OLG Stuttgart 20. Mai 2022
8 VA 13/21
GBO § 133

Automatisierter Abruf aus maschinell geführtem Grundbuch nur durch inländische Notare

letzte Aktualisierung: 2.2.2023
OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.5.2022 – 8 VA 13/21

GBO § 133
Automatisierter Abruf aus maschinell geführtem Grundbuch nur durch inländische
Notare

Gem. § 133 Abs. 2 S. 2 GBO kann nur ein inländischer, nicht aber ein im Ausland (Liechtenstein)
bestellter Notar zum uneingeschränkten Abruf der Daten aus dem maschinell geführten Grundbuch
zugelassen werden.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.
Der Antragsteller/Beteiligte Ziffer 1 ist im Fürstentum Liechtenstein als Notar bestellt. Er beantragte beim
Antragsgegner als gemäß § 5 der Verordnung des Justizministeriums des Landes Baden-Württemberg über
das maschinell geführte Grundbuch vom 23. Februar 2000 (EGB-VO) zuständiger Behörde der
Landesjustizverwaltung im Sinne des § 133 GBO am 5. Januar 2021 die Zulassung zum uneingeschränkten
automatisierten Abrufverfahren aus dem maschinell geführten Grundbuch. Als aufsichtsführende Behörde im
Sinne von § 83 Abs. 1 und Abs. 3 GBV gab er in seinem Antrag die Notariatskammer des Fürstentums
Liechtenstein an.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2021 wies der Antragsgegner den Antrag vom 5. Januar 2021 zurück und führte zur
Begründung an, dass sich die Privilegierung nach § 133 Abs. 2 Satz 2 GBO nur auf inländische Notare beziehe.
Die Grundbuchordnung verwende den Begriff „Notar“ nicht nur in § 133 Abs. 2 Satz 2 und 4, sondern auch an
anderen Stellen, ohne dabei ausdrücklich klarzustellen, ob davon nur in Deutschland oder auch im Ausland
bestellte Notare umfasst sind. Jedenfalls für die gesetzliche Vollmachtsvermutung in § 15 Abs. 2 GBO und für
die notarielle Vorprüfung in § 15 Abs. 3 Satz 1 GBO werde einhellig vertreten, dass hiervon nur inländische
Notare erfasst seien. Auch für die durch Artikel 5 Nummer 3 des Gesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1800)
zum 1. September 2013 geschaffene Möglichkeit der Erteilung von Grundbuchabdrucken durch Notare gemäß
§ 133a GBO dürfe nichts Anderes gelten, weil die Verpflichtung zur Führung eines Protokolls nach § 133a
Absatz 3 GBO i.V.m. § 85a GBV nur für deutsche Notare gelten könne. Nachdem in der Begründung zu § 133
Abs. 2 Satz 4 GBO darauf abgestellt werde, die Notare seien mit Einführung von § 133a der Grundbuchordnung
praktisch zu „Außenstellen der Grundbuchämter geworden“ (BT-Drs. 19/10348 S. 43), dürfte § 133 Absatz 2
GBO so zu verstehen sein, dass die darin vorgesehenen „Privilegien“ nur für inländische Notare gelten. Ein
Notar im Fürstentum Liechtenstein könne daher nur am eingeschränkten Abrufverfahren i.S.v. § 82 Abs. 2 GBV
teilnehmen und auch das nur, wenn von einer Vielzahl an Übermittlungen oder ihrer besonderen Eilbedürftigkeit
auszugehen sei.

