streithelfern zur Last fallen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau
Schadensersatz wegen notarieller Amtspflichtverletzung.
Am 4. November 2006 beurkundete der Beklagte zu 2 als amtlich bestellter
Vertreter der zu 1 beklagten Notarin den Kauf einer Eigentumswohnung
durch den Kläger und seine Ehefrau. Die Urkunde enthielt eingangs die Erklärung
der Käufer, "dass ihnen das Muster des folgenden Wohnungskaufvertrages
länger als zwei Wochen vorliege, und sie ausreichend Gelegenheit gehabt
haben, den Gegenstand der Beurkundung inhaltlich zu prüfen bzw. überprüfen
zu lassen".
Im Jahr 2007 legte ein Steuerberater dem Kläger dar, dass die Wohnung
überteuert gewesen sei.
Die als Vermittlerin der Immobilie aufgetretene GmbH wurde im April
2009 nach mangels Masse abgelehnter Insolvenzeröffnung aufgelöst. Am 1.
November 2010 schlossen die von den Streithelfern beratenen Eheleute mit der
D.
AG als finanzierender Bank einen außergerichtlichen Vergleich, in dessen Ausgleichsklausel
die Erledigung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche vereinbart
war. Die Verkäuferin, ebenso wie die Vermittlerin eine GmbH, wurde - nach Eintragung
einer entsprechenden Ankündigung im April 2012 - im Handelsregister
gelöscht.
Das Landgericht hat die auf die Nichteinhaltung der Frist des § 17
Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG in der damals geltenden Fassung des OLGVertretungsänderungsgesetzes
vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850, 2859) gestützte,
im Dezember 2016 eingereichte Amtshaftungsklage abgewiesen, da
keine Amtspflichtverletzung vorliege und dem geltend gemachten Anspruch
ohnehin die Versäumung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit sowie die von
den Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegenstehe. Das Kammergericht
hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit
seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klagebegehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Das Kammergericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus
Die Verjährungsfrist habe Ende 2012 begonnen und sei am 31. Dezember
2015 abgelaufen. Denn der Kläger und seine Ehefrau hätten spätestens im
Jahre 2012 die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis von
der Person des Schuldners und sämtlichen anspruchsbegründenden Umständen
einschließlich des Fehlens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit erlangt.
Insbesondere hätten sie schon zum Zeitpunkt der Beurkundung gewusst, dass
ihnen - wie sie behaupteten - der Entwurf des Kaufvertrags entgegen der in der
Urkunde enthaltenen Erklärung nicht zwei Wochen zuvor zur Verfügung gestellt
worden sei.
Ob die Eheleute daraus hätten ableiten können, dass der Beklagte zu 2
die Beurkundung unter Verletzung der Vorschrift des
amtspflichtwidrig vorgenommen habe, erscheine zwar zweifelhaft. Dies
gelte vor allem im Hinblick auf das Urteil des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs
vom 6. Februar 2014 (IX ZR 245/12,
das nahe lege, dass allein die Kenntnis der tatsächlichen Umstände einem
Laien noch keine Kenntnis auch der Pflichtwidrigkeit der Handlung seines
Rechtsberaters vermittele. Jedoch sei der Rechtsprechung des erkennenden
Senats zur Notarhaftung zu folgen, wonach
nicht voraussetze, dass der Geschädigte, der sich rechtlich beraten lassen könne,
aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse
ziehe. Es habe auch keine unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage vorgelegen,
durch die der Verjährungsbeginn ausnahmsweise hinausgeschoben
worden sei.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der geltend
gemachte Amtshaftungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3, § 46 Satz 1
BNotO in Verbindung mit
ist, weil der Kläger und seine Ehefrau 2012 die für den Verjährungsbeginn
erforderliche Kenntnis im Sinne des
