Keine Dienstbarkeit nach § 9 GBBerG an Bahnlinien
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Dokumentnummer: 3zr13601
letzte Aktualisierung: 21.02.2002
Beitrittsgebiet gelegene Bahnlinie kreuzt, konnte an dem Trassengrundstück keine
beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach
und 4 SachenR-DV entstehen, da zu den öffentlichen Verkehrswegen und Verkehrsflächen, bei denen diese Bestimmungen nach
finden, auch Bahnlinien (Schienenwege i.S.d.
b) Auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift für die Kreuzung und Näherung
fremder Versorgungs-, Informations- und Verkehrsanlagen mit Bahnanlagen
der Deutschen Reichsbahn und Anschlußbahnen vom 29. Dezember 1967
hat ein Wasserversorgungsunternehmen ohne den Nachweis einer ihm
günstigen (gestattungs-)vertraglichen Folgekostenregelung die Kosten zu
tragen, die dadurch entstehen, daß durch den Ausbau der Bahnlinie eine die
Trasse querende Abwasserleitung verlegt werden muß. Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, daß vor dem 3. Oktober 1990 zugunsten des Versorgungsunternehmens ein wasserrechtliches Mitnutzungs- oder
Mitbenutzungsrecht i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DDR-WasserG 1982
begründet worden war.
BGH, Beschluß vom 31. Januar 2002 - III ZR 136/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und
Dörr
beschlossen:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 26. April 2001 - 21 U
2400/00 - wird nicht angenommen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97
Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 240.000 DM (= 122.710,05 €).
Gründe
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (
a.F.). Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54,
277).
I.
Im Auftrag der Klägerin, der Betreiberin der Infrastruktur der Bundeseisenbahnen, wird im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit die
Eisenbahnverbindung Leipzig-Dresden ausgebaut. Im Zuge der Ausbaumaßnahme mußte die im Bereich der T.-Straße in Leipzig die Bahnlinie kreuzende,
bereits vor dem 3. Oktober 1990 errichtete Abwasserleitung der Beklagten verlegt werden. Da zwischen den Parteien unterschiedliche Auffassungen darüber
bestanden, wer die Kosten der Umverlegung der Abwasserleitung zu tragen
hat, vereinbarten sie im Frühjahr 1999, daß die Klägerin die Baukosten vorfinanzieren und die endgültige Abrechnung gegebenenfalls nach einer gerichtlichen Klärung der Kostenfrage erfolgen solle.
Die Klägerin begehrt festzustellen, daß die Beklagte die anläßlich der
Umverlegung der Abwasserleitung entstandenen notwendigen Kosten nebst
Zinsen zu tragen habe. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage
stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin Abweisung der
Klage.
II.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die die
Vorinstanzen ihrer Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt haben, ist der
Streit zwischen dem Träger des Verkehrswegs - hier der Klägerin - und dem
von der Ausbaumaßnahme nachteilig betroffenen Versorgungsunternehmen
des Verkehrswegeausbaus, wenn sich das Versorgungsunternehmen mit der
erforderlichen Verlegung der Leitung nicht einverstanden erklärt hätte, dieses
Ziel nur unter Übernahme der Kosten oder gegen Entschädigung hätte durchsetzen können. Dabei ist die Frage der Kostentragungspflicht dann, wenn die
Nutzung des Verkehrswegs für Versorgungszwecke durch eine Dienstbarkeit
(
eines entgeltlichen Nutzungsverhältnisses wie Miete oder Pacht erfolgt, grundsätzlich zugunsten, bei (jederzeit kündbaren) Leih- oder ähnlichen Verträgen,
die keine nach
zum Nachteil des Versorgungsunternehmens zu beantworten (Senatsurteile
1.
In den Tatsacheninstanzen stand im Zentrum des Rechtsstreits die Frage, ob zugunsten der Beklagten an dem von der Abwasserleitung in Anspruch
genommenen Bahntrassengrundstück kraft Gesetzes eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach §§ 1 und 4 der Sachenrechts-Durchführungsverordnung vom 20. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3900) i.V.m. § 9 Abs. 1 des Grundbuchbereinigungsgesetzes (GBBerG) vom 20. Dezember 1993 (Art. 2 des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes, BGBl. I S. 2182, 2192) entstanden
ist. Dies haben die Vorinstanzen zu Recht verneint.
