BGH 22. März 2019
V ZR 298/16
WEG § 10 Abs. 2 S. 3; BGB §§ 242, 313

Änderung der Gemeinschaftsordnung bei von Anfang an verfehlten oder unbilligen Regelungen

letzte Aktualisierung: 21.6.2019
BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 298/16

WEG § 10 Abs. 2 S. 3; BGB §§ 242, 313
Änderung der Gemeinschaftsordnung bei von Anfang an verfehlten oder unbilligen
Regelungen

Ein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG setzt nicht
voraus, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert haben; er kommt
auch in Betracht, wenn Regelungen der Gemeinschaftsordnung von Anfang an verfehlt oder sonst
unbillig waren (sog. Geburtsfehler).

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht meint, der Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung
könne nicht auf § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gestützt werden. Der Kläger
begehre eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft,
welche die Vorschrift nicht erfasse. Der Anspruch ergebe
sich auch nicht aus den §§ 242, 313 BGB. Zwar könne auf dieser Grundlage
eine Änderung der Teilungserklärung hinsichtlich der sachenrechtlichen Grundlagen
verlangt werden, wenn wegen außergewöhnlicher Umstände ein Festhalten
an der geltenden Regelung grob unbillig wäre und dies gegen Treu und
Glauben verstieße. Derartige Umstände seien von dem Kläger aber weder vorgetragen
worden noch sonst ersichtlich. Soweit er auf die notariellen Genehmigungserklärungen
der übrigen Wohnungseigentümer aus dem Jahr 2004 verweise,
enthielten diese keine Zustimmung zu der jetzt von dem Kläger erstrebten
Änderung der Teilungserklärung. Sie lasse sich auch nicht inzident oder als
„Minus“ aus den Erklärungen entnehmen.

II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht
gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf Änderung
der Teilungserklärung gegen die übrigen Wohnungseigentümer aus § 10
Abs. 2 Satz 3 WEG nicht verneint werden.

1. Rechtsfehlerfrei legt das Berufungsgericht seinen Erwägungen zugrunde,
dass § 17 des Teilungsvertrages die Berechtigung zu einer Wohnnutzung
der dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Räume nicht im Wege der
Auslegung entnommen werden kann. Ob der von dem Kläger für richtig gehaltenen
Auslegung bereits die Rechtskraft der Urteile aus dem Jahr 2015 - die
Beiladung der übrigen Wohnungseigentümer in diesen Verfahren als Voraussetzung
der Erstreckung der Rechtskraft nach § 48 Abs. 3 WEG ist nicht festgestellt
worden - entgegensteht, kann daher auf sich beruhen.

a) Die (ggf. ergänzende) Auslegung der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung
hat Vorrang vor einer Anpassung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3
WEG (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 2016 - V ZR 152/15, ZfIR 2016, 719
Rn. 18). Aufgrund der Bezugnahme im Grundbuch kann die Auslegung der in
der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung getroffenen Regelung auch
von dem Revisionsgericht vorgenommen werden. Maßgebend sind ihr Wortlaut
und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung
der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer
bindet. Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen
werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles
für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil
vom 10. November 2017 - V ZR 184/16, ZfIR 2018, 353 Rn. 14; Urteil vom
4. Mai 2018 - V ZR 163/17, MDR 2018, 986 Rn. 9 jeweils mwN). Die Nutzung
des Sondereigentums wird über die mit der Einordnung als Wohnungs- oder
Teileigentum verbundene Zweckbestimmung hinaus nur dann auf bestimmte
Zwecke beschränkt, wenn dies aus der Gemeinschaftsordnung klar und eindeutig
hervorgeht (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2017 - V ZR 193/16, BGHZ
216, 333 Rn. 28; Urteil vom 23. Juni 2017 - V ZR 102/16, WuM 2017, 544
Rn. 14). Bei nächstliegender Auslegung kann allerdings schon eine schlichte
Bezeichnung in dem Teilungsvertrag als Zweckbestimmung zu verstehen sein
(vgl. Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 7/13, NJW-RR 2015, 645
Rn. 9 f. mwN „Kellerraum“; Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 169/14, NZM 2015,
787 Rn. 18 „Ladenraum“).

