OLG Braunschweig 15. Juli 2019
1 W 12/19
BeurkG § 13a

Wirksamkeit bei Verweis auf materiell-rechtlich unwirksame Urkunde

letzte Aktualisierung: 23.8.2019
OLG Braunschweig, Beschl. v. 15.7.2019 – 1 W 12/19

BeurkG § 13a
Wirksamkeit bei Verweis auf materiell-rechtlich unwirksame Urkunde

1. Durch eine Verweisung gemäß § 13a BeurkG wird eine andere notarielle Niederschrift in das
Schriftstück inkorporiert; sie gilt als in der Niederschrift selbst enthalten.

2. Die Urkunde, auf die gemäß § 13a BeurkG verwiesen wird, muss unbedingt entsprechend den
Formvorschriften der §§ 6 ff. BeurkG errichtet worden sein; inhaltliche Fragen bleiben dagegen
außer Betracht, so dass auch auf notarielle Niederschriften verwiesen werden kann, in denen
materiell-rechtlich unwirksame Erklärungen protokolliert worden sind.

3. Eine Verweisung nach § 13a BeurkG ist auch dann zulässig, wenn die erklärenden Personen der
Bezugsurkunde nicht identisch mit denen der Haupturkunde sind; die in der Bezugsurkunde
enthaltene Erklärung ist dann als von der an der Haupturkunde beteiligten Person abgegeben
anzusehen.

GRÜNDE

I.
Die Beteiligten möchten ein Erbbaurecht mittels Verweisung auf eine andere notarielle Urkunde ins
Grundbuch eintragen lassen, das Grundbuchamt ist der Ansicht, eine Verweisung auf diese Urkunde sei
nicht möglich.

1. Der Beteiligte zu 1. ist Eigentümer des Grundstücks Grundbuch von …, Band …, Blatt … Im Jahre 1997
ist in Abteilung II, Nr. 1 ein Erbbaurecht bis zum 31. Dezember 2011 für den am 3. Dezember 2014
verstorbenen Ehemann der Beteiligten zu 2. eingetragen worden, das zwischenzeitlich gelöscht worden ist.

Mit notarieller Urkunde vom 16. Juni 2015 beantragten der Beteiligte zu 1. und der zu diesem Zeitpunkt
bereits verstorbene Ehemann der Beteiligten zu 2. – vertreten durch die Beteiligte zu 2. auf Basis der
transmortalen notariellen Generalvollmacht vom 20. Juni 2014, diese vertreten durch den Steuerberater C.
auf Basis der notariellen Untervollmacht vom 26. Januar 2015 – die Eintragung eines in derselben Urkunde
vereinbarten neuen Erbbaurechts.

Mit Zwischenverfügung vom 29. September 2015 – EI 10851-5 – teilte das Grundbuchamt mit, dass der
verstorbene Ehemann der Beteiligten zu 2. nicht als Erbbauberechtigter eingetragen werden könne. Auch
die Beteiligte zu 2. könne nicht eingetragen werden, da sie nicht im eigenen Namen handele. Der Beteiligte
zu 1. bat daraufhin mehrfach um Fristverlängerung, da noch nicht klar sei, ob die Beteiligte zu 2.
Alleinerbin werde; die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung ihrer
minderjährigen Tochter stehe noch aus. Mit Beschluss vom 30. März 2017 – EI 10851-5 – wies das
Grundbuchamt den Antrag auf Eintragung des neuen Erbbaurechts schließlich zurück, da die in der
Zwischenverfügung genannten Eintragungshindernisse nicht beseitigt worden seien.

2. Mit notarieller Urkunde vom 29. Juni 2017 beantragten die Beteiligten zu 1. und 2. die Eintragung des
Erbbaurechts zugunsten der Beteiligten zu 2.; diese sei ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts vom
27. März 2017 – 5 VI 118/15 – Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes. In dem Antrag wird gemäß §
13a BeurkG auf die notarielle Urkunde vom 16. Juni 2015 verwiesen und es werden diesbezüglich
Änderungen und Ergänzungen vorgenommen.

Mit Zwischenverfügung vom 12. Dezember 2018 – EI 10851-7 – wies das Grundbuchamt darauf hin, dass
der Eintragungsantrag aus der notariellen Urkunde vom 16. Juni 2015 zurückgewiesen worden sei; eine
Bezugnahme auf diese Urkunde sei „daher derzeit nicht möglich“. Im Übrigen sei die Generalvollmacht der
Beteiligten zu 2. vom 20. Juni 2014 durch Konfusion erloschen.

