Beschluss über Ausschluss der Minderheitsaktionäre unterliegt nicht Präsenzerfordernis aus § 13 UmwG; alleinige Anfechtungsbefugnis des Aktionärs in den Fällen des § 245 Nr. 1-3 AktG
letzte Aktualisierung: 15.9.2022
OLG Schleswig, Urt. v. 8.6.2022 – 9 U 128/21
UmwG §§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 7, 8 Abs. 1 S. 2, 13 Abs. 1, 62 Abs. 5; ZPO §§ 128 Abs. 2, 295 Abs. 1,
513 Abs. 1; AktG §§ 78 Abs. 4, 82 Abs. 1, 112, 241, 245 Nr. 1; WpHG §§ 33, 44 Abs. 1
Beschluss über Ausschluss der Minderheitsaktionäre unterliegt nicht
Präsenzerfordernis aus § 13 UmwG; alleinige Anfechtungsbefugnis
des Aktionärs in den Fällen des § 245 Nr. 1-3 AktG
1. Die Anfechtungsklage nach § 245 Nr. 1-3 AktG kann nur von einem Aktionär erhoben werden.
Mit der Eintragung eines Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister verliert ein
Minderheitsaktionär seine Stellung als Aktionär, weil die Aktien auf den Hauptaktionär übergehen.
Durch den Übergang der Aktien verliert der Aktionär aber nicht die Befugnis, gegen den
Übertragungsbeschluss selbst vorzugehen, weil er andernfalls rechtlos gestellt wäre.
2. Hat ein Legitimationsaktionär oder ein verdeckter Stellvertreter an der Hauptversammlung
teilgenommen und Widerspruch erklärt, muss der wahre Aktionär, wenn er Anfechtungsklage
erhebt, innerhalb der Anfechtungsfrist offenlegen, wer für ihn als Legitimationsaktionär oder
verdeckter Stellvertreter in der Hauptversammlung Widerspruch erhoben hat.
3. Ein Beschluss nach § 62 Abs. 5 S. 1 UmwG über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre
unterliegt nicht dem Präsenzerfordernis des § 13 UmwG. Dies ergibt sich aus § 62 Abs. 5 S. 2
UmwG, der für die Hauptversammlung nicht auf die § 13 UmwG, sondern auf §§ 327a ff. AktG
verweist.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Der Berufungskläger wendet sich gegen die Zurückweisung seiner Anfechtungs- und
Nichtigkeitsklage, die sich gegen einen Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der
ursprünglichen Beklagten, der X bank AG (im Folgenden: X), vom ... Mai 2020 richtet,
durch den die Aktien der Minderheitsaktionäre im Rahmen eines
verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out von der aktuellen Beklagten übernommen wurden.
Am ... März 2020 schlossen die X und die Beklagte einen Verschmelzungsvertrag, in dem
die X ihr Vermögen als Ganzes unter Auflösung ohne Abwicklung auf die Beklagte
übertrug. Am ... April 2020 berief die X für den ... Mai 2020 eine Hauptversammlung ein,
bei der unter anderem als Tagesordnungspunkt 6 eine Beschlussfassung über die
Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Beklagte gegen eine angemessene
Barabfindung stattfinden sollte.
Auf der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung wurde ausweislich der darüber
angefertigten notariellen Niederschrift durch die Y GmbH mit der Stimmrechtskarte BBB,
der 130.000 Stückaktien im Fremdbesitz zugeordnet waren, Widerspruch gegen sämtliche
Tagesordnungspunkte eingelegt. Aus der Niederschrift ergibt sich kein Widerspruch mit der
ebenfalls auf die Y GmbH im Fremdbesitz ausgestellten Stimmrechtskarte AAA über
75.000 Aktien.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 5. Juni 2020, der am gleichen Tag bei Gericht
eingegangen ist, als Kläger zu 2 gemeinsam mit dem damaligen Kläger zu 1, Herrn L,
Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben. In dem parallel geführten Freigabeverfahren
(Az. 9 AktG 1/20) hat der Senat mit Beschluss vom 14. September 2020 festgestellt, dass
die Erhebung der vorliegenden Klage der Eintragung des angegriffenen Beschlusses in das
Handelsregister nicht entgegensteht. Der Kläger zu 1 hat seine Klage mit Schriftsatz vom
12. Oktober 2020 zurückgenommen. In der Folge ist die Verschmelzung in das
Handelsregister eingetragen worden.
Der Kläger hat behauptet, mit der Stimmrechtskarte AAA, zählend für 75.000 Aktien,
Widerspruch gegen die Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 6 erklärt zu haben. Er
habe am Tag der Einberufung der Hauptversammlung 75.000 Stückaktien gehalten und
nach der Einberufung weitere Aktien erworben. Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2020 hat
der Kläger vorgetragen, auch der Widerspruch der Y GmbH mit der Stimmrechtskarte Nr.
BBB sei ihm zuzurechnen, da er Inhaber der dieser Stimmrechtskarte zugrunde liegenden
Aktien gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 5.
Mai 2020 zu Tagesordnungspunkt 6, mit dem die Hauptversammlung der Beklagten
beschlossen hat: Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre der
Beklagten (Minderheitsaktionäre) werden gemäß § 62 Abs. 5 Umwandlungsgesetz gegen
Gewährung einer von der Z Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main
(Hauptaktionärin) zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe von … € je auf den
Inhaber lautenden Stückaktie der Beklagten auf die Hauptaktionärin übertragen, nichtig ist,
hilfsweise, den Beschluss für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger fehle bereits die Anfechtungsbefugnis.
