Ehegattenhof i. S. d. HöfeO und Gütergemeinschaft
letzte Aktualisierung: 17.2.2021
OLG Hamm, Beschl. v. 8.8.2019 – 10 W 94/18
HöfeO §§ 1 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 1; BGB §§ 1416, 1418
Ehegattenhof i. S. d. HöfeO und Gütergemeinschaft
1. Gehört im Zeitpunkt des Erbfalls ein Hof i. S. d. HöfeO zum Gesamtgut der Eheleute, dann wird
der überlebende Ehegatte Hoferbe.
2. Das Gesamtgut entsteht kraft Gesetzes an allen beweglichen und unbeweglichen Sachen. Eines
dinglichen Übertragungsaktes bedarf es nicht. Bei Grundstücken ist die entsprechende Eintragung
im Grundbuch nicht konstitutiv. Das Grundbuch ist lediglich unrichtig. Der nicht eingetragene
Ehegatte hat einen Anspruch auf Berichtigung gemäß § 1416 Abs. 3 BGB. Die Gütergemeinschaft
ist durch den notariellen Ehevertrag wirksam vereinbart. Es bedarf auch keiner Eintragung in das
Güterrechtsregister.
I.
Die Beteiligten streiten um die Hofnachfolge nach dem am 00.00.1928 geborenen und am
00.00.2017 verstorbenen Erblasser E betreffend den im Rubrum genannten Hof, der seit
dem 25.03.1950 als Hof im Sinne der Höfeordnung eingetragen ist.
Der Erblasser war seit dem 00.00.1956 bis zu seinem Tod mit der Antragstellerin
verheiratet. Aus der Ehe des Erblassers und der Antragstellerin sind der am 00.00.1959
geborene Antragsgegner sowie die beiden weiteren Beteiligten, die am 000.00.1957
geborene U und die am 00.00.1964 geborene T, hervorgegangen.
Mit Urkunde des Notars Dr. J aus C vom 21.01.1960 (UR-Nr. 01) schlossen die
Antragstellerin und der Erblasser einen Ehevertrag, in dem sie den Güterstand der
Gütergemeinschaft vereinbarten und festlegten, dass die Verwaltung des Gesamtgutes
dem Ehemann allein zustehen solle. Von einer Eintragung dieser Güterstandsänderung im
Güterrechtsregister wurde zunächst Abstand genommen, sie erfolgte auch nachträglich
nicht.
Durch weitere Urkunde des gleichen Notars vom gleichen Tag (UR-Nr. 02), in der die
Antragstellerin nicht als Beteiligte aufgeführt ist, übertrugen die Eltern des Erblassers
diesem ihr gesamtes beiderseitiges bewegliches und unbewegliches Vermögen,
insbesondere den verfahrensgegenständlichen, seinerzeit im Grundbuch von I, Blatt 00,
eingetragenen Hof nebst dem gesamten lebenden und toten Inventar sowie weiteren
Grundbesitz. Im Gegenzug verpflichtete sich der Erblasser u. a., seine Eltern lebenslang
zu pflegen und zu versorgen, ihnen ein monatliches Taschengeld i.H.v. 60 DM zu zahlen,
seinen Eltern nach ihrem Tod auf seine Kosten ein christliches und standesgemäßes
Begräbnis zuteilwerden zu lassen, seiner Schwester B Kost und Logis und die noch
fehlende Aussteuer zu gewähren, seinen drei Schwestern jeweils 2.000 DM als Abfindung
zu zahlen und für den Fall der Rückkehr des als vermisst geltenden Bruders X, diesen bei
sich aufzunehmen und zu unterstützen, bis sich dieser eine eigene Existenz aufgebaut
habe.
Weder der Familienstand des Erblassers noch die am gleichen Tag erfolgte Änderung des
Güterstandes finden in dem Übertragungsvertrag Erwähnung.
Am 28.04.1972 wurde der verfahrensgegenständliche Hof umgeschrieben auf das
Grundbuch von I, Blatt 000, Amtsgericht Bocholt. Als Eigentümer des Hofes war seit der
Übertragung durch seine Eltern durchgängig und ist weiterhin ausschließlich der Erblasser
eingetragen.