1. Bei Amtshaftungsansprüchen beginnt die Verjährung nach § 199 Abs. 1
Nr. 2 BGB erst, wenn der Geschädigte weiß oder ohne grobe Fahrlässigkeit
wissen muss, dass die in Rede stehende Amtshandlung widerrechtlich und
schuldhaft war und deshalb eine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung
darstellt (vgl. Senat, Urteile vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92,
und vom 7. März 2019 - III ZR 117/18,
nachgebildet und kann deshalb auch unter Rückgriff auf dessen Norminhalt
und die dazu ergangene Rechtsprechung ausgelegt werden (vgl. Senat,
Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07,
nach genügt es im Allgemeinen, dass der Verletzte die tatsächlichen Umstände
kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung
als naheliegend und mithin eine Amtshaftungsklage - und sei es auch nur
als Feststellungsklage - als so aussichtsreich erscheinen lassen, dass ihm ihre
Erhebung zugemutet werden kann. Die erforderliche Kenntnis des Verletzten
vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen setzt aus Gründen der
Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nicht voraus, dass der Geschädigte
aus den ihm bekannten Tatsachen auch die richtigen rechtlichen Schlüsse
zieht, diese also zutreffend rechtlich würdigt. Daher beeinflussen rechtlich fehlerhafte
Vorstellungen seinerseits den Beginn der Verjährung in der Regel nicht,
zumal er sich jederzeit rechtlich beraten lassen kann. Nur ausnahmsweise kann
die Rechtsunkenntnis des Geschädigten den Verjährungsbeginn hinausschieben,
wenn die Rechtslage im Einzelfall so unübersichtlich oder zweifelhaft ist,
dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag
(st. Rspr. des Senats, vgl. nur Urteile vom 24. Februar 1994, aaO; vom 2.
April 1998, aaO; vom 14. März 2002, aaO; vom 16. September 2004, aaO S. 231 f;
vom 3. Mai 2005 - III ZR 353/04,
[jeweils zu
11. September 2014 - III ZR 217/13,
und vom 7. März 2019, aaO S. 1954 Rn. 18 f [jeweils zu
oder bei dem Verletzten durch eine objektiv irreführende Belehrung des Notars eine
Fehlvorstellung über dessen Pflichtenumfang hervorgerufen worden ist und er
keinen konkreten Anlass hat, der Richtigkeit der erteilten Information zu misstrauen
(vgl. Senat, Urteil vom 7. März 2019, aaO S. 1954 Rn. 21). Die Feststellung,
ob und wann der Geschädigte Kenntnis von bestimmten tatsächlichen
Umständen hatte, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung nur einer
eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dieses kann aber
ohne Einschränkungen beurteilen, ob dem Geschädigten eine Klageerhebung
aufgrund des vom Tatrichter festgestellten Kenntnisstands zumutbar war (vgl.
Senat, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 253).
2. Zu einer Abkehr von diesen Grundsätzen besteht kein Anlass (vgl. schon
Senat, Urteil vom 3. Mai 2005, aaO S. 1150).
a) Entgegen der Ansicht der Revision ist für den Beginn der Verjährung
des Amtshaftungsanspruchs gemäß
die zu
Die erstgenannte Vorschrift gilt für alle privatrechtlichen Ansprüche und knüpft
nach dem - insoweit ohne jede Einschränkung - erklärten Willen des Gesetzgebers
(vgl. Gesetzentwurf zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks.
14/6040 S. 96 und 102 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 14/7052
S. 178) bewusst an die Vorgängerregelung des
hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung an, nach der für die Ingangsetzung
der Verjährungsfrist im Regelfall allein eine sämtliche Anspruchsvoraussetzungen
umfassende Tatsachen-, aber keine Rechtskenntnis des Geschädigten
erforderlich sein sollte (vgl. außer der oben zitierten Senatsrechtsprechung
auch BGH, Urteile vom 3. Juni 1986 - VI ZR 210/85, juris Rn. 24;
vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92,
1999 - IX ZR 30/98,
ihrem Wortlaut nach lediglich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis
von den "den Anspruch begründenden Umständen".
