Vollmachtloses Handeln für den verstorbenen Grundstückseigentümer unzulässig; keine Genehmigung durch Erben möglich; Geltung deutschen Erbrechts für ein in Deutschland belegenes Nachlassgrundstück eines britischen Staatsangehörigen
letzte Aktualisierung: 04.06.2020
OLG Bremen, Beschl. v. 16.4.2020 – 3 W 9/20
BGB §§ 164, 177, 1922; GBO §§ 19, 71; EuErbVO Artt. 20, 21, 34
Vollmachtloses Handeln für den verstorbenen Grundstückseigentümer unzulässig; keine Genehmigung durch Erben möglich;
Geltung deutschen Erbrechts für ein in Deutschland belegenes Nachlassgrundstück eines britischen Staatsangehörigen
1. Handelt ein vollmachtloser Vertreter im Namen des verstorbenen Grundstückseigentümers, gibt
er also eine Willenserklärung oder grundbuchliche Verfahrenserklärung im Namen einer nicht
(mehr) existenten Person ab, so ist das Rechtsgeschäft (hier: Eintragung einer
Auflassungsvormerkung sowie Bestellung einer Grundschuld) einer Genehmigung durch die Erben
nicht zugänglich.
Anwendung.
2. War der Erblasser britischer Staatsangehöriger, so gilt für die Erbfolge in sein in Deutschland
belegenes Nachlassgrundstück kraft Rückverweisung das deutsche Recht mit der Folge, dass nicht
der in England bestellte „administrator“, sondern die nach BGB zu bestimmenden Erben des
Verstorbenen verfügungsbefugt sind. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
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I.
Die Antragsteller haben die Eintragung einer Grundschuld sowie - die Antragsteller zu
1- 5) - die Eintragung einer Auflassungsvormerkung beantragt.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.10.2019 (UR-Nr….. des Notar Y) haben die Antragsteller
zu 1-4) ein in Bremerhaven gelegenes Grundstück erworben. Die Antragstellerin
zu 5) war am 14.3.2019 verstorben, d.h. sie lebte im Zeitpunkt der Beurkundung
des Kaufvertrages nicht mehr. Sie war britische Staatsangehörige (England und
Wales). Während der Beurkundung hat einer der übrigen Teileigentümer die Veräußerungserklärungen
als vollmachtloser Vertreter für die Antragstellerin zu 5) abgegeben.
Unter dem 01.08.2019 war mit Urkunde des High Court of Justice England and Wales
(Oxford), Herr Z zum „administrator“ des Nachlasses der Antragstellerin zu 5) bestellt
worden. Dieser hat mit notariell beglaubigter Erklärung vom 24.01.2020 die mit der Urkunde
vom 25.10.2019 (UR-Nr. des Notar Y) beurkundete Erklärung des vollmachtlosen
Vertreters genehmigt.
Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 17.02.2020 die Eintragung abgelehnt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass angesichts des in England geltenden
Grundsatzes der Nachlassspaltung für das in Deutschland befindliche unbewegliche
Vermögen deutsches Recht gelte. Der Administrator könne in diesem Fall nicht auftreten.
Erforderlich sei deshalb die Zustimmung der Erben der Frau X unter Vorlage eines
gegenständlich beschränkten Erbscheins.
Gegen diese Zwischenverfügung haben die Antragsteller am 27.02.2020 Beschwerde
eingelegt. Sie verweisen darauf, dass nach Art. 3 Nr. 1 lit.e. EGBGB das anwendbare
Recht ausschließlich nach der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende
Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme
und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen
Nachlasszeugnisses (im Folgenden: EU-ErbVO) zu ermitteln sei. Mangels
Rechtswahl der Erblasserin bestimme sich das anwendbare Recht gem. Art. 21 Abs.1
EU-ErbVO nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort der Verstorbenen. Da diese
in England gelebt habe, sei englisches Recht anzuwenden. Gem. Art. 23 Abs.2 lit. f.
EU-ErbVO sei das ermittelte Recht auch auf die Rechte der Nachlassverwalter insbesondere
im Hinblick auf die Veräußerung von Vermögen anzuwenden. Gem. Art. 34
Abs.1 EU-ErbVO komme es nur zu einer Rückverweisung, wenn das anzuwendende
Recht auf das Recht eines Drittstaates hinweise. Da das Vereinigte Königreich noch
Mitglied der Europäischen Union sei, müsse es noch als EU-Mitgliedsstaat behandelt
werden. Eine Rückverweisung auf das deutsche Recht erfolge daher nicht.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Hanseatischen
Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat zur Begründung angegeben,
die Vorschriften EU-ErbVO fänden keine Anwendung, weil das Vereinigte Königreich
während seiner EU-Mitgliedschaft kein Mitgliedsstaat im Sinne der EU-ErbVO gewesen
sei.
