OLG München 25. Oktober 2016
9 U 34/16
BGB § 632a Abs. 3 Satz 1, §§ 640, 641 Abs. 1 MaBV § 3 Abs. 2, § 12

Unwirksamkeit des Ratenplans wegen Besitzübergaberegelung

Unwirksamkeit des Ratenplans wegen Besitzübergaberegelung

OLG München, Urteil vom 25.10.2016, 9 U 34/16

BGB § 632a Abs. 3 Satz 1, §§ 640, 641 Abs. 1 MaBV § 3 Abs. 2, § 12

Leitsätze:

1.     Gemäß § 3 Abs. 2 MaBV kann der Bauträger Zahlung einer Rate „nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe“ verlangen (sogenannte Bezugsfertigkeitsrate). eine entsprechende Fälligkeitsregelung ist jedoch unwirksam, wenn diese dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Fälligkeit neben der Besitzübergabe auch von der Abnahme des Sondereigentums abhängt. Dies ist dann der Fall, wenn der Vertrag zugleich eine Regelung zum Besitzübergang enthält, nach der die Besitzübergabe erst nach Abnahme des Sondereigentums erfolgt. (Leitsatz der Schriftleitung)

2.     Die Fälligkeit einer Rate, „sobald das Werk ohne wesentliche Mängel, d.h. abnahmefähig, hergestellt ist und soweit dies rechtzeitig erfolgt ist“ ist in § 3 Abs. 2 MaBV nicht vorgesehen und deshalb unzulässig. (Leitsatz der Schriftleitung)

3.     Weicht der Bauträgervertrag zu ungunsten des Erwerbers von der Ratenregelung des § 3 Abs. 2 MaBV ab, hat dies gemäß § 12 MaBV i.V.m. § 134 BGB die Unwirksamkeit der gesamten Ratenregelung zur Folge. An die Stelle der nichtigen Vereinbarung tritt § 641 BGB, so dass erst mit Abnahme Zahlung der Gesamtvergütung verlangt werden kann. (Leitsatz der Schriftleitung)

Sachverhalt:

1 I. Die Parteien streiten um die Abnahme von Gemeinschaftseigentum und noch ausstehende Bauträgervergütung.

2 Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen das Urteil des LG München I (...). Diesem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3 Die Parteien haben am 5.2.2010 einen notariellen Bauträgerver­trag über zwei Wohnungen nebst Tiefgaragenplätzen im Bauvorha­ben K-Straße 7 in G bei M geschlossen. Das Bauwerk ist zwischen­zeitlich bezugsfertig hergestellt. Da die Beklagten eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums unter anderem unter Berufung auf zahlrei­che Mängel verweigern, verlangt die Klägerin dessen Abnahme. Im Übrigen begehrt sie aus den im Bauträgervertrag unter § 4 Nr. 3 ver­einbarten Raten Nr. 3 bis 6 und aus der Rate Nr. 7 unter Abzug von zwei Minderungsbeträgen noch Bauträgervergütung von 190.636 €.

(…)

5 Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Da das Gemeinschafts­eigentum derzeit nicht im Wesentlichen vertragsgemäß sei, bestehe kein Anspruch auf dessen Abnahme. Ein fälliger Anspruch auf Zah­lung der eingeklagten Raten sei derzeit schon deshalb nicht gegeben, weil die im Bauträgervertrag vereinbarte Fälligkeitsstaffel unwirksam sei.

6 Hiergegen wendet sich die Klägerin und rügt im Rahmen ihrer Be­rufungsbegründung sowohl unrichtige Tatsachenfeststellungen als auch Rechtsverletzungen des Erstgerichts. Im Zusammenhang mit der begehrten Abnahme habe sie zu den Mängelbehauptungen be­