b) Daran gemessen liegt eine Zweckbestimmung vor. Nächstliegend ist
es, die in § 17 Abs. 2 Satz 1 des Teilungsvertrags in der Fassung des Nachtrages
vom 29. Oktober 1985 gewählte Bezeichnung „Abstell-, Wasch- und Trockenräume“
als Zweckbestimmung anzusehen. Dass das Teileigentum an einer
Garage mit dem höchsten Miteigentumsanteil an dem Grundstück ausgewiesen
ist, stellt sich zwar - gerade wenn dem Sondernutzungsrecht diese Zweckbestimmung
zugrunde gelegt wird - als ungewöhnlich dar. Dieser Umstand ist
aber für sich gesehen noch nicht geeignet, die Annahme einer Zweckbestimmung
in Frage zu stellen. Dass die 18 Wohnungen in den Räumlichkeiten bereits
vor dem Abschluss des Teilungsvertrages entstanden sein sollen, wie der
Kläger vorträgt, ist nicht für jedermann erkennbar und daher bei der Auslegung
des Teilungsvertrages nicht berücksichtigungsfähig. Auch der Hinweis des Klägers,
die Räume seien in Übereinstimmung mit der Bezeichnung in den Plänen
so benannt worden, um Missverständnisse auszuschließen, führt zu keiner anderen
Beurteilung. Für die genaue Zuordnung der Räume wird in § 17 Abs. 2
Satz 2 des Teilungsvertrages in der Nachtragsfassung vom 29. Oktober 1985
auf eine Anlage 1 (Spalte 5) und hinsichtlich der Lage der Räume auf die Aufteilungspläne
(Grundrisse Dachgeschoß und Spitzböden) verwiesen. Dies spricht
gegen die Annahme, dass mit den verwendeten Bezeichnungen nur die Belegenheit
der Räume beschrieben werden sollte.

2. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht aber an, ein Anspruch
des Klägers auf Änderung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 des Teilungsvertrages in
der Fassung des Nachtrages vom 29. Oktober 1985 enthaltenen Zweckbestimmung
sei nicht von § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG erfasst.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist zwar, dass die sachenrechtliche Zuordnung
nicht Gegenstand einer Vereinbarung im Sinne des § 10 WEG sein
kann. Eine solche Vereinbarung dient der Regelung der Innenbeziehungen der
Wohnungseigentümer untereinander, also der Schaffung einer Gemeinschaftsordnung,
die ähnlich einer Satzung die Grundlage für das Zusammenleben der
Wohnungseigentümer bildet. Hiervon ist eine vertragliche Regelung der sachenrechtlichen
Zuordnung zu unterscheiden. Sie kann nicht Gegenstand einer
Vereinbarung sein (vgl. Senat, Urteil vom 12. April 2013 - V ZR 103/12, ZfIR
2013, 646 Rn. 9; Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 189/11, NZM 2012, 613 Rn. 8;
Urteil vom 4. April 2003 - V ZR 322/02, NJW 2003, 2165, 2166).

b) Anders liegt dies aber bei der Änderung des Inhalts eines dinglichen
Sondernutzungsrechts oder dessen dauerhafter Aufhebung. In beiden Fällen
bleibt die sachenrechtliche Zuordnung des Nutzungsgegenstands zum Gemeinschaftseigentum
unverändert. Die Inhaltsänderung kann daher ebenso wie
die Aufhebung des Sondernutzungsrechts Gegenstand einer Vereinbarung im
Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG sein (vgl. Senat, Urteil vom 11. Mai 2012
- V ZR 189/11, NZM 2012, 613 Rn. 9; Urteil vom 23. März 2018 - V ZR 65/17,
ZfIR 2018, 521 Rn. 16). Eine Änderung des Inhalts des Sondernutzungsrechts
ist hier Gegenstand der Klage. Der Kläger erstrebt nicht die Umwandlung der im
Gemeinschaftseigentum stehenden Dachgeschossräume in Sondereigentum,
sondern eine Änderung der Zweckbestimmung der seinem Sondernutzungsrecht
zugewiesenen Räume dergestalt, dass in ihnen gewohnt werden darf.