Am 16.06.1989 schlossen der Erblasser und die Antragstellerin als Verpächter mit dem
Antragsgegner als Pächter einen Pachtvertrag über den verfahrensgegenständlichen Hof,
der seit dieser Zeit von dem Antragsgegner, der eine landwirtschaftliche Ausbildung
erfolgreich absolviert hat, bewirtschaftet wird.
Gemäß § 2 des Pachtvertrages wurde dieser für die Dauer von zehn Jahren für die Zeit
vom 01.07.1989 bis einschließlich 30.06.1999 geschlossen und sollte sich im Falle nicht
rechtzeitiger Kündigung jeweils stillschweigend um ein weiteres Jahr verlängern.
Unter der Überschrift „Hoferbenbestimmung“ enthält der Pachtvertrag unter § 17 folgende
Regelung:
„(1) Sollte durch diesen Pachtvertrag eine Berufung des Pächters zum Hoferben gemäß §
6 Abs. 1 Nr. 1 HöfeO erblickt werden können, so erklären die Parteien hiermit, daß durch
diesen Vertrag ausdrücklich eine derartige Berufung des Pächters zum Hoferben nicht
gegeben sein soll.
(2) Der § 17 ist zu streichen, wenn es sich nicht um eine Verpachtung an einen etwaigen
Hoferben handelt.
Soll bei Verpachtung an einen etwaigen Hoferben die Verpachtung der Bestimmung des
Hoferben dienen, so ist der § 17 ebenfalls zu streichen.“
Am 00.00.2017 ist der Erblasser verstorben, ohne zuvor eine letztwillige Verfügung
errichtet zu haben.
In Bezug auf das hoffreie Vermögen des Erblassers hat das Amtsgericht –
Landwirtschaftsgericht – Borken am 22.11.2017 einen Erbschein erteilt, wonach der
Erblasser von seiner Ehefrau, der Antragstellerin, und den gemeinsamen drei Kindern
jeweils zu ¼ beerbt worden ist.
Mit notarieller Urkunde des Notars F aus D vom 12.07.2017 (UR-Nr. 03) hat die
Antragstellerin die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses zu ihren Gunsten und die
nachfolgende Löschung des Hofvermerks beantragt. Hierbei hat sie die Ansicht vertreten,
der Hof habe zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehört, weshalb es sich um einen
Ehegattenhof gehandelt habe. Sie sei daher gem. § 8 Abs. 1 HöfeO Hoferbin nach ihrem
verstorbenen Ehemann geworden.
Die fehlende Eintragung der Vereinbarung der Gütergemeinschaft im Güterrechtsregister
und die unterbliebene Grundbuchberechtigung stünden dem nicht entgegen, da beides
keine konstitutive Wirkung habe. In dem Übertragungsvertrag vom 21.01.1960 sei weder
eine ausdrückliche, noch eine schlüssige Bestimmung enthalten, dass der Hof
Vorbehaltsgut werden solle. Die Eltern des Erblassers hätten bei Abschluss des
Übertragungsvertrages Kenntnis von der Vereinbarung der Gütergemeinschaft gehabt,
diese sei seinerzeit auch üblich gewesen, insbesondere zur Absicherung der Ehefrau für
den Fall eines frühzeitigen Todes des Ehemannes.
Der Antragsgegner ist dem Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses entgegen
getreten. Er hat die Ansicht vertreten, es habe sich bei dem Hof nicht um einen
Ehegattenhof gehandelt. Aufgrund des fehlenden Ehegattenhofvermerks sowie der
alleinigen Übergabe des Grundbesitzes an den Erblasser trotz Vereinbarung der
Gütergemeinschaft am gleichen Tag sei davon auszugehen, dass der Hof bei Übergabe
konkludent zum Vorbehaltsgut gem. § 1418 Abs. 2 Nr. 2 BGB erklärt worden sei. Dies
entspreche auch der seinerzeit sehr konservativen Einstellung des Vaters des Erblassers,
der sich nie habe vorstellen können, den Hof auch auf seine Schwiegertochter, die
Antragstellerin, zu übertragen. Dessen Vorstellung sei gewesen, dass der Hof jeweils an
den ältesten Sohn der Familie gehen solle; dies zeige auch die zeitliche Nähe des
Übergabevertrages am 21.01.1960 zu seiner Geburt am 00.00.1959.
Jedenfalls müsse zur Frage, ob ein Ehegattenhof gegeben gewesen sei, ein gesondertes
Feststellungsverfahren gem. § 11 HöfeVO geführt werden.