züglich der Grundwasserwärmepumpe und der Barrierefreiheit vor­getragen und Beweis angeboten. Sie bezweifelt, dass vorliegend wesentliche Mängel, auf die sich die Beklagten berufen könnten, der Abnahme entgegenstehen. Zumal gemäß Satz 13 des Bauträgerver­trages, 2. Absatz, Mängel nur dann die Abnahmefähigkeit hindern, wenn die Gebrauchstauglichkeit dadurch fehle. Des Weiteren rügt sie eine Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der vom Erstge­richt angenommenen Nichtigkeit der im Bauträgervertrag vereinbar­ten Fälligkeitsstaffel. Aus der auf Seite 13 geregelten Abnahme des Sondereigentums ergebe sich keine Unwirksamkeit, da die MaBV dies nicht verbiete und die Abnahme nichts Anderes als die vertrag­liche Anerkennung eines Zustandes eines Bauvorhabens sei, der der Bezugsfertigkeit entspreche. Zur Fälligkeitsstaffel wurde auch seitens des Streithelfers, Notar (…) vorgetragen. Mit Schriftsatz trug die Klägerin noch zu neueren Entwicklungen bei der Wohnungseigentümergemeinschaft des streitgegenständlichen Anwesens vor und legte unter anderem ein Protokoll der Eigentümerversammlung vom 14.9.2016 (…) vor. Da nun von der Klägerin Vorschüsse für die Kosten der Mängelbeseitigung seitens der Eigentümergemeinschaft angefordert und keine Nachbesserungen mehr zugelassen werden sollen, befinde sich der Bauträgervertrag jetzt „im Abwicklungsstadi­um“, sodass sich die Beklagten nicht mehr auf die fehlende Abnahme berufen könnten.

(…)

Aus den Gründen:

12 II. Die gemäß § 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend und mit überzeu­gender Begründung hat das Erstgericht sowohl einen An­spruch auf Abnahme als auch einen Zahlungsanspruch der Klägerin verneint. (...)

13 1. Anspruch auf Abnahme des Gemeinschaftseigentums

Die Beklagten schulden derzeit eine Billigung des Bauwerks Gemeinschaftseigentum als im Wesentlichen vertragsgemäß nicht.

14 Unstreitig bestehen noch Mängel mit einem Beseitigungs­wert von 30.800 €. Von einer Einforderung der Rate 8, die an eine vollständige Fertigstellung geknüpft ist, hat die Klägerin angesichts noch bestehender Mängel abgesehen. Die Beklag­ten behaupten darüber hinaus schlüssig und substantiiert Mängel am Gemeinschaftseigentum mit zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten im Wert von insgesamt 288.890,33 €, wovon auf die Beklagten bei einem Miteigen­tumsanteil von 21.5 % ein Anteil von 62.111,42 € entfiele. Sie berufen sich mithin auf ein Abnahmeverweigerungsrecht we­gen wesentlicher Mängel. In diesem Fall trägt nach den im Zi­vilprozess geltenden Grundsätzen (so auch Kniffka, Bauver­tragsrecht, § 640 BGB Rdnr. 44 f.) der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast, dass die behaupteten Mängel unwesentlich sind. Schon die unstreitig noch vorhandenen Mängel am Gemeinschaftseigentum mit einem Beseitigungs­wert von 30.800 € sind nicht unwesentlich und stehen der Abnahme entgegen. Zu den übrigen Mängeln hat die Klägerin lediglich bezüglich der Barrierefreiheit und bezüglich der Grundwasserwärmepumpe, auch über ihren Streithelfer H, näher vorgetragen und Beweis angeboten. Das allein genügte jedoch nicht, da nach dem schlüssigen und substantiierten Vortrag der Beklagten, ergänzt durch die insoweit vorgelegte und nachvollziehbare Mängelliste (…), deutlich mehr Mängel behauptet werden. Das von der Klägerin insoweit noch ins Feld geführte Kriterium der Gebrauchstauglichkeit, das auf Seite 13 des Bauträgervertrages Erwähnung findet, ist kein Kriterium, dass von der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung bei der Prüfung der Abnahmefähigkeit eines Bauwerks zur Anwendung gebracht wird (Kniffka, Bau­vertragsrecht, Rdnr. 40 m. w. N. zur Rechtsprechung; Werner/ Pastor, Der Bauprozess, Rdnr. 1834). Insgesamt hat die Klä­gerin somit nicht hinreichend dargelegt bzw. nachgewiesen, dass das Gemeinschaftseigentum derzeit im Wesentlichen vertragsgemäß ist bzw. dass wesentliche Mängel nicht vor­handen sind.