Nichtigkeitsgründe lägen nicht vor.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angegriffenen
Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren entschieden.
Die Zustimmung des Klägers erfolgte - nach der entsprechenden Erklärung der Beklagten -
mit Schriftsatz vom 8. April 2021. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 15. April 2021
Verkündungstermin auf den 8. Juni 2021 bestimmt. Mit Beschluss vom 8. Juni 2021 hat das
Landgericht den Verkündungstermin auf den 22. Juni 2021 verlegt, mit Verfügung vom 21.
Juni 2021 hat es den Verkündungstermin auf den 20. Juli 2021 verlegt.
Mit Urteil vom 20. Juli 2021 hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Der
Kläger sei nicht gemäß § 245 Nr. 1 AktG anfechtungsbefugt, da er nicht schlüssig dargelegt
und bewiesen habe, dass er als Aktionär der X gegen den Beschluss zu Tagesordnungspunkt
6 Widerspruch zur Niederschrift erklärt habe. Er habe weder beweisen können, dass ein
Widerspruch zur Stimmrechtskarte AAA erklärt worden sei, noch, dass er Inhaber der
hinter dieser Stimmrechtskarte liegenden 75.000 Stückaktien gewesen sei. In Bezug auf die
Stimmrechtskarte BBB, für die unstreitig ein Widerspruch erklärt worden sei, habe der
Kläger nicht darlegen und beweisen können, dass er bereits zum Zeitpunkt der
Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung Inhaber der hinter der
Stimmrechtskarte liegenden 130.000 Stückaktien gewesen sei. Vielmehr ergebe sich aus den
von ihm zur Akte gereichten Anlagen lediglich, dass er 75.000 Stückaktien bereits vor dem
31. Dezember 2019 erworben hatte. In Bezug auf die Nichtigkeitsklage hingegen sei der
Kläger als Aktionär zwar klagebefugt, es liege jedoch kein Nichtigkeitsgrund aus § 241
AktG vor.
Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen
Urteils Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das erstinstanzliche Urteil sei
schon wegen eines Verstoßes gegen
ZPO aufzuheben, da nach Ablauf der dreimonatigen Frist nach Zustimmung der Parteien
nicht mehr im schriftlichen Verfahren hätte entschieden werden dürfen. Das Urteil beruhe
auch auf diesem Verfahrensfehler, da das Landgericht ihn mangels mündlicher Verhandlung
nicht darauf hingewiesen habe, dass es seinen Vortrag zu den seine Anfechtungsbefugnis
begründenden Tatsachen für unschlüssig erachte. Ihm sei daher die Möglichkeit genommen
worden, zu diesen Bedenken des Landgerichts ergänzend vorzutragen. Zudem sei das
Landgericht rechtsfehlerhaft zu der Ansicht gelangt, er habe den Erwerb von 75.000
Stückaktien vor Bekanntmachung der Tagesordnung nicht ausreichend belegt. Dies ergebe
sich bereits aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung der …-Bank AG vom
15. September 2020 (Anlage K2, Bl. 177 d.A.), worin es heiße, dass von 149.906 Stückaktien
75.000 Stück bereits vor dem 31. Dezember 2019 gekauft worden seien. Damit habe er
nachgewiesen, dass er die in § 245 Nr. 1 AktG geforderte Anfechtungsbefugnis innegehabt
habe, da er danach nachweislich am ... April 2020 Aktionär der X gewesen sei. Zudem habe
er unbestritten behauptet, dass der Widerspruch für die Stimmrechtskarte Nr. BBB für ihn
erklärt worden sei, so dass die Voraussetzungen des § 245 Nr. 1 AktG zu bejahen seien.
Denn die Beklagte habe in Bezug auf die Stimmrechtskarte BBB lediglich bestritten, dass er
die dieser zugrunde liegenden 130.000 Stückaktien bereits vor Bekanntmachung der
Tagesordnung erworben hatte, nicht aber, dass der Widerspruch für die Stimmrechtskarte
Nr. BBB für ihn erklärt worden sei. Damit habe er die Einlegung eines Widerspruchs gegen
sämtliche Beschlussfassungen der Hauptversammlung nachgewiesen. Da der Erfolg der
Klage im Übrigen nur von Rechtsfragen abhänge, müsse der Rechtsstreit zu seinen Gunsten
entschieden werden.
Der Kläger beantragt, das am 20. Juli 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Itzehoe
aufzuheben und gemäß seinem Klageantrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Wegen ihres Vortrags wird auf die
Berufungserwiderung vom 2. November 2021 (Bl. 324 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Anfechtungsund
Nichtigkeitsklage abgewiesen. Auf die zutreffende Begründung wird vollumfänglich
Bezug genommen. Auch die in der Berufungsschrift vorgebrachten Einwendungen des
Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis.
