Mangelhaftigkeit neu errichteter Eigentumswohnungen bei Schimmelpilzbefall
letzte Aktualisierung: 18.10.2019
OLG Naumburg, Urt. v. 11.7.2019 – 1 U 116/18
BGB §§ 278, 280 Abs. 1, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 634 Nr. 2 u. 4, 637 Abs. 1 u. 3
Mangelhaftigkeit neu errichteter Eigentumswohnungen bei Schimmelpilzbefall
1. Eine neu errichtete Eigentumswohnung ist mangelhaft, wenn es dort bis zur Abnahme zum
Eintrag von Nässe kommt, die ein über die normale Hintergrundbelastung von 10.000 KBE/g
hinausgehendes Schimmelpilzwachstum auslöst.
2. Schimmelpilzwachstum in Innenräumen ist ein Gesundheitsrisiko, dessen Beseitigung der
Erwerber einer neu errichteten Eigentumswohnung vom herstellenden Verkäufer (Unternehmer)
verlangen kann, ohne dass dem die Unverhältnismäßigkeit der Kosten oder des Aufwandes
entgegenstehen.
3. Beruft sich der nacherfüllungspflichtige Unternehmer im Prozess auf die Unverhältnismäßigkeit
der sachverständig begründeten und ermittelten Mangelbeseitigungskosten, kann dies eine ernsthafte
und endgültige Erfüllungsverweigerung zum Ausdruck bringen, sodass es einer Fristsetzung nach §
637 Abs. 1 BGB für den Vorschuss zur Selbstvornahme nicht mehr bedarf. Auf eine
vorausgegangene vermeintliche Zuvielforderung des Erwerbes beim Umfang der beanspruchten
Mangelbeseitigung kommt es dann nicht an.
4. Der Erwerber hat gegen den Verkäufer neben der Leistung Anspruch auf Ersatz der
aufgewandten Sachverständigenkosten. Ob sich dieser Schadensersatzanspruch der Höhe nach auf
den Anteil des späteren Prozesserfolges beschränkt, bleibt offen.
5. Wird die auf Zahlung des Restkaufpreises der Eigentumswohnung gerichtete Widerklage
rechtskräftig abgewiesen, weil das Gericht erster Instanz eine Aufrechnung des Käufers mit Teilen
der Klageforderung annimmt, steht für die gegen die damit verbundene (teilweise) Klageabweisung
gerichtete Berufung des Käufers fest, dass die betroffenen Teile seiner Klageforderung verbraucht
sind.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1. (im Folgenden nur noch Beklagte) aus einem Wohnungseigentumserwerbsgeschäft
des Jahrs 2012 wegen Mängeln auf Vorschuss zur Selbstvornahme
und Schadensersatz in Anspruch. Der Senat war mit der Sache bereits verfasst.
Durch Teil- und Schlussurteil vom 31.03.2016 hat er das erste Urteil des Landgerichts in der
Sache vom 10.08.2015 (unter weitgehender Abweisung der Klage Verurteilung der Beklagten
zur Zahlung von 2.163,03 EUR Umzugskosten und Feststellung der Schadensersatzpflicht
der Beklagten für weitere Umzugskosten der Klägerin) soweit zum Nachteil der Klägerin
erkannt wurde (ausgenommen 127,20 EUR wegen denen es an einer ausreichenden Berufungsbegründung
der Klägerin mangelte) teilweise aufgehoben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Halle zurückverwiesen. Wegen der
näheren Einzelheiten und den zugrunde liegenden Feststellungen wird auf die Senatsentscheidung
vom 31.03.2016 verwiesen.
Das Landgericht hat daraufhin Beweis erhoben. Es wurden Zeugen vernommen und (zunächst
im selbstständigen Beweisverfahren 6 OH 5/15 = 10 OH 5/15 = 4 OH 4/17) ein Gutachten
des Sachverständigen K. eingeholt. Mit Teilurteil vom 25.06.2018 hat das
Landgericht über den geltend gemachten Vorschussanspruch entschieden und Ziff. 1. der
Klage insoweit zum Teil stattgegeben. Die Beklagte wurde verurteilt, an die Klägerin 68.000
EUR nebst Zinsen zu zahlen. Wegen der dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen
des Landgerichts wird auf das Teilurteil vom 25.06.2018 Bezug genommen.
Die Beklagte hatte zwischenzeitlich mit der Widerklage (Bd. IV Bl. 90 ff. d.A.) ausstehende
33.135,25 EUR des vereinbarten Kaufpreises aus den Raten fünf und sieben geltend gemacht.
Über die Widerklage sowie die übrigen Klageanträge (für Dezember 2013 bis April
2014 gezahlter Mietzins von 2.150 EUR, Sachverständigenkosten F. i.H.v. 8.165,48
EUR, H. i.H.v. 1.112,19 EUR und R. i.H.v. 11.968,65 EUR, vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten
in Höhe von 2.885,51 EUR nebst weitergehender Feststellung der Schadensersatzpflicht
der Beklagten) hat das Landgericht mit Endurteil vom 28.01.2019, auf das
wegen der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, entschieden.
Die Beklagte wurde verurteilt, an die Klägerin weitere 2.022,13 EUR nebst Zinsen zu
zahlen. Darüber hinaus hat die Einzelrichterin festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
der Klägerin jeden weiteren Wohnungsschaden aus dem Wassereintritt zu ersetzen. Im Übrigen
hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auch die Widerklage wurde abgewiesen.
Gegen das Teilurteil vom 25.06.2018 wendet sich die Berufung der Beklagten (eingelegt
durch die Beklagte selbst und ihre Streithelferin zu 1.) mit dem Ziel der Abweisung des Klageantrages
zu 1. Das Endurteil vom 28.01.2019 fechten die Klägerin und die Beklagte durch
die Streithelferin zu 1. an.
Mit ihrer Berufung gegen das Endurteil wendet sich die Klägerin gegen die Kürzung der
Sachverständigenkosten und der Rechtsanwaltsgebühren. Zu Unrecht seien die ersatzfähigen
Aufwendungen für die Sachverständigen Dr. F. und R. von 19.112,97 EUR auf
13.379,08 EUR reduziert worden. Die Differenz von 5.733,89 EUR verfolge die Klägerin weiter.