Das lässt die sachenrechtliche Zuordnung der Räume unberührt.

3. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig
dar (§ 561 ZPO). Ein Anspruch des Klägers nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG
lässt sich auf der Grundlage seines revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrages
nicht verneinen. Nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer
eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung
einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung
aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer,
unbillig erscheint.

a) Mit der Kodifizierung des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG sind die Hürden an
die Anpassung der Gemeinschaftsordnung bewusst abgesenkt worden, indem
nunmehr „schwerwiegende Gründe“ und nicht mehr - wie es früher in der
Rechtsprechung vertreten wurde - „außergewöhnliche Umstände“ vorausgesetzt
werden (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 18 f.; Senat, Urteil vom
15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 30; Urteil vom
23. März 2018 - V ZR 307/16, NJW-RR 2018, 1227 Rn. 12). Ein Anspruch auf
Änderung der Gemeinschaftsordnung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG setzt nicht
voraus, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert
haben; er kommt auch in Betracht, wenn Regelungen der Gemeinschaftsordnung
von Anfang an verfehlt oder sonst unbillig waren (sog. Geburtsfehler).

Denn der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift auch Fälle erfassen, in denen
eine verfehlte Regelung in der Gemeinschaftsordnung von Anfang an bestand
und erkennbar war oder sogar erkannt worden ist (vgl. BT-Drucks. 16/887
S. 19). Die Behebung derartiger - auch bewusster - „Geburtsfehler“ einer Gemeinschaftsordnung
oder Teilungserklärung zu ermöglichen, ist ein wesentliches
Anliegen des Gesetzgebers (vgl. auch Bärmann/Suilmann, WEG,
14. Aufl., § 10 Rn. 156; BeckOK WEG/Müller [1.9. 2018], § 10 Rn. 301).

b) Schwerwiegende Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG, die
ein Festhalten an der geltenden Regelung unbillig erscheinen lassen, können
deshalb vorliegen, wenn die durch die Gemeinschaftsordnung vorgegebene
Zweckbestimmung eine Nutzung einer Sondereigentumseinheit ausschließt, die
nach der baulichen Ausstattung der betroffenen Räume möglich ist, und wenn
ferner objektive Umstände dafür sprechen, dass dem betroffenen Wohnungseigentümer
diese Nutzung eröffnet werden sollte.

aa) Erste Voraussetzung für die Annahme einer in diesem Sinne verfehlten
Regelung ist allerdings, dass die erforderliche bauliche Ausstattung der betreffenden
Räume entweder schon bei der Aufteilung in Wohnungseigentum
vorhanden war oder im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufteilung erfolgte
und von den übrigen Wohnungseigentümern hingenommen wurde. Eine spätere
eigenmächtige, mithin ohne die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung
der übrigen Wohnungseigentümer vorgenommene Veränderung von
Gemeinschaftseigentum erfolgt demgegenüber auf eigenes Risiko; hierdurch
entstehende wirtschaftliche Nachteile werden regelmäßig keine schwerwiegenden
Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG darstellen.

bb) Darüber hinaus müssen objektive Umstände vorliegen, die darauf
hindeuten, dass die bestehende Regelung die tatsächlich eröffnete Nutzung der
Räume nicht wiedergibt. So kann es etwa liegen, wenn die sich aus dem Miteigentumsanteil
des betroffenen Sondereigentümers ergebende Kostentragungspflicht
in einem Missverhältnis zu der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Sondereigentums
(bzw. des Sondernutzungsrechts) steht, die gegeben ist, wenn
dieses nur dem Inhalt der Teilungserklärung entsprechend genutzt werden dürfte.

cc) Allerdings liegen schwerwiegende Gründe nur vor, wenn die aufgrund
der verlangten Änderung der Zweckbestimmung mögliche Nutzung nach öffentlich-
rechtlichen Vorschriften zulässig ist. Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt
der Errichtung oder einer späteren baulichen Veränderung an. Entscheidend
ist allein der Zeitpunkt des Änderungsverlangens. § 10 Abs. 2 Satz 3
WEG kommt auch dann zum Tragen, wenn die (verfehlte) Regelung in der Gemeinschaftsordnung
eine nach öffentlich-rechtlichem Baurecht unzulässige
Nutzung verschleiern sollte, diese Nutzung aber zwischenzeitlich genehmigungsfähig
geworden ist.