1. Das erstinstanzliche Urteil ist nicht schon wegen eines Verstoßes gegen § 128 Abs. 2
ZPO aufzuheben, da dieser Verfahrensverstoß bereits nicht rechtzeitig im Sinne des § 295
Abs. 1 ZPO gerügt wurde (a) und sich dieser Verstoß auch nicht auf das Urteil ausgewirkt
hat (b).
a) Zwar ist das Urteil nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von drei Monaten
ab Zustimmung der Parteien zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und damit
unter Verstoß gegen
Regelung jedoch erst mit der Berufungsbegründung und damit nicht rechtzeitig im Sinne
des § 295 Abs. 1 ZPO gerügt. Da der Grundsatz der Mündlichkeit kein der Disposition der
Parteien entzogenes Prinzip ist, steht § 295 Abs. 2 ZPO der Heilung eines Verstoßes gegen
Urteil vom 30. März 2007 - VI ZR 254/05,
Die Rügemöglichkeit erlischt nach § 295 Abs. 1 ZPO, wenn die Parteien auf die
Geltendmachung des Verfahrensfehlers ausdrücklich oder konkludent verzichten oder in
Kenntnis des Mangels weiterverhandeln. Im schriftlichen Verfahren muss die Rüge, sofern
keine Schriftsatzfrist gesetzt ist, bis zur nächsten gerichtlichen Entscheidung, vorliegend
also bis zum Verkündungstermin, erfolgen (Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 295
Rn. 6; BGH, Urteil vom 25. Februar 2021 - I ZB 78/20,
Die Parteien hatten zum Zeitpunkt der Zustellung der Verfügung, mit dem der
Verkündungstermin auf den 20. Juli 2021 und damit auf einen Zeitpunkt, der außerhalb des
dreimonatigen Zeitraums des
Verletzung dieser Vorschrift. Dennoch hat keine der Parteien diese Verletzung bis zum
Verkündungstermin gerügt.
b) Das angefochtene Urteil beruht im Übrigen auch nicht auf diesem Verfahrensfehler. Das
wäre der Fall, wenn schriftlicher Vortrag des Klägers übergangen worden wäre oder er bei
mündlicher Verhandlung weiteren Vortrag gehalten hätte, der zu einem anderen Ergebnis
geführt hätte (Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 128 Rn. 16a; BGH, Urteil vom
17. Januar 2012 - XI ZR 457/10,
ZR 254/05,
2146, 2147). Der Kläger trägt jedoch auch mit der Berufungsbegründung nichts vor, was bei
Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zu einem anderen
Ergebnis geführt hätte. Vielmehr hat er innerhalb der mit Anordnung des schriftlichen
Verfahrens gesetzten Frist nach eigenen Angaben „abschließend“ Stellung genommen und
dabei auch weiter zu seiner von der Beklagten bestrittenen Anfechtungsbefugnis
vorgetragen. Mit seiner in der Berufungsschrift erhobenen Rüge trägt er nicht vor, was er im
Falle einer mündlichen Verhandlung erstinstanzlich zur Ergänzung seines Vortrags zu den
Anfechtungsvoraussetzungen hätte vortragen wollen. Auch sein Sachvortrag in der weiteren
Berufungsbegründung hätte erstinstanzlich zu keiner anderen Entscheidung geführt (dazu
sogleich).
2. Die weiteren, mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen gegen das erstinstanzliche
Urteil führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis.
Der Kläger hat auch mit der Berufungserwiderung nicht nachweisen können, dass er gegen
einen Beschluss in der Hauptversammlung der X gemäß § 245 AktG einen Widerspruch
eingelegt hat, der seine Anfechtungsbefugnis begründen könnte. In Betracht kommt hier
allein ein Widerspruch nach § 245 Nr. 1 AktG. Die Anfechtungsbefugnis ist ein materiellrechtliches
privates Gestaltungsrecht und nicht lediglich eine Sachurteilsvoraussetzung der
Beschlussmängelklage (BGH, Urteil vom 24. April 2006 - II ZR 30/05, NJW-RR 2006,
S. 1110, 1112 Rn. 15; Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 245
Rn. 2). Die ordnungsgemäße Erklärung eines Widerspruchs hat der den Beschluss
anfechtende Aktionär darzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen, weil der
Widerspruch Voraussetzung der Anfechtungsbefugnis ist (OLG Jena, Beschluss vom 30.
Juli 2014 - 2 U 920/13, ZIP 2014, S. 2501, 2503; Drescher, in: Henssler/Strohn, aaO, § 245
Rn. 8). Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
a) Dem Kläger fehlt es allerdings nicht bereits an der Anfechtungsbefugnis, weil er seit
Verschmelzung der beiden Gesellschaften durch den Vollzug des von ihm angegriffenen
Beschlusses nicht mehr Aktionär weder der X noch der Beklagten ist.
Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses verliert ein Minderheitsaktionär zwar
grundsätzlich seine Befugnis, Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen
Hauptversammlungsbeschlüsse zu erheben. Er muss zum Zeitpunkt der Klageerhebung
durch Zustellung einer Beschlussmängelklage noch Aktionär sein. Die Anfechtungsklage
nach § 245 Nrn. 1-3 AktG kann nur von einem Aktionär erhoben werden. Mit der
Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister verliert ein
Minderheitsaktionär seine Stellung als Aktionär, weil die Aktien auf den Hauptaktionär
übergehen (§ 327 e Abs. 3 Satz 1 AktG).
Durch den Übergang der Aktien verliert der Aktionär aber nicht die Befugnis, gegen den
Übertragungsbeschluss selbst vorzugehen. Um den Minderheitsaktionär nicht rechtlos
gegen die zwangsweise Übertragung seiner Aktien zu stellen, ist seine Mitgliedschaft in der
beklagten Aktiengesellschaft, deren Erhaltung letztlich das Ziel der Klage ist, für diese
Klage als fortbestehend anzusehen (BGH, Urteil vom 22. März 2011 - II ZR 229/09, NZG
2011, 669, Rn. 7 mwN; BeckOGK/Vatter, AktG, Stand: 1. Februar 2022, § 245 Rn. 23).
b) Dass der Kläger, wie er mit der Klageschrift behauptet hat, auf Grundlage der
Stimmrechtskarte Nr. AAA Widerspruch eingelegt habe, hat das Landgericht mit
zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, als nicht erwiesen erachtet.