Außerdem sei es nicht gerechtfertigt, die Geschäftsgebühr auf 1,3 zu reduzieren. Auch
insoweit werde der Differenzbetrag von 779,26 EUR (2.885,51 EUR abzgl. 2.085,95 EUR)
zum Gegenstand der Berufung gemacht. Zudem habe das Landgericht zu Unrecht eine Aufrechnung
der Klägerin gegen die Restkaufpreisforderung der Beklagten von 15.592,90 EUR
angenommen.
Bei der Kürzung der Sachverständigenkosten vernachlässige das Landgericht die Erheblichkeit
des Schadens. Es sei vom gerichtlichen Sachverständigen zudem nicht festgestellt, dass
der von der Klägerin angegebene Schaden nicht doch vorliege.
Die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit sei keineswegs als durchschnittlich anzusehen. Es
seien mehrere Sachverständige auf speziellem Gebiet tätig geworden. Der Schaden sei nicht
gering. Dies rechtfertige eine 1,6 Geschäftsgebühr.
Eine Aufrechnungserklärung liege nicht vor. Die letzte Rate von 3,5% sei überhaupt nicht
fällig. Die Klägerin habe sich darüber hinaus auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Die Aufrechnung
sei für den Zeitpunkt in Aussicht gestellt worden, in dem Zahlen des Gutachtens
vorlägen. Die Klägerin habe nämlich ein erkennbares Interesse daran, Gelder einzubehalten,
um ihre erheblichen weiteren Schäden abzudecken.
Die Klägerin habe nie die Nacherfüllung unterbunden. Der Fußbodenaustausch sei notwendig.
Nichts anderes habe der gerichtliche Sachverständige festgestellt. Eben dies sei von der
Beklagten stets verweigert worden. Deshalb habe die Klägerin die unzureichenden Mangelbeseitigungsmaßnahmen
der Beklagten ablehnen dürfen. Natürlich habe die Klägerin auch
weiterhin ein Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten. Dies
folge bereits aus den weiter anfallenden Lagerkosten, Planungs- und Bauüberwachungskosten
oder einer Wertminderung der Wohnung.
Die Klägerin beantragt,
- die Berufungen der Beklagten gegen das Teilurteil vom 25.06.2018 und das
Endurteil vom 28.01.2019 zurückzuweisen.
- das Endurteil des Landgerichts vom 28.01.2019 teilweise abzuändern und die
Beklagte zu verurteilen, über die erstinstanzlich ausgeurteilten 2.022,13 EUR
hinaus weitere 22.126,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 03.05.2014 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte und ihre Streithelferinnen beantragen,
- das Teilurteil des Landgerichts vom 25.06.2018 abzuändern und die Klage zu
Ziff. 1. abzuweisen, hilfsweise die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
- das Endurteil des Landgerichts Halle vom 28.01.2019 abzuändern und die
Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 127,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2014 zu zahlen
und die Klage und die Widerklage im Übrigen abzuweisen, und
- die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil vom 28.01.2019 zurückzuweisen.
Die Beklagte und ihre Streithelferin zu 1. vertreten die Auffassung, das Landgericht habe die
gesetzlichen Voraussetzungen des Vorschussanspruchs nur unzureichend beachtet und
anhand des Sachverhalts geprüft. Tatsächlich lägen diese nicht in Gänze vor. Es bleibe unberücksichtigt,
dass die Klägerin stets die Beseitigung des gesamten Fußbodens beansprucht
habe, während sich im Zuge der Beweisaufnahme nur die teilweise Sanierungsbedürftigkeit
des Fußbodenaufbaus ergeben habe. Diese Zuvielforderung sei entscheidend.
Tatsächlich hätten ein rechtserhebliches Mangelbeseitigungsverlangen nebst Fristsetzung
oder eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Mängelbeseitigung angesichts dessen
zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Vielmehr sei es nach Klärung des Schadensumfangs erforderlich,
erstmals eine den tatsächlichen Umfang der Arbeiten betreffende Frist zu setzen.
Selbst wenn ihr der vom Landgericht festgestellte Sanierungsumfang angeboten worden
wäre, hätte die Klägerin sich darauf nicht eingelassen. Zudem hätte das Landgericht das
Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen nicht verwerten dürfen, da dieses auf Ermittlungen
beruhe, die über den Beweisbeschluss hinausgingen.
Gegen das Endurteil des Landgerichts wenden die Beklagte und ihre Streithelferin ein, dass
die Mietkosten der Klägerin in Höhe von 2.150 EUR zu Unrecht in die Berechnung des
Landgerichts eingeflossen seien. Für diesen Aufwand sei der Wasserschaden nicht ursächlich
geworden. Die Klägerin habe den der Vereinbarung vom 21.06.2013 zugrunde liegenden
Fertigstellungstermin 30.09.2013 durch Nichtzulassung der Nacherfüllung und ihre Zuvielfor7
derung unterwandert. Damit sei die Verzögerung der Beklagten nicht mehr zuzurechnen.
Darüber hinaus verfolge die Klägerin vor dem Landgericht in einem neuen Verfahren bezifferte
Ansprüche, sodass überhaupt nicht ersichtlich sei, in welcher Hinsicht noch ein Feststellungsinteresse
für den unbestimmten Feststellungsausspruch des Landgerichts bestehe.
Selbst wenn das Teilurteil des Landgerichts zutreffen würde, käme eine über das Endurteil
hinausgehende Erstattung der Privatsachverständigenkosten nicht in Betracht. Denn immerhin
habe die Klägerin aufgrund der Feststellungen ihrer Sachverständigen zu viel verlangt.
Auf die Möglichkeit der Erwerberin, Ursache und Ausmaß der Schäden richtig zu beurteilen,
komme es, wie auf die Möglichkeit des Auffindens weiterer Schäden im Zuge der Sanierung,
nicht an.
Die Kürzung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten durch das Landgericht sei schon
im Hinblick auf die berechtigte Vorschussforderung folgerichtig. Ebenso zutreffend sei die
Auffassung des Landgerichts, wonach die Sache gerade nicht von überdurchschnittlicher
Schwierigkeit gewesen sei.
Das von der Klägerin geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht sei in eine Aufrechnung umzudeuten.