dd) Schließlich muss die nach der bestehenden Zweckbestimmung zulässige
Nutzung zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung
der betroffenen Einheit führen, die durch die Änderung der Zweckbestimmung
behoben werden kann.

c) Liegen danach schwerwiegende Gründe vor, ist zu klären, welche Interessen
aus Sicht der übrigen Wohnungseigentümer gegen die geforderte Anpassung
der Gemeinschaftsordnung sprechen. Das abstrakte Vertrauen der
übrigen Wohnungseigentümer auf die Einhaltung der Gemeinschaftsordnung
kann allerdings nicht dazu führen, die Unbilligkeit zu verneinen. Das abstrakte
Vertrauen auf die Gemeinschaftsordnung muss stets überwunden werden,
wenn ein Anpassungsanspruch geltend gemacht wird. Der Bedeutung des Vertrauens
auf den Bestand der Gemeinschaftsordnung trägt das Gesetz bereits
dadurch Rechnung, dass ein Änderungsanspruch nur dann in Betracht kommt,
wenn schwerwiegende Gründe gegen das Festhalten an der geltenden Regelung
sprechen. Es müssen daher konkrete, über das rein formale Interesse an
der Einhaltung der Gemeinschaftsordnung hinausgehende Interessen der übri-
gen Wohnungseigentümer gegen die Anpassung sprechen (vgl. Senat, Urteil
vom 23. März 2018 - V ZR 307/16, NJW-RR 2018, 1227 Rn. 13).

d) Nach diesen Grundsätzen kommt ein Änderungsanspruch des Klägers
auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG in Betracht.

aa) (1) Ausgehend von dem Vortrag des Klägers sind die 18 Wohnungen
bereits mehr als zwei Jahre vor dem Abschluss des Teilungsvertrages vom
21. Dezember 1984 fertiggestellt und vermietet worden. Zugewiesen ist dem
Kläger nach § 17 Abs. 2 des Teilungsvertrages in der Fassung des Nachtrages
vom 29. Oktober 1985 aber ein Sondernutzungsrecht an den Räumen, das keine
Wohnnutzung, sondern nur eine untergeordnete wirtschaftliche Verwertung
der Räume zulässt.

(2) Es liegen neben der baulichen Ausstattung weitere Anhaltspunkte
dafür vor, dass die als Abstell-, Wasch- und Trockenräume bezeichneten Räume
eigentlich als Wohnungen genutzt werden können sollten. Gewichtige Indizien
hierfür stellen der dem Teileigentum ausweislich der Anlage 1 zum Teilungsvertrag
zugewiesene Miteigentumsanteil von 15.013,730/100.000 - hierbei
handelt es sich um den größten Miteigentumsanteil an dem Grundstück - und
die damit verbundene Kostentragungslast dar, die sich nach § 11 Abs. 1 des
Teilungsvertrages im Grundsatz nach dem Miteigentumsanteil richtet. Denn die
Höhe des Miteigentumsanteils mit der daraus folgenden Kostenlast legt nahe,
dass der wirtschaftliche Wert dieses Anteils von Anfang an in einem Sondernutzungsrecht
an Wohnungen bestand (vgl. zu vergleichbaren Gestaltungen, etwa
sog. Kellereigentum mit einem Sondernutzungsrecht an Wohnräumen:

BayObLG, NJW 1992, 700 f.; Pause, NJW 1990, 3178 ff.; ders., NJW 1992,
671 ff.; Reithmann, NJW 1992, 649, 650). Bei einem Teileigentum an einer Ga-
rage nebst dem Sondernutzungsrecht lediglich an Abstell-, Wasch- und Trockenräumen
stellt sich die geltende Regelung als unangemessen und damit
verfehlt dar. Sie kann auch nicht damit erklärt werden, dass die Räume ggf. erst
in der Zukunft verändert werden sollten, wie die Beklagten im Rahmen der
mündlichen Verhandlung ausgeführt haben. Unabhängig davon, dass der Vortrag
des Klägers gerade dahingeht, dass der Ausbau der Räume schon lange
vor Abschluss des Teilungsvertrages erfolgt ist, würde dies an der Unangemessenheit
der bestehenden Regelung nichts ändern.

