Entschädigungsloser Gebäudeübergang bei Beendigung des Erbbaurechts ist beim Grundstückseigentümer einkommensteuerpflichtig
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Dokumentnummer: 4r42_02
letzte Aktualisierung: 03.03.2004
BFH, 11.12.2003 - IV R 42/02
Entschädigungsloser Gebäudeübergang bei Beendigung des Erbbaurechts ist beim
Grundstückseigentümer einkommensteuerpflichtig
1. Geht das vom Erbbauberechtigten in Ausübung des Erbbaurechts errichtete Gebäude nach
Beendigung des Erbbaurechts entsprechend den Bestimmungen des Erbbaurechtsvertrages
entschädigungslos auf den Erbbauverpflichteten über, führt dies beim Erbbauverpflichteten zu
einer zusätzlichen Vergütung für die vorangegangene Nutzungsüberlassung.
2. Ist der Erbbauverpflichtete Mitunternehmer der erbbauberechtigten Personengesellschaft,
handelt es sich bei dem zusätzlichen Nutzungsentgelt um eine Sondervergütung i.S. des § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
BUNDESFINANZHOF
Entschädigungsloser Gebäudeübergang bei Beendigung des
Erbbaurechts ist beim Grundstückseigentümer
einkommensteuerpflichtig
1. Geht das vom Erbbauberechtigten in Ausübung des
Erbbaurechts errichtete Gebäude nach Beendigung des
Erbbaurechts entsprechend den Bestimmungen des
Erbbaurechtsvertrages entschädigungslos auf den
Erbbauverpflichteten über, führt dies beim
Erbbauverpflichteten zu einer zusätzlichen Vergütung für die
vorangegangene Nutzungsüberlassung.
2. Ist der Erbbauverpflichtete Mitunternehmer der
erbbauberechtigten Personengesellschaft, handelt es sich bei
dem zusätzlichen Nutzungsentgelt um eine Sondervergütung i.S.
des
EStG §§ 5 Abs. 1, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
ErbbauV §§ 9, 27
Urteil vom 11. Dezember 2003
IV R 42/02
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 26. März 2002
(
9 K 5484/99 F
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine OHG,
importiert .... Sie hatte im Jahre 1952 der A-KG (KG), an der
sie mehrheitlich (70 %) beteiligt ist, an dem ihr gehörenden
Grundstück in B ein Erbbaurecht bestellt. Die Dauer dieses
Rechts war zunächst mit 30 Jahren befristet, wurde aber später
bis zum 31. Dezember 1987 verlängert. Die KG war berechtigt
und verpflichtet, das Grundstück zu bebauen und zu gewerblichen Zwecken zu nutzen. Sie errichtete demzufolge drei Hallen, ein mehrgeschossiges Bürogebäude sowie Sozialräume und
eine Hausmeisterwohnung. Diese Gebäude aktivierte die KG in
ihren Jahresabschlüssen und schrieb sie auf die Dauer des
Erbbaurechts ab. In § 7 des Erbbaurechtsvertrages ist
geregelt, dass bei Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf
eine Entschädigung für das Bauwerk seitens des
Grundstückseigentümers nicht zu leisten sei. Vertragsgemäß
trat der Heimfall am 31. Dezember 1987 ein. Die Klägerin
behandelte den Heimfall gewinnneutral. Im
Wirtschaftsprüfungsbericht wurde die Auffassung vertreten, der
Heimfall der im Erbbaurecht errichteten Gebäude führe zum
31. Dezember 1987 nicht zu bilanziellen Auswirkungen, da wegen
der Unentgeltlichkeit des Heimfalls keine Anschaffungskosten
angefallen seien. Im Anschluss an eine steuerliche
Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt --FA--) die Auffassung, der Heimfall sei
gewinnerhöhend zu behandeln, ermittelte den Teilwert im
Anschluss an ein Verkehrswertgutachten eines Sachverständigen
mit 2 036 000 DM und erhöhte dementsprechend in einem
Änderungsbescheid zur Gewinnfeststellung 1987 den Gewinn der
Klägerin.
Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen die Gewinnerhöhung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Das Finanzgericht (FG) erließ am 26. März 2002 ein Grundurteil, in dem es
feststellte, dass der Eigentumsübergang an dem im Wege des
Heimfalls erworbenen Gebäude im Streitjahr gewinnerhöhend zu
berücksichtigen sei. Die Entscheidung (Az. 9 K 5484/99 F) ist
in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 153 abgedruckt.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die
Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom 26. Juli 1999 den Gewinnfeststellungsbescheid 1987 vom 15. April 1999 in der Weise
zu ändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von
./. 1 759 829 DM festgestellt werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3
Nr. 2 FGO).