Für ein Zurückbehaltungsrecht habe nach dem Zusprechen eines Vorschusses
kein Anlass mehr bestanden. Zudem habe das Landgericht die Aufrechnungserklärung im
Tatbestand des Urteils festgestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg, während sich die Rechtsmittel der
Beklagten als unbegründet erweisen. Soweit das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines
Vorschusses nach §§ 637 III; 634 Nr. 2 BGB und zum Schadensersatz nach §§ 280 I; 278;
634 Nr. 4 BGB verurteilt hat, beruhen das Teilurteil vom 25.06.2018 und das Endurteil vom
28.01.2019 auf keiner Rechtsverletzung i.S.v. §§ 513 I; 529 ZPO. Dagegen stößt das Endurteil
zum Teil auf durchgreifende rechtliche Bedenken, soweit die aus §§ 280 I; 634 Nr. 4 BGB
folgenden Ersatzansprüche der Klägerin zumindest bzgl. der Sachverständigenkosten eine
Kürzung erfuhren. Hierüber ist durch Endurteil zu entscheiden, nachdem die Klägerin im letzten
Termin zur Sache verhandelt hat.
1. a) Das Landgericht hat im Teilurteil vom 25.06.2018 zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin
habe auf Grund der im Wohnungseigentumserwerbsvertrag eingegangenen Bauverpflichtung
der Beklagten gegen die Verkäuferin einen Anspruch auf Vorschuss aus §§ 634
Nr. 2; 637 BGB. Die Wohnung Nr. 2 sei mit einem Mangel behaftet. Dieser beschränke sich
nicht nur auf den vor der Abnahme eingetretenen Wassereinbruch. Vielmehr sei nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme die Estrichdämmung des Wohnungseigentums teilweise mit
Schimmelpilzsporen belastet. Das Werk eigne sich damit nicht für die gewöhnliche Verwendung
und weise keine Beschaffenheit auf, die bei Neubauwohnungen gleicher Art üblich sei
und die die Klägerin der Art nach hätte erwarten können (§ 633 II 2 Nr. 2 BGB). Nach den
Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes, insbesondere im neuesten Schimmelpilzleitfaden
(Leitfaden: Zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden),
und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen sei bei einer Schimmelpilzkonzentration
ab 10.000 KBE/g von einem Schimmelpilzbefall auszugehen. Schon ein geringer Befall stelle
sich für die Klägerin als Mangel dar. Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen
K. seien in fünf Räumen der Wohnung der Klägerin Schimmelpilzkonzentrationen
über diesem Grenzwert festzustellen. Dort müsse, so der Sachverständige, zum Erreichen
der vertraglich geschuldeten normalen Hintergrundbelastung die Estrichdämmung
entfernt werden. Ein grenzwertüberschreitender Befall mit Pilzsporen sei für den Unternehmer
reaktions- und damit nacherfüllungspflichtig. Deshalb sei in den betroffenen Räumen der
Fußbodenaufbau ggf. nebst der angrenzenden Bauteile komplett auszutauschen, was sich
bereits aus der Notwendigkeit des Auswechselns der Heizschlangen der Fußbodenheizung
ergäbe. Ohne diese Maßnahme würden die Randfugen des Fußbodenaufbaus als Schwachstelle
verbleiben. Chemische Maßnahmen seien ebenso unzureichend. Von schwer zu besiedelnden
Materialien und einer schnellen Trocknung des Wasserschadens könne nicht
ausgegangen werden. Die Sanierungsschritte des von der Klägerin beauftragten Sachverständigen
R. seien nach den Feststellungen des Sachverständigen K. nachvollziehbar
und entsprächen der üblichen Schimmelpilzsanierung. Soweit die Zeugen die Sanierungsvorstellungen
der Beklagten dargestellt hätten, seien diese unzureichend und entbehrten
mit der mikrobiellen Untersuchung des Fußbodenaufbaus einer ausreichenden tatsächlichen
Grundlage. Soweit die Sanierung des Fußbodenaufbaus danach erforderlich sei, habe
es keiner Fristsetzung der Klägerin zur Nacherfüllung nach
Beklagte habe mehrfach die einzig in Betracht kommende Mangelbeseitigungsmaßnahme
ernsthaft und endgültig abgelehnt. Auf weniger habe sich die Klägerin nicht einlassen müssen.
Der danach geschuldete Vorschuss (§ 637 III BGB) sei zu schätzen (
schließe sich die Einzelrichterin der Kostenermittlung des Sachverständigen K.
im Ergänzungsgutachten vom 24.11.2017 an. Genaueres müssten die konkrete Sanierungsplanung
und die während der Sanierung zu treffenden Feststellungen zum Ausmaß des
Schimmelbefalls ergeben. Die Berücksichtigung von Sanierungsaufwand auch außerhalb der
betroffenen Räume sei richtig. Derartige Kosten seien sehr wahrscheinlich, da die Klägerin
sich beispielsweise nicht auf Rohrkupplungen verweisen lasse müsse, denn diese entsprächen
nicht dem geschuldeten Neubauzustand. Dass der Sachverständige bei der Kostenermittlung
auf seine Erfahrung und Baukostentabellen zurückgegriffen habe, begegne im Hinblick
auf die von Beklagtenseite eingewandten geringeren örtlichen Baukosten keinen Bedenken.
Dies sei eine Frage der endgültigen Abrechnung des Vorschusses. Neben dem danach
geschuldeten Vorschuss von 68.000 EUR habe die Beklagte Rechtshängigkeitszinsen
aufzubringen.
Dies hält auf die Berufung der Beklagten einer Nachprüfung durch den Senat stand.
b) Wie der Senat mit der Verfügung vom 12.11.2018 mitgeteilt hatte, war das Teilurteil des
Landgerichts (vgl.
bestand offensichtlich die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen (vgl.
hierzu Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 301 Rdn. 12 m.w.N). Dieser Mangel ist nunmehr
durch den Beschluss des Senats vom 30.04.2019 geheilt. Die Unzulässigkeit des Teilurteils
endet, wenn sich die prozessuale Situation so entwickelt, dass es nicht mehr zu widersprüchlichen
Entscheidungen kommen kann, wie etwa durch die Verbindung der Rechtsmittelverfahren
gegen das Teil- und das Schlussurteil (Zöller/Feskorn, § 301 Rdn. 23).
c) Auf das Vertragsverhältnis der Parteien sind die Bestimmungen des BGB in der Fassung
vor dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts vom 28.04.2017 (BGBl. I 969) anzuwenden
(Art. 229 § 39 EGBGB).
d) Der Senat hat zur materiellen Rechtslage bereits in dem Teil- und Schlussurteil vom
31.03.2016 Stellung genommen. Danach hängt der geltend gemachte Vorschussanspruch
der Klägerin davon ab, ob sich die in diesem Zusammenhang aufgestellte Mangelbehauptung
beweisen lässt. Den Beweis eines Schimmelbefalls bzw. Schimmelwachstums in der
Wohnung, insbesondere auch der Estrichdämmung, hat die Klägerin mit Hilfe des Gutachtens
des Sachverständigen K. geführt. Damit ist die von der Beklagten verkaufte
Wohnung nicht frei von Sachmängeln i.S.v. § 633 I, II 1, 2 BGB. Die insoweit getroffenen
Feststellungen des Landgerichts bieten keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit
oder Vollständigkeit.
aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gutachten des Sachverständigen zu
verwerten, denn das Verfahren der Beweisaufnahme verlief ordnungsgemäß.