3
II.
Die Beschwerde ist statthaft.
Der Senat versteht die vom Notar eingelegte Beschwerde so, dass sie nicht in seinem
Namen sondern im Namen der Antragsteller, d.h. der Verkäufer und für die Grundschuld
auch für die Gläubigerin (die ebenfalls den Antrag auf Eintragung gestellt hat)
eingelegt worden ist.
Die Beschwerde ist allerdings unzulässig, soweit sie auch für die Antragstellerin zu 5)
eingelegt worden sein soll. Die Antragstellerin zu 5) (im Folgenden: Verkäuferin zu 5)
ist bereits seit dem 14.3.2019 verstorben und damit nicht parteifähig.
Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Das Grundbuchamt hat im Ergebnis zu Recht die Eintragung abgelehnt.
Nach Auffassung des Senats liegt für beide Anträge schon keine wirksame Eintragungsbewilligung
gem.
– englischer – Verkäufer – gemäß Art.4 Abs.1 lit c. Rom I-VO deutsches
Recht anzuwenden. Der Eigentumsübergang richtet sich gemäß Art. 3, 43 Abs.1 EGBGB
ebenfalls nach deutschem Recht, da es sich um ein in Deutschland belegenes
Grundstück handelt.
Gemäß
Willenserklärung abgeben. Die Rechts- und Geschäftsfähigkeit für die Verkäuferin zu
5) richtet sich gemäß Art. 7 EGBGB nach englischem Recht. Diese war im Zeitpunkt
der Vertragsbeurkundung bereits verstorben und konnte deshalb keine Erklärungen
abgeben. Nach allen Rechtsordnungen endet die Rechtsfähigkeit mit dem Tod einer
Person (Ludwig in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9.
Aufl., Art. 7 EGBGB Rdnr. 14, Stand: 01.03.2020), sie kann dementsprechend auch
keine Willenserklärungen mehr abgeben.
Auch ein vollmachtloser Vertreter kann nicht für eine im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung
bereits verstorbene, d.h. nicht (mehr) existente Person auftreten, mit der
Folge, dass die Erben der Verstorbenen die Erklärung genehmigen könnten. § 177
BGB ist auf eine derartige Konstellation nicht, auch nicht analog, anwendbar. Allerdings
wird vereinzelt vertreten, dass die Vorschrift auch eingreifen soll, wenn für eine
nicht existierende Person gehandelt wird. Darunter wird allerdings regelmäßig eine
(noch) nicht existierende juristische Person verstanden (z.B. OLG Hamm Urteil vom
12.09.1997 –29 U 191/96 Rdnr. 16, LG Berlin, Urteil vom 25. Juni 2019 – 22 O 50/18
Rdnr. 27–, juris, Palandt/Ellenberger 79. Aufl. 2020
BeckOGK
Person ist regelmäßig die Anwendung von § 179 BGB von entscheidender Bedeutung,
d.h. die Frage, ob der für eine nicht existierende Person auftretende (vollmachtlose)
Vertreter für die von ihm abgegebene Erklärung haftet (vgl. BGH, Beschl. v. 5. 2.
2013 – VIII ZR 276/12 Rdnr.1 – beck-online, Palandt-Ellenberger a.a.O.; Ulrici a.a.O.
Rdnr.72). Um die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht geht es jedoch in der
hier zu treffenden Entscheidung über eine Grundbucheintragung nicht.
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Es besteht auch kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung des
bereits verstorbene natürliche Person, es liegt insbesondere keine Regelungslücke
vor. Das Vermögen geht im Zeitpunkt des Todes auf die Erben über (§ 1922 Abs.1
BGB), so dass diese über die Nachlassgegenstände verfügungsbefugt sind. Sollten
die Erben unbekannt sein, so besteht die Möglichkeit der Nachlasspflegschaft gemäß
§ 1960 Abs.2 BGB, so dass der Nachlasspfleger (für die unbekannten Erben) die Verfügungsbefugnis
hat.