15 Nur als obiter dictum sei noch angemerkt: Grundsätzlich ist bei Verweigerung der Abnahme durch den Erwerber für eine Klage des Bauträgers auf Abnahme ein Rechtsschutzbedürf­nis anzunehmen. Zweifelhaft ist dies hier geworden, nachdem sich die Klägerin nunmehr auf die Entbehrlichkeit der Abnahme vor dem Hintergrund des ihrer Meinung jetzt bestehenden Abrechnungsverhältnisses beruft. Würde man ihrer Rechts­auffassung folgen, was der Senat nicht tut, bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Abnahme mehr.

16 2. Zahlungsanspruch

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist unbegründet, da der Klägerin aufgrund Unwirksamkeit der Fälligkeitsstaffel des Vertrages derzeit kein fälliger Anspruch auf Bauträgervergü­tung zusteht.

17 Die mit den handschriftlichen Nr. 6 und 7 versehenen Fäl­ligkeitsklauseln/Raten in § 4 Nr. 3 des Bauträgervertrages sind wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 2, § 12 MaBV i. V. m. § 134 BGB nichtig.

18 a) Unwirksamkeit der Rate 6

Die Unwirksamkeit der Ratenzahlungsregelung Nr. 6 ergibt sich vor dem Hintergrund von § 4 Nr. 3 und § 5 Nr. 2 des Bau­trägervertrages.

19 Gemäß § 3 Abs. 2 MaBV kann der Bauträger Zahlung einer Rate „nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitz­übergabe“ verlangen; er kann diese Rate mithin nur fordern, wenn das Objekt bezugsfertig ist und wenn er gleichzeitig den Besitz einräumt. Bezugsfertigkeit liegt im Bauwesen nach allge­meiner Meinung vor, wenn ein Bauobjekt ohne Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Bewohner auf Dauer bewohnt werden kann. Sie ist nicht gleichzusetzen mit Abnahmereife.

20 § 4 Nr. 3 des Bauträgervertrages (Seite 11) sieht eine Fäl­ligkeit der Rate 6 „nach Bezugsfertigkeit unverzüglich nach Besitzübergabe und Fertigstellung der Fassadenarbeiten“ vor, steht als solches mithin im Einklang mit § 3 Abs. 2 MaBV.

21 Der Begriff der Besitzübergabe wird in § 5 Nr. 2 des Bau­trägervertrages (Seite 13) dann aber nochmals aufgegriffen. Unter der Zwischenüberschrift „Besitzübergabe“ heißt es dort:

„Nach der Abnahme des Sondereigentums erfolgt unver­züglich gegen Zahlung der entsprechenden Kaufpreisrate die Besitzübergabe. Lasten sowie die mit dem Vertrags­objekt verbundene Haftung und Verantwortung gehen bereits mit der Abnahme des Sondereigentums auf den Erwerber über. Die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung geht für abgenommene Teile des Vertragsobjektes jeweils mit der Abnahme über.“

§ 5 Nr. 2 bestimmt – abgesehen von dem Lasten-, Haftungs- und Verantwortungsübergang auf den Erwerber mit der Ab­nahme und vor Besitzübergang – mithin, dass die Abnahme des Sondereigentums Voraussetzung für die Besitzübergabe ist. Eine Abnahme ist ein Mehr gegenüber der bloßen Besitz­übertragung, da sie „die körperliche Entgegennahme im Rah­men der Besitzübertragung, verbunden mit der Anerkennung des Werks als in der Hauptsache vertragsgemäß“ beinhaltet (Kniffka, Bauvertragsrecht, § 640 BGB Rdnr. 3; Palandt/Sprau, § 640 BGB Rdnr. 3). Sie ist nicht nur, wie die Klägerin ausführt, „die vertragliche Anerkennung eines Zustandes eines Bauvor­habens, der der Bezugsfertigkeit entspricht“.