Das zunächst von der Klägerin eingeleitete selbständige Beweisverfahren wurde zutreffend
im Streitverfahren fortgesetzt. Auch während des Prozesses kann die Begutachtung durch
einen Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren erfolgen (§ 485 I ZPO). Beruft
sich in diesem Fall eine Partei im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis erhoben
wurde, so steht das selbständige Beweisverfahren einer Beweiserhebung vor dem Prozessgericht
gleich (
(Zöller/Herget, § 493 Rdn. 1). Damit geht auch die Zuständigkeit für die weitere Beweiserhebung
auf das Prozess- bzw. Streitgericht über (BGH
ZPO, 16. Aufl., § 493 Rdn. 4).
Das Gutachten des Sachverständigen ging außerdem zu keinem Zeitpunkt über die Beweisanordnung
des Landgerichts vom 09.10.2015 hinaus. Es wurde über die Behauptung der
Klägerin, in den einzelnen Räumen sei jeweils eine mikrobielle Belastung mit Schimmelpilzen
und Bakterien vorhanden, Beweis erhoben. Diese Behauptung bezog sich schon dem
Wortlaut nach nicht auf die Zimmerluft, sondern meinte die gesamte Wohnung, also auch die
einzelnen Bauteile, wie den Fußboden. Aus Ziff. II e) konnte nicht der Schluss gezogen werden,
es ginge nur um die Zimmerluft. Auch unter Berücksichtigung der Antragsschrift war das
Verständnis des Sachverständigen, welches seiner Begutachtung zugrunde lag, zwingend.
Denn die Klägerin verwies ausdrücklich auf das eingeholte Parteigutachten des Sachverständigen
Dr. F. und stellte gerade die Betroffenheit der Fußbodenkonstruktion als streitig
dar. Gerade dem sollte durch den Beschluss des Landgerichts nachgegangen werden.
bb) Zutreffend hat das Landgericht die Mangelhaftigkeit der Wohnung angenommen und in
diesem Zusammenhang auch die Betroffenheit der Fußbodenkonstruktion bis hin zur Estrichdämmung
in fünf Räumen festgestellt. Insoweit wies die Wohnung zur Zeit der Abnahme
(vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2016 – VII ZR 210/13) nicht die vertraglich vereinbarte und vertraglich
vorausgesetzte Beschaffenheit auf. Die Beklagte hatte sich zumindest stillschweigend
verpflichtet, eine funktionstaugliche Wohnung herzustellen (BGH, Urteil vom
29.09.2011 – VII ZR 87/11; BGH, Urteil vom 08.05.2014 – VII ZR 203/11; Kniffka, Bauvertragsrecht,
3. Aufl., S.279; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., S. 410). Das
bedeutet, dass die Wohnung dazu geeignet sein musste, darin ohne (bekannte) gesundheitliche
Risiken auf Dauer zu leben. Diese Voraussetzungen waren mit der Feuchtigkeit und
dem davon initiierten Schimmelwachstum nicht gegeben. Schimmelwachstum in Innenräumen
ist ein Gesundheitsrisiko und ein hygienisches Problem, das jedenfalls in einer neu errichteten
Wohnung dann gegeben und als Mangel zu behandeln ist, wenn die normale Hintergrundbelastung,
die der Sachverständige unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Umweltbundesamtes
(vgl. hierzu auch S. 114 des Schimmelpilzleitfadens 2017) überzeugend mit
10.000 KBE/g angegeben hat, überschritten wird. Eine Eignung zu Wohnzwecken fehlt (OLG
Frankfurt, Urteil vom 10.02.2006 – 21 U 57/05).
e) Die Mangelhaftigkeit der Wohnung führt zu einem Nacherfüllungsanspruch der Klägerin
(
Stelle auf die Ursache oder ein Verschulden ankommt. Entgegen der Auffassung der Beklagten
ist der Anspruch nicht auf Grund unverhältnismäßiger Kosten (§ 635 III BGB) oder unverhältnismäßigen
Aufwandes (§ 275 II BGB) ausgeschlossen. Es besteht kein Missverhältnis
zum objektiven Interesse der Klägerin an der vertraglich geschuldeten Leistung. Der von
der Klägerin angestrebte Beseitigungsvorteil ist die Herstellung gesundheitlich unbedenklicher
Wohnbedingungen und zwar auch im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit des Wohnens.
Auch wenn die Klägerin derzeit geringen Schimmelpilzbelastungen gewachsen sein könnte,
schließt dies den zukünftigen Erwerb von Risikofaktoren, wie z.B. einer Immunschwäche,
nicht aus. Ist danach das Leistungsinteresse der Klägerin unabweisbar, kommen die Einwände
der Beklagten nicht zum Tragen. Hinzu tritt die Ersatzpflicht des haftpflichtversicher11
ten Streithelfers, die es noch weniger verständlich erscheinen lässt, warum das Leistungsinteresse
der Klägerin zurücktreten soll.
f) Damit steht der Klägerin aber auch das Recht zur Selbstvornahme offen. Auf eine Fristsetzung
nach
Bereits in seinem Teil- und Schlussurteil hat der Senat ausgeführt, dass hier jede der Parteien
das Risiko trägt, das Ausmaß des Mangels verkannt zu haben. Vor allem trifft dies nunmehr
auf die Beklagte zu, denn sie hat auf das Verlangen der Klägerin stets die Sanierungsbedürftigkeit
des Fußboden bestritten und nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens
nur unzureichende Mangelbeseitigungsarbeiten angeboten, die die Klägerin ablehnen
durfte (= endgültige Verweigerung der Mangelbeseitigung).