Insbesondere hat es mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Vernehmung des für
die Widerspruchseinlegung angebotenen Zeugen nicht geboten war. Hiergegen wendet sich
die Berufung auch nicht.
c) Der Kläger hat nicht zur Überzeugung des Senats darlegen können, dass er aufgrund des
mit der Stimmrechtskarte Nr. BBB durch die Y GmbH erhobenen Widerspruchs
anfechtungsbefugt ist. Denn dafür müsste er nachgewiesen haben, dass er bereits vor der
Bekanntgabe der Tagesordnung zur Hauptversammlung Inhaber des der Stimmrechtskarte
Nr. BBB zugrunde liegenden Bestands von 130.000 Stückaktien war. Dieses Erfordernis
ergibt sich nach Auffassung des Senats unmittelbar aus dem Wortlaut des § 245 Nr. 1 AktG,
wonach der den Widerspruch erklärende Aktionär die Aktien bereits vor der Bekanntgabe
der Tagesordnung erworben haben muss.
Der Kläger hat durch Vorlage der Bankbestätigung (Anlage K2, Bl. 177 d.A.) lediglich
nachgewiesen, dass er am Tag der Einberufung, am ... April 2020, Inhaber von 75.000
Stückaktien der X war. Diese Aktien waren jedoch der Stimmrechtskarte Nr. AAA zugeteilt,
wie sich aus der vorgelegten Stimmrechtskarte Nr. AAA (Bl. 180 d.A.) ergibt. Daher müssen
die der Stimmrechtskarte Nr. BBB (Bl. 179 d.A.) zugrunde liegenden 130.000 Stückaktien
andere als die vor der Einberufung zur Hauptversammlung erworbenen 75.000 Stückaktien
sein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem ausgefüllten Formular der …-Bank vom
14. April 2020 (Anlage K3, Bl. 178 d.A.). Darin wird die Bank angewiesen, eine
Eintrittskarte nebst Stimmrecht über 130.000 Stückaktien aus dem Depot des Klägers auf
die Y GmbH auszustellen. Daraus ergibt sich aber gerade nicht, dass der Kläger auch schon
vor dem ... April 2020 Inhaber dieser 130.000 Stückaktien war. Vielmehr folgt im
Umkehrschluss aus der Bankbestätigung (Anlage K2, Bl. 177 d.A.), wonach von den am
9. Juli 2020 im Depot des Klägers vorhandenen 149.906 Stückaktien nur 75.000 Stück
bereits vor dem 31. Dezember 2019 gekauft wurden, dass die anderen zu einem späteren
Zeitpunkt gekauft wurden. Hätte dieser Zeitpunkt vor dem ... April 2020 gelegen, wäre es
dem Kläger möglich gewesen, dies durch eine entsprechend lautende Bankbestätigung
nachzuweisen. Dies hat er nicht getan.
Auch wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass er Inhaber der Stimmrechtskarte Nr.
AAA war und die dieser zugrunde liegenden Stückaktien bereits vor dem ... April 2020
erworben hat und dass er zudem auch Inhaber der Stimmrechtskarte Nr. BBB war und der
von der Y GmbH nachweislich erklärte Widerspruch daher ihm zuzurechnen ist, so
begründen diese Annahmen doch keine Anfechtungsbefugnis, weil der Kläger nicht hat
nachweisen können, dass er die der Stimmrechtskarte Nr. BBB zugrunde liegenden
Stückaktien bereits vor dem ... April 2020 erworben hat. Hierauf kommt es für die
Annahme einer Anfechtungsbefugnis nach dem Gesetzeswortlaut jedoch an. Andernfalls
könnte sich jeder Aktionär, der bereits vor der Bekanntgabe der Tagesordnung Inhaber von
Aktien war, einem von einem anderen Stimmrechtskarteninhaber erklärten Widerspruch
anschließen und dadurch seine Anfechtungsbefugnis begründen mit dem Argument, er sei
vor Bekanntgabe der Tagesordnung auch bereits Aktionär gewesen. Sinn und Zweck des
§ 245 Nr. 1 AktG ist es, das Widerspruchsrecht an die Inhaberschaft von Aktien zu
knüpfen, die bereits vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben wurden, um zu
verhindern, dass Stimmrechtskarten erst durch nachträglichen Aktienerwerb mit dem Ziel
der Widerspruchseinlegung erworben werden (vgl. die Gesetzesbegründung in Deutscher
Bundestag - 15. Wahlperiode, Drucksache 15/5092, S. 27). Vorliegend wurden die dem
Widerspruch zugrundeliegenden Stückaktien erst nach Bekanntgabe der Tagesordnung
erworben, so dass dieser Widerspruch keine Anfechtungsbefugnis begründen kann (vgl.
dazu OLG München, Urteil vom 31. Mai 2000 - 7 U 1927/99, juris Rn. 24 ff., wonach der
Widerspruch Einlegende eindeutig klarstellen muss, zu welcher Stimmkarte (Aktien im
Eigenbesitz oder im Fremdbesitz) der Widerspruch eingelegt werden soll). Es ist nicht
zulässig, sich nachträglich aus verschiedenen Stimmrechtskarten und dem diesen jeweils
zugrunde liegenden Aktenbesitz eine Anfechtungsbefugnis zu konstruieren (so sinngemäß
auch Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 245 Rn. 15; Grigoleit/Ehmann, AktG, 2. Aufl.