b) Dieser rechtliche Ansatz wird nicht durch das Urteil des IX. Zivilsenats
vom 6. Februar 2014 (IX ZR 245/12,
die dort angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verjährungs-
beginn in Arzthaftungs- und Anlageberatungsfällen in Frage gestellt. Mit diesem
Urteil und einem weiteren vom selben Tage (IX ZR 217/12, AnwBl. 2014, 654)
hat der IX. Zivilsenat für den Bereich der Anwaltshaftung lediglich die Anforderungen
an die verjährungsauslösende Tatsachenkenntnis des Verletzten präzisiert.
Danach genügt das Wissen des geschädigten Mandanten um den für ihn
ungünstigen Ausgang seiner Rechtssache nicht. Vielmehr muss er Kenntnis
auch von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn - zumal wenn er
juristischer Laie ist - ergibt, dass sein Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen
Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus
fachlicher Perspektive zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren (vgl.
BGH, Urteile vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, aaO S. 176 Rn. 15 und IX
ZR 217/12, aaO Rn. 8). Damit wird nicht verlangt, dass der Mandant das Vorgehen
seines Anwalts zutreffend als fehlerhaft beurteilt. Er muss nur Tatsachen
kennen, die auch aus seiner laienhaften Sicht auf eine anwaltliche Pflichtverletzung
hindeuten (vgl. BGH, Urteile vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, aaO
und IX ZR 217/12, aaO Rn. 8 f).
aa) Die vom IX. Zivilsenat zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
in Arzthaftungssachen, wonach der Patient als medizinischer Laie Kenntnis
von Tatsachen erlangen muss, aus denen sich ergibt, dass der Arzt von
dem üblichen ärztlichen Standard abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen
hat, die danach zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen
erforderlich gewesen wären (vgl. BGH, Urteile vom 31. Oktober 2000 - VI ZR
198/99,
2010, 681, 682 Rn. 6 jeweils mwN), fordert für den Verjährungsbeginn
ebenfalls kein (medizinisches) Fachwissen, sondern nur eine besondere - über
die Verfehlung des Behandlungserfolgs hinausgehende - Tatsachenkenntnis
des Geschädigten. Hierauf hat der erkennende Senat schon früher hingewiesen
(vgl. Senat, Beschluss vom 19. März 2008, aaO S. 1238). Entsprechendes gilt
für die vom IX. Zivilsenat in Bezug genommenen Entscheidungen in Anlageberatungssachen,
nach denen sich das verjährungsauslösende Wissen des geschädigten
Anlegers lediglich auf die tatsächlichen Umstände einschließlich der
wirtschaftlichen Zusammenhänge beziehen muss, aus denen sich eine Rechtspflicht
zur Aufklärung - und nicht bloß das Scheitern der Anlage - ergibt (vgl.
BGH, Urteile vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01,
und vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06,
Entscheidend für den Verjährungsbeginn ist danach jeweils nur, dass dem Geschädigten
Tatsachen bekannt oder grob fahrlässig unbekannt sind, die auch
aus der Perspektive eines Laien das Vorgehen des Arztes, Anlageberaters,
Amtsträgers oder Anwalts als irregulär und daher mutmaßlich pflichtwidrig erscheinen
lassen. Ob es tatsächlich pflichtwidrig ist, kann er durch die Einholung
von fachkundigem Rat klären.
bb) Dass der Mandant Kenntnis von Tatsachen erlangen muss, die gerade
auch aus seiner Sicht ein rechtsfehlerhaftes Vorgehen seines Anwalts indizieren,
beruht auf dem anwaltlichen Vertrauensverhältnis (vgl. BGH, Urteile
vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, aaO und Rn. 17 und IX ZR 217/12, aaO
Rn. 9 sowie Kayser, AnwBl. 2014, 802, 805). Während eines bestehenden
Mandatsverhältnisses darf der Mandant sich darauf verlassen, dass der Anwalt
die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und zutreffenden Rechtsrat
erteilt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, aaO Rn. 17; Kayser aaO).