Die bislang erst zum Teil feststehende Fußbodenbetroffenheit ändert hieran nichts. Auch bei
den Mangelrechten kann eine erhebliche Zuvielforderung gemäß § 242 BGB einem wirksamen
Beseitigungsverlangen entgegenstehen. Die vom BGH entwickelten Grundsätze zur
Unwirksamkeit von Mahnungen bei Zuvielforderungen gelten grundsätzlich auch bei der Geltendmachung
von Gewährleistungsansprüchen im Werkvertragsrecht, dessen Besonderheiten
allerdings zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 05.10.2005 – X ZR 276/02). Ein
überhöhtes Nachbesserungsverlangen ist unschädlich, sofern es der Unternehmer als Aufforderung
zur Erbringung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen konnte und der
Besteller zur Entgegennahme auch dieser eingeschränkten Nacherfüllung bereit ist (Staudinger/
Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2014, § 634 Rdn. 53). Hieran besteht vorliegend kein
Zweifel. Der Besteller wird regelmäßig Nachbesserungen, die ihm die vertraglich vereinbarte
Nutzung gestatten, selbst dann nicht zurückweisen, wenn er meint, noch mehr verlangen zu
können (BGH a.a.O.). Das trifft auch auf die Klägerin zu, denn sie hat gegen das Teilurteil
kein Rechtsmittel eingelegt, akzeptiert also erst einmal den vom Sachverständigen für notwendig
erachteten Mangelbeseitigungsumfang. Dass sich die Klägerin gegenüber einer
nacherfüllungswilligen Beklagten anders verhalten hätte, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte
hat bisher jedoch zu keiner Zeit auch nur ansatzweise in Aussicht gestellt, sich dem Boden
und dessen Sanierung zuwenden zu wollen. Selbst als sie die Gelegenheit zur Untersuchung
des Wohnung und zur Ermittlung des Ausmaßes des Schadens hatte, beschränkte man sich
auf Luftmessungen, die für sich betrachtet unzureichend bzw. nicht aussagekräftig sind (vgl.
S. 101 f.; S. 115 f. des Schimmelpilzleitfadens). Hätte sich die Beklagte dem berechtigten
Anliegen der Klägerin ernsthaft zugewandt, hätte sich die Klägerin dem Ergebnis der notwendigen
Untersuchungen durch die Beklagte sicher nicht verschlossen. Anders war ihr
Nachverfüllungsverlangen nicht zu verstehen.
Im Ergebnis kommt es hierauf nicht einmal an. Auch nach dem Vorliegen des Gutachtens
hat sich die Beklagte u.a. mit ihrem Schriftsatz vom 02.03.2018 auf den Standpunkt gestellt,
die vom Sachverständigen vorgesehene Mangelbeseitigung sei unverhältnismäßig. Es ginge
nur um die Raumluft (Bd. VI Bl. 105 f.). Das ist aber nicht der Fall, denn die Schimmelsporen
können aus dem Fußboden bzw. dessen Randbereiche durch Begehen austreten, wie das
Landgericht zutreffend festgestellt hat. Ein gefahrlos hinnehmbarer unsanierter Zustand des
Fußbodens setzt nicht zu erreichende dauerhafte Dichtheit voraus und stellt sich zudem als
Werteinbuße dar, weil jeder Wohnungserwerber in diese Richtung aufzuklären wäre. Beruft
sich der Unternehmer zu Unrecht auf §§ 635 III; 275 II BGB kann eine ernsthafte und endgültige
Erfüllungsverweigerung vorliegen (Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. § 636 Rdn. 5), was der
Senat angesichts des durchgängig zum Ausdruck gebrachten Unwillens der Beklagten zur
nachhaltigen Mangelbeseitigung annimmt. Entscheidend ist, ob aus der Sicht des Vertragspartners
unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände die Erfüllungsbereitschaft endgültig
fehlt, was auch bei einem bloßen Rechtsirrtum der Fall sein kann, wenn weitere Umstände
hinzukommen, insbesondere sich der Vertragspartner als uneinsichtig zeigt (BGH, Urteil vom
07.03.2013 – VII ZR 162/12). Die Beklagte ist erkennbar nicht bereit, den Fußboden zu sanieren.
Ermittlungen wurden von ihr in diese Richtung nicht geführt. Ihre mehrfach geäußerte
Bereitschaft zur Nacherfüllung schloss eine tiefergehende Fußbodensanierung nie ein und
ignorierte offensichtlich die berechtigten Bedenken der Klägerin.
g) Für die nach
Aufwendungen kann der Besteller einen abzurechnenden Vorschuss verlangen (§ 637 III
ZPO). Gegen den vom Landgericht mit sachverständiger Hilfe ermittelten Betrag von 68.000
EUR ist nichts zu erinnern. Der Anspruch geht auf den Geldbetrag, der die Kosten der Mangelbeseitigung
mutmaßlich, das heißt aus Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden
und sachkundig beratenen Bestellers voraussichtlich deckt. Hieran sind keine hohen Anforderungen
zu stellen. Zusätzlich werden Prozesszinsen geschuldet.
Damit ist gleichzeitig festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die gesamten Mängelbeseitigungskosten
zu tragen, also auch die den Vorschuss übersteigenden Selbstvornahmekosten
(BGH, Urteil vom 25.09.2008 – VII ZR 204/07).
2. a) Zur Begründung des Endurteils vom 28.01.2019 hat das Landgericht ausgeführt: Die
von ihr aufgewandten Sachverständigenkosten habe die Klägerin von der Beklagten ursprünglich
im Umfang von 13.379,08 EUR erstattet verlangen können (§§ 634 Nr. 4; 280 I
BGB). Diese Kosten würden auf einem vorwerfbaren Sachmangel beruhen und seien damit
neben den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten im Wege des Schadensersatzes neben
der Leistung zu ersetzen. Die Schimmelschäden habe die Klägerin nur mit der in Anspruch
genommenen sachverständigen und anwaltlichen Hilfe bewältigen bzw. ermitteln können.