Ferner hat der Antragsgegner Einwendungen gegen die beabsichtigte Löschung des
Hofvermerks erhoben und hierzu vorgetragen, dadurch werde ihm die Position als Hoferbe
und damit seine wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen. Es bestehe auch kein Grund
für die Löschung des Hofvermerks, insbesondere bestehe zwischen ihm und der
Antragstellerin ein gutes Verhältnis.
Die Beteiligten zu 3) und 4) unterstützen den Antrag der Antragstellerin.
Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – Borken hat durch den angefochtenen
Beschluss vom 27.06.2018 die zur Erteilung des beantragten Hoffolgezeugnisses
erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Zur Begründung ist in dem Beschluss im
Wesentlichen ausgeführt, ein Ehegattenhof entstehe bei Vorliegen der hierfür
erforderlichen Voraussetzungen kraft Gesetzes, ohne dass es der Eintragung eines
entsprechenden Vermerks im Grundbuch bedürfe. Durch die Vereinbarung der
Gütergemeinschaft sei der Hof in das Gesamtgut der Ehegatten gefallen, da es an einer
Bestimmung, dass der Hof Vorbehaltsgut werden solle, fehle. Dies sei weder ausdrücklich
erklärt worden, noch lägen insoweit objektive Anhaltspunkte vor. Wenn eine solche
Bestimmung gewollt gewesen sei, hätte aufgrund der am gleichen Tag erfolgten
Vereinbarung der Gütergemeinschaft nichts näher gelegen, als dies in dem
Übergabevertrag zu erklären. Der Hof sei daher kraft Gesetzes Ehegattenhof geworden
und die Antragstellerin Hoferbin gem. § 8 HöfeO.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 12.07.2018 bei dem Amtsgericht
eingelegten Beschwerde, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
begehrt.
Zur Begründung führt der Antragsgegner unter Wiederholung und Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vorbringens aus, das Landwirtschaftsgericht habe sich nicht mit den von
ihm vorgetragenen Anhaltspunkten für eine stillschweigende Bestimmung des Hofes zum
Vorbehaltsgut auseinander gesetzt. Es sei beispielsweise nicht nachzuvollziehen, warum
die Antragstellerin, die bei der Beurkundung des Hofübergabevertrages anwesend
gewesen sein müsse, nicht an dem Vertrag beteiligt worden sei. Entgegen der Annahme
des Landwirtschaftsgerichts sei eher davon auszugehen, dass keine ausreichende
Belehrung durch den beurkundenden Notar erfolgt sei, denn der Hofübergabevertrag
enthalte keinen Hinweis darauf, dass der Erblasser im Güterstand der Gütergemeinschaft
verheiratet war. Dass der Notar in der Folge nicht die Eintragung eines
Ehegattenhofvermerks veranlasst habe, spreche dafür, dass er angewiesen worden sei,
dies nicht zu tun. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass eine
Grundbuchberichtigung über einen sehr langen Zeitraum nicht erfolgt sei, auch nicht im
Zusammenhang mit der Umschreibung des Grundbuchblattes im Jahr 1972. Zuletzt sei
nicht berücksichtigt worden, dass zum Nachweis des Vorliegens eines Ehegattenhofes ein
gesondertes Feststellungsverfahren erforderlich sei.
Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – Borken hat der Beschwerde mit Beschluss
vom 21.09.2018 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Antragstellerin beantragt Zurückweisung der Beschwerde.
Der Senat hat die Grundakte von I, Blatt 000, des Amtsgerichts Bocholt beigezogen und
die Beteiligten des Verfahrens persönlich angehört. Insoweit wird auf den
Berichterstattervermerk zu dem Anhörungstermin vom 16.07.2019 Bezug genommen.
II.
1.
Die nach §§ 1 I 1 HöfeVfO, 9 i.V.m. 1 Nr. 5 LwVfG; 58 Abs. 1 FamFG statthafte
Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht gem. §§ 63, 64 FamFG eingelegt
worden. Der Antragsgegner ist beschwerdeberechtigt gem. § 59 Abs. 1 FamFG, da er sich
einer eigenen Hoferbenstellung berühmt, die bei Unrichtigkeit der angefochtenen
Entscheidung zum Tragen käme. Der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG ist
angesichts des Wirtschaftswerts des verfahrensgegenständlichen Hofs von 21.481,92 €
erreicht.
