BGH 11. Juni 1986
IV a ZR 248/84
BGB §§ 2280, 2287

Vorbehaltsklausel in einem Ehegattenerbvertrag

Selbst wenn die Kammer zu dem Ergebnis gelangen würde,
daß die fragliche Grundschuldbestellung nicht dem Interesse des Minderjährigen diente, wäre sie an einer Aufhebung der mit der angefochtenen Entscheidung erteilten Genehmigung gehindert, weil insoweit keiner der Beteiligten
Rechtsmittel eingelegt hat. Auch dem von der Bechwerdeführerin gestellten Hauptantrag auf „vorbehaltlose" Genehmigung, der in der Sache darauf gerichtet ist, auch die
Zweckerklärung zu genehmigen bzw. das Vormundschaftsgericht hierzu anzuweisen, kann nicht entsprochen werden,
weil die der Grundschuldbestellungsurkunde beigefügte
Zweckerklärung — wie oben dargelegt — keiner Genehmigung bedarf.
Hingegen führt der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag
der Beschwerdeführerin zum Erfolg. Bei der begehrten Feststellung handelt es sich um ein sogenanntes Negativattest,
hinsichtlich dessen die Beschwerdeführerin rechtsschutzbedürftig ist. Die Rechtspflegerin hat in ihrer Nichtabhilfeverfügung vom 22. August 1985 zu erkennen gegeben, daß
sie von einer Genehmigungsbedürftigkeit der fraglichen
Zweckerklärung ausgegangen ist. Somit stellt sich der mit
der Beschwerde angefochtene Inhalt ihres Beschlusses vom
7. Juli 1983 als eine teilweise Antragsablehnung dar. Die
Antragstellerin ist daher als Inhaberin der elterlichen Gewalt
für ihren minderjährigen Sohn gemäß § 20 Abs. 1 FGG
beschwerdeberechtigt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG,
11. Aufl., Rdnr. 13, Anm. 5Aa zu § 20).
Nach alledem war dem Antrag auf Erteilung eines Negativattests zu entsprechen.
17. BGB §§ 2280, 2287 (Vorbehaltsklausel in einem Ehegattenerbvertrag)
Setzen sich Ehegatten in einem Erbvertrag gegenseitig zum
Alleinerben ein, kann dem Überlebenden das. Recht vorbehalten werden, anstelle des vertraglich eingesetzten Schlußerben andere Personen zu beliebigen Quoten zu seinen
Erben zu bestimmen.
Der Schutz des Vertragserben nach § 2287 BGB geht nicht
weiter als die vertragliche Bindung des Erblassers.
(Leitsätze nicht amtlich)
BGH, Urteil vom 11.6.1986 — IV a ZR 248/84 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand.
Die Eltern der Klägerin hatten sich durch notariellen Ehe- und Erbvertrag vom 10. Januar 1922 gegenseitig zu Erben eingesetzt und Vermächtnisse zugunsten ihrer Abkömmlinge ausgesetzt. Die Eltern betrieben eine Bäckerei. Wegen dieses Geschäfts kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der (einzigen) Schwester
der Klägerin und dem Ehemann der Schwester (Eltern des Beklagten)
einerseits und den Eltern der Klägerin andererseits. Der Streit endete
am 12. Juli 1963 mit einem gerichtlichen Vergleich, aufgrund dessen
die Eltern der Klägerin ihre Bäckerei samt Haus und Grundstück auf
die Eltern des Beklagten übertrugen. Darauf änderten die Eltern der
Klägerin den Ehe- und Erbvertrag von 1922 am B. August 1963. Dabei
ließen sie es bei der gegenseitigen Erbeinsetzung, bestimmten aber
nunmehr die Klägerin zur Alleinerbin des überlebenden Elternteils.
Weiter ist in dem „Erbvertragsnachtrag" verfügt:
„Ausdrücklich ergänzen wir. den Erbvertrag noch dahin, daß dem
Überlebenden von uns freigestellt wird, nach seinem Ermessen nach
dem Tode des Erstversterbenden abändernde Bestimmungen zu treffen, also insbesondere zugunsten der ausfallenden Tochter. . . oder
deren Kinder Vermächtnisse zu Lasten der Erbin anzuordnen oder
sonstige Auflagen zu bestimmen."
Demgemäß wurde die im Jahre 1967 verstorbene Mutter vom Vater
allein beerbt.
Im Jahre 1971 entzweiten sich die Klägerin und ihr Vater (Erblasser).
Dieser errichtete am B. Februar 1972 ein eigenhändiges Testament,