Die von den Sachverständigen abgerechneten vereinbarten Honorare habe die Klägerin be13
zahlt, sodass diese zum notwendigen Herstellungsaufwand zu zählen seien. Das dagegen
vorgebrachte einfache Bestreiten der Beklagten sei nicht erheblich. Dennoch erwiesen sich
die Fahrtkosten des Sachverständigen R. lt. Rechnung vom 20.09.2013 in Höhe von brutto
1.774,20 EUR als nicht ersatzfähiger Aufwand. Gerade weil mit dem Sachverständigen H.
bereits ein ortsansässiger Bausachverständiger von der Klägerin hinzugezogen gewesen
sei, habe sich der Geschädigten erschließen müssen, dass es der Beauftragung eines weiteren
Bausachverständigen aus München nicht bedurft habe. Der Sachverständige Dr. F.
habe auch mit einem ortsansässigen Bausachverständigen zusammenarbeiten können, womit
keine Fahrtkosten entstanden wären. Danach seien an Sachverständigenkosten
19.112,97 EUR ersatzfähig:
- 1.112,19 EUR H. ,
- 3.142,49 EUR Dr. F. ,
- 3.973,41 EUR Dr. F. ,
- 1.049,58 EUR Dr. F. ,
- 8.794,33 EUR abzgl. 1.774,29 EUR Skonto = 7.020,04 EUR R. ,
- nach Skontoabzug 2.815,26 EUR R. .
Außerdem hätten sich die Mängel im Zuge der Beweisaufnahme nur teilweise bestätigt, was
auch für den vorgerichtlich ermittelten und eingeklagten Vorschuss von 97.000 EUR gelte.
Der mit dem Teilurteil der Kammer zugesprochene Vorschuss von 68.000 EUR entspräche
nur 70% der Klageforderung, sodass die Sachverständigenkosten um 30% zu kürzen seien.
Die geltend gemachten Mietkosten schulde die Beklagte nicht nur aus § 280 I BGB, sondern
auch aus der Vereinbarung vom 21.06.2013. Es sei der Klägerin nicht zumutbar gewesen, in
einer Wohnung zu leben, die teilweise mit Schimmelsporen belastet sei. Zwar sei eine Belastung
der Raumluft nicht festzustellen gewesen. Der Sachverständige K. habe aber
darauf hingewiesen, dass durch das Belaufen des Fußbodens eine Mobilisierung der Sporen
möglich sei. Ferner sei im Zuge der notwendigen Sanierung sowieso ein Auszug notwendig.
Die Wahl des betriebenen Gerichtsverfahrens könne der Klägerin nicht als Verletzung der
Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden. Hinzu kämen unter Berücksichtigung des
für begründet erachteten Begehrens der Klägerin und des nur durchschnittlichen und die
Regelgebühr von 1,3 rechtfertigenden Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit vorgerichtliche
Rechtsverfolgungskosten von 2.085,95 EUR. Der sich so auf 17.615,03 EUR summierende
Schadensersatzanspruch der Klägerin sei durch ihre Aufrechnung gegen einen Restkaufpreisanspruch
der Beklagten von 15.592,90 EUR erloschen. Von der fünften Kaufpreisrate
(37.033,55 EUR) habe die Klägerin unstreitig 13.644,05 EUR gezahlt. Außerdem seien durch
Vorlage von Kontoauszügen weitere Zahlungen vom 24.05.2013 und 29.05.2013 in Höhe
von 11.694,90 EUR und 5.847,45 EUR nachgewiesen. Hinzu komme die offene siebente
Rate von 9.745,75 EUR. Zinsen habe die Beklagte aufgrund des mangelbedingten Leistungsverweigerungsrechts
nie beanspruchen können. Erhebe die Klägerin die Einrede des
nichterfüllten Vertrages und erkläre sie gleichzeitig die Aufrechnung gebühre der Aufrechnung
der Vorrang. In diese Richtung sei dann die Verteidigung der Klägerin zu interpretieren.
Es verbleibe dann nur noch eine Schadensersatzforderung von 2.022,13 EUR. Die Widerklage
sei mangels Restkaufpreisanspruches abzuweisen. Da der Klägerin wahrscheinlich
weitere Schäden entstehen würden, sei die begehrte Feststellung zu treffen.
Dies hält nur der Berufung der Beklagten stand.
b) Berufung der Beklagten:
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil ist unbegründet. Das Landgericht hat zutreffend
den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der zwischen Dezember 2014 und April 2014
gezahlten Mieten von insgesamt 2.150 EUR bejaht sowie die Schadensersatzpflicht der Beklagten
festgestellt (§§ 280 I; 634 Nr. 4 BGB).
aa) Die die Feststellungsklage (soweit bisher nicht beschieden) betreffenden Zulässigkeitsbedenken
der Beklagten teilt der Senat nicht. Auch wenn die Klägerin an anderer Stelle bereits
bezifferte Schadensersatzforderungen gerichtlich geltend macht, lässt dies das Interesse
an der alsbaldigen Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten (vgl. § 256 I
ZPO) nicht entfallen. Der Umfang des Schadens und die noch ausstehende Sanierung lassen
weitere Vermögensbeeinträchtigungen befürchten, für deren erfolgreiche Geltendmachung
in der Zukunft die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung notwendig erscheinen
(Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 256 Rdn. 54).
Der dem Antrag stattgebende Ausspruch des Landgerichts ist nicht unbestimmt. Die Einschränkung
der Ersatzpflicht auf Schäden, die nicht bereits anhängig sind, liegt in der Natur
von künftigen Ersatzverpflichtungen, wie sie Gegenstand der beantragten Feststellung sind.
Gemeint sind alle nach Anhängigkeit der Klage entstandenen Forderungen (OLG Naumburg
wie sie überflüssig ist.
Die Berufung der Beklagten nimmt der Senat zum Anlass, den Feststellungsausspruch von
Amts wegen i.S.e. Minus zu konkretisieren.
bb) In der Sache macht die Klägerin einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung
geltend, für den es einer Fristsetzung nicht bedarf. Betroffen sind durch den Mangel hervorgerufene
Schäden, deren Beseitigung nicht Teil des Nacherfüllungsanspruchs ist oder die
durch die Nacherfüllung nicht mehr zu beseitigen sind. Der Unternehmer verletzt mit dem
Mangel seine Vertragspflichten. Er ist gemäß § 280 I BGB zum Schadensersatz verpflichtet,
es sei denn, er hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Letzteres liegt gemäß § 278 BGB
schon deshalb fern, weil die Streithelferin zu 1. Erfüllungsgehilfin der Beklagten ist. Damit
sind die Voraussetzungen für die Feststellung der Ersatzpflicht erfüllt, denn der Klägerin
werden offensichtlich noch weitere Schäden entstehen, wie beispielsweise Miet- und Lagerkosten.
cc) Ihre Mietkosten kann die Klägerin bei der Beklagten liquidieren, ohne dass es hierfür auf
die Vereinbarung vom 21.06.2013 ankommt. Der Anspruch auf Ersatz der Kosten für die
Anmietung einer Ersatzwohnung folgt schon aus § 280 I BGB.
Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegt nicht vor. Der Klägerin war nicht zuzumuten,
in einer schimmelbelasteten Wohnung zu wohnen und sich angesichts der Sanierungspflicht
der Beklagten dort dauerhaft einzurichten. Dafür kommt es nicht darauf an, dass
nach den bisherigen Feststellungen des Sachverständigen einige Teile der Wohnung nicht
im Fußbodenbereich zu sanieren sind. Die Klägerin war angesichts des Ausmaßes des
Schadens und der damit für sie verbundenen Einschränkungen und gesundheitlichen Risiken
nicht verpflichtet, sich auf eine Teilnutzung der Wohnung einzulassen. Genauso wenig
musste sich die Klägerin zur Beschleunigung der Sache mit einer unzureichenden Nacherfüllung
durch die Beklagte abfinden.
c) Berufung der Klägerin:
Die Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg. Das Endurteil des Landgerichts
beruht auf Rechtsverletzungen soweit die Ersatzansprüche für aufgewandte Sachverständigenkosten
gekürzt wurden. Die Beklagte hat der Klägerin aus § 280 I BGB auch Schadensersatz
zu leisten, soweit für die Untersuchung des Mangels und seiner Folgen sowie für die
vorgerichtliche Rechtsverfolgung Kosten z.B. für Sachverständige oder Rechtsanwälte angefallen
sind (vgl. auch § 635 II BGB). Dies lässt zwar auch die Ermäßigung der geltend gemachten
Rechtsanwaltskosten nicht fehlerfrei erscheinen. Insoweit fehlt es jedoch an der
Entscheidungserheblichkeit der Rechtsverletzung des Landgerichts, da die übrigen Voraussetzungen
eines über die angefochtene Entscheidung hinausgehenden Erstattungsanspruchs
der Klägerin insoweit nicht dargelegt sind.
aa) Sachverständigenkosten des Bestellers sind als Schadensersatz neben der Leistung zu
erstatten (Kniffka/Koeble, S. 50; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rdn. 159). Es
geht dabei um Aufwand, der es dem Besteller erlaubt, Ursache und Ausmaß des Mangels
zuverlässig zu ermitteln, was bei Mängeln nicht ganz untergeordneter Bedeutung normalerweise
nicht zu beanstanden ist (Werner/Pastor Rdn. 163, 165). Zu ersetzen ist nur der notwendige
Aufwand, der sich danach richtet, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige
Partei die Kosten auslösende Maßnahme (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte (Werner/
Pastor, Rdn. 165). Die in dieser Beziehung von den Beklagten gegen die Kosten der
Sachverständigen Dr. F. und R. erhobenen Bedenken teilt der Senat nicht.
Der Einfluss von Feuchtigkeit auf das Bauwerk und die in diesem Zusammenhang zu befürchtende
Schimmelpilzbelastung sind keine einfachen Fragen, die ein Bauherr ohne sachverständigen
Beistand klären könnte. Dabei erfordert gerade die Schimmelpilzbelastung die
Gesamtbewertung einer Vielzahl von Untersuchungen und Informationen, die nach dem aktuellen
Schimmelpilzleitfaden des Umweltbundesamtes Fachleuten vorbehalten sein sollte.
Die Gesamtbeurteilung setzt hohen Sachverstand voraus, der sich auf verschiedene Fachdisziplinen
erstreckt und daher interdisziplinäres Zusammenwirken verlangt. Eine derart ge16
lagerte Sachkunde ist bei Bausachverständigen ohne spezielle Ausbildung nicht zu vermuten.
Es war aus objektiver Sicht der Klägerin daher notwendig, sich der Mitwirkung hoch
spezialisierter und im Zusammenwirken eingearbeiteter Sachverständiger zu bedienen, die
weder an die Vergütungssätze des JVEG gebunden sind (Werner/Pastor, Rdn. 155) noch
sich auf eine ortsübliche Sachverständigenvergütung beschränken müssen. Hoher Sachverstand
ist auch entsprechend höher zu vergüten. Dementsprechend konnte die Klägerin die
entsprechenden Honorarvereinbarungen treffen und abschließend die versprochene Vergütung
zahlen, ohne sich berechtigten Einwänden der Beklagten ausgesetzt zu sehen. Der so
in Übereinstimmung mit den Rechnungen und den zugrunde liegenden Vereinbarungen tatsächlich
getätigte Aufwand ist nunmehr der Anhalt für den erforderlichen Geldbetrag (BGH,
Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15; BGH, Urteil vom 05.06.2018 – VI ZR 171/16). Insoweit
mögen sich darin auch Erkenntnis- und Einflussdefizite der Klägerin niedergeschlagen
haben. Die Ersatzpflicht der Beklagten schränkt dies nicht ein (BGH a.a.O.). Der Geschädigte
ist nicht verpflichtet, den ihm zugänglichen Markt zu erforschen, um einen möglichst preisgünstigen
Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 28.02.2017 – VI ZR
76/16).
Die Kürzung der Sachverständigenkosten um 30% entsprechend dem Erfolg der Vorschussklage
begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In der Situation der Klägerin ist der
Bauherr nicht in der Lage, den Mangel und die aus ihm folgenden Ansprüche richtig zu beurteilen
(BGH, Urteil vom 22.10.1970 – VII ZR 71/69). Er ist auf Grund des Mangels quasi gezwungen,
Sachverständige hinzuzuziehen. Es erscheint damit unbillig, ihn mit dem Risiko
der zutreffenden Beurteilung durch den Sachverständigen zu belasten. Unter Umständen
besteht deshalb sogar ein Anspruch auf Ersatz der Kosten eines ungeeigneten Gutachtens
(Palandt/Grüneberg, § 249 Rdn. 58).