Im zu entscheidenden Fall fiel der Grundstücksanteil der Verkäuferin zu 5) bereits im
Zeitpunkt der Beurkundung in den Nachlass der Verstorbenen. Berechtigt sind deren
– offensichtlich auch bekannte - Erben.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich – insbesondere aus der notariellen Urkunde nicht
– dass die Verkäuferin zu 5) etwa noch zu Lebzeiten dem anderen Teileigentümer
eine Vollmacht erteilt hätte, die über ihren Tod hinaus Geltung gehabt hätte. Eine solche
wäre – nach deutschem Recht – zu berücksichtigen gewesen, allerdings hätten
auch dann die Erben vertreten werden müssen (vgl. Palandt/Weidlich 79. Aufl 2020
Einf. vor § 2197 BGB Rdnr. 10).
Ob in diesem Fall u.U. der „administrator“ berechtigt war, Erklärungen für den Nachlass
abzugeben, kann insoweit dahingestellt bleiben, denn er hat keine eigenen Erklärungen
für den Nachlass abgegeben, sondern Erklärungen Dritter genehmigt. Angesichts
der eindeutigen notariellen bzw. notariell beglaubigten Erklärungen kann auch –
unabhängig davon, ob der „administrator“ dazu berechtigt wäre – die Genehmigungserklärung
nicht in eine eigene Veräußerungs- bzw. Bewilligungserklärung umgedeutet
werden.
Aus diesem Grunde sind sowohl die schuldrechtliche Verkaufserklärung für den Anteil
der Verstorbenen als auch – was im Rahmen des Verfahrens auf Grundbucheintragung
wichtiger ist – die entsprechende Eintragungsbewilligung unwirksam, so dass
mangels Einwilligung der Voreingetragenen eine Eintragung weder der Grundschuld
noch der Auflassungsvormerkung erfolgen kann.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgende Umstände hin:
Gemäß
mit dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt in England englisches Recht anzuwenden.
nicht das Recht eines Mitgliedsstaats ist. Das gilt auch für das Recht des Vereinigten
Königreichs, weil es die EU-ErbVO nicht gezeichnet hat und damit – auch während
seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union bzw. in der Übergangszeit nach dem
Austritt - als Drittstaat gilt (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 20 Rn.
20, Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr/Schall/Simon, 58. EL Oktober 2019, EuErbVO
Art. 1 Rn. 3 – beck-online).
Aus diesem Grunde ist auch
in England aufgrund der Nachlassspaltung hinsichtlich des beweglichen und unbeweglichen
Vermögens geltende Rückverweisung auf das lex rei sitae (dazu
Kroiß/Ann/Mayer- Odersky Großbritannien 5. Aufl. 2018 Rdnr. 3,4 – beck-online) zu
beachten ist. Deutschland ist Mitgliedsstaat gem. Art. 34 Abs.1 lit a) EU-ErbVO, so
dass es sich um eine reine Sachnormverweisung handelt (dazu: BeckOGK/J.
Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 34 Rn. 5).
Danach gilt für das hier betroffene unbewegliche Vermögen der Verkäuferin zu 5)
deutsches Recht. Infolgedessen muss auch für die Abwicklung des unbeweglichen
Nachlasses deutsches Recht gelten (dazu Kroiß/Ann/Mayer- Odersky a.a.O. Rdnr.
16), so dass der in England bestellte „administrator“ keine Erklärungen für den Nachlass
abgeben kann. Eine entsprechende Funktion ist dem deutschen Recht unbekannt,
da es sich dabei nicht um eine – vom Erblasser verfügte – Testamentsvollstreckung
handelt (vgl. Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage 2019 §48 Rdnr. 51 –
beck-online).
Für den in Deutschland befindlichen unbeweglichen Nachlass sind daher nur die ausgewiesenen
Erben verfügungsbefugt.
Weil die Ausführungen zum weiteren Verfahren keine entscheidungserhebliche Bedeutung
haben, war die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. Im Übrigen hat die Sache
keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
nicht.
Der Wert der Beschwer ergibt sich für den Antrag auf Grundschuldbestellung aus § 53
Abs.1 S.1 GNotKG und für den Antrag auf Eintragung einer Vormerkung aus § 45
Abs.3 GNotKG.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Bremen
Erscheinungsdatum:16.04.2020
Aktenzeichen:3 W 9/20
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht
Gesetzliche Erbfolge
Deutsches IPR (EGBGB)
BWNotZ 2020, 199-202
Normen in Titel:BGB §§ 164, 177, 1922; GBO §§ 19, 71; EuErbVO Artt. 20, 21, 34