Die Beteiligten zu 3) und 4) waren auf ihre bereits in erster Instanz schlüssig durch
Schreiben vom 08.11.2017 und 24.10.2017 gestellten Anträge gem. §§ 7 Abs. 3, 345 Abs.
1 S. 2 Nr. 5, S. 3 FamFG, 1 I 1 HöfeVfO, 9 i.V.m. 1 Nr. 5 LwVfG als Beteiligte
hinzuzuziehen. Als gesetzliche Erben der Antragstellerin wird ihr Recht am Nachlass durch
das Verfahren unmittelbar betroffen (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Auflage, § 345
Rn. 23, 24), insbesondere aufgrund des von der Antragstellerin bereits gestellten Antrags
auf Löschung des Hofvermerks.
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landwirtschaftsgericht die zur
Erteilung des beantragten Hoffolgezeugnisses erforderlichen Tatsachen für festgestellt
erachtet, denn die Antragstellerin ist Hoferbin des verfahrensgegenständlichen Hofes nach
§ 8 Abs. 1 HöfeO.
Danach wird der überlebende Ehegatte beim Tod des vorversterbenden Ehegatten
Hoferbe, wenn es sich bei dem Hof um einen Ehegattenhof gehandelt hat.
Das ist gem. § 1 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. HöfeO dann der Fall, wenn es sich bei dem Hof um
eine im Gebiet der HöfeO belegene land- oder forstwirtschaftliche Besitzung mit einer zu
ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle handelt, die im gemeinschaftlichen Eigentum
von Ehegatten steht und einen Wirtschaftswert von mindestens 10.000,00 € hat.
Vorliegend handelt es sich um eine in Nordrhein-Westfalen, mithin im Gebiet der HöfeO,
belegene landwirtschaftliche Besitzung mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten
Hofstelle und einem Wirtschaftswert von 21.481,92 €.
Diese stand bis zum Erbfall auch im gemeinschaftlichen Eigentum des Erblassers und der
Antragstellerin. Der Hof gehörte zum Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft, weil er
nicht Vorbehaltsgut des Erblassers im Sinne des § 1418 BGB gewesen ist.
a)
Gem. § 1416 Abs. 1 BGB wird durch die Vereinbarung der Gütergemeinschaft das
jeweilige Vermögen der Ehegatten zu gemeinschaftlichem Vermögen beider Ehegatten. Zu
dem Gesamtgut gehört nach § 1416 Abs. 1 S. 2 BGB auch das Vermögen, das einer der
Ehegatten während der Gütergemeinschaft erwirbt.
Das Gesamtgut entsteht dabei unmittelbar kraft Gesetzes an allen beweglichen und
unbeweglichen Sachen, die nicht vom Gesamtgut ausgeschlossen sind. Eines dinglichen
Übertragungsaktes bedarf es nicht, § 1416 Abs. 2, 2. HS BGB (vgl. Staudinger/Thiele
(2018)
Rn. 4).
Durch den notariellen Ehevertrag zwischen dem Erblasser und der Antragstellerin vom
21.01.1960 ist die Gütergemeinschaft wirksam vereinbart worden. Die auch in der Folge
unterbliebene Eintragung des geänderten Güterstands in das Güterrechtsregister steht
dem nicht entgegen, da es sich hierbei nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung handelt,
sondern die Frage der Eintragung nur Einfluss auf die Wirkung der Güterrechtsänderung
gegenüber Dritten hat (vgl. § 1412 Abs. 1 BGB).
Aufgrund des notariellen Übertragungsvertrages zwischen dem Erblasser und seinen
Eltern vom gleichen Tag und der anschließenden Eintragung des Erblassers in das
Grundbuch, hat dieser Eigentum an dem verfahrensgegenständlichen Hof erworben, so
dass dieser nach § 1416 Abs. 1 S. 2 BGB kraft Gesetzes in das Gesamtgut beider
Ehegatten gefallen ist.
b)
Der Entstehung gemeinschaftlichen Eigentums des Erblassers und der Antragstellerin an
dem Hof steht weder entgegen, dass die Antragstellerin nicht als Miteigentümerin in
Gütergemeinschaft im Grundbuch eingetragen, noch dass auf dem Grundbuch kein
Ehegattenhofvermerk aufgebracht worden ist.