2020, § 245 Rn. 12, jeweils unter Bezugnahme auf OLG München, aaO).
Auch das Argument des Klägers, eine genaue Bezeichnung der ihm zugeordneten Aktien sei
ihm im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen, da er lediglich Miteigentumsanteile an
einer girosammelverwahrten Globalurkunde über das Aktiendepot innegehabt habe, in der
die Aktien nicht durchnummeriert gewesen seien, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn
über die Stimmrechtskarten, die für ihn ausgestellt wurden, ist, wie oben ausgeführt, eine
Zuordnung der Aktien durchaus möglich. Der Kläger wusste jedenfalls, wann er wieviele
Aktien erworben hat und dass somit die Stimmrechtskarte über 130.000 Stückaktien
zumindest auch solche Aktien umfasste, die er erst nach dem Stichtag erworben hatte.
d) Im Übrigen hat der Kläger auch erst nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist aus
Stimmrechtskarte Nr. BBB erklärten Widerspruch zu stützen. Hat - wie vorliegend - ein
Legitimationsaktionär oder ein verdeckter Stellvertreter an der Hauptversammlung
teilgenommen und Widerspruch erklärt, muss der wahre Aktionär, wenn er
Anfechtungsklage erhebt, innerhalb der Anfechtungsfrist offenlegen, wer für ihn als
Legitimationsaktionär oder verdeckter Stellvertreter in der Hauptversammlung Widerspruch
erhoben hat (BeckOGK/Vatter, AktG, Stand: 1. Februar 2022, § 245 Rn. 33; vgl. für den
umgekehrten Fall, dass der Legitimationsaktionär Klage einreicht: Heidel, Aktienrecht und
Kapitalmarktrecht, 5. Auflage 2020, § 246 Rn. 32; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Juli 2003 -
20 U 5/03,
Klageschrift vielmehr behauptet, selbst unter der Stimmrechtskarte AAA Widerspruch
erklärt zu haben, ohne dies jedoch belegen zu können (vgl. Seite 4 der Klageschrift, Bl. 4
d.A.). Erst in der Replik (Schriftsatz vom 9. Dezember 2020, Bl. 167 f. d.A.), und damit
nach Ablauf der Anfechtungsfrist, hat er behauptet, durch die Y GmbH mit der
Stimmrechtskarte BBB Widerspruch eingelegt zu haben.
e) Selbst wenn man davon ausginge, der Kläger habe seine Anfechtungsbefugnis
(rechtzeitig) belegt, so führen die von ihm vorgebrachten Umstände dennoch nicht zur
Anfechtbarkeit des Beschlusses.
(1) In Bezug auf die erst mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2020 neu vorgebrachten
Kritikpunkte sind diese bereits wegen Versäumung der einmonatigen Anfechtungsfrist aus
Satz 2 UmwG, die erstmalig in diesem Schriftsatz erhoben wird.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteil vom
22. März 2011 − II ZR 229/09,
Anfechtungsklage der den Klagegrund bildende maßgebliche Sachverhalt, aus dem der
Kläger die Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will, innerhalb der Monatsfrist des
Abs. 1 vorgetragen werden (BeckOGK/Vatter, AktG, Stand: 1. Februar 2022, § 246 Rn. 22
mwN; ebenso OLG Schleswig, Urteil vom 30. April 2009 – 5 U 100/08 –, juris Rn. 45). Die
Wahrung der Anfechtungsfrist erfordert die rechtzeitige Klageerhebung. Die
Klageerhebung ist ordnungsgemäß, wenn der Kläger in der Klageschrift den
Streitgegenstand hinreichend bestimmt hat,
nur der genauen Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses; der Anfechtungskläger muss
darüber hinaus die Gründe, auf die er seine Anfechtung stützt, darlegen. Dabei ist
ausreichend, dass er die Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen Kern innerhalb der Frist
in den Rechtsstreit einführt. Die Tatsachen, auf die die Anfechtungsklage gestützt wird,
müssen so vorgetragen sein, dass der Streitgegenstand individualisiert und von anderen
Anfechtungsgründen abgrenzbar ist. Weitere Substantiierungen während des Verfahrens
sind möglich (BeckOGK/Vatter, AktG, aaO, § 246 Rn. 21; Drescher, in: Henssler/Strohn,
Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, AktG § 246 Rn. 9).
Anfechtungsgründe, die nicht wenigstens im Kern innerhalb der Monatsfrist angesprochen
werden, sind präkludiert (Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 246 AktG
Rn. 15 mwN). Verspätet vorgebrachte Tatsachen können daher nur als Nichtigkeitsgründe
Bedeutung gewinnen, weil für die Nichtigkeitsklage eine Klagefrist nicht einzuhalten ist.
Wegen des zwingenden Charakters der Ausschlussfrist können nachgeschobene
Anfechtungsgründe weder durch Sachdienlicherklärung seitens des Gerichts noch durch
Einwilligung der beklagten Gesellschaft der Klage zum Erfolg verhelfen.