22 Fraglich ist, in welchem Verhältnis § 4 Nr. 3 und § 5 Nr. 2 des Bauträgervertrages stehen. Bei der Ermittlung des Ver­tragsinhalts ist dabei auf den objektiven Empfängerhorizont eines juristischen Laien abzustellen. Für diesen drängt sich ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen § 4 Nr. 3 und § 5 Nr. 2 des Bauträgervertrages auf. Der Begriff der Besitzübergabe findet sich in § 4 Nr. 3, wenig später wird diesem unter der Überschrift „Besitzübergabe“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Eine Interpretation dahin gehend, dass die Fälligkeit der Rate 6, der sog. Bezugsfertigkeitsrate, über die Vorgaben des § 3 Abs. 2 MaBV hinaus nicht nur an die Zug um Zug zu erfol­gende Besitzübergabe, sondern zusätzlich an die von dem Erwerber vorab zu erklärende Anerkennung des Sondereigen­tums als in der Hauptsache vertragsgemäß geknüpft ist, liegt damit überaus nahe. Damit ginge gegenüber § 3 Abs. 2 MaBV eine Verschärfung der Fälligkeitsvoraussetzungen und eine gewichtige Beschränkung der Bauträgerpflicht im Sinn von § 12 MaBV einher, denn dem Erwerber wird zugemutet das Sondereigentum abzunehmen (dass eine gesonderte Ab­nahme des Sondereigentums grundsätzlich verlangt werden kann, steht hier nicht in Frage), bevor er noch den Besitz daran erlangen kann. Im Zusammenhang mit der Rate 6 soll eine vorherige Abnahme des Sondereigentums erzwungen wer­den, da es andernfalls keine Besitzübergabe gibt.

23 Selbst wenn man der soeben dargestellten Vertragsausle­gung nicht folgen wollte, bleibt zumindest unklar, wie das Ver­hältnis zwischen § 4 Nr. 3 und § 5 Nr. 2 Bauträgervertrag zu verstehen ist. Unstreitig wurden jedenfalls die auf Seite 11 des Bauträgervertrages aufgeführten Ratenklauseln von der Klä­gerin in Mehrfachverwendungsabsicht gestellt. Demzufolge gehen Unklarheiten bei der Auslegung zulasten des Verwen­der, § 305c Abs. 2 BGB, sodass auf die verwenderfeindlichste Interpretation abzustellen ist.

24 b) Unwirksamkeit der Rate 7

§ 4 Nr. 3 des Bauträgervertrages (Seite 11) sieht eine Fälligkeit einer Rate Nr. 7 vor, „sobald das Werk ohne wesentliche Män­gel, d. h. abnahmefähig, hergestellt ist und soweit dies recht­zeitig erfolgt ist“. Eine solche Rate ist in § 3 Abs. 2 MaBV nicht vorgesehen und schon deshalb unzulässig. Die MaBV erlaubt dem Bauträger nirgends, eine vorletzte Rate zu vereinbaren, die an das Merkmal der „rechtzeitigen Abnahmefähigkeit“ ge­knüpft ist. Deshalb kann auch offen bleiben, wie die offensicht­lich unklare und auslegungsbedürftige Rate im Einzelnen zu verstehen ist und ob sie einer sinnvollen Auslegung überhaupt zugänglich ist. Das seitens des Streithelfers vorgetragene Ver­ständnis von dem Begriff der Abnahmefähigkeit („Bezugsfer­tigkeit heißt Abnahmefähigkeit, also Herstellung ohne wesent­liche Werkmängel“) ist eine denkbare Auslegung. Dieses zumindest erstaunliche Verständnis bestätigt allerdings die im Zusammenhang mit Rate Nr. 6 aufgezeigte Unklarheit und zeigt eine weitere, den Erwerber benachteiligende Abwei­chung der Klausel Nr. 6 von § 3 Abs. 2 MaBV auf, wenn sei­tens des Verwenders der dort verwandte Begriff der Bezugs­fertigkeit eng angelehnt an den Begriff der Abnahme verstanden wird.

25 Die Befugnis, eine solche Rate aufzunehmen, ergibt sich auch nicht aus § 632a Abs. 3 Satz 1 BGB. § 632a BGB fin­det auf Bauverträge, die dem Anwendungsbereich der MaBV unterliegen, keine Anwendung. Der Bauträger darf, soweit er

– wie hier – dem Anwendungsbereich der MaBV unterfällt, in Abweichung von den allgemeinen Fälligkeitsregelungen Zahlungen von dem Erwerber nur unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 7 MaBV entgegennehmen (BGH, Urteil vom 22.3.2007, VII ZR 268/05, Rdnr. 28). In § 4 Nr. 3 des Bauträ­gervertrages wird bei der Rate Nr. 7 auch nicht etwa eine „Erfüllungsbürgschaft gemäß § 632a Abs. 3 BGB in Höhe von 5 % der Gesamtvergütung“ geregelt, sondern es werden nach dem Wortlaut des Vertrages Baufortschrittsraten für den Restkaufpreis „entsprechend den Bestimmungen der Makler- und Bauträgerverordnung“ verlangt.