demzufolge die Klägerin nur geringfügige Zuwendungen hätte erhalten sollen. Am 17. Februar 1973 übertrug er einen großen Teil seines
Grundbesitzes auf den Beklagten. Mit notariellem Testament vom
17. November 1977 hob der Erblasser seine Verfügungen von Todes
wegen vom B. August 1963 und vom B. Februar 1972 auf und setzte
seine beiden Töchter zu Erben je zur Hälfte ein; daneben verfügte er
mehrere Vermächtnisse. Die Klägerin hält sich aufgrund des Erbvertrages von 1963 für die Alleinerbin ihres Vaters; der Beklagte ist der
Meinung, sie sei aufgrund des, Testaments von 1977 nur Miterbin
neben seiner Mutter.
Die Klägerin hält die Übertragung der Grundstücke auf den Beklagten aufgrund des Vertrages vom 17. Februar 1973 für eine benachteiligende Schenkung im Sinne von § 2287 BGB. Die übertragenen Grundstücke hätten, so hat sie vorgetragen, einen Wert von 420.200,— DM.
Demgemäß hat sie den Beklagten auf Zahlung von 210.100,— DM
nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage
in Höhe von 102.000,—'DM nebst Zinsen stattgegeben und hat sie im
übrigen abgewiesen. Im Berufungsverfahren ist der Notar, der die
Grundstücksübertragung von 1973 und das Testament von 1977 beurkundet hat, dem Beklagten als Streithelfer beigetreten. Das Berufungsgericht hat sowohl die Berufung des Beklagten als auch diejenige seines Streithelfers zurückgewiesen. Der Beklagte und auch
der Streithelfer haben Revision eingelegt; beide erstreben die völlige
Abweisung der Klage.
Aus den Gründen:
I.Zu entscheiden ist nicht über zwei Revisionen, sondern nur
über eine einzige, nämlich über diejenige des Beklagten.
(Wird ausgeführt)
II. 1. Das Berufungsgericht hält die Klägerin für die vertragsmäßig eingesetzte Alleinerbin ihres Vaters. Die Vorbehaltsklausel in dem Erbvertragsnachtrag von 1963 habe dem Erblasser nicht die Möglichkeit eröffnet, neben der Klägerin
noch eine andere Person (gerade) als (Mit-)Erben einzusetzen. In diesem Sinne sei die Klausel nicht auszulegen. Es sei
zwar zulässig, dem Erblasser im Erbvertrag das Recht vorzubehalten, neben dem Vertragserben zu einem bestimmten
Bruchteil nachträglich auch noch einen weiteren Erben einzusetzen. Wenn dem Erblasser dagegen das Recht eingeräumt werde, andere Personen zu beliebigen Quoten als weitere Erben einzusetzen, dann werde der Erbvertrag damit im
Sinne von BGHZ 26, 204, 208 seines eigentlichen Wesens
entkleidet, was unzulässig sei. Dafür, daß die Eltern der Klägerin dem Längstlebenden von ihnen ein so weitgehendes
Recht hätten vorbehalten wollen, ergäben sich jedoch keine
Anhaltspunkte.
2. Die Revision des Beklagten greift diese Ausführungen als
rechtsfehlerhaft an. Der Erblasser könne sich nachträgliche
Vermächtnisse und Auflagen beliebigen Umfangs vorbehalten. Deshalb sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum
nicht auch eine entsprechende Beschränkung der Erbteilsquote zugelassen werden könne. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes sei ein Vorbehalt möglich, wenn
nach Ausübung des Vorbehalts wenigstens eine vertragsmäßige Verfügung erhalten bleibe. Das sei im Hinblick auf
die gegenseitige Erbeinsetzung der Eltern der Klägerin hier
der Fall.
Der Streithelfer meint, das Berufungsgericht habe verkannt,
daß es sich um einen Ehegattenerbvertrag im Sinne von
§ 2280 BGB handele. In solchen Fällen seien die Ehegatten
bei der Vereinbarung eines Vorbehalts zugunsten des Überlebenden freier gestellt. Diesem könne ohne weiteres das
Recht eingeräumt werden, die Schlußerbeneinsetzung zu
widerrufen. Der Vorbehalt lasse sich nur in diesem Sinne
'auslegen. Deshalb sei die Klägerin von vornherein nicht
Vertragserbin ihres Vaters. § 2287 BGB finde hier keine
Anwendung.
MittBayNot 1986 Heft 5/6 265