Vorliegend hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2020 vorgetragen, in
der virtuell durchgeführten Hauptversammlung sei ein Verschmelzungsvertrag geschlossen
worden, was einen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG darstelle, wonach dieser
Beschluss nur in einer Präsenzversammlung gefasst werden könne, so dass der
Verschmelzungsvertrag unwirksam sei. Soweit er damit behaupten will, in der
Hauptversammlung sei ein Beschluss über den Verschmelzungsvertrag gefasst worden, so
handelt es sich dabei zum einen um neuen Vortrag, mit dem der Kläger nach dem oben
Gesagten präkludiert ist. In der Hauptversammlung wurde im Übrigen kein
Verschmelzungsbeschluss im Sinne des § 13 Abs. 1 UmwG gefasst, sondern ein Beschluss
nach
dem Präsenzerfordernis des § 13 UmwG unterliegt. Dies ergibt sich aus § 62 Abs. 5 Satz 2
UmwG, der für die Hauptversammlung nicht auf § 13 UmwG, sondern auf §§ 327a ff.
AktG verweist (Habighorst, in: Böttcher/ Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht,
2. Auflage 2019, § 62 UmwG Rn. 46).
(2) Auch in Bezug auf die innerhalb der Anfechtungsfrist gerügten Mängel liegt kein
Anfechtungsgrund vor.
(a) Der Einwand, der Verschmelzungsvertrag sei unwirksam, weil die X nicht wirksam
vertreten worden sei, trifft nicht zu. Die Rüge des Klägers zielt auf eine unzureichende oder
fehlerhafte Bevollmächtigung nach § 112 AktG oder Ermächtigung nach § 78 Abs. 4 AktG
des für die X handelnden Vorstandsmitglieds Wx ab (vgl. Klageschrift, Blatt 40 d.A.). Die
Vertretung sei außerdem wegen des in den Vollmachtsurkunden vorgesehenen
Haftungsausschlusses der Vertreter nicht wirksam. Zudem rügt der Kläger einen Verstoß
gegen
beteiligten Rechtsträger“ zu schließen ist.
(aa) Da es sich nicht um eine Vertretung der Gesellschaft gegenüber den
Vorstandsmitgliedern handelt, ist § 112 Akt G schon nicht einschlägig ist.
(bb) Zwar ergibt sich eine Befugnis zur Ermächtigung eines Vorstandsmitglieds durch zur
Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder aus § 78 Abs. 4 AktG. Vorliegend wurde
jedoch ausweislich der dem Verschmelzungsvertrag beigefügten Urkunde (Anlage B11 im
Anlagenband) eine „Vollmacht“ und keine Ermächtigung erteilt. Dies ist neben oder
anstelle einer Ermächtigung ebenfalls möglich, da der Vorstand namens der
Aktiengesellschaft unstreitig auch Vollmachten nach den allgemeinen Vorschriften
(§§ 167 ff. BGB; §§ 48 ff., 54 HGB) erteilen kann (Grigoleit, Aktiengesetz, 2. Auflage 2020,
§ 78 Rn. 25 mwN). Das ist vorliegend erfolgt. Erkennbar hat der Vorstand der X sein
handelndes Mitglied Wx mit der für einen Vertragsschluss notwendigen Rechtsmacht
ausstatten wollen. Auch für den Abschluss eines Verschmelzungsvertrags kann der
Vorstand eine Vollmacht erteilen, ohne dass dies gegen § 4 UmwG verstoßen würde. Dabei
können sich die Vertretungsorgane auch bei Vornahme dieses Geschäfts ihrerseits aufgrund
rechtsgeschäftlich erteilter Vollmachten vertreten lassen (Drygala in: Lutter,
Umwandlungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 4 UmwG Rn. 9; Heidinger, in: Henssler/Strohn,
Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 4 UmwG Rn. 8, jeweils mwN). Es ist daher nicht
erforderlich, auf § 78 Abs. 4 AktG und die Grundsätze der „falsa demonstratio non nocet“
zurückzugreifen, wie es die Beklagte in der Klageerwiderung vom 3. August 2020 (Bl. 76,
102 d.A.) unternimmt.
Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt eine Beschränkung der Vollmachtserteilung
auf ein einzelnes Geschäft, nämlich den Abschluss des Verschmelzungsvertrags, auch nicht
gegen § 82 Abs. 1 AktG, da die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung einzelner
Vorstandsmitglieder neben der in § 82 Abs. 1 AktG geregelten Gesamtvertretungsbefugnis
des Vorstands möglich ist (vgl. Grigoleit, Aktiengesetz, 2. Auflage 2020, § 82 Rn. 5 mwN).
Die in § 82 Abs. 1 AktG geregelte Unbeschränkbarkeit der Gesamtvertretungsbefugnis wird
durch die Ermächtigung einzelner Vorstandsmitglieder zur Vornahme bestimmter
Geschäfte ohne die anderen Mitglieder schließlich nicht eingeschränkt.
(cc) Es ist auch nicht ersichtlich, warum die in den Urkunden der X und der Beklagten
vorgesehene Haftungsfreistellung der jeweils ermächtigten Personen unwirksam sein sollte.
Vielmehr entspricht die erfolgte Haftungsfreistellung des Bevollmächtigten dem
allgemeinen Grundsatz, dass die Haftung den Vertretenen trifft und nicht den Vertreter
bzw. den Beauftragten, vgl. §§ 670, 675 BGB. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen die
Haftung der Vorstandsmitglieder nach § 93 AktG, da die Haftung der Vorstandsmitglieder,
die die Vollmacht erteilten, unberührt bleibt.
