Einwendungen des Kommanditisten nach Begleichung der Gesellschaftsschulden durch übrige Kommanditisten
letzte Aktualisierung: 17.2.2021
BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19
HGB § 171 Abs. 1 u. 2
Einwendungen des Kommanditisten nach Begleichung der
Gesellschaftsschulden durch übrige Kommanditisten
Der Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1, § 362
Abs. 1 BGB einwenden, dass durch Zahlungen anderer Kommanditisten der zur Deckung der von
der Haftung erfassten Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits aufgebracht wurde. Die
Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten ist nicht allein davon abhängig, ob diese
Gesellschaftsschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse gedeckt werden
können.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht (OLG München,
seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe Gläubigerforderungen mindestens in Höhe der Klageforderung
durch Vorlage der Tabelle nach
Aus der Tabelle gingen die Forderung selbst, das Ergebnis der Forderungsprüfung
und eventuelle Widersprüche hervor. Die Vorlage eines beglaubigten Tabellenauszugs
im Sinne von § 178 InsO sei nicht erforderlich. Dass die Tabelle
den Forderungsstand unzutreffend wiedergebe, sei nicht substantiiert vorgetragen.
Das pauschale Bestreiten der Beklagten sei unbeachtlich. Es obliege ihr,
den Vortrag des Klägers substantiiert, also mit näheren positiven Angaben, zu
bestreiten. Die Klage sei nicht mangels Bestimmtheit durch unzureichende Einträge
in der Spalte "Grund der Forderung" unzulässig. In Höhe der Klageforde-
rung habe der Kläger Gläubigerforderungen durch Darlegung der Forderung der
H. bank AG vorgetragen.
Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die eingeklagten 11.000
zur Gläubigerbefriedigung nicht erforderlich seien. Entsprechend seiner sekundären
Darlegungslast habe der Kläger vorgetragen, dass der Massebestand
aktuell 4.945.600,51
te Forderung der H. bank AG belaufe sich auf 5.294.519,85
streiten der ordnungsgemäßen Abrechnung durch die Beklagte sei unbeachtlich.
Der Kläger habe eine Masseunterdeckung nachgewiesen. Soweit der
Kläger Gerichtskosten und Rechtsanwaltsvergütungen aus der Masse bezahlt
habe, sei dies unerheblich. Insoweit könne zu diskutieren sein, ob der Insolvenzmasse
fiktiv Beträge hinzugerechnet werden müssten, da die Gesellschafter
nicht für sämtliche Masseverbindlichkeiten und nicht für die Verfahrenskosten
hafteten. Ein Unterschied zur Liquidation, bei der ausstehende Einlagen zu
Liquidationszwecken eingezogen werden könnten, sei nicht ersichtlich. Zudem
stelle der Bundesgerichtshof auf den aktuellen Massebestand ab und setze sich
nicht mit der Frage auseinander, wie sich dieser zusammensetze. Diese eingeschränkte
Betrachtungsweise diene einer effizienten und zielorientierten Verfahrensabwicklung.
Soweit dem Insolvenzverwalter vorgeworfen werde, er habe es
versäumt, Sondermassen zu bilden, könne dies nur in einem Haftungsprozess
gegen den Insolvenzverwalter nach Abschluss des Insolvenzverfahrens geklärt
werden. Insoweit habe die Beklagte möglicherweise einen Schadensersatzanspruch
gemäß § 60 InsO.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder
Hinsicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger
den Klagegrund den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend
bezeichnet und hinreichend substantiiert dargelegt hat, dass Forderungen von
Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der Klageforderung bestehen.
a) Mit ihrer Rüge, die vom Kläger vorgelegten Eigenbelege genügten
nicht den Anforderungen an die Individualisierung des Klageanspruchs nach
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, stellt die Revision die Entscheidung des Berufungsgerichts
nicht in Frage. Dieses hat seine Beurteilung, der Kläger habe mindestens
in Höhe der Klageforderung Gläubigerforderungen hinreichend bestimmt bezeichnet,
auf die unter Nr. 36 der Insolvenztabelle festgestellte Forderung der
H. bank AG und die zu dieser Forderungsanmeldung vorgelegten Unterlagen
gestützt. Hierauf geht die Revision nicht ein. Sie rügt eine unzureichende
Individualisierung der Klageforderung nur unter dem Gesichtspunkt, in den vorgelegten
Tabellenstatistiken fehlten die nach § 174 Abs. 2 InsO erforderlichen
Angaben.