Hiergegen richtet sich der Antrag des Beteiligten Ziffer 1 vom 13. September 2021 auf gerichtliche
Entscheidung mit dem Ziel, ihm den automatisierten und uneingeschränkten Zugang zum maschinell geführten
Grundbuch in Baden-Württemberg zu eröffnen. Der Antragsteller bringt im Wesentlichen vor, dass er mit der
ablehnenden Entscheidung als ein in Liechtenstein bestellter öffentlicher Notar in seinem im Europäischen
Wirtschaftsraum garantierten Recht auf Gleichbehandlung diskriminiert würde, zumal mit der Einsichtnahme ins
Grundbuch kein rechtsgestaltender Akt verbunden wäre. Die in § 133 Abs. 2 GBO (bei der Angabe von § 133 a
Abs. 2 GBO handelt es sich um ein Schreibversehen) genannten Privilegien müssten auch für ausländische
Notare gelten. Die Zulassungsentscheidung könne zudem mit einer Nebenbestimmung im Sinne des § 36
VwVfG hinsichtlich der Protokollierungspflicht im Sinne des § 133 a Abs. 3 GBO versehen werden.
Unberücksichtigt sei ferner geblieben, dass der Antragsteller ein deutscher Volljurist sei und zugleich im
Fürstentum Liechtenstein als Rechtsanwalt niedergelassen und die liechtensteinische Notariatsprüfung
erfolgreich absolviert habe. Eine „eingeschränkte“ Zulassung sei dem Antragsteller zudem kaum zumutbar.

Der Antragsgegner verweist darauf, dass eine stichprobenartige Kontrolle gemäß § 83 Abs. 1 GBV im Ausland
nicht durchführbar sei. Zudem sei eine stichprobenartige Kontrolle im Hinblick auf die „Vielnutzer“ auf eine noch
machbare Menge begrenzt.

In der Folge vertieft der Antragsteller sein Vorbringen und verweist insbesondere auf die garantierte
Dienstleistungsfreiheit im europäischen Wirtschaftsraum.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Der Ablehnungsbescheid vom 29. Juli 2021 ist ein
Justizverwaltungsakt i. S. d. § 23 Abs. 1 EGGVG (vgl. OLG München Beschluss vom 5.2.2013 – 9 VA 17/12;
Dressler-Berlin in Meikel Grundbuchordnung, 12. Aufl. 2021, § 133 Rn. 70). Das Oberlandesgericht Stuttgart ist
gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 EGGVG zuständig. Die Frist des § 26 EGGVG ist gewahrt, da der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung innerhalb der Monatsfrist bei der Gerichtsabteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart
eingegangen ist.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch unbegründet. Die Zulassungsstelle ist im Ergebnis zu Recht
davon ausgegangen, dass § 133 Abs. 2 Satz 2 GBO nicht die Möglichkeit eröffnet, einem im Ausland bestellten
Notar (Liechtenstein) zum uneingeschränkten Abrufverfahren zuzulassen.

1. Grundsätzlich ist gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GBO die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens
zulässig, sofern sichergestellt ist, dass der Abruf von Daten die nach den oder aufgrund der §§ 12 und 12a
GBO zulässige Einsicht nicht überschreitet. Unter diesen Voraussetzungen ist das uneingeschränkte
automatisierte Abrufverfahren nur geeignet, wenn ein berechtigtes Interesse für die Einsichtnahme in das
Grundbuch nicht dargelegt zu werden braucht (OLG Celle, Beschluss vom 24.08.2010 - Not 9/10). § 133 Abs.
Abs. 2 Satz 2 GBO enthält eine abschließende Aufzählung der Personen und staatlichen Institutionen, denen
die Zulassung zum uneingeschränkten Grundbuchabrufverfahren genehmigt werden kann.

a. Sinn und Zweck der vorgenannten Norm ergibt entgegen der Auffassung des Antragstellers eindeutig, dass
in § 133 Abs. 2 Satz 2 GBO nur ein im Inland bestellter Notar gemeint ist (OLG Celle, Urteil vom 15.2.2013 –
Not 11/12: inländische Gerichte und Notare). Die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur
Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren —
Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz — führt zu § 133 Abs. 2, Satz 1 und Satz 2 GBO aus (BT-Drucks.
12/5553, Seite 85):