Da das Gesamtgut und somit das gemeinschaftliche Eigentum automatisch kraft Gesetzes
entsteht, ist die entsprechende Eintragung im Grundbuch – anders als bei
Eigentumserwerb aufgrund rechtsgeschäftlicher Übereignung – nicht konstitutiv.
Bei fehlender Eintragung des zweiten Ehegatten ist lediglich das Grundbuch unrichtig,
weshalb § 1416 Abs. 3 BGB dem nicht eingetragenen Ehegatten einen Anspruch gegen
den eingetragenen Ehegatten auf Mitwirkung an der Grundbuchberichtigung zubilligt (vgl.
MüKoBGB/Kanzleiter, 7. Aufl. 2017,
Auch die Eintragung eines Ehegattenhofvermerks nach § 6 Abs. 2 HöfeVfO hat keine
konstitutive Wirkung; der Ehegattenhof entsteht kraft Gesetzes, sobald die in § 1 Abs. 1 S.
1, 2. Alt. HöfeO genannten tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl.
Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/v. Jeinsen, 11. Aufl. 2015, HöfeVfO § 6 Rn. 4). Dabei kann hier
offen bleiben, ob und in welchem Umfang der Eintragung des Ehegattenhofvermerks im
Fall des Antragshofs nach § 1 Abs. 2 HöfeO konstituierende Wirkung zukommt, denn hier
liegen - wie dargelegt - die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. HöfeO vor.
c)
Der Entstehung des Gesamtguts steht auch nicht § 1418 Abs. 1 BGB entgegen, da der
Hof kein Vorbehaltsgut des Erblassers darstellte.
aa)
Vorbehaltsgut sind nach § 1418 Abs. 2 BGB die Gegenstände, die durch Ehevertrag zum
Vorbehaltsgut eines Ehegatten erklärt worden sind (Nr. 1), die ein Ehegatte von Todes
wegen erwirbt oder die ihm durch einen Dritten unentgeltlich zugewendet werden, wenn
der Erblasser in letztwilliger Verfügung oder der Dritte bei der Zuwendung bestimmt hat,
dass der Erwerb Vorbehaltsgut sein soll (Nr. 2) und die ein Ehegatte auf Grund eines zu
seinem Vorbehaltsgut gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung,
Beschädigung oder Entziehung eines zum Vorbehaltsgut gehörenden Gegenstands oder
durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vorbehaltsgut bezieht (Nr. 3).
Liegt Vorbehaltsgut nach § 1418 Abs. 2 BGB vor, so bleibt jeder Ehegatte
Alleineigentümer seines Vorbehaltsguts und verwaltet dieses selbständig (Hausch in:
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1418 BGB,
Rn. 22, 23).
bb)
Es kann offen bleiben, ob der Hof dem Erblasser trotz der umfangreich vereinbarten
Gegenleistungen durch seine Eltern unentgeltlich zugewendet worden ist und ob § 1418
Abs. 2 Nr. 2 BGB analog auf den – hier wohl vorliegenden – Fall der Übertragung im Wege
vorweggenommener Erbfolge angewendet werden kann. Denn es fehlt jedenfalls an der in
beiden Konstellationen erforderlichen Vorbehaltsgutbestimmung durch die Eltern des
Erblassers.
Die Vorbehaltsgutbestimmung muss nicht ausdrücklich erfolgen. Erforderlich, aber auch
ausreichend ist eine konkludent mögliche Erklärung des Zuwendenden spätestens bei der
Zuwendung oder des Testators in der letztwilligen Verfügung, aus der klar erkennbar ist,
dass der Gegenstand Alleineigentum eines Ehegatten werden soll (Hausch in:
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1418 BGB,
Rn. 8-11; Heinemann in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1418 BGB, Rn. 3;
Staudinger/Thiele (2018)
Im Streitfall besteht eine Vermutung für die Zugehörigkeit zum Gesamtgut; die
Zugehörigkeit zu einer anderen Vermögensmasse, z. B. zum Vorbehaltsgut, ist durch
denjenigen zu beweisen, der sich hierauf beruft (Hausch in: Herberger/Martinek/Rüßmann
/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1416 BGB, Rn. 27).