Die Vorentscheidung ist fehlerhaft, weil sie im Verfahren über
die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids (der Klägerin) über Einkünfte entschieden hat, die ihrerseits als Bestandteil des Gesamtgewinns der KG einheitlich
und gesondert festzustellen waren. Dies durfte nicht
Feststellung dieser Einkünfte abzuwarten.
1. Allerdings hat das FG zu Recht entschieden, dass der entschädigungslose Übergang des Eigentums an den von der KG als
Erbbauberechtigte errichteten Gebäuden auf die Klägerin bei
dieser zu einer Vergütung für die durch den
Erbbaurechtsvertrag mit der KG begründete Nutzungsüberlassung
führte.
a) Erbbauzinsen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine Anschaffungskosten des Erbbaurechts,
sondern Entgelt für die Nutzung des Grundstücks (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 126/78,
BStBl II 1981, 398; vom 23. September 2003 IX R 65/02, BFHE
203, 355). Obwohl nach der Definition des § 9 der Verordnung
über das Erbbaurecht (ErbbauV) der Erbbauzins das für die
Bestellung des Erbbaurechts "in wiederkehrenden Leistungen"
ausbedungene Entgelt ist, ist nicht ausgeschlossen, dass für
die Einräumung eines Erbbaurechts seitens des
Erbbauberechtigten zusätzlich oder an Stelle des Erbbauzinses
eine einmalige Leistung erbracht wird (vgl. BFH-Urteile vom
4. Juli 1969 VI R 259/67,
beispielsweise die Zahlung von Erschließungsbeiträgen durch
den Erbbauberechtigten als zusätzliches Entgelt für die
Nutzungsüberlassung angesehen (BFH-Urteil vom 21. November
1989 IX R 170/85,
Aber auch Leistungen, die der Erbbauberechtigte beim Heimfall
des Erbbaurechts erbringt, sind wirtschaftlich Gegenleistung
für die vorherige Nutzung (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1990
I R 77/86,
aa). Insbesondere dann, wenn vereinbart ist, dass das vom
übergehen soll, erzielt der Erbbauverpflichtete eine Einnahme
aus der Nutzungsüberlassung (Lohmeyer, Deutsche Steuer-Zeitung
--DStZ-- 1983, 144; Jansen in Herrmann/Heuer/ Raupach,
Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 21
EStG Anm. 86 "Erbbaurecht"; Trzaskalik in Kirchhof/
Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 21 Rdnr. B 117).
b) Allerdings ging im Streitfall das Eigentum an den von der
KG als Erbbauberechtigte errichteten Gebäuden nicht aufgrund
eines Heimfallanspruchs (§ 32 ErbbauV), sondern infolge des
Erlöschens des Erbbaurechts durch Zeitablauf (§ 27 ErbbauV)
auf die Klägerin über. In einem solchen Fall wird das
Erbbaurecht nicht übertragen; vielmehr erlischt es und der
Erbbauverpflichtete erwirbt kraft Gesetzes das Eigentum an dem
Gebäude (§ 12 Abs. 3 ErbbauV). Wirtschaftlich besteht indessen
kein Unterschied zum Heimfall (Trzaskalik in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 21 Rdnr. B 117). Die
Leistung des Erbbauberechtigten liegt im Verzicht auf die in
§ 27 Abs. 1 ErbbauV vorgesehene Entschädigung.
c) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen,
dass in dem entschädigungslosen Übergang der Gebäude eine
unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem
Gesellschaftsvermögen in das Betriebsvermögen eines
Gesellschafters zu sehen sei. Der Zusammenhang des
entschädigungslosen Übergangs der Gebäude mit der
vorangegangenen Nutzungsüberlassung ergibt sich im Streitfall
daraus, dass der Verzicht auf die Entschädigung bereits im
Erbbaurechtsvertrag festgelegt war. Unter diesen Umständen
wäre es willkürlich, die im Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung versprochenen Leistungen des ErbbauberechtigÜbertragung eines Gebäudes andererseits aufzuteilen.
2. Stellt sich der entschädigungslose Übergang des Eigentums
als zusätzliches Nutzungsentgelt dar, so liegt hierin eine
Sondervergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Dem steht weder entgegen, dass
es sich um eine einmalige Vergütung handelte (vgl. BFH-Urteil
vom 23. April 1996 VIII R 53/94,
515), noch dass das Entgelt in einer Sachleistung bestand
(Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 15 Rz. 584).