„Für dessen (gemeint ist: Kreis der Zugangsberechtigten) Bestimmung war zu berücksichtigen, daß ein
automatisiertes Abrufverfahren sich gerade dadurch auszeichnet, daß seine Entscheidung der Behörde
darüber, ob die Berechtigung, Einsicht in das Grundbuch zu nehmen oder Abschriften hieraus zu erhalten,
gegeben ist, nicht mehr stattfindet. Es können deshalb zu einem automatisierten Abrufverfahren unabhängig
von der rechtlichen Konstruktion seiner Einrichtung und Nutzung nur diejenigen Personen zugelassen werden,
die ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch nicht darzulegen brauchen. Das sind nur
inländische Gerichte, Behörden, Notare und dinglich Berechtigte, denen ein Recht an dem Grundstück
zusteht.“

Aus der Gleichstellung der Notare mit Beauftragten inländischer öffentlicher Behörden folgt, dass die
Einsichtnahme ohne Darlegung eines berechtigten Interesses nur zulässig ist, wenn der Einsichtnahme eine
öffentlich-rechtliche Amtstätigkeit zugrunde liegt (OLG Celle, Senat für Notarsachen, Beschluss vom
24.08.2010 - Not 9/10: in Ausübung der Amtspflicht). Das für die Grundbucheinsicht erforderliche berechtigte
Interesse (§ 12 Abs. 1 GBO) wird für inländische Notare aus der Notarpflicht zur Unterrichtung über den
Grundbuchinhalt nach § 21 BeurkG abgeleitet (Schöner/Stöber, 16. Auflage 2020, Grundbuchrecht, Rn. 527;
OLG Celle, Urteil vom 15.02.2013 - Not 11/12).

Vorliegend übt der Antragsteller auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keine öffentlich-rechtliche
Amtstätigkeit aus. Dabei ist unter „Amt“ ein eindeutig auf den Raum des Staates bezogener institutionalisierter
Aufgabenkreis, der einer Person übertragen wird, zu verstehen (Bracker in BeckOK BNotO, 5. Ed. 1.2.2021,
BNotO § 1 Rn. 13; OLG Celle, Urteil vom 15.02.2013 – Not 11/12; BVerfG NJW 2012, 2639) und es steht
funktionell in der Organisationswelt des Staates (Bracker in BeckOK BNotO, 5. Ed. 1.2.2021, BNotO § 1 Rn.
17; Di Fabio DNotZ Sonderheft 2012, 28 f; Kerstin Wolf, Keine Einbeziehung der Notare in den EURegulierungsindex,
Notar 2021, 373 ff). Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 19. Juni 2012 -
1 BvR 3017/09 (NJW 2012, 2639) zur beruflichen Tätigkeit des Notars festgehalten:

Die Zuordnung zu den staatlich gebundenen Berufen, die eine sachliche Nähe zum öffentlichen Dienst
aufweisen, beruht auf einer Würdigung der Aufgaben, der Amtsbefugnisse und der Rechtsstellung der
Notarinnen und Notare, wie sie in der deutschen Rechtsordnung durch das einfache Gesetzesrecht
ausgestaltet wurden

Auf Grund der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ist der […] als Notar mit einem öffentlichen Amt
betraut. Ihm sind als selbstständigem Berufsträger gem. § 1 BNotO Aufgaben der vorsorgenden Rechtspflege
übertragen. Mit der ihm übertragenen Funktion steht er dem Richter nahe.

Eine solche öffentlich-rechtliche Amtstätigkeit ist auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach
§ 1 BNotO von der Bestellung (§ 12 BNotO) zum Notar abhängig. Der Antragsteller ist nicht nach § 12 BNotO
zum Notar bestellt.