Im Hoffolgezeugnisverfahren gibt es zwar - wie grundsätzlich im Erbscheinsverfahren -
keine formelle Beweislast. Die Grundsätze der Verteilung der Beweislast aufgrund des
materiellen Rechts sind aber auch für die im Hoffolgezeugnisverfahren geltende
Feststellungslast maßgeblich, wenn trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten
nicht behebbare Zweifel verbleiben (Keidel/Sternal, FamFG, 19. Auflage, § 29 Rn. 56;
OLG Hamm, Beschluss vom 12.10.1995, 15 W 134/95,
Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2014, I-25 Wx 84/14,
Berlin, Beschluss vom 07. September 1999 – 1 W 4291/98 –, juris).
Der Senat hat danach nicht festzustellen vermocht, dass die Eltern des Erblassers den
verfahrensgegenständlichen Hof im Zusammenhang mit dem Abschluss des
Übertragungsvertrages vom 21.01.1960 zum Vorbehaltsgut des Erblassers bestimmt
haben.
(1)
Der Übertragungsvertrag enthält keine ausdrückliche Vorbehaltsgutbestimmung.
Der Antragsgegner, der vorliegend nach obigen Maßstäben die Feststellungslast trägt, hat
nicht vorgetragen, dass die Eltern des Erblassers bei Abschluss des
Übertragungsvertrages ausdrücklich eine mündliche Vorbehaltsgutbestimmung
vorgenommen haben. Dies könnte unabhängig davon aufgrund der Angaben der
persönlich angehörten Antragstellerin, die bei der Beurkundung des
Übertragungsvertrages anwesend gewesen ist, nicht angenommen werden. Nach ihren
nicht zu widerlegenden Angaben ist bei der Beurkundung nicht darüber gesprochen
worden, wer Eigentümer des Hofes werden soll und ob dieser nur dem Erblasser oder
beiden Ehegatten zufallen sollte.
(2)
Auch unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles, verbleiben Zweifel
daran, dass die Eltern des Erblassers spätestens bei Abschluss des
Übertragungsvertrages eine konkludente Vorbehaltsgutbestimmung abgegeben haben. Es
kann schon nicht sicher festgestellt werden, dass diese den Willen hatten, dass der Hof
Alleineigentum des Erblassers werden sollte.
Für einen solchen Willen könnte zwar der Vortrag des Antragsgegners zu der
konservativen Einstellung des Vaters des Erblassers sprechen, der sich nicht habe
vorstellen können, den Hof auch seiner Schwiegertochter zu übertragen.
Dagegen spricht jedoch die Formulierung in § 1 des Übertragungsvertrages, wonach beide
Eltern dem Erblasser „ihr gesamtes beiderseitiges Vermögen, bewegliches und
unbewegliches, nichts davon ausgenommen“ zu Eigentum übertragen und ergänzend
ausführen „Zu dem übertragenen Vermögen gehört insbesondere der im Grundbuch von I
Blatt 00 auf den Namen des Vaters eingetragene Hof „H“ nebst dem gesamten darauf
befindlichen lebenden und toten Inventar sowie der ebenfalls auf den Namen des Vaters
im Grundbuch von M Band 000 Blatt 00 eingetragene unabgeteilte Hälftenanteil an dem
daselbst verzeichneten Flurstück.“. Denn aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die
Eltern des Erblassers den übertragenen Hof als Teil ihres beiderseitigen Vermögens und
nicht nur als Vermögen des Ehemannes angesehen haben, obwohl nur dieser als
Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Dann ist aber nicht ohne weiteres davon
auszugehen, dass der Hof nur Alleineigentum des Erblassers und nicht
gemeinschaftliches Eigentum des Erblassers und seiner Ehefrau - eingetragen auf den
Namen des Erblassers - werden wollte.
Für einen solchen Willen könnte weiter sprechen, dass die Antragstellerin als Ehefrau des
Erblassers an dem Übertragungsvertrag nicht förmlich beteiligt worden ist, obwohl
zeitgleich vor dem gleichen Notar der Ehevertrag beurkundet worden ist und die
Antragstellerin nach eigenen Angaben auch bei der Beurkundung des
Übertragungsvertrages anwesend gewesen ist. Die fehlende Beteiligung der
Antragstellerin an dem Übertragungsvertrag könnte einerseits dem Umstand geschuldet
gewesen