LG Ravensburg 03. November 2023
5 O 194/23
BGB §§ 311b Abs. 1, 315, 456, 462

Grundstückskaufvertrag mit Bauverpflichtung; Verlängerung der Frist zur Ausübung eines Wiederkaufsrechts für den Fall der Nichterfüllung

letzte Aktualisierung: 7.3.2024
LG Ravensburg, Urt. v. 3.11.2023 – 5 O 194/23

BGB §§ 311b Abs. 1, 315, 456, 462
Grundstückskaufvertrag mit Bauverpflichtung; Verlängerung der Frist zur Ausübung eines
Wiederkaufsrechts für den Fall der Nichterfüllung

1. Zu einer Bauverpflichtung des Käufers eines notariellen Grundstückskaufvertrages und einer
daran anknüpfenden (Ausschluss)Frist zur Ausübung eines Wiederkaufs für den Fall der
Nichterfüllung der Bauverpflichtung.
2. Regelt ein notarieller Grundstückskaufvertrag eine (5-jährige) Frist zur bezugsfertigen Errichtung
eines Wohnhauses (Bauverpflichtung) und räumt der Vertrag dem Verkäufer das Recht ein, diese
Frist auf Antrag des Käufers angemessen zu verlängern, so kann der Verkäufer diese Frist – einseitig
und empfangsbedürftig – formlos verlängern. Die Frist kann formlos auch nach ihrem Ablauf
verlängert werden. Nach Ablauf der (Ausschluss)Frist zur Ausübung des Wiederkaufs kann die Frist
zur Erfüllung der Bauverpflichtung nicht mehr formlos verlängert werden.
3. Eine (Ausschluss)Frist zur Ausübung des Wiederkaufs, die 1 Jahr beträgt und mit dem Ablauf der
Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung beginnt, bzw. dessen Fristbeginn verschiebt sich mit der
Verlängerung der Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung automatisch, und zwar auch dann, wenn
die Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung erst nach ihrem Ablauf, aber vor Ablauf der
(Ausschluss)Frist zur Ausübung des Wiederkaufs verlängert wird. Auch in diesem Fall kann die Frist
zur Erfüllung der Bauverpflichtung formlos verlängert werden.
4. Die Käufer eines Grundstückskaufvertrages, die jeweils Miteigentum zu ½ erworben haben,
schulden im Rahmen des Wiederkaufs jeweils die Rückübereignung des erworbenen
Miteigentumsanteils.

Gründe

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Die Klägerin kann von den Beklagten die
Rückübereignung des jeweils erworbenen Miteigentumsanteils am streitgegenständlichen
Grundstück aus Wiederkauf verlangen. Rechtsgrundlage ist § 8 KV iVm. §§ 456 ff. BGB. Die
Klägerin hat das Wiederkaufrecht am 30.05.2022, zugegangen am 07.06.2022, innerhalb der
vertraglich vereinbarten Frist zur Ausübung des Wiederkaufrechts gegenüber beiden Beklagten
wirksam ausgeübt.
Streitgegenständlich ist hier allein der Fall der Ausübung des Wiederkaufs wegen nicht erfüllter
Bauverpflichtung, nicht der andere Wiederkauffall, die Weiterveräußerung ohne oder mit nur
teilweiser Bebauung.

1)
Die Ausschlussfrist zur Ausübung des Wiederkaufrechts ist gem. § 462 S. 2 BGB wirksam
förmlich bestimmt und durch Verlängerung der Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung
formfrei wirksam verschoben worden.