b. Ein – wie hier der Antragsteller – ausschließlich nach ausländischem Recht bestellter Notar kann gemäß §
11a Satz 3 BNotO im Geltungsbereich der Bundesnotarordnung lediglich auf das Ersuchen eines nach
deutschem Recht bestellten Notars und auch dann lediglich zu dessen Unterstützung tätig werden (BGH,
Beschluss vom 20. Juli 2015 – NotZ 13/14). In der Bundesrepublik Deutschland dürfen durch einen
ausländischen Notar hoheitliche Funktionen nicht ausgeübt werden (BGH, Beschluss vom 20. Juli 2015 –
NotZ 13/14; vgl. auch Görk in BeckOK BNotO, 5. Ed. 1.8.2020, BNotO § 11a Rn. 1). Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes steht § 11a Satz 3 BNotO auch mit dem Recht der Europäischen
Union in Einklang (BGH, Beschluss vom 20. Juli 2015 – NotZ (Brfg) 13/14). Der Senat schließt sich dieser
Auffassung an.

c. Die Zulassung eines im Ausland bestellten Notars zum uneingeschränkten Abrufverfahren lässt sich auch
nicht im Wege einer analogen Anwendung von § 133 Abs. 2 Satz 2 GBO begründen. Eine solche Auslegung
setzt einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers voraus (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2019 - V ZR 225/17
- NJW-RR 2019, 845), an dem es fehlt.

2. Soweit der Antragsteller in seiner Funktion als ein im Ausland bestellter Notar eine „Benachteiligung“ bzw.
„Diskriminierung“ geltend macht, ist mit der Ablehnung zum uneingeschränkten Abrufverfahren vor dem
Hintergrund, dass er auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland kein „Amt“ ausübt, kein Verstoß gegen
das Abkommen zum Europäischen Wirtschaftsraum (kurz: EWRAbk) ersichtlich. Eine die
Niederlassungsfreiheit (Art. 31 bis 35 EWRAbk) bzw. Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 bis 38 EWRAbk)
einschränkende Maßnahme liegt nicht vor, da die ihn insoweit einschränkenden Regelungen des deutschen
Notargesetzes mit den genannten Grundfreiheiten des Abkommens zum Europäischen Wirtschaftsraum
vereinbar sind. Dabei kann dahinstehen, ob die Notariatsverfassung als komplementärer Bereich der
Rechtsprechung Angelegenheit der Mitgliedstaaten ist und nicht der Regelungsbefugnis der Europäischen
Union unterliegt (Professor Dr. Herbert Roth, Deregulierung der lateinischen Notariatsverfassung durch
Europäisierung EuZW 2015, 734; Kerstin Wolf, Keine Einbeziehung der Notare in den EU-Regulierungsindex,
Notar 2021, 373: Berufsreglementierung Vorrecht der Mitgliedsstaaten; BVerfG NJW 2009, 2267: zur
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Rechtspflege). Der Senat legt bei den nachfolgenden Erwägungen
zugrunde, dass Art. 31 EWRAbk dem Wortlaut des Art. 49 AEUV und Art. 36 EWRAbk dem Art. 56 AEUV
nachgebildet ist und sich die Vorschriften in der rechtlichen Tragweite gleichstehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine einschränkende Regelung dann mit
den Grundfreiheiten vereinbar, wenn diese in nicht diskriminierender Weise angewandt wird, wenn sie aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des
mit ihm verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles
erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - C-3/95 -).

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 24. Mai 2011 − C-54/08 (DNotZ 2011, 462) zur
Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV (jetzt Art. 49 AEUV) zwar den Begriff der öffentlichen Aufgabe i.S.v.
Art 45 EGV (jetzt Art. 51 AEUV) europarechtlich eng ausgelegt, aber festgehalten:

„Dass mit den notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere
dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu
gewährleisten, stellt allerdings einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der etwaige
Beschränkungen von Art. 43 EG rechtfertigen kann, die sich aus den Besonderheiten der notariellen Tätigkeit
ergeben, wie etwa den für die Notare auf Grund der Verfahren zu ihrer Bestellung geltenden Vorgaben, der
Beschränkung ihrer Zahl und ihrer örtlichen Zuständigkeit oder auch der Regelung ihrer Bezüge, ihrer
Unabhängigkeit, der Unvereinbarkeit von Ämtern und ihrer Unabsetzbarkeit, soweit diese Beschränkungen zur
Erreichung der genannten Ziele geeignet und erforderlich sind.“