(b) Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte habe im Zeitpunkt ihres
Übertragungsverlangens nicht die notwendige Anzahl an Aktien der X gehalten oder dies
nicht ausreichend glaubhaft gemacht, führt nicht zu einer Unwirksamkeit des angegriffenen
Beschlusses. Vielmehr hat die Beklagte hinreichend substantiiert vorgetragen und durch
Vorlage der entsprechenden Unterlagen (Anlagen B5 bis B9 im Anlagenband)
nachgewiesen, dass der Aktienerwerb vor Absendung des Übertragungsverlangens am
26. Februar 2020 erfolgt ist. So schloss die Z Holding GmbH mit der Beklagten am 26.
Februar 2020 einen Aktienkauf- und Übereignungsvertrag über sämtliche von ihr
gehaltenen X Aktien (Anlage B5), die Aktienübertragung erfolgte am gleichen Tag um 13:33
Uhr (Anlage B6) und die Kaufpreiszahlung um 13:36 Uhr (B7). Die Ankündigung der
Verschmelzung und das Übertragungsverlangen gemäß
327a Abs. 1 AktG wurden dem Vorstand der X am 26. Februar 2020 um 17:39 Uhr und
damit nach Erwerb von über 90 % der Aktien der X durch die Beklagte übermittelt (Anlage
B9). Diesem Vortrag ist der Kläger nicht entgegengetreten, auch im Übrigen bestehen keine
Zweifel an dessen Richtigkeit.
Soweit der Kläger Anforderungen an wertpapierhandelsrechtliche Mitteilungen aus § 42
WpHG in Verbindung mit den §§ 33 Abs. 1 und 2, 38 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 WpHG auf
den Nachweis einer hinreichenden Beteiligung im Rahmen der umwandlungsrechtlichen
Verschmelzung nach § 62 UmwG überträgt, ist dies nicht überzeugend. Die Beklagte hat
ihre Mitteilungspflichten über den Erwerb der Aktienmehrheit nach § 33 WpHG nicht
verletzt, da sie der X bereits am 8./9. Januar 2020 den mittelbaren Erwerb der Aktien durch
die Z I. Holding GmbH mitgeteilt hatte, was ausreicht, um den Pflichten aus § 33 WpHG
zu genügen. Der nachfolgende unmittelbare Erwerb löst keine Mitteilungspflicht mehr aus,
so dass kein Rechtsverlust nach § 44 Abs. 1 WpHG eingetreten ist (vgl. HansOLG,
Beschluss vom 14. Juni 2012 - 11 AktG 1/12, juris Rn. 55; Schneider, in:
Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, § 33 Rn. 80 mwN).
Soweit es dem Kläger um die grundsätzliche Eignung einer von der Z AG selbst erstellten
Depotbescheinigung sowie die ordnungsgemäße Vertretung der Z AG bei Erstellung der
Bescheinigung geht, sind seine Einwendungen ebenfalls unbeachtlich. Ein solcher Nachweis
ist für die Wirksamkeit des Übertragungsverlangens nicht erforderlich; er ist vom Gesetz an
keiner Stelle vorgesehen. Daher kann auch dahinstehen, wer die Bescheinigung
unterschrieben hat. Die Depotbescheinigung diente nur der Überprüfbarkeit des Vorliegens
der Voraussetzungen für einen Squeeze-out durch den Notar.
(c) Entgegen der klägerischen Auffassung muss das Übertragungsverlangen im Sinne des
§ 327a Abs. 1 AktG auch nicht schriftlich erfolgen. Vielmehr reicht ein mündliches oder
konkludentes Verlangen, so dass die von der Beklagten nachgewiesene Übermittlung per
Telefax (Anlage B9) jedenfalls ausreicht (vgl. MüKoAktG-Grunewald, 5. Aufl. 2020, § 327a
Rn. 11 mwN).
d) Auch die Einwendungen des Klägers zu einer angeblichen Unvollständigkeit des
Verschmelzungs- (Anlage B12) und Verschmelzungsprüfungsberichts (Anlage B 13) im
Sinne der §§ 8, 9 UmwG überzeugen nicht. Der Kläger hat bereits nicht hinreichend
substantiiert vorgetragen, dass und welche schuldrechtlichen Sondervorteile aktiven und
ehemaligen Vorstandsmitgliedern anlässlich der Verschmelzung eingeräumt worden sein
sollen. Daher war weder deren Genehmigung durch Aufsichtsrat und Vorstand noch eine
Erwähnung im Verschmelzungsbericht erforderlich. Soweit der Kläger insoweit eine neue
Funktion des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden als Leiter des Integrationsprojekts anführt,
handelt es sich weder um einen Vorteil im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 8 UmwG noch wurde er
auf Grundlage des Verschmelzungsvertrags gewährt; vielmehr erfolgte die Anstellung im
Zuge des Ausscheidens des Vorstandsmitglieds mit Ablauf des 31. Dezember 2019, also
lange vor Vertragsschluss.
Im Übrigen begegnen die beiden Berichte keinen Bedenken, so dass die Frage, ob ein
Verschmelzungsbericht überhaupt erforderlich war, vorliegend dahinstehen kann. Der
Bericht und der Prüfungsbericht entsprechen den gesetzlichen Anforderungen;
insbesondere waren entgegen der Auffassung des Klägers keine Ausführungen zu
besonderen Schwierigkeiten bei der Bewertung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 UmwG erforderlich.