Der streitgegenständliche Kaufvertrag vom 13.11.2014 regelt eine Frist von 1 Jahr nach
Fristablauf für die Ausübung des Wiederkaufrechts (§ 8 Abs. 4 Buchst. b KV). Nach § 8 Abs. 2
Buchst. b KV kann der Verkäufer den Wiederkauf verlangen, wenn der Käufer die
Verpflichtung aus Abs. 1 nicht erfüllt. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 KV sind die Käufer verpflichtet,
innerhalb von 5 Jahren ab „heute“ (i.e. 13.11.2014), auf dem Grundstück ein Wohnhaus
bezugsfertig zu errichten und selbst zu beziehen. Nach dieser Regelung hängt die Frist zur
Ausübung des Wiederkaufrechts bzw. dessen Beginn also vom Ablauf der Frist zur Erfüllung
der Bauverpflichtung nach § 8 Abs. 1 KV ab; dies kann die ursprüngliche Frist von 5 Jahren sein
oder eine von der Klägerin verlängerte Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung (§ 8 Abs. 1 S. 1
und 2 KV).

a)
Hier haben die Parteien die Frist abweichend von § 462 S. 1 BGB formwirksam dahingehend
vereinbart, dass (1) es für den Fristbeginn - statt auf die Vereinbarung des Vorbehaltes (§ 462
S. 1 BGB) - auf den Ablauf der Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung ankommt und (2) die
Frist - statt auf 30 Jahre (§ 462 S. 1 BGB) - auf 1 Jahr festgelegt wird.
Es ist nicht erforderlich, dass die Frist nach § 462 S. 1 BGB durch eine nach Anfangs- und
Endzeitpunkt oder nach ihrer Dauer fest bestimmten, vereinbarten Frist ersetzt wird. Die
Vertragsparteien dürfen auch einen Zeitpunkt oder Ereignis vereinbaren, von dem ab der
Wiederkauf zulässig ist (vgl. OLG Hamburg MDR 1982, 668, 669).

b)
Der Fristbeginn ist hier dahingehend vereinbart, dass es auf den Ablauf der Frist zur Erfüllung
der Bauverpflichtung ankommt. Diese Frist ist nach § 8 Abs. 1 S. 1 KV auf 5 Jahre ab
Kaufvertragsschluss vereinbart und kann nach § 8 Abs. 1 S. 2 KV verlängert werden.
§ 8 Abs. 1 S. 2 KV lässt eine Fristverlängerung zu. Bei dieser Fristverlängerung handelt es sich
um einen Fall des § 315 BGB (entspr.): Der Kaufvertrag räumt dem Verkäufer das Recht zur
angemessenen Fristverlängerung ein. Es ist der Verkäufer, der die Frist einseitig
(empfangsbedürftig) verlängern kann, es bedarf insoweit keiner übereinstimmenden
Willenserklärungen der Vertragsparteien. Die vom Käufer begründet beantragte
Fristverlängerung und die angemessene Fristverlängerung des Verkäufers müssen gerade nicht
übereinstimmen und müssen keine Vereinbarung im Sinne von übereinstimmenden
Willenserklärungen begründen, um die Frist wirksam zu verlängern.

Die Fristverlängerung iSd. § 315 BGB (entspr.) bedarf keiner Form (zu § 315 BGB: BGH NJW
1984, 612, 613; BGH, Urteil vom 27. April 1979 - V ZR 218/77 -, Rn. 26, juris). Ausreichend
ist, dass das in seinem Umfang abgrenzbare Bestimmungsrecht in dem Vertrag selbst in der
erforderlichen Form vereinbart worden ist (MüKoBGB/Würdinger, 9. Aufl. 2022, BGB § 315
Rn. 44). Das ist hier der Fall. Deshalb ist die Ausübung des Bestimmungsrechts nach § 315 BGB
formfrei wirksam (Staudinger/Rieble (2020) BGB § 315, Rn. 371).

c)
Mit einer wirksamen Verlängerung der Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung wird
automatisch der Beginn der Frist zur Ausübung des Wiederkaufrechts hinausgeschoben bzw.
der Ablauf der Frist bestimmt, ohne dass es dafür einer besonderen Form bedarf, insbesondere
nicht die Form des § 311b Abs. 1 BGB. Der Fristbeginn kann von einem Ereignis abhängig
gemacht werden, das sich außerhalb der notariellen Kaufvertragsurkunde abspielt, weil die
Voraussetzungen für den Fristbeginn im Vertrag formwirksam (§ 311b Abs. 1 BGB) vereinbart
worden sind.