Mit notariellem Schriftsatz vom 27. Dezember 2018 legte der Beteiligte zu 1. Beschwerde gegen die
Zwischenverfügung ein. Gegenstand der Bezugnahme gemäß § 13a BeurkG sei die notarielle
Niederschrift, unabhängig davon, ob sie materiell wirksame Willenserklärungen enthalte.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2019 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Sache
dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor. Dem Grundbuchamt sei durch den Erbschein die
Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 2. nachgewiesen worden, so dass die transmortale Generalvollmacht
vom 20. Juni 2014 für die Beteiligte zu 2. ihre Wirksamkeit verloren habe; die Erklärungen in der notariellen
Urkunde vom 16. Juni 2015 seien somit durch eine nicht Verfügungsbefugte abgegeben worden und
könnten nicht Grundlage einer Eintragung im Grundbuch sein; die in der notariellen Urkunde vom 29. Juni
2017 enthaltenen Erklärungen seien allein für eine Eintragung nicht ausreichend.

II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Die gegen die Zwischenverfügung vom 12. Dezember 2018 – EI 10851-7 –gerichtete Beschwerde ist
statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 71 Abs. 1 GBO) und zulässig; sie ist nicht fristgebunden (Kramer, in:
BeckOK, 36. Edition, Stand 1. Juni 2019, § 71 GBO, Rn. 10 m.w.N.).

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der begehrten Eintragung des Erbbaurechts steht nicht
entgegen, dass der in Bezug genommene frühere Eintragungsantrag zurückgewiesen worden ist (a), und
dass die transmortale Generalvollmacht, die der Ehemann der Beteiligten zu 2. dieser erteilt hatte,
möglicherweise aufgrund ihrer Alleinerbenstellung unwirksam geworden ist (b).

a) Einer Eintragung des Erbbaurechts auf Basis der notariellen Urkunde vom 29. Juni 2017 steht nicht
entgegen, dass der in der notariellen Urkunde vom 16. Juni 2015 enthaltene Eintragungsantrag
zurückgewiesen worden ist, denn diese Zurückweisung ist nicht wegen Verstoßes gegen die
Formvorschriften der §§ 6 ff. BeurkG erfolgt und hindert damit eine Verweisung im Sinne des § 13a BeurkG
auf diese Urkunde nicht.

aa) Gemäß § 13a BeurkG kann eine beurkundungspflichtige Erklärung auch dadurch beurkundet werden,
dass auf eine andere notarielle Erklärung verwiesen wird; durch eine solche Verweisung wird eine andere
notarielle Niederschrift in das Schriftstück inkorporiert; sie gilt als in der Niederschrift selbst enthalten (OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 22. November 2002 – 3 Wx 321/02 –, FGPrax 2003, S. 88 [89] m.w.N; OLG
Hamm, Beschluss vom 30. Dezember 2015 – 15 W 536/15 –, FGPrax 2016, S. 108). Bei der Verweisung
nach § 13a BeurkG handelt es sich im Ausgangspunkt um eine Verweisung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2
BeurkG; lediglich die Verlesungs- und Beifügungspflicht wird anders geregelt (Hertel, in: Staudinger, BGB,
Neubearbeitung 2017, BeurkG, Rn. 420; Seebach/Rachlitz, in: BeckOGK, Stand 1. März 2019, § 13a
BeurkG, Rn. 14 m.w.N.).

Es ist zwar unbedingt erforderlich, dass die Urkunde, auf die gemäß § 13a BeurkG verwiesen wird,
entsprechend den Formvorschriften der §§ 6 ff. BeurkG über die Beurkundung von Willenserklärungen
errichtet worden ist, inhaltliche Fragen bleiben aber außer Betracht; es kann auch auf notarielle
Niederschriften verwiesen werden, in denen materiell-rechtlich unwirksame Erklärungen protokolliert
worden sind (Lerch, in: Lerch, BeurkG, 5. Auflage 2016, § 13a, Rn. 7; Hertel, in: Staudinger, BGB,
Neubearbeitung 2017, BeurkG, Rn. 422; Seebach/Rachlitz, in: BeckOGK, Stand 1. März 2019, § 13a
BeurkG, Rn. 30; Litzenburger, in: BeckOK BGB, 50. Edition, Stand 1. Mai 2019, § 13a BeurkG, Rn. 1; alle
m.w.N.).