Vor Beendigung dieser besonderen Vertrauensbeziehung, innerhalb
derer möglicherweise selbst Hinweise des Gerichts oder Ausführungen
des Prozessgegners dem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten die erforderliche
Kenntnis von der vorausgegangenen anwaltlichen Pflichtverletzung
nicht vermitteln können (vgl. Kayser, aaO), muss der Mandant den Anwalt nicht
überwachen und dessen Rechtsauffassungen und -handlungen nicht durch einen
anderen Rechtsberater überprüfen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar
2014 - IX ZR 245/12, aaO). Vor diesem Hintergrund ist für den Beginn der Verjährung
erforderlich, dass der Mandant Tatsachen kennt, die sogar ihm als
Laien Veranlassung bieten, die Leistung seines Anwalts in Frage zu stellen (vgl.
BGH, Urteile vom 6. Februar 2014 - IX ZR 217/12 und IX ZR 217/12 jew. aaO).
Ohne das Wissen um solche Tatsachen ist es dem Mandanten - erst recht während
des bestehenden Vertragsverhältnisses mit seinem Anwalt - nicht zumutbar,
von einem anderen Anwalt rechtlich prüfen zu lassen, ob sein Rechtsberater
fehlerhaft gehandelt hat.
cc) Dies steht in keinem Gegensatz zur Senatsrechtsprechung (so schon
Senat, Urteil vom 7. März 2019, aaO S. 1955 Rn. 25), wonach der Urkundsbeteiligte
Tatsachen kennen oder grob fahrlässig verkennen muss, die ihm konkreten
Anlass geben, an der Pflichtgemäßheit der notariellen Amtshandlung zu
zweifeln. Denn auch der IX. Zivilsenat macht den Beginn der Verjährung nur
davon abhängig, dass der Mandant Tatsachen kennt oder grob fahrlässig nicht
kennt, die aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre den Verdacht nahelegen,
sein Anwalt habe rechtlich fehlerhaft agiert. Er hebt insoweit lediglich
hervor, dass es sich bei diesen Tatsachen um hinreichend starke Indizien für
ein anwaltliches Fehlverhalten handeln muss, die auch im Rahmen eines bestehenden,
durch besonderes Vertrauen geprägten Mandatsverhältnisses noch
Beachtung finden können. Zwar dürften die hierfür maßgeblichen Erwägungen
nicht ohne Weiteres auf den Bereich der Notarhaftung übertragbar sein.
Obschon sich grundsätzlich auch ein Urkundsbeteiligter darauf verlassen darf,
dass der Notar seinen Amtspflichten ordnungsgemäß nachkommt (zB: Senat,
Urteil vom 11. September 2014 - III ZR 217/13,
der Notar - anders als der Anwalt im Verhältnis zu seinem Mandanten - nicht
zur einseitigen Vertretung der Interessen des Beteiligten, sondern zur Neutralität
verpflichtet. Der Urkundsbeteiligte begegnet dem Notar in der Regel nur bei
der Beurkundung, und dieser dient dabei nicht jenem allein. Der Notar baut
deshalb typischerweise kein länger andauerndes Vertrauensverhältnis zu dem
Betroffenen auf, das während seines Bestehens oder noch danach Zweifel nicht
zu diesem durchdringen ließe. Eine - zumal zugunsten der Rechtsposition des
Klägers nutzbar zu machende - Divergenz zur Rechtsprechung des IX. Zivilsenats
in Bezug auf eine abstrakte Rechtsfrage leitet sich aber auch hieraus nicht
ab. Welche auf ein pflichtwidriges Agieren hindeutenden tatsächlichen Umstände
dem Urkundsbeteiligten (oder dem Mandanten) bekannt oder grob fahrlässig
unbekannt sein müssen, damit es ihm zumutbar erscheint, das Handeln des
beurkundenden Notars (oder des Anwalts) in Frage zu stellen und fachlich
überprüfen zu lassen, kann nämlich nicht generell, sondern nur jeweils im konkreten
Einzelfall beantwortet werden.