aa)
Dies gilt - jeden Zweifel erhaben - für den Fall, dass die Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung
vor ihrem Ablauf verlängert wird. Damit wird automatisch die Frist zum Beginn der Frist zur
Ausübung des Wiederkaufs hinausgeschoben, ohne dass es für den verlängerten Fristbeginn
einer notariellen Beurkundung nach § 311b Abs. 1 BGB bedarf. Ein solcher Fall liegt hier nicht
vor. Beide streitgegenständlichen Fristverlängerungen wurden nach Ablauf der Frist zur
Erfüllung der Bauverpflichtung beantragt wie gewährt.

bb)
Wird die Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung nach ihrem Ablauf, aber vor Ablauf der Frist
zur Ausübung des Wiederkaufrechts ausgeübt, so gilt nichts anderes. Mit der Verlängerung der
abgelaufenen Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung wird der Beginn der Frist zur Ausübung
des Wiederkaufrechts hinausgeschoben, die begonnene und noch nicht abgelaufene Frist zur
Ausübung des Wiederkaufrechts gerät in Wegfall.

(1) Die Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung kann nach § 8 Abs. 1 S. 2 KV formfrei
verlängert werden. Auch eine abgelaufene Frist kann verlängert werden (BGH NJW 1956, 1278
f.; NJW 1982, 51, 52; MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 190 Rn. 1).

(2) Dass auch dies formfrei möglich ist, entspricht dem übereinstimmenden Willen der
Vertragsparteien (§ 133 BGB), die im notariellen Kaufvertrag eine ausreichende Grundlage hat.
Mit der Verlängerung der - an sich - abgelaufenen Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung kann
und will der Käufer verhindern, dass der Verkäufer den Wiederkauf ausübt. Er erreicht dies
dadurch, dass die abgelaufene Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung verlängert wird und so
der Beginn und der Ablauf der Frist zur Ausübung des Wiederkaufrechts hinausgeschoben wird.
Die entspricht dem Interesse des Käufers, den Kaufgegenstand zu behalten. Dieses Interesse ist
und war für den Verkäufer erkennbar und auch anerkennenswert.

Von diesem Verständnis sind auch die Parteien im vorliegenden Fall ausgegangen. So hat
sowohl der Beklagte die Verlängerung der Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung nach ihrem
Ablauf beantragt, und die Klägerin hat die abgelaufene Frist verlängert, dies jeweils zweimal.
Anders wäre das Parteiverhalten nicht verständlich.

(3) Dies hat zur Folge, dass der Beginn der Frist zur Ausübung des Wiederkaufs ebenfalls -
automatisch - nach hinten verschoben wird. Die einmal in Gang gesetzte Frist zur Ausübung
des Wiederkaufrechts gerät in Wegfall.

Dieses Hinausschieben des Beginns der Frist zur Ausübung des Wiederkaufs ist formfrei
wirksam. Denn die Kautelen, an die die Frist zur Ausübung des Wiederkaufs geknüpft ist, sind
im notariellen Vertrag vom 13.11.2014 eindeutig und in der erforderlichen Form geregelt: Es
kommt für den Fristbeginn auf den Ablauf der Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung an. Die
Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung aber wird § 8 Abs. 1 KV nicht durch ein dort
festgeschriebenes Datum geregelt, sondern in § 8 Abs. 1 S. 2 KV gerade nur durch ein Datum,
das der Verkäufer auf Antrag einseitig angemessen verlängern kann, ohne dass diese
Fristverlängerung einer Form bedürfte.