3. Wenn das Berufungsgericht meint, der Erbvertrag von
1963 wäre „seines eigentlichen Wesens entkleidet", wenn er
dem Erblasser das Recht einräumte, andere Personen zu beliebigen Quoten als Erben einzusetzen, dann vermag sich
der Senat dem nicht anzuschließen.
Der Erbvertrag von 1963 erneuerte die gegenseitige Erbeinsetzung der Eltern, hob das vertragsmäßige Vermächtnis zugunsten der Abkömmlinge des Erstversterbenden (ein Drittel
des schuldenfreien Gesamtvermögens in Geld) auf, ordnete
Testamentsvollstreckung an und fügte die Vorbehaltsklausel
hinzu. Danach bleibt von dem Erbvertrag von 1963 — auch
bei einem Vorbehalt zugunsten des überlebenden Teils, die
Erbfolge nach ihm völlig neu zu ordnen — entgegen der Meinung des Berufungsgerichts noch einiges übrig: die beiderseitige Erbeinsetzung der Eltern und die Aufhebung des Vermächtnisses aus dem Ehe- und Erbvertrag von 1922. Von
einer unzulässigen Außerkraftsetzung des Erbvertrages von
1963 mit Hilfe der Vorbehaltsklausel kann daher keine Rede
sein.
4. Wie weit der dem Erblasser verbliebene Spielraum für abändernde Testamente verblieb, ist eine Frage der Auslegung
der Vorbehaltsklausel. Das Berufungsgericht hat die Frage
nach der Stellung der Klägerin als alleiniger Vertragserbin
und die Bedeutung der Vorbehaltsklausel des Nachtrages
von 1963 hierfür eingehend erörtert. Indessen läßt sich das
von ihm gefundene Auslegungsergebnis nicht mit der bisherigen Begründung rechtfertigen. Denn das Berufungsgericht hat sich bei seiner Auslegung von einer unzutreffenden Sicht des mindestens verbleibenden — erbvertraglich
bindenden — Gehalts des Nachtrags von 1963 leiten lassen.
Deshalb kann das angefochtene Urteil nicht bestehen
bleiben.
5. Dennoch sprechen gewisse Anhaltspunkte aus dem Testament dafür, daß der Erblasser nicht das Recht haben sollte,
neben der Klägerin auch die Mutter des Beklagten zu seiner
Erbin einzusetzen. Dazu gehört vor allem, daß die Mutter des
Beklagten (sogar) in der Vorbehaltsklausel ausdrücklich als
die Tochter bezeichnet ist, die (als Erbin) ausfällt („ausfallende Tochter"); ferner daß die Klägerin dort als „die" Erbin
genannt wird, die der Erblasser durch nachträgliche Anordnungen mit „Lasten” belegen können sollte. Auf der anderen
Seite ist zu berücksichtigen, daß die in der Vorbehaltsklausel aufgeführten Beispiele für zugelassene nachträgliche
Verfügungen des Erblassers anscheinend nicht abschließend gemeint, sondern nur hervorgehobene Beispiele sind
(„insbesondere"). Das Berufungsgericht wird diese Fragen
mit den Parteien gegebenenfalls nochmals zu erörtern und
die Klausel erneut auszulegen haben.
III. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß der Schutz,
den § 2287 BGB dem Vertragserben bietet, nicht weiterreichen kann als die vertragliche Bindung, die der Erblasser
mit dem Erbvertrag eingegangen ist (BGHZ 82, 274, 278
[= MittBayNot 1984, 198]; 83, 44, 48; 88, 269, 272; Senatsurteil vom 2.12.1981 — IVa ZR 252/80 — NJW 1982, 441). Deshalb kann eine Schenkung des Erblassers Ansprüche gemäß § 2287 BGB nicht auslösen, wenn er die verschenkten
Gegenstände dem Beschenkten trotz des Erbvertrages
durch Verfügung von Todes wegen hätte zukommen lassen
können (Johannsen, WM Sonderbeilage 2/1982 S. 13). Die
lebzeitige Verfügung liegt dann außerhalb des Schutzbereichs der durch den Erbvertrag eingegangenen Bindungen
und kann die berechtigten Erberwartungen des Vertragserben daher nicht schmälern.
Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß die Vorbehaltsklausel den Erblasser ermächtigte, unter anderem Vermächtnisse zugunsten des Beklagten auszusetzen. Davon
hat der Erblasser durch die festgestellte gemischte Schenkung an den Beklagten - den Erbfall gewissermaßen.vorwegnehmend — bereits durch lebzeitige Verfügung Gebrauch gemacht. Nach den Feststellungen des Tatrichters