b) Im Übrigen ist das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung zutreffend
davon ausgegangen, dass der Klageanspruch durch Bezugnahme auf die
vom Kläger vorgelegte Insolvenztabelle hinreichend individualisiert ist (vgl.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - II ZR 272/16,
Dass die angemeldeten Forderungen dort nur schlagwortartig (z.B. "Warenlieferung",
"Dienstleistung" o.ä.) ohne Bezugnahme auf eine konkrete Berechnung
oder einen Leistungszeitraum bezeichnet wurden, steht einer hinreichenden
Individualisierung nicht entgegen (OLG Frankfurt,
ZRI 2020, 49, 51; aA OLG Bamberg,
des Klageanspruchs im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kommt es nicht darauf
an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig
beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substantiiert darge-
legt worden ist. Vielmehr ist es im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch
als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung von
anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage
eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann (BGH,
Urteil vom 16. November 2016 - VIII ZR 297/15,
Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, juris Rn. 22). Dabei genügt eine konkrete
Bezugnahme auf der Klageschrift beigefügte Anlagen (BGH, Urteil vom
17. März 2016 - III ZR 200/15,
Diesen Voraussetzungen entspricht die Darlegung des Klägers zu dem
der Klage zugrundeliegenden tatsächlichen Geschehen. Der Kläger hat eine
später aktualisierte Forderungsaufstellung vorgelegt, die durch Kennzeichnung
der Forderungen mit laufender Nummer, Gläubiger und Betrag auf die Forderungsanmeldungen
nach § 174 Abs. 1 und Abs. 2 InsO im Insolvenzverfahren
Bezug nimmt. Damit ist eine Zuordnung der einzelnen Forderungsbeträge erfolgt,
die den Klagegegenstand auch im Hinblick auf die materielle Rechtskraft
(§ 322 Abs. 1 ZPO) eines späteren Urteils in dieser Sache ausreichend individualisiert
(vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2016 - VIII ZR 297/15,
2. Rechtsfehlerfrei ist auch die Feststellung des Berufungsgerichts, dass
Forderungen von Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der Klageforderung
bestehen. Das Berufungsgericht hat weder die Anforderungen an die Darlegungslast
des Klägers verkannt noch hat es das Bestreiten der Gläubigerforderungen
durch die Beklagte zu Unrecht als unbeachtlich angesehen. Die in
diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
a) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt,
die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte
Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom
25. Juli 2005 - II ZR 199/03,
9. Februar 2009 - II ZR 77/08,
für die der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4
HGB haftet, ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter, der während des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft das den Gesellschaftsgläubigern
nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht ausübt, die Insolvenztabelle
vorlegt mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse
befriedigt werden können (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011
- II ZR 37/10, juris Rn. 9; Urteil vom 20. Februar 2018 - II ZR 272/16,
Das Bestreiten der Gläubigerforderungen ist unbeachtlich, wenn dem
Kommanditisten Einwendungen aufgrund der Wirkungen der widerspruchslosen
Feststellung der Forderungen in der Insolvenztabelle nach § 129 Abs. 1, § 161
Abs. 2 HGB abgeschnitten sind. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle
hat für den Insolvenzverwalter und die Gläubiger gemäß § 178 Abs. 3
InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils und beschränkt grundsätzlich die
Einwendungsmöglichkeiten des Kommanditisten (BGH, Urteil vom 20. Februar
2018 - II ZR 272/16,
auf die Feststellung der Gläubigerforderungen zur Insolvenztabelle, genügt
er entgegen der Sicht der Revision seiner Darlegungslast, wenn er deren
Feststellung nach § 178 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 InsO behauptet, gegebenenfalls
unter Bezugnahme auf eine von ihm erstellte tabellarische Übersicht (OLG
Braunschweig,
OLG Frankfurt,
OLG München, ZinsO 2019, 2319, 2321; OLG Stuttgart,
2271 f.; OLG Stuttgart,
2659, 2660; LG Mainz,
2151 f.; LG München II,
976; LG Arnsberg,
die Behauptung einer widerspruchslosen Feststellung an. Erst wenn die Behauptung
des Insolvenzverwalters mit einer hinreichenden Erklärung nach
vom Insolvenzverwalter bewiesen werden. Die erklärungsbelastete
Partei hat - soll ihr Vortrag beachtlich sein - auf die Behauptungen ihres Prozessgegners
grundsätzlich "substantiiert", d.h. mit näheren positiven Angaben,
zu erwidern. Ein substantiiertes Vorbringen kann grundsätzlich nicht pauschal
bestritten werden. Eine nähere Stellungnahme zu den Forderungen, die in der
Insolvenztabelle festgestellt wurden, ist dem Beklagten auch möglich. Die erforderlichen
Informationen kann er von der Schuldnerin einfordern. Im Insolvenzverfahren
richtet sich der Informationsanspruch des Kommanditisten nach
§ 166 Abs. 1 HGB, der während der laufenden Insolvenz gegen den Insolvenzverwalter
der Kommanditgesellschaft geltend zu machen ist. Zusätzlich kann er
um Akteneinsicht nach § 4 InsO i.V.m.