(4) Dies stellt auch keine Änderung des Kaufvertrags vom 13.11.2014 dar.
Zwar bedarf eine Änderung oder Ergänzung eines notariellen Vertrages grundsätzlich der
notariellen Form (MüKoBGB/Ruhwinkel, 9. Aufl. 2022, BGB § 311b Rn. 66 f. mit Nachw.).
Im vorliegenden Fall aber liegt gerade keine Vertragsänderung vor. Denn der Inhalt der
Vereinbarung ist notariell beurkundet worden, und dabei der Beginn der Frist zur Ausübung des
Wiederkaufrechts, den die Parteien von einem Ereignis abhängig gemacht haben, der für § 8
Abs. 1 S. 1 KV dort datumsmäßig genau bestimmt, für § 8 Abs. 1 S. 2 KV nicht konkret
bestimmt, aber - durch ein Ereignis außerhalb der notariellen Urkunde - bestimmbar ist.
Es geht in diesem Fall gerade nicht um eine Änderung des notariellen Vertrages, der einer
notariellen Beurkundung bedarf (§ 311b Abs. 1 BGB). Sondern der Fristbeginn ist notariell
beurkundet und entsprechend vereinbart worden. Dass das den Fristbeginn bestimmende
Ereignis, die verlängerte Frist, außerhalb des notariellen Vertrages stattfindet, ändert daran
nichts. So ist der Verweis in einer notariellen Urkunde auf tatsächliche Umstände zulässig,
unabhängig davon, ob diese schon vorhanden sind (MüKoBGB/Ruhwinkel, 9. Aufl. 2022, BGB
§ 311b Rn. 72).

Sofern - im hiesigen Fall - das Hinausschieben des Beginns der Frist zur Ausübung des
Wiederkaufs im Ergebnis einer Verlängerung der Frist zur Ausübung des Wiederkaufs
gleichkommt - diese hat bereits zu laufen begonnen -, ist dies hier formfrei möglich, weil gerade
die Voraussetzungen, an welche der Fristbeginn geknüpft wird, im notariellen Vertrag, nämlich
in § 8 Abs. 4 Buchst. b iVm. § 8 Abs. 2 Buchst. b, § 8 Abs. 1 S. 1 und 2 KV, geregelt sind und
das maßgebliche tatsächliche Ereignis, die Fristverlängerung, außerhalb des notariellen
Kaufvertrages, und zwar formfrei stattfinden kann. Diese Regelung entspricht dem
übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien.

Ohne die Regelung des § 8 Abs. 1 S. 2 KV wäre der Fall anders zu entscheiden.
(5) Nicht entgegen steht auch die Rechtsprechung, wonach die Verlängerung der Frist zur
Ausübung eines Wiederkaufrechts beurkundet werden muss (BGH, Beschluss vom
9. November 1995 - V ZR 36/95 -, juris = NJW 1996, 452; anders BGH NJW 1973, 37; BGH,
Urteil vom 5. Mai 1976 - IV ZR 63/75 -, BGHZ 66, 270-272 für ein Rücktrittsrecht). Denn hier
kommt es gerade nicht zu einer Veränderung einer formgültig begründeten Verpflichtung der
Vertragsparteien.

cc)
Soweit beide Fristen zur Erfüllung der Bauverpflichtung und zur Ausübung des
Wiederkaufrechts abgelaufen ist, ist eine Fristverlängerung ohne notarielle Beurkundung nicht
möglich. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

2)
Im vorliegenden Fall war die Frist zur Ausübung des Wiederkaufrechts am 30.05.2022 bzw. am
07.06.2022, als der Wiederkauf wirksam formfrei (§ 456 Abs. 1 S. 2 BGB; BGH NJW 2020,
1332; Staudinger/Schermaier, 2013, § 456, Rn. 18) ausgeübt wurde, noch nicht abgelaufen. Der
Grund für die Ausübung des Wiederkaufs, die nicht erfüllte Bauverpflichtung, liegt hier
unstreitig vor.

a)
Die ursprüngliche Frist nach § 8 Abs. 1 S. 1 BGB hat am 14.11.2014 (§ 187 Abs. 1 BGB) zu
laufen begonnen und wäre am 13.11.2019 abgelaufen.

b)
Zwar nicht innerhalb der Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung, aber innerhalb der Frist zur
Ausübung des Wiederkaufs hat die Klägerin die Frist auf Antrag des Beklagten wirksam bis zum
14.11.2020 verlängert.