(e) Auch die gegen die Wirksamkeit der im Vorfeld der Verschmelzung erfolgten
Aktienübertragung von der A Ltd. auf die B GmbH gerichteten Einwände des Klägers
führen zu keinem anderen Ergebnis. Durch dieses Geschäft erwarb die Z eine ausreichende
Beteiligung für die geplante Verschmelzung nach § 62 UmwG. Der Sachverhalt wird jedoch
nicht von § 5 Abs. 1 Nr. 7 UmwG erfasst, da die A Ltd. zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Verschmelzungsvertrags nicht Aktionärin der X war. Sie hat durch den Vertrag vom
2. Januar 2020 auch keine besonderen Rechte gewährt bekommen. Fraglich ist hier
allerdings die Rolle des an dem Vertrag beteiligten Aktionärs H, der sich darin zur
Rücknahme seiner Anfechtungsklage verpflichtete. Es ist jedoch vom Kläger weder
dargetan noch sonst erkennbar, welche Begünstigungen ihm gewährt wurden und was
darüber im Verschmelzungsvertrag hätte erwähnt werden sollen. Vielmehr betraf die
Anfechtungsklage Vorgänge, die nicht mit der Verschmelzung im Zusammenhang standen.
(f) Entgegen der Auffassung des Klägers genügt auch die Gewährleistungserklärung der C
Bank AG, Filiale Deutschlandgeschäft den gesetzlichen Anforderungen. Berechtigt und
verpflichtet aus der von den Prokuristen der Filiale Deutschland abgegebenen
Garantieerklärung ist die C Bank AG, die auch unstreitig Erlaubnisträger im Sinne des § 32
KWG ist. Denn die Zweigniederlassung ist nicht selbständig rechtsfähig, sondern Teil des
Unternehmensträgers, so dass ihr Handeln diesem zugerechnet und dieser aus
Rechtsgeschäften verpflichtet und berechtigt wird (vgl. MüKoHGB/Krafka, 5. Aufl. 2021,
§ 13 Rn. 19, 20; Koch, Aktiengesetz, 16. Auflage 2022, § 13 HGB Rn. 6).
Die Filialprokuristen haben mit der Unterzeichnung der Erklärung auch die C Bank AG
wirksam vertreten, so dass die Gewährleistungserklärung den Aktionären einen einklagbaren
Anspruch gewährt. Die beiden Prokuristen haben eindeutig im Rahmen ihrer
Vertretungsmacht gehandelt, indem sie ausdrücklich unter der Firma Zweigniederlassung
Filiale Deutschlandgeschäft und gerade nicht im Namen der C Bank AG unterschrieben
haben. Dennoch wurde beim Abschluss des Rechtsgeschäfts der Unternehmensträger
verpflichtet und berechtigt.
(g) Es ist auch nichts für das Vorliegen von etwaigen, vom Kläger behaupteten
Einberufungs- und Durchführungsmängeln bei der Hauptversammlung ersichtlich. Insoweit
nennt er zum einen die Bezeichnung die Stimmabgabe als Briefwahl, zum anderen die
mangelnde Möglichkeit einer Stimmabgabe per SMS oder Messengerdiensten. Die
Stimmabgabe war über elektronisches System (HV-Portal), per E-Mail, per Post oder per
Telefax möglich, so dass der Begriff der „Briefwahl“ im Sinne des Gesetzes verwendet
wurde, vgl. § 118 Abs. 2 Satz 1 AktG. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich eine Pflicht zur
Ermöglichung der Stimmabgabe per SMS oder Messenger ergeben sollte. Auch die vom
Kläger kritisierten Sicherheitsvorkehrungen in Form einer regelmäßigen Bestätigung der
fortdauernden Teilnahme per Mausklick begegnen keinen Bedenken.
(h) Schließlich hat die Beklagte auch korrekt auf die vom Kläger gestellten Fragen
geantwortet. Im Übrigen ist die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses wegen
unzureichender Beantwortung von Fragen nach § 1 Abs. 7 iVm Abs. 2 Satz 2 Covid-19-
Gesetz ausgeschlossen (Simons/Hauser,
3. Gegen die Argumentation des Landgerichts, mit der das Vorliegen von
Nichtigkeitsgründen verneint wird, wendet sich die Berufung nicht. Der Senat schließt sich
neben den obigen Ausführungen auch den überzeugenden Entscheidungsgründen zu den
Einwendungen des Klägers an.
Hinzu kommt, dass Nichtigkeitsgründe bereits ersichtlich nicht vorliegen. Dieses sind in
§ 241 AktG abschließend aufgezählt (Grigoleit/Ehmann, AktG, 2. Aufl. 2020, § 241 Rn.
10), in Betracht kämen vorliegend ein Verstoß des beanstandeten Beschlusses gegen die
guten Sitten, eine Nichtvereinbarkeit mit dem Wesen der Aktiengesellschaft oder ein
Verstoß gegen gläubigerschützende oder sonst im öffentlichen Interesse liegende
Vorschriften (vgl. dazu BeckOGK/Vatter, AktG, Stand: 1. Februar 2022, § 249 Rn. 29).
Aus den bisherigen Ausführungen ist erkennbar, dass der Kläger lediglich die Verletzung
von Form- und Verfahrensvorschriften geltend macht, die diese Voraussetzung einer
Nichtigkeit erkennbar nicht erfüllen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Schleswig
Erscheinungsdatum:08.06.2022
Aktenzeichen:9 U 128/21
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Umwandlungsrecht
Aktiengesellschaft (AG)
Konzernrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
UmwG §§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 7, 8 Abs. 1 S. 2, 13 Abs. 1, 62 Abs. 5; ZPO §§ 128 Abs. 2, 295 Abs. 1, 513 Abs. 1; AktG §§ 78 Abs. 4, 82 Abs. 1, 112, 241, 245 Nr. 1; WpHG §§ 33, 44 Abs. 1