3. Dies zugrunde gelegt, ist die Annahme der Vorinstanz, der Kläger und
seine Ehefrau hätten bereits bei der Beurkundung Kenntnis von den tatsächlichen
Umständen erlangt, die aus ihrer Sicht auf ein widerrechtliches Verhalten
des Beklagten zu 2 hindeuteten, nicht zu beanstanden. Wie die Revision ausführt,
war den Eheleuten zu diesem Zeitpunkt "selbstverständlich" bekannt,
dass ihnen der Entwurf des Kaufvertrags entgegen ihrer beurkundeten Erklärung
nicht zwei Wochen zuvor zur Verfügung gestellt worden war. Sie wussten
also, dass ihre vom Notar verlesene Erklärung falsch war und konnten deren
Inhalt entnehmen, dass es möglicherweise rechtlich erforderlich gewesen wäre,
ihnen - anders als geschehen - das Kaufvertragsmuster mehr als zwei Wochen
vor der Beurkundung zur Prüfung vorzulegen. Damit lagen auch aus ihrer laienhaften
Sicht seit 2006 hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine irreguläre
Abwicklung der Beurkundung vor. Über zutreffende Rechtskenntnisse in Be-
zug auf die Vorschrift des
in Rede stehende Beurkundung maßgeblichen Fassung und die sich
unter Umständen daraus ergebende Amtspflicht des Notars, bei Nichteinhaltung
der Wartefrist die Beurkundung abzulehnen (vgl. dazu Senat,
Urteile vom 7. März 2019, aaO S. 1954 Rn. 20; vom 7. Februar 2013 - III ZR 121/12,
nachdem ihnen 2007 die Unvorteilhaftigkeit des Geschäfts und 2012
der Wegfall anderweitiger Ersatzmöglichkeiten bekannt geworden waren, in
zumutbarer Weise rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember
2015 durch anwaltliche Beratung verschaffen können. Eine Fallgestaltung, in
der nach der Senatsrechtsprechung ausnahmsweise die Rechtsunkenntnis des
Urkundsbeteiligten die Verjährung hinausschiebt (vgl. Senat, Urteil vom 7. März 2019, aaO S. 1954 Rn. 19 ff),
liegt nicht vor. Weder hat der Beklagte zu 2 den Kläger und dessen Ehefrau irreführend über den Inhalt seiner Amtspflichten aus
die diesbezügliche Rechtslage unübersichtlich oder zweifelhaft
(vgl. dazu Senat, Urteil vom 7. März 2019, aaO S. 1954 Rn. 20 mwN). Sie ist auch
entgegen der Ansicht der Revision nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist durch
die Urteile des IX. Zivilsenats vom 6. Februar 2014 unübersichtlich oder zweifelhaft
geworden. Denn diese Entscheidungen stehen - wie schon unter II. 2.
dargelegt - in keinem Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats zum Verjährungsbeginn
in Notarhaftungssachen. Davon abgesehen verkennt die Revision,
dass allenfalls eine Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Bestehen des Anspruchs
dessen klageweise Geltendmachung durch den Geschädigten unzumutbar
machen könnte. Eine (unterstellte) Rechtsunsicherheit darüber, ob die
Verjährung des bestehenden Anspruchs früher oder später beginnt, würde da-
gegen eine - möglichst frühzeitige - Klageerhebung nicht unzumutbar, sondern
vielmehr geboten erscheinen lassen.
4. Danach war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO zurückzuweisen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:10.10.2019
Aktenzeichen:III ZR 227/18
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 1; BNotO § 19 Abs. 1 S. 3; BeurkG § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2