aa)
Der Beklagte war am 14.11.2019 auf dem Rathaus und hat um eine Verlängerung der Frist zur
Erfüllung der Bauverpflichtung ersucht. Der Bürgermeister hat am 26.11.2019 die Frist
mündlich bis zum 14.11.2020 verlängert.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) aus dem Aktenvermerk der
Klägerin (Anlage K 2) und den Angaben des Bürgermeisters .... Dieser hat nachvollziehbar,
folgerichtig und zur Überzeugung des Gerichts geschildert, dass er am 26.11.2019 ein Gespräch
mit dem Beklagten hatte und ihm dort mündlich eine Fristverlängerung bis 14.11.2020 mitgeteilt
hat. Er hatte eine eigene Erinnerung an den Vorgang vom 26.11.2019 bzw. an ein Gespräch des
Beklagten mit ihm im Rathaus.
Dies hat der Beklagte letztlich auch bestätigt. Er konnte sich zwar an eine mündliche
Fristverlängerung erinnern, der Bürgermeister habe mündlich sein okay gegeben, nicht aber an
die Vorgänge von 2019. Da es eine andere - mündliche - Fristverlängerung als die von
November 2019 nicht gegeben hat, muss es sich dabei um die am 26.11.2019 bewilligte
Fristverlängerung handeln.

Weiter belegt wird dies auch durch das Schreiben des Beklagten vom 11.10.2021 (Anlage K 4),
in dem er von einer ablaufenden Wiederkauffrist zum 30.10. spricht. Dies erscheint nur
verständlich, wenn ihm gegenüber vorher am 26.11.2019 eine Verlängerung der Frist zur
Erfüllung der Bauverpflichtung bis zum 14.11.2020 gewährt worden ist, andernfalls hätte die
Frist zur Ausübung des Wiederkaufs nicht am „30.10.“ bzw. in diesem Zeitraum ablaufen
können.

Es erschiene auch schlichtweg unverständlich, dass der Beklagte am 29.04.2021 eine
Fristverlängerung beantragt, wenn zuvor die Fristen zur Ausübung der Bauverpflichtung und
des Wiederkaufs bereits abgelaufen wären. Wenn der Beklagte auch Laie ist und in juristischen
Dingen nicht „vorbelastet“, so ist die Regelung über die Fristen, den Fristbeginn und den
Fristlauf in § 8 KV eindeutig und auch für einen Laien ohne Weiteres verständlich, auch der
Unterschied zwischen der Bauverpflichtung und der Ausübung des Wiederkaufs. Dass gerade
der Beklagte diese Regelung nicht verstanden hat, erscheint fernliegend, abgesehen davon, dass
auch der beurkundende Notar die Kaufvertragsparteien darüber - gewöhnlicherweise -
aufgeklärt haben wird.

Die Fristverlängerung durfte der Bürgermeister wirksam vornehmen und hat die Klägerin dabei
wirksam vertreten. Außerdem handelt es sich bei der Fristverlängerung um ein Geschäft der
laufenden Verwaltung (§ 44 Abs. 2 GemO BW).

bb)
Mit der Verlängerung der Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung hat sich automatisch der
Beginn der Frist zur Ausübung des Wiederkaufs auf den 14.11.2020 verschoben, ohne dass dazu
eine notarielle Beurkundung erforderlich wäre (vgl. oben).

cc)
Der Beklagte hat dabei - also bei Abgabe der Fristverlängerungsanfrage als auch beim Empfang
der Fristverlängerung - die Beklagte nach §§ 164 ff. BGB wirksam vertreten.
Der Beklagte hat auch im Namen der Beklagten gehandelt. Weil die Beklagten Käufer des
Grundstücks geworden sind und sie die Verpflichtung zur Errichtung „ein[es]“ (§ 8 Abs. 1 S. 1
KV) Wohnhauses traf, konnte und musste die Klägerin davon ausgehen, dass der Beklagte auch
im Namen der Beklagten handelte. Die Offenkundigkeit der Stellvertretung ist damit gewahrt.
Der Beklagte handelte mit Vollmacht der Beklagten. Nach der Beweisaufnahme steht zur
Überzeugung des Gerichts fest (§ 286 ZPO), dass die Beklagte den Vorgang um die Errichtung
des Wohnhauses dem Beklagten, ihren Ehemann, überlassen hat. Damit hat sie ihn - wenigstens
konkludent - bevollmächtigt, entsprechende Erklärungen und Handlungen um die Errichtung
„eines“ Wohnhauses abzugeben und entgegen zu nehmen. Die Angaben der Beklagten dazu
waren nicht nur glaubhaft, die Beklagte glaubwürdig, sondern sie entsprachen auch der
tatsächlichen Handhabung der Beklagten: Nur der Beklagte hat sich um die Erfüllung der
Bauverpflichtung gekümmert.