a) Sondervergütungen mindern zwar den Steuerbilanzgewinn der
Gesellschaft, werden aber beim Gesellschafter in gleicher Höhe
in seiner Sonderbilanz erfasst und bewirken so, dass der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft nicht gemindert wird (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 46/94,
BStBl II 1999, 720, vor 1.). Sie sind Gegenstand der
einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der
Gesellschaft (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile
vom 11. September 1991 XI R 35/90,
1992, 4; vom 3. Juli 1997 IV R 31/96,
1997, 690). Ist --wie im Streitfall-- die Gesellschafterin
ihrerseits eine gewerblich tätige Personengesellschaft
(Obergesellschaft), so geht ihr Anteil an dem für die
Untergesellschaft einheitlich und gesondert festgestellten
"Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft" in ihre
Gewinnermittlung ein (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1995
IV R 23/93,
Schmidt, a.a.O., § 15 Rz. 620). Daraus folgt, dass
Sondervergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern
der Obergesellschaft an die Untergesellschaft in der Gewinnermittlung der Obergesellschaft grundsätzlich nur insoweit
betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid enthalten sind. Der
Bescheid über die Gewinnfeststellung der Untergesellschaft
stellt sich als Grundlagenbescheid für den
Gewinnfeststellungsbescheid der Obergesellschaft dar. Zwar
darf nach § 155 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ein
Folgebescheid auch dann erteilt werden, wenn ein
Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.
1977 rechtfertigt aber nur die Befugnis zu einer vorläufigen
Maßnahme (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom
19. April 1989 X R 3/86,
Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung,
1977 Tz. 26, m.w.N.). Im Streitfall ist das FA hingegen nicht
von einer vorläufigen Maßnahme ausgegangen, sondern hat die
Vorgreiflichkeit einer Erfassung der streitigen
Sondervergütung in dem die KG betreffenden
Gewinnfeststellungsverfahren verkannt. Daher hätte das FG das
Verfahren nach
Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in
II 1989, 596; vom 7. November 1996 IV R 72/95, BFH/NV 1997,
574).
b) Auf die Erfassung der streitigen Sondervergütung in der die
KG betreffenden Gewinnfeststellung konnte nicht mit der
Begründung verzichtet werden, dass es sich um einen Fall von
geringer Bedeutung i.S. des
gehandelt hätte. Insbesondere ist nicht der vom Gesetz
erwähnte Fall gegeben, dass die Höhe des festzustellenden
Betrags feststeht. Vielmehr streiten die Beteiligten auch um
die Höhe des vom FA als zusätzliches Nutzungsentgelt
angesetzten Betrags. Zudem ist auch die Frage streitig, ob das
im Verzicht auf die in § 27 Abs. 1 ErbbauV vorgesehene
Entschädigung liegende Nutzungsentgelt auf die Laufzeit des
wegen der gewerbesteuerlichen Auswirkung auch die KG
(Senatsurteil vom 14. Dezember 1978 IV R 98/74,
BStBl II 1979, 284) und somit mittelbar auch deren andere
Gesellschafter.
3. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es das
Verfahren nach
ergangene Gewinnfeststellungsbescheid 1987 geändert ist. Bei
dieser Änderung wird auch die vorstehend angesprochene Frage
der Verteilung des Nutzungsentgelts über die Laufzeit des
Erbbaurechts zu entscheiden sein. Der Senat weist in diesem
Zusammenhang auf Folgendes hin:
a) Das im Verzicht auf die in § 27 Abs. 1 ErbbauV vorgesehene
Entschädigung liegende Nutzungsentgelt kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht bereits bei Errichtung des Gebäudes
mit der Begründung als Einnahme erfasst werden, dass der
Grundstückseigentümer schon in diesem Zeitpunkt "bürgerlichrechtlicher und damit auch wirtschaftlicher Eigentümer" werde.
Bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des Gebäudes ist nach § 12
ErbbauV der Erbbauberechtigte. Der Erbbauverpflichtete ist
auch nicht wirtschaftlicher Eigentümer, da die Voraussetzungen
des
vorliegen.
b) Auf der anderen Seite steht der Verteilung der zusätzlichen
Nutzungsentschädigung auf die Dauer des Erbbaurechts nicht
ohne weiteres das handelsrechtliche Realisationsprinzip
entgegen. Das träfe nur dann zu, wenn es sich --wie offenbar
vom FG angenommen-- nicht um eine Sondervergütung i.S. des
Sondervergütungen sind demgegenüber --ohne Rücksicht auf
den Wirtschaftsjahren) und in der Höhe als
Sonderbetriebseinnahmen zu erfassen, in dem (oder in denen)
sie den Gesamtgewinn der Gesellschaft gemindert haben (BFHUrteile vom 2. Dezember 1997 VIII R 15/96,
Deutsches Steuerrecht 1998, 482; vom 28. März 2000
VIII R 13/99,
a.a.O., § 15 Rz. 576, m.w.N.).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BFH
Erscheinungsdatum:10.12.2003
Aktenzeichen:IV R 42/02
Rechtsgebiete:Einkommens- und Körperschaftssteuer
Normen in Titel:EStG §§ 5 Abs. 1, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; ErbbauV §§ 9, 27