(3) Dass mit § 17 Abs. 2 des Teilungsvertrages in der Fassung des
Nachtrages vom 29. Oktober 1985 möglicherweise die Wohnnutzung an den
Räumen verschleiert werden sollte, weil diese zum Zeitpunkt der Errichtung
bauordnungsrechtlich nicht zulässig war, würde einem Änderungsanspruch des
Klägers jedenfalls dann nicht entgegenstehen, wenn die Wohnnutzung heute
öffentlich-rechtlich zulässig wäre. Darauf weist die von der Revision in Bezug
genommene notarielle Urkunde vom 17. August 2004 hin, wonach die Abgeschlossenheit
der in den streitgegenständlichen Räumen gebildeten Apartments
von der zuständigen Behörde bescheinigt worden ist.

(4) Außer Frage steht, dass die bestehende Regelung zu einer erheblichen
Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung des bestehenden Sondernutzungsrechts
führt.

bb) Bei der Abwägung der Interessen des Klägers mit denen der übrigen
Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG sind alle Umstände des
Einzelfalls zu berücksichtigen. Insoweit hat besonderes Gewicht, dass die
Wohnungen nach dem Vortrag des Klägers seit über 30 Jahren als Wohnungen
genutzt werden, ohne dass durch die übrigen Wohnungseigentümer Beanstan-
dungen erhoben worden sind. Soweit sich Wohnungseigentümer in den letzten
Jahren gegen die Wohnnutzung der Räume wenden, soll dies seinen Grund
allein in der bestehenden Zweckbestimmung haben. Dies spricht dafür, dass
von der Wohnnutzung keine oder allenfalls geringe nachteilige Auswirkungen
ausgehen. Dann aber dürften keine Interessen der übrigen Wohnungseigentümer
bestehen, die es rechtfertigen könnten, den Kläger an der geltenden Regelung
festzuhalten bzw. ihn auf die Möglichkeit zu verweisen, lediglich die Änderung
der - aus der geltenden Regelung folgenden - derzeit unbilligen Kostenverteilung
zu verlangen.

III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist, da
es an den erforderlichen Feststellungen zu dem Bestehen eines Änderungsanspruchs
nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG fehlt, nicht zur Endentscheidung reif
(§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Urteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563
Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dem Kläger Gelegenheit zu geben
haben, einen sachdienlichen Antrag zu stellen. Soweit er mit dem Klageantrag
lediglich die „Berichtigung“ von § 17 Abs. 2 des Teilungsvertrages in der
Fassung des Nachtrages vom 29. Oktober 1985 dahingehend begehrt, dass an
die Stelle der dort verwendeten Bezeichnung Abstell-, Wasch- und Trockenräume
nur die allgemeine Bezeichnung „Räume“ treten soll, ist eine Anpassung
des Teilungsvertrages nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gemeint. Ein Sondernutzungsrecht
ist zwar auch ohne Beschränkung auf eine bestimmte Nutzungsart
zulässig (BayObLG, DNotZ 1999, 672, 674). Die Bezeichnung „Räume“ ließe
aber eine Wohnnutzung nicht zu. Eine entsprechende Zweckbestimmung verlangt
mehr als die unbestimmte Bezeichnung „Raum“ (vgl. BayObLG, WuM
1994, 98, 99). Das Rechtsschutzziel des Klägers besteht jedoch gerade darin,
die 18 Wohnungen zu Wohnzwecken nutzen zu können.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

22.03.2019

Aktenzeichen:

V ZR 298/16

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW 2019, 3716-3718
ZWE 2019, 318-321

Normen in Titel:

WEG § 10 Abs. 2 S. 3; BGB §§ 242, 313