Aus der oben genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich (insoweit offenlassend
BGH NJW 2013, 1605 m.w.N. zum Meinungstand der Literatur; vgl. auch Professor Dr. Herbert Roth EuZW
2015, 734) jedoch nur, dass die Niederlassungsfreiheit für Notare nicht daran scheitern darf, dass sie
Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates sind, was u.a. in dem Liechtensteiner Notariatsgesetz in der
Fassung vom 3. Oktober 2019 unter Art. 4 Abs. 2 lit. c eingeflossen ist. Im Übrigen wird jedoch das deutsche
Zulassungs- und Berufsrecht nicht unanwendbar oder derogiert (Bracker in BeckOK BNotO, 5. Ed. 1.2.2021,
BNotO § 1 Rn. 14-16; Prof. Dr. Martin Henssler, DNotZ-Sonderheft 2012, 37 ff; Kerstin Wolf, Notar 2021, 373 ff;
BVerfG NJW 2012, 2639, KG Urteil, vom 25.09.2014 – Not 8/14). Die Befugnis des deutschen Gesetzgebers,
das Notariat als öffentliches Amt bzw. als staatlich gebundenen Beruf auszugestalten, bleibt hiervon unberührt
(Prof. Dr. Martin Henssler, DNotZ-Sonderheft 2012, 37; Kerstin Wolf, Notar 2021, 373 ff; KG Urteil vom
25.09.2014 – Not 8/14; BVerfG NJW 2012, 2639). Bestätigt wird dies durch die ausdrückliche Klarstellung in
dem vorgenannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24. Mai 2011 - C-54/08, wonach seine
Entscheidung „weder den Status und die Organisation des Notariats in der deutschen Rechtsordnung betrifft
noch die Voraussetzungen, die neben der Staatsangehörigkeit für den Zugang zum Beruf des Notars in diesem
Mitgliedstaat bestehen“.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2012 -1 BvR 3017/09 (NJW 2012,
2639) im Zusammenhang mit dem durch den Notar wahrgenommen öffentlichen Amt nach § 1 BNotO
ausdrücklich festgehalten, dass die rechtliche Ausgestaltung des Notarberufs durch das Unionsrecht nicht in
Frage gestellt wird und hat hierzu ausgeführt:

„Dass nach Auffassung des EuGH (NJW 2011, 2941) notarielle Tätigkeiten nicht mit der Ausübung öffentlicher
Gewalt i. S. des Art. 45 I EG (jetzt: des Art. 51 I AEUV) verbunden sind, macht die einschlägigen
Bestimmungen des deutschen Rechts nicht unanwendbar; dies betrifft insbesondere § 1 BNotO zur notariellen
Amtsträgereigenschaft und die Regelungen zur notariellen Amtstätigkeit in §§ 20 ff. BNotO. Das Unionsrecht
verlangt lediglich, dass die durch Art. 49 AEUV gewährleistete Niederlassungsfreiheit für Notarinnen und
Notare nicht an der Staatsangehörigkeit scheitert, weil der Ausnahmetatbestand des Art. 51 I AEUV nicht
greift.

[…]

„Mit der von ihm abgelehnten Kennzeichnung notarieller Tätigkeit als Ausübung öffentlicher Gewalt trifft der
Europäische Gerichtshof demnach keine Aussage über die Einordnung dieser Berufsausübung nach den
Maßstäben einer mitgliedstaatlichen Rechtsordnung und deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht. Der Europäische
Gerichtshof zieht im Gegenteil ausdrücklich in Betracht, dass der Zweck notarieller Amtstätigkeit, die
Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten, als
zwingender Grund des Allgemeininteresses Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufgrund der
Besonderheiten der notariellen Tätigkeit rechtfertigen könne“.