vom 20. Februar 2018 - II ZR 272/16,
Diese Grundsätze gelten auch für die persönliche Forderung eines absonderungsberechtigten
Gläubigers, die "für den Ausfall" oder "in Höhe des
nachzuweisenden Ausfalls" festgestellt wurde (OLG München, ZInsO 2019,
2319, 2321). Diese Beschränkung deutet nur auf das nach § 52 Satz 2, § 190
InsO eingeschränkte Recht des absonderungsberechtigten Gläubigers bei der
Verteilung hin und berührt nicht die Wirkung der Feststellung nach § 178 Abs. 3
InsO (vgl.
- VIII ZR 251/56,
- II ZR 98/59,
§ 52 Rn. 4 f.; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 178 Rn. 36).
b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger eine zur Tabelle
festgestellte Forderung der H. bank AG in Höhe von
5.294.519,85
ist rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Die Forderung der H. bank AG
Ausfall festgestellt. In der vom Kläger hierzu vorgelegten Tabelle ist vermerkt:
"Minderung durch anmeldende(n) Gläubiger(in) am 10.04.2019 um
entnehmen, ob die Gläubigerforderungen Gegenstand eines Prüftermins gewesen
seien, ist unbeachtlich. Es genügt, dass der Kläger die widerspruchslose
Feststellung der Forderung behauptet hat. Dass die Beklagte bezogen auf die
Feststellung der Forderung der H. bank AG erhebliche Einwände erhoben
hätte, zeigt die Revision nicht auf.
bb) Der Kläger hat zudem unter Vorlage einer Forderungsaufstellung
dargelegt, mit welchem Betrag die Gläubigerin bei der abgesonderten Befriedigung
ausgefallen ist. Die Beklagte ist dem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
nur mit einem pauschalen Bestreiten entgegengetreten. Ein solches,
auf die Einzelheiten der Abrechnung nicht eingehendes Vorbringen der
Beklagten ist unzureichend, so dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers
gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zurecht als zugestanden angesehen hat. Aus
der von der Revision in Bezug genommenen Behauptung der Beklagten, der
Kläger habe zur Anmeldung nachrangiger Forderungen aufgefordert, ergibt sich
nicht, dass die Forderung nicht oder nur in geringerer Höhe bestanden hat.
3. Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, für die Inanspruchnahme
der Beklagten gemäß § 171 Abs. 2 HGB durch den Insolvenzverwalter
sei es unerheblich, ob die Forderungen, für die die Kommanditisten
haften, bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter der Höhe nach gedeckt
sind.
a) Dem Kommanditisten steht gegenüber dem Insolvenzverwalter der
Einwand zu, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden,
für die er haftet, nicht erforderlich ist (
16. Mai 1958 - II ZR 83/57,
- II ZR 78/89,
Rn. 9; Urteil vom 20. Februar 2018 - II ZR 272/16,
Darlegungs- und Beweislast hierfür hat der in Anspruch genommene Gesellschafter;
jedoch hat der Insolvenzverwalter die für die Befriedigung der Gläubiger
bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, sofern nur er dazu
im Stande ist (BGH, Urteil vom 3. Juli 1978 - II ZR 54/77,
Urteil vom 9. Februar 1981 - II ZR 38/80,
11. Dezember 1989 - II ZR 78/89,
2018 - II ZR 272/16,
b) Ob der Insolvenzverwalter in diesem Zusammenhang zu offenbaren
hat, in welchem Umfang andere Gesellschafter Zahlungen zur Deckung der
Gesellschaftsverbindlichkeiten geleistet haben, ist umstritten.