Eine Verweisung nach § 13a BeurkG ist zudem auch dann zulässig, wenn die erklärenden Personen der
Bezugsurkunde nicht identisch mit denen der Haupturkunde sind; die in der erstgenannten Urkunde
enthaltene Erklärung ist dann als von der an der zweitgenannten Urkunde beteiligten Person abgegeben
anzusehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. November 2002 – 3 Wx 321/02 –, FGPrax 2003, S. 88
[89]; Lerch, in: Lerch, BeurkG, 5. Auflage 2016, § 13a, Rn. 8, 11; Hertel, in: Staudinger, BGB,
Neubearbeitung 2017, BeurkG, Rn. 422; Seebach/Rachlitz, in: BeckOGK, Stand 1. März 2019, § 13a
BeurkG, Rn. 32; a.A. Demharter, in: FGPrax 2003, S. 139 [140]; Blaeschke, in: RNotZ 2005, S. 330 [343]).

zur Trefferliste

bb) Nach diesem Maßstab ist eine Verweisung gemäß § 13a BeurkG in der notariellen (Haupt-) Urkunde
vom 29. Juni 2017 auf die notariellen (Bezugs-) Urkunde vom 16. Juni 2015 möglich. Es ist weder
Gegenstand der angegriffenen Zwischenverfügung noch sonst ersichtlich, dass die Bezugsurkunde nicht
den Formvorschriften der §§ 6 ff. BeurkG entspräche. Die Frage, ob die Beteiligte zu 2. – und damit
mittelbar der am 16. Juni 2015 für sie handelnde Steuerberater C. – seinerzeit wirksam bevollmächtigt
gewesen ist, ist für die hier ausschließlich maßgebliche Frage der Formwirksamkeit nicht relevant; sie ist
eine Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der in der Bezugsurkunde enthaltenen Erklärungen, die
nicht Voraussetzung einer Verweisung im Sinne des § 13a BeurkG ist (siehe oben, Abschnitt aa).
b) Einer Eintragung des Erbbaurechts auf Basis der notariellen Urkunde vom 29. Juni 2017 steht auch
nicht entgegen, dass die transmortale notarielle Generalvollmacht vom 20. Juni 2014 (Bl. 36–41 d.A.) – auf
die sich die Beteiligte zu 2. bei der Beurkundung vom 16. Juni 2015 bezogen hat – möglicherweise
aufgrund der Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 2. unwirksam geworden ist.

Es kann dahinstehen, ob eine transmortale Vollmacht erlischt, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des
Vollmachtgebers wird (so OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2013 – 15 W 79/12 –, ZEV 2013, S. 341
[342] [„Konfusion“]; OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Mai 1948 – 1 RS 49/48 –, NJW 1947/48, S. 627 [628];
Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 2112, Rn. 33 [„Konsolidation“]; a.A. LG Bremen,
Beschluss vom 18. Dezember 1992 – 5 T 829/92 –, juris; Weidlich, in: Palandt, 78. Auflage 2019, Einf. v. §
2197, Rn. 12; Ellenberger, a.a.O., § 168, Rn. 4 m.w.N.; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 4. Auflage
2014, Rn. 7; differenzierend OLG München, Beschluss vom 26. Juli 2012 – 34 Wx 248/12 –, juris, Rn. 11
m.w.N.; Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, Vorb. zu §§ 2197–2228, Rn. 86 m.w.N.).

Hier kommt es nicht auf die Frage der wirksamen Bevollmächtigung der Beteiligten zu 2. zum Zeitpunkt
des erstmaligen Eintragungsantrags auf Basis der notariellen Urkunde vom 16. Juni 2015 an, denn nach
allgemeiner Ansicht kann jedenfalls mittels einer förmlichen Verweisung gemäß § 13a BeurkG ein
Rechtsgeschäft auch vorgenommen werden, indem auf eine notarielle Urkunde verwiesen wird, die ein
unwirksames oder nichtiges Rechtsgeschäft enthält (siehe die Nachweise oben, Abschnitt a.aa); streitig ist
dies lediglich für den Fall einer einfache Bezugnahme (zum Meinungsstand siehe Stauf, in: RNotZ 2001, S.
129 [133] m.w.N.). Demnach kommt es für die Frage der Zulässigkeit der Verweisung in der notariellen
(Haupt-) Urkunde vom 29. Juni 2017 nicht darauf an, ob das in der notariellen (Bezugs-) Urkunde vom 16.
Juni 2015 enthaltene Rechtsgeschäft seinerzeit wirksam zustande gekommen ist – namentlich von
wirksam bevollmächtigten Vertretern geschlossen worden ist. Durch die Verweisung ist lediglich der Text
der Bezugsurkunde in den der Haupturkunde inkorporiert worden – unter Berücksichtigung der in der
Haupturkunde geregelten Änderungen und Ergänzungen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Braunschweig

Erscheinungsdatum:

15.07.2019

Aktenzeichen:

1 W 12/19

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Grundbuchrecht
Kostenrecht

Erschienen in:

NotBZ 2019, 462-464

Normen in Titel:

BeurkG § 13a