Die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2012, 2639) und die des
Bundesgerichtshofs zum Genehmigungsvorbehalt nach § 11 Abs. 2 BNotO (NJW 2013, 1605) macht zudem
deutlich, dass die deutsche Notariatsverfassung abgesehen von dem Wegfall des (früheren)
Staatsangehörigkeitserfordernisses in § 5 BNotO als geschlossenes System den Anforderungen der
Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit europarechtlich standhält (Professor Dr. Herbert Roth,
Deregulierung der lateinischen Notariatsverfassung durch Europäisierung? – Eine Bilanz in EuZW 2015, 734;
Bracker in BeckOK BNotO, 5. Ed. 1.2.2021, BNotO § 1 Rn. 14-16).

Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 4. April 2013 - NotZ (Brfg) 9/12 (BGH NJW 2013, 1605)
auf die oben zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni 2012 -1 BvR 3017/09
bezogen und die aus dem Genehmigungsvorbehalt des § 11 Abs. 2 BNotO folgende Einschränkung der
Dienstleistungsfreiheit unionsrechtlich für unbedenklich erachtet (NJW 2013, 1605) und wie folgt erläutert:

„Sowohl die ausreichende Versorgung mit notariellen Dienstleistungen in den Bereichen, für die die Notare
bestellt sind, als auch die Gewährleistung der möglichst umfassenden rechtlichen Wirksamkeit der
Beurkundungen dienen dazu, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen
Privatpersonen zu gewährleisten und stellen daher gewichtige Allgemeininteressen dar, die Einschränkungen
der notariellen Berufsausübung rechtfertigen.“

Schließlich werden alle Notare, die der BNotO unterliegen, gleich behandelt, so dass sich auch hieraus keine
Diskriminierung des Antragsstellers erkennen lässt.

Im Lichte der obigen Ausführungen vermag der Senat mit der Versagung der Zulassung zum
uneingeschränkten Abrufverfahren keine Diskriminierung des Antragsstellers als ein im Ausland bestellter
Notar zu erkennen, zumal ihm die Zulassung zum automatisierten Abrufverfahren nach § 133 GBO nicht
generell verwehrt ist (vgl. sog. eingeschränktes Abrufverfahren nach § 133 Abs. 4 GBO, § 82 Abs. 2 GBV).

3. Dem Antragsteller ist die Zulassung zum uneingeschränkten automatisierten Abrufverfahren auch deshalb
zu versagen, weil die Zulässigkeit der Abrufe entgegen § 133 Abs. 1 Nr. 2 GBO nicht kontrolliert werden kann.
Die Kontrolle erfolgt auf der Grundlage einer Protokollierung der Abrufe durch das Grundbuchamt, welches die
Protokolle gemäß § 83 Abs. 1 Satz 3 GBV zur stichprobenartigen Überprüfung durch die zuständige Stelle
bereithält. Zuständige Prüfungsstelle ist die für die Aufsicht über die Person oder die Stelle zuständige
Behörde, was sich nach dem einschlägigen Berufs- oder Standesrecht richtet (Dressler-Berlin in Meikel, GBV,
11. Aufl. 2019, § 83 Rn. 26). Dies sind bei den Notaren die zuständigen Präsidentinnen und Präsidenten des
Landgerichts und Oberlandesgerichts und der Landesjustizverwaltung (§ 92 BNotO).

Der Antragsteller unterliegt als ein im Ausland bestellter Notar nicht der Dienstaufsicht nach § 92 BNotO, so
dass auch auf Grundlage einer Protokollierung der Abrufe durch das Grundbuchamt keine Kontrolle möglich
ist. Die Argumentation des Antragstellers, bei etwaigen Verstößen könne die Liechtensteiner Notariatskammer
informiert werden, geht fehl. Die Liechtensteiner Notarkammer ist die Standesvertretung der Notare in
Liechtenstein (vgl. Homepage der Liechtensteiner Notariatskammer unter https://notariatskammer.li/index.php
/de/), der nach Art. 68 des Liechtensteiner Notariatsgesetzes (NotarG) in der Fassung vom 3. Oktober 2019 die
Wahrung der Ehre und des Ansehens des Notariatsstandes und die Wahrung der Rechte und die
Überwachung der Pflichten der Notare und Notariatssubstitute obliegt. Nach Art. 16. 1 der Standesrichtlinien
vom 23. November 2020 der Liechtensteiner Notariatskammer (download über https://notariatskammer.li
/index.php/de/), gilt indes:

„Verstösst ein Notar vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Bestimmung des NotarG oder gegen eine
Bestimmung dieser Standesrichtlinien, dann verletzt er seine Berufspflichten. Diese Verletzung wird vom
Fürstlichen Obergericht als Disziplinargericht der Notare geahndet.“

Art. 53 ff des Liechtensteiner Notariatsgesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 2019 regelt, dass die
Disziplinargewalt über Notare vom Obergericht als Disziplinargericht ausgeübt wird, wobei nach Art. 50
Liechtensteiner Notariatsgesetzes ein Disziplinarvergehen nur bei einer Pflichtverletzung „nach diesem
Gesetz“, d.h. nach dem Liechtensteiner Notariatsgesetz vorliegt.Es ist mithin keinerlei Grundlage ersichtlich,
wonach für die Liechtensteiner Notariatskammer – abgesehen von einem internen Beschwerdeverfahren zum
Liechtensteiner Notariatsgesetz – eine Überprüfung und Ahnung eines Verstoßes gegen die Berechtigung der
Einsichtnahme nach §§ 133 Abs. 1 Nr. 2, 12 GBO i.V.m. § 43 GBV oder auch der BNotO möglich wäre, zumal
der Antragsteller auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht hoheitlich als Notar tätig werden kann
(s.o.). Ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsteller als im Ausland bestellter Notar nicht zum
privilegierten Personenkreis des § 133 Abs. 2 Satz 2 GBO gehört, hätte er gem. § 84 GBV – sofern er einer
allgemeinen Aufsicht nicht unterliegt – ohnehin zu erklären, die Aufsicht der genehmigenden Stelle zu dulden.
Insoweit kommt dem Vorschlag des Antragstellers, die Zulassung zum unbeschränkten Abrufverfahren mit
einer Nebenbestimmung zu versehen, keine entscheidungserhebliche Relevanz zu. Die fehlende Kontrolle wird
auch nicht durch eine – als Nebenbestimmung auferlegte – Protokollierung der Abrufe im Sinne des § 133a
Abs. 3 GBO durch den Antragsteller kompensiert. Der Antragsteller verkennt, dass der datenschutzrechtliche
Sinn des § 133a Abs. 3 GBO darin liegt, dem Eigentümer des Grundstücks oder dem Inhaber eines
grundstücksgleichen Rechts auf Verlangen Auskunft aus dem Protokoll (§ 133 Abs. 3 Satz 2 GBO) zu geben
(Otto in BeckOK GBO, 45. Ed. 1.3.2022, GBO § 133a Rn. 31). Im Rahmen der Kontrolle der Einsichtnahmen
überprüft die Dienstaufsicht hingegen die Teilnahmebedingungen/Voraussetzungen am automatisierten
Grundbuchabrufverfahren (§ 133 Abs. 3 GBO; vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.04.2017 – 15 VA 18/16 zur
Dienstaufsicht). Schließlich kommt es aus Sicht des Senats auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob
ein Notar eine „Vielzahl von Abrufen“ tätigt, da dieses Erfordernis des § 133 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 GBO bei
Notaren keine Anwendung findet (§ 133 Abs. 2 Satz 4 GBO).

4. Der Beteiligte Ziffer 1 hat als Antragsteller die Gerichtskosten des Verfahrens (KV GNotKG Nr. 15301) zu
tragen, §§ 22 Abs. 1 GNotKG. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten (§ 30 S.1
EGGVG) ist nicht veranlasst.

Die Wertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach § 29 Abs. 2 EGGVG liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Stuttgart

Erscheinungsdatum:

20.05.2022

Aktenzeichen:

8 VA 13/21

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Grundbuchrecht
Kostenrecht

Normen in Titel:

GBO § 133