aa) Teilweise wird mit dem Berufungsgericht vertreten, es komme für die
Frage der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme nur auf die zum Stand der letzten
mündlichen Verhandlung verfügbare Insolvenzmasse an. Decke diese nicht
sämtliche Insolvenzforderungen, sei die Inanspruchnahme des Kommanditisten
erforderlich. Eine mögliche Pflicht zur Bildung einer Sondermasse diene dem
Schutz der von ihr begünstigten Gläubiger und berühre nicht den auf die Haftungsbegrenzung
gerichteten Schutz der Kommanditisten. Dieser sei nur beeinträchtigt,
wenn sie ohne anderweitige Verwendung von Mitteln nicht mehr hätten
herangezogen werden müssen. Angesichts des Verfahrenszwecks gebühre
den Gläubigerinteressen der Vorrang. Dies sei nicht unbillig, weil der Insolvenzverwalter
bei Pflichtverstößen gemäß § 60 InsO Schadensersatz leisten müsse
(OLG München,
2323; OLG München,
bb) Demgegenüber wird für die Frage, ob die Inanspruchnahme des
Kommanditisten für die Gläubigerbefriedigung benötigt wird, teilweise darauf
abgestellt, ob von den Kommanditisten der zur Begleichung der Gläubigerforderungen
erforderliche Betrag zur Verfügung gestellt wurde. Seien diese Mittel zur
Deckung von Verbindlichkeiten eingesetzt worden, für die die Gesellschafter
nicht hafteten, könne sich der Insolvenzverwalter nicht darauf berufen, die
Gläubigerforderungen könnten aus der zur Verfügung stehenden Masse nicht
gedeckt werden. Der Insolvenzverwalter müsse daher die bis zur letzten mündlichen
Verhandlung eingegangenen Rückzahlungen der Kommanditisten darlegen
(OLG Stuttgart,
2018 - 18 U 149/17,
Rn. 10 f.; OLG Celle,
2175; OLG München,
1499 f.; OLG Koblenz,
42, 50; LG Rottweil,
1225, 1227; Keuk, ZHR 135 [1971], 410, 431; K. Schmidt, Einlage und Haftung
des Kommanditisten, 1977, S. 134; Bauer,
auch Thole, ZRI 2020, 49, 55).
c) Die Höhe der bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen
Rückzahlungen der Kommanditisten ist ein für die Gläubigerbefriedigung bedeutsamer
Umstand, dessen Darlegung typischerweise nur dem Insolvenzverwalter
möglich ist. Der Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme entsprechend
§ 422 Abs. 1 Satz 1,
anderer Kommanditisten der zur Deckung der von der Haftung erfassten
Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits aufgebracht wurde. Die Erforderlichkeit
der Inanspruchnahme des Kommanditisten ist nicht allein davon abhängig,
ob diese Gesellschaftsschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden
Insolvenzmasse gedeckt werden können.
aa) Den Gesellschaftsgläubigern wird durch § 171 Abs. 2 HGB die Möglichkeit
genommen, selbst gegen den Kommanditisten vorzugehen, damit der
Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung im Insolvenzverfahren der Kommanditgesellschaft
auch im Hinblick auf die Haftung der Kommanditisten verwirklicht
werden kann (BGH, Urteil vom 20. März 1958 - II ZR 2/57, BGHZ 27,
51, 55; zu
der Haftung nach § 171 Abs. 2 HGB mit treuhänderischer Einziehungsbefugnis
als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, so dass
der in Anspruch genommene Gesellschafter durch Zahlungen an den Insolvenzverwalter
konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt (BGH,
Urteil vom 9. Oktober 2006 - II ZR 193/05,
18. Oktober 2011 - II ZR 37/10, juris Rn. 9; zu
9. Oktober 2006 - II ZR 193/05,
2012 - IX ZR 217/11,
- IX ZR 143/13,
bb) Der Übergang der Einziehungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter
berührt nicht den materiellen Gehalt der Ansprüche, die der Insolvenzverwalter
lediglich für Rechnung der Gläubiger im eigenen Namen wahrnimmt. Eine
Rechtsänderung tritt aber durch die Insolvenz der Gesellschaft insofern ein, als
vor der Insolvenzeröffnung jeder Gläubiger den Kommanditisten bis zur Höhe
der Haftsumme unbegrenzt in Anspruch nehmen kann, nach der Insolvenzeröffnung
hingegen die vom Insolvenzverwalter einzuziehende Hafteinlage nur
noch zur gleichmäßigen (anteiligen) Befriedigung der berechtigten Gläubiger
verwendet werden darf (BGH, Urteil vom 17. September 1964 - II ZR 162/62,
Rn. 9; Urteil vom 20. Februar 2018 - II ZR 272/16,
Hieraus folgt zugleich, dass die Berechtigung der Gläubiger, an der Verteilung
teilzunehmen und sich auf diese Weise (teilweise) Befriedigung auf ihre
Forderungen zu verschaffen, und die Einziehungsbefugnis sich nicht in jedem
Fall entsprechen müssen (zu
- IX ZR 143/13,
der Zahlung an den Insolvenzverwalter verbundene Tilgungsbestimmung die
auf eine gleichmäßige Befriedigung der berechtigten Gläubiger ausgerichtete
Bestimmung seiner Leistung nicht unterlaufen und ist, damit das von ihm Geschuldete
zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung steht, auch nicht zur
Aufrechnung mit einer gegen einen Gesellschaftsgläubiger gerichteten Forderung
berechtigt (BGH, Urteil vom 17. September 1964 - II ZR 162/62, BGHZ 42,
192, 193).