handelt es sich um eine gemischte Schenkung im Werte von
102.000,— DM. Mit dieser Zuwendung ist der Erblasser über
den Rahmen der ihm erteilten Ermächtigung nicht hinausgegangen. Eine Einschränkung der dem Erblasser vorbehaltenen Befugnisse, die hier zum Tragen kommen könnte, ist
dem Erbvertragsnachtrag weder dem Wortlaut noch dem
Sinne nach zu entnehmen.
Unter diesen Umständen muß der Tatrichter näher prüfen, ob
die Klägerin ihre Klage mit Erfolg auf den bereits in der
Klageschrift hilfsweise geltend gemachten Gesichtspunkt
der Pflichtteilsergänzung stützen- kann.
18. BGB §§ 2111, 2205; GBO §§ 20, 29, 35, 36, 51 (Zum Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers;
Behandlung eines Surrogats im Grundbuch des Vorerben)
1. Hängt die Entgeltlichkeit einer Verfügung des Testamentsvollstreckers davon ab, daß der Empfänger der Leistung Miterbe ist, so ist die Erbeneigenschaft in der Form des § 35
GBO — oder ggf. des § 36 GBO — nachzuweisen; die sonst
für den Nachweis der Entgeltlichkeit bestehenden Beweis•
erleichterungen greifen hier nicht ein.
2. Soll ein Vorerbe im Wege der Nachlaßauseinandersetzung
aus dem Nachlaß ein Grundstück erhalten, so ist bei diesem
(Surrogat) der Nacherbenvermerk einzutragen.
BayObLG, Beschluß vom 13.6.1986 — BReg. 2 Z 47186 — mitgeteilt von E. Karmasin, Richter am BayObLG
Aus dem Tatbestand:
Die Eheleute M. H. und F. H. sind im Grundbuch als Eigentümer von
sieben Grundstücken eingetragen. F. H. ist am 31.12.1983, seine Ehefrau M. H. am 12.10.1984 verstorben. Sie hinterließen ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu
Alleinerben und ihre beiden Söhne, die Beteiligten zu 2 und 3, zu
Nacherben eingesetzt haben. In dem Testament ist angeordnet, daß
Nacherben des Beteiligten zu 3 dessen Kinder sein sollen; ferner ist
bestimmt, wie die Grundstücke auf die beiden Söhne verteilt werden
sollen. Zur Durchführung der letztwilligen Verfügungen ist der Beteiligte zu 1 als Testamentsvollstrecker eingesetzt.
Der im Testament enthaltenen Teilungsanordnung entsprechend ließ
der Testamentsvollstrecker (Beteiligter zu 1) zu notarieller Urkunde
vom 29.7.1985 drei der Grundstücke an den Beteiligten zu 2 und die
übrigen Grundstücke an den Beteiligten zu 3 auf.
Den Antrag auf Eigentumsumschreibung hat das Grundbuchamt mit
Zwischenverfügung vom 23.8.1985 beanstandet: Die Grundstücksübertragungen durch den Testamentsvollstrecker stellten eine Erbauseinandersetzung dar. Die hierzu vorgenommenen Verfügungen
seien nur dann wirksam, wenn sie durch die Erben genehmigt oder
wenn sie entgeltlich seien. Entgeltlich seien sie, wenn das Verhältnis
der Werte der überlassenen Nachlaßgegenstände dem Verhältnis der
Erbanteile entspreche. Zum Nachweis von Person und Erbanteil der
Erben seien Erbscheine vorzulegen, aus denen sich ergebe, daß
Eigentümer der Grundstücke nunmehr die Beteiligten zu 2 und 3 Miterben zu je 1/2 nach den eingetragenen Eigentümern seien. In den
Gründen der Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, falls nach Vorlage des Erbscheins festgestellt werden
müsse, daß der Beteiligte zu 3 nur Vorerbe sei, so sei dann die Zustimmung von Vermächtnisnehmern und die der Nacherben oder die
vorherige Eintragung der Erbfolge einschließlich des Nacherbenvermerks erforderlich.
Das Landgericht hat die gegen die Zwischenverfügung gerichtete
Erinnerung/Beschwerde des Beteiligten zu 1 mit Beschluß vom
13.3.1986 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde.
MittBayNot 1986 Heft 5/6

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

11.06.1986

Aktenzeichen:

IV a ZR 248/84

Erschienen in:

MittBayNot 1986, 265-266

Normen in Titel:

BGB §§ 2280, 2287