26 c) Folge der Unwirksamkeit der Raten 6 und 7

Weicht der Bauträgervertrag zuungunsten des Erwerbers von der Ratenregelung des § 3 Abs. 2 MaBV ab, hat dies die Un­wirksamkeit der gesamten Ratenregelung (nicht des ganzen Bauträgervertrages) zur Folge (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 11. Teil Rdnr. 514).

27 Hinsichtlich der Rate 6 ist noch anzumerken: Da zwischen § 4 Nr. 3 und § 5 Nr. 2 des Bauträgervertrages, jedenfalls bei einer sehr nahe liegenden und denkbaren Auslegung, ein un­trennbarer Zusammenhang besteht, scheidet die vom Streit­helfer vorgetragene Annahme einer alleinigen Unwirksamkeit der in § 5 Nr. 2 statuierten Abnahmepflicht vor Besitzübergabe aus, da eine insoweit geltungserhaltende Reduktion nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zulässig ist.

28 An die Stelle der nichtigen Vereinbarung tritt nach herr­schender Meinung und ständiger Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 22.3.2007, VII ZR 268/05, Rdnr. 17 ff.; Kniffka, Bauvertragsrecht, § 632a BGB Rdnr. 118) § 641 BGB, sodass erst mit Abnahme Zahlung der Gesamtvergütung ver­langt werden kann.

29 Die Klägerin kann die eingeklagten Raten auch nicht des­halb einfordern, weil sich ihrer Auffassung nach der Bauträger­vertrag nunmehr „im Abwicklungsstadium“ befinde und mithin das Erfordernis der Abnahme hinfällig sei. Sie beruft sich inso­weit auf die von der Rechtsprechung geschaffene Figur des sog. Abrechnungsverhältnisses, mit der man auch außerhalb des § 641 Abs. 1 BGB zur Fälligkeit der Werklohnforderung gelangen kann. Erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahr 1978 (BGH, NJW 1979, 549, 550) hat der BGH dieses Kon­strukt in einem Fall geschaffen, in dem ein Auftragnehmer statt der ursprünglichen Mängelbeseitigung zu einer Schadenser­satzforderung übergegangen war. Deshalb hätte jetzt eine „endgültige Abrechnung über die Bauleistung der Klägerin und

den Schadensersatzanspruch der Beklagten stattzufinden. Auf die Frage, ob die Abnahme der Werkleistung Fälligkeits­voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Auftragsneh­mers sei, kommt es nicht an“. Auf die vorliegende Fallkonstel­lation ist diese Überlegung des BGH jedenfalls nicht übertragbar. Vorgelegt wird ein Protokoll der Eigentümerver­sammlung vom 14.9.2016 (…), wo unter TOP 9 c und d be­schlossen wurde, dass der Klägerin eine Frist zur Bezahlung eines Mängelbeseitigungsvorschusses gestellt und dieser ggfs. eingeklagt werden soll. Ein Abrechnungsverhältnis, wie auch immer man das genau definieren möchte, ist dadurch sicher nicht entstanden, denn erstens wurde noch kein Ko­stenvorschuss gefordert und zweitens kann der Besteller von einem etwaigen Begehren nach Kostenvorschuss im Gegen­satz zu den Sekundarrechten, die im vom BGH entschiedenen Fall inmitten standen, jederzeit abgehen und stattdessen noch Nacherfüllung verlangen (Palandt/Sprau, § 643 BGB Rdnr. 4; Schmid/Senders, NZBau 2016, 474, 475).

(...)

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

25.10.2016

Aktenzeichen:

9 U 34/16

Rechtsgebiete:

AGB, Verbraucherschutz
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

MittBayNot 2019, 137-140

Normen in Titel:

BGB § 632a Abs. 3 Satz 1, §§ 640, 641 Abs. 1 MaBV § 3 Abs. 2, § 12