c)
Die zweite Fristverlängerung vom 29.04.2021 hat zu einer zweiten Verlängerung der Frist zur
Erfüllung der Bauverpflichtung bis 31.08.2021 geführt, womit automatisch der Beginn der Frist
zur Ausübung des Wiederkaufrechts auf den 31.08.2021 hinausgeschoben wurde.
Unstreitig hat der Beklagte am 29.04.2021 eine weitere Fristverlängerung beantragt. Mit
Schreiben vom 29.04.2021 hat die Klägerin eine weitere Fristverlängerung gewährt. Der Beklagte
hat die Beklagte bei Abgabe der Anfrage und beim Empfang des Schreibens der Klägerin vom
29.04.2021 wirksam vertreten (vgl. oben). Diese Fristverlängerung, die nach Ablauf der
(verlängerten) Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung und vor Ablauf der
Wiederkaufausübungsfrist gewährt wurde, war nach der vertraglichen Regelung formfrei
möglich (vgl. oben).

d)
Die Klägerin hat jedenfalls am 30.05.2022 bzw. am 07.06.2022, den Wiederkauf gegenüber den
Beklagten wirksam ausgeübt, und zwar innerhalb der Ausübungsfrist nach § 8 Abs. 4 Buchst. b
KV, die erst am 31.08.2022 abgelaufen wäre.

3)
Weil die Beklagten 2014 das Grundeigentum zu jeweils 1/2 erworben haben, ist Gegenstand des
Wiederkaufs der jeweilige Anteil zu 1/2.

Mit der Ausübung des Wiederkaufrechts kommt ein Kaufvertrag zustande, der den
Wiederkäufer zur Rückübereignung des Kaufgegenstandes verpflichtet (§ 457 Abs. 1 BGB).
Kaufgegenstand ist hier der jeweilige Miteigentumsanteil. Jeder Käufer, also der Beklagte und die
Beklagte, ist zur Rückübereignung des erworbenen Miteigentumsanteils verpflichtet. Zur -
beantragten - gesamtschuldnerischen Rückübertragung des gesamten Grundstückes wäre jeder
Beklagter gar nicht in der Lage. Ein Fall des § 431 BGB liegt nicht vor.
Darauf beruht die Klageabweisung im Übrigen.

4)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Verurteilung der Beklagten nach
Teilen statt als Gesamtschuldner begründet ein Teilunterliegen (Musielak/Voit/Flockenhaus, 20.
Aufl. 2023, ZPO § 92 Rn. 2). Die Quote berechnet sich in diesem Fall danach, in welchem
Umfang die beantragte Verurteilung hinter der zugesprochenen Verurteilung zurückbleibt
(BeckOK ZPO/Jaspersen, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 92 Rn. 22). Statt von jedem Beklagten die
gesamte Leistung kann die Klägerin von jedem Beklagten zu 1/2 verlangen. Die Kosten sind
nach der Baumbach-Formel entsprechend zu quoteln.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes hat ihre Grundlage in § 3 ZPO und orientiert sich am
Grundstückswert.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Ravensburg

Erscheinungsdatum:

03.11.2023

Aktenzeichen:

5 O 194/23

Rechtsgebiete:

Unternehmenskauf
Allgemeines Schuldrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB §§ 311b Abs. 1, 315, 456, 462