cc) Ebenso, wie den Gesellschaftern innerhalb und außerhalb des Insolvenzverfahrens
die Wirkungen eines Vergleichs zu Gute kommen (zu § 93
InsO: BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 143/13,
Rn. 23;
2014, § 93 Rn. 54; K. Schmidt/K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 93 Rn. 30), können
diese sich entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB darauf berufen, das zur Befriedigung
der Gläubiger ihrerseits Erforderliche getan zu haben. Die Gesellschafter
haften für die Gläubigerforderungen untereinander als Gesamtschuldner,
die Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 Halbsatz 1, § 161 Abs. 2, § 128
Satz 1 HGB jeweils beschränkt auf die (wiederaufgelebte) Haftsumme (BGH,
Urteil vom 29. September 2015 - II ZR 403/13,
vom 15. Oktober 2007 - II ZR 136/06,
Die hiervon zu unterscheidende Frage, ob der Kläger berechtigt war, mit
den von den Kommanditisten eingezogenen Geldern Forderungen zu tilgen, für
die diese nicht haften (offen gelassen in BGH, Teilurteil vom 24. September
2009 - IX ZR 234/07,
2015 - IX ZR 143/13,
BGH, Urteil vom 20. März 1958 - II ZR 2/57,
nicht entschieden werden, denn diese Frage betrifft allein die Verwendung der
von den Kommanditisten eingezogenen Gelder.
d) Das Berufungsgericht hat danach den Einwand der Beklagten, die Insolvenzmasse
decke nur deswegen nicht die Gläubigerforderungen, hinsichtlich
derer eine Haftung der Kommanditisten bestehe, weil der Kläger Verbindlichkeiten
beglichen habe, für die eine Haftung der Kommanditisten nicht bestehe, zu
Unrecht für unerheblich angesehen. Die Entscheidung erweist sich in diesem
Punkt auch nicht aus anderen Gründen als richtig (
hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe der Kläger von
den Gesellschaftern der Schuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
im Hinblick auf deren Außenhaftung Zahlungen erhalten hat und in welcher Höhe
Verbindlichkeiten von der Außenhaftung erfasst sind.
III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren
weist der Senat darauf hin, dass die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme der
Beklagten nach dem oben unter II. 3. Gesagten zum einen davon abhängig ist,
in welchem Umfang die Forderungen, für die die Beklagte haftet, bereits durch
Zahlungen anderer Gesellschafter auf ihre Haftungsschuld gedeckt sind und
zum anderen, ob die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse voraussichtlich
genügt, einen danach verbleibenden Restbetrag zu decken.
1. Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang in Abhängigkeit
der Höhe der von den Gesellschaftern bereits aufgebrachten Summe feststellen
müssen, in welcher Höhe Forderungen, für die die Gesellschafter haften, (noch)
bestehen.
2. Soweit sich die Beklagte nicht darauf berufen kann, dass die Forderungen,
für die die Gesellschafter haften, durch Zahlungen anderer Kommanditisten
bereits gedeckt sind, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die
Inanspruchnahme der Beklagten unter Berücksichtigung der sonst zur Verfügung
stehenden Insolvenzmasse erforderlich ist. Diese Prüfung ist von einer
Prognose abhängig (OLG Köln,
ZinsO 2019, 2319, 2324), die naturgemäß mit Unsicherheiten belastet ist. Der
Kläger ist angesichts dessen berechtigt, den nach den Verhältnissen der Insolvenzmasse
für die Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag unter Berücksichtigung
solcher Unsicherheiten zu schätzen (OLG Hamm,
1240; Haas/Mock in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 94
Rn. 62).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:21.07.2020
Aktenzeichen:II ZR 175/19
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kommanditgesellschaft (KG)
Allgemeines Schuldrecht
OHG
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
HGB § 171 Abs. 1 u. 2