Es kann dahinstehen, ob die vom Landgericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogene
Entscheidung des OLG Düsseldorf in der dort dargestellten Allgemeinheit zutrifft. Jedenfalls
hier hat der gerichtliche Sachverständige die Untersuchung der Wohnung der Klägerin
keineswegs als beendet betrachtet und für weitere Feststellungen auf die Sanierung
selbst verwiesen. Es lässt sich daher gegenwärtig gerade nicht feststellen, dass die Klägerin
mit ihren Sachverständigen einen Aufwand betrieben hat, der sich letztlich in einem überhöhten
Selbstvornahmeaufwand niederschlug.
bb) Genauso wenig ließen sich die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, insbesondere
von einer 1,6 auf die Mittelgebühr von 1,3, reduzieren. Bei der Geschäftsgebühr handelt es
sich um eine Rahmengebühr. Gemäß § 14 I 1, 2 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Ge17
bühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-
und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, aber auch mit Blick auf ein besonderes
Haftungsrisiko nach billigem Ermessen.
Kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich
oder schwierig ist, hätte der Senat bereits keine Bedenken, dies anzunehmen. Von Anfang
an war nicht nur die Beseitigung des Wasserschadens, sondern es waren auch die Schimmelpilzbildung,
die Belastung der Wohnung mit Sporen, die Aufklärung dieses Sachverhalts
und die daraus zu ziehenden gewährleistungsrechtlichen Konsequenzen Gegenstand der
vorgerichtlichen Tätigkeit des eingeschalteten Rechtsanwalts. Dies geht über einen normalen
Baurechtsfall hinaus. Denn die Beeinträchtigung durch das Schimmelwachstum im Estrich
muss aufwändig sachverständig ermittelt werden und führt für den Auftraggeber zu erheblichen
Aufwendungen, die einen Rechtsanwalt auch einem überdurchschnittlichen Haftungsrisiko
aussetzen. Hinzu kommt mit der Streithelferin zu 1. und deren Haftpflichtversicherer
die Einbeziehung eines weiteren Beteiligten.
Für das Ergebnis käme es hierauf aber nicht einmal an. Dem Rechtsanwalt ist bei der Gesamtabwägung,
was aus seiner Sicht als angemessen anzusehen ist, ein weites billiges Ermessen
eingeräumt. Dieses Ermessen verleiht ihm einen Spielraum bis zu 20% (sog. Toleranzgrenze).
Bewegt sich der Rechtsanwalt bei der Erhöhung der Regelgebühr um 0,3 innerhalb
dieser Toleranzgrenze und ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit
unterdurchschnittlich war, ist das von einem ersatzpflichtigen Dritten, wie der Beklagten,
hinzunehmen (BGH, Urteil vom 08.05.2012 – VI ZR 273/11). Nach
ersatzpflichtiger Dritter nur einwenden, dass die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung
unbillig ist, was hier nicht zutrifft.
Allerdings kann die Klägerin über den vom Landgericht berücksichtigten und von keiner Seite
angegriffenen Betrag hinaus weitergehende Anwaltskosten nicht erstattet verlangen. Es liegt
weder ein Kostennote vor noch ist vorgetragen, dass die Klägerin die Rechtsverfolgungskosten
bezahlt hat. Hierauf musste die Klägerin gemäß § 139 II 1 ZPO nicht gesondert hingewiesen
werden, zumal die Beklagtenseite mehrfach auf die Unschlüssigkeit der Rechtsverfolgungskosten
aufmerksam gemacht hat.
cc) Zu Unrecht wendet sich die Berufung der Klägerin gegen das teilweise Erlöschen des
Ersatzanspruchs durch die vom Landgericht angenommene Aufrechnung gegen die berechtigte
Widerklageforderung von 15.592,90 EUR. Dabei kann es offen bleiben, ob die Klägerin
eine Aufrechnung gegen die Widerklageforderung erklärt hat (vgl. § 388 BGB; Zöller/Greger,
§ 145 Rdn. 11b) oder die Aufrechnungserklärung hinreichend bestimmt war, um zum Erlöschen
von Forderung und Gegenforderung führen zu können (vgl. Zöller/Greger, § 145 Rdn.
16a). Zumindest steht mangels Anfechtung der Entscheidung über die Widerklage nunmehr
rechtskräftig fest, dass der Anspruch der Klägerin im Umfang der angenommenen Aufrechnung
nicht mehr besteht, ihre Gegenforderung im Umfang der Widerklageforderung also
verbraucht ist (§ 322 II ZPO; Zöller/Vollkommer, § 322 Rdn. 21). Hat das Gericht die Klage
wegen der Aufrechnung abgewiesen, ohne deren Zulässigkeit trotz begründeten Anlasses zu
prüfen, so ändert dieser Fehler an der Rechtskraft der Entscheidung nichts (Gottwald, in:
MünchKomm.-ZPO, 5. Aufl., § 322 Rdn. 200; Zöller/Vollkommer, § 322 Rdn. 19).
dd) Nach alledem ergibt sich für die bezifferte Schadensersatzforderung der Klägerin folgende
Rechnung:
- Sachverständigenkosten : 19.112,97 EUR,
- Miete: 2.150,00 EUR,
- Rechtsanwaltskosten: 2.085,95 EUR
23.348,92 EUR.
Davon ist die berechtigte Widerklageforderung von 15.592,90 EUR abzuziehen, die rechtskräftig
zum teilweisen Erlöschen des Schadensersatzanspruches führte. Es bleibt ein
Restanspruch von 7.756,02 EUR, auf den Prozesszinsen zu zahlen sind.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 I 1; 97 I, 101 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit entspricht §§ 708 Nr. 10; 711 1, 2; 709 2 ZPO.
Die Revision lässt der Senat nicht zu. Die Sache wirft keine entscheidungserheblichen
Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf und weder die Fortbildung des Rechts noch die
Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung verlangen nach einer Entscheidung des
Revisionsgerichts.
Der Streitwert ist nach §§ 47 I 1, II 1; 39 I; 43 I; 45 I 1, II; 48 I 1 GKG; § 3 ZPO festgesetzt.
Krause
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Naumburg
Erscheinungsdatum:11.07.2019
Aktenzeichen:1 U 116/18
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NJW-RR 2019, 1130-1133
NJW-RR 2019, 1485-1489
BGB §§ 278, 280 Abs. 1, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 634 Nr. 2 u. 4, 637 Abs. 1 u. 3