Aufgrund der durch die Bestimmungen der Sachenrechts-Durchführungsverordnung auf wasserwirtschaftliche Anlagen wie Abwasserleitungen erweiterten Regelung des
gelegenen Grundstücken, die am 3. Oktober 1990 für Zwecke der Energieversorgung genutzt worden waren, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an
den von den vorhandenen Energieanlagen in Anspruch genommenen
Grundstücken. Begünstigt ist das Versorgungsunternehmen, das die jeweilige
Anlage bei Inkrafttreten der das dingliche Recht begründenden Bestimmung
betrieben hatte.
Nach
bei solchen Leitungen ausgeschlossen, die sich über oder in öffentlichen Verkehrswegen und Verkehrsflächen befinden. Um eine derartige Leitung geht es
hier.
Entgegen der Meinung der Beklagten sind Verkehrsflächen im Sinne dieser Bestimmung insbesondere auch Bahnlinien. Die in etwa zeitgleich mit dem
Erlaß des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes einhergehende Organisationsprivatisierung der Deutschen Bundesbahn steht dem schon deshalb
nicht entgegen, weil der Gemeinwohlauftrag der Bahn zur Erbringung öffentlicher Verkehrsdienstleistungen von dieser Umstrukturierung unberührt geblieben ist (
Schulze, RPfleger 1999, 167, 168) wird bestätigt durch § 2 Abs. 2 Nr. 3 des
Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes vom 26. Oktober 2001 (Art. 1 des
Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes, BGBl. I S. 2716), der ausdrücklich
klarstellt, daß Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes (unter anderem) auch
Flächen mit Eisenbahninfrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 (Schienenwege) und 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes sind.
2.
Eine vertragliche Regelung der Benutzung der Bahnlinie für die Abwasserleitung, insbesondere darüber, welche Vertragspartei im Falle einer notwendig werdenden Veränderung der Leitung die Kosten hierfür zu tragen hat, hat
das Berufungsgericht nicht festgestellt. Entgegen der Auffassung der Revision
läßt sich ein derartiger Vertragsschluß dem Vorbringen der Parteien nicht entnehmen. In dem von der Revision angeführten Schriftsatz der Klägerin sind nur
allgemeine Ausführungen dazu enthalten, welche Abreden nach den jeweils
gültigen Richtlinien und Verwaltungsvorschriften in der Bundesrepublik
Deutschland, vor und nach der Herstellung der deutschen Einheit, und in der
früheren DDR üblicherweise anläßlich der Verlegung von Versorgungsleitungen
in oder über Bahntrassen getroffen wurden bzw. werden. Dessen ungeachtet ist
in den Tatsacheninstanzen von keiner Partei ein konkreter Vertragsschluß bezüglich der streitgegenständlichen Abwasserleitung behauptet worden.
a) Danach kann nach dem der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegenden Sach- und Streitstand insbesondere nicht davon ausgegangen werden, daß - wie die Revision erstmals geltend macht - vor dem 3. Oktober 1990
im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der Abwasserleitung
zugunsten des Rechtsvorgängers der Beklagten an dem für diesen wasserwirtschaftlichen Zweck in Anspruch genommenen Trassengrundstück ein Mitnutzungs- oder Mitbenutzungsrecht nach § 27 Abs. 1 des Wassergesetzes (WasserG 1963) vom 17. April 1963 (DDR-GBl. I S. 77) i.V.m. § 46 des Wassergesetzes (WasserG 1982) vom 2. Juli 1982 (DDR-GBl. I S. 467) oder nach § 40
Abs. 1 Satz 1 Buchst. c WasserG 1982 begründet worden war.
Zwar konnte ein Versorgungsträger bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Einräumung eines solchen Rechts verlangen. Für das Entstehen des Rechts war aber - nicht anders als bei den energierechtlichen Mitbenutzungsrechten (vgl. eingehend dazu Senatsurteil
oder Rechtsträger des Grundstücks erforderlich. Nur dann, wenn ein solcher
Vertrag nicht zustande gekommen war, konnte das Mitnutzungs- oder Mitbenutzungsrecht durch eine Entscheidung des zuständigen Staatsorgans geschaffen werden (§ 27 Abs. 3 WasserG 1963; § 40 Abs. 4 WasserG 1982).
b) Im übrigen legt die von der Klägerin zu den Akten gereichte Verwaltungsvorschrift für die Kreuzung und Näherung fremder Versorgungs-, Informations- und Verkehrsanlagen mit Bahnanlagen der Deutschen Reichsbahn und
Anschlußbahnen - VKN-DR - vom 29. Dezember 1967 (VuM/Ministerium für
Verkehrswesen 1968 S. 1) den Schluß nahe, daß in der Rechts- und Verwaltungspraxis der DDR bei der Inanspruchnahme von Bahnanlagen für Zwecke
der Energie- oder Wasser-/Abwasserversorgung keine Mitbenutzungsrechte im
Sinne der jeweils geltenden Wassergesetze oder Energieverordnungen, die
ihrerseits nur spezialgesetzliche Unterfälle des allgemeinen (privatrechtlichen)
Rechts zur vorübergehenden oder dauernden Mitbenutzung eines Grundstücks
in bestimmter Weise (vgl. § 321 Abs. 1 ZGB) darstellten (Senatsurteil aaO), begründet, sondern - nicht anders als im Bereich des Straßenwesens - typischerweise "verkehrsrechtliche" Nutzungsbefugnisse eingeräumt wurden. Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorschrift wurde jedoch zur Begründung dieses
Nutzungsrechts bei Bahnanlagen, im Unterschied zu den öffentlichen Straßen,
nicht eine (öffentlich-rechtliche) Sondernutzungsgenehmigung (vgl. § 13 Abs. 1
Satz 1 der Straßenverordnung vom 22. August 1974, DDR-GBl. I S. 525) erteilt,
sondern ein besonderer "Gestattungsvertrag" abgeschlossen (8.2.8 und 10.1
VKN-DR). Dies mag als Beleg dafür dienen, daß in der DDR im Bereich der
Bahnanlagen an dem herkömmlichen, in den alten Bundesländern von Anfang
an auch bei öffentlichen Straßen beibehaltenen System der freien Vereinbarung
zwischen Verkehrsträger und Versorgungsunternehmen festgehalten wurde.
Auch wenn nach 3.7 VKN-DR in den jeweiligen Gestattungsverträgen
nicht von vornherein die Verteilung der Folgekosten festzulegen waren, sondern
insoweit die Vertragsparteien im Bedarfsfalle die zur "Aufhebung der Anlage"
erforderlichen Maßnahmen und den Zeitpunkt ihrer Realisierung zu vereinbaren
hatten, so ergibt doch eine Gesamtschau dieser Regelungen, daß - insoweit
vergleichbar der Rechtslage im Straßenbereich (Senatsurteil aaO S. 38 f) und
im Unterschied zu den Regelungen im Wasser- und Energierecht - die verkehrliche Nutzung im Vordergrund stand und demgegenüber die Interessen der
Versorgungsträger zurückzutreten hatten.
Weiterhin ist festzuhalten, daß nach 8.2.10 und 8.2.11 VKN-DR das Versorgungsunternehmen der Deutschen Reichsbahn lediglich für die Prüfung der
Bauunterlagen eine Verwaltungsgebühr zu entrichten und darüber hinaus für
alle im Zusammenhang mit der Errichtung, Unterhaltung oder dem Betrieb der
kreuzenden Energieversorgungs- oder Wasser-/Abwasseranlage auftretenden
Erschwernisse Aufwendungsersatz zu leisten hatte. Für die Überlassung des
durch die Leitung beanspruchten Grund und Bodens war jedoch - anders als
dies etwa in den im Bundesgebiet (früher) geltenden Gas- und Wasserleitungskreuzungsrichtlinien der Deutschen Bundesbahn aus dem Jahre 1980 und (später) der Deutschen Bahn AG aus dem Jahr 2000 vorgesehen ist - ein Entgelt
nicht zu entrichten.
c) Danach kann auch unter Berücksichtigung der VKN-DR nicht davon
gesprochen werden, daß der Beklagten eine enteignungsrechtlich geschützte
Rechtsposition zustand, aufgrund derer sie eine Geldentschädigung für die ihr
durch die schienenbaubedingte Änderung der Abwasserleitung entstandenen
Nachteile hätte verlangen können (vgl. Senatsurteil
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:30.01.2002
Aktenzeichen:III ZR 136/01
Rechtsgebiete:Immobilienrechtliches Sonderrecht der neuen Bundesländer
Normen in Titel:GBBerG § 9; SachenR-DV § 1; DDR:WasserG § 40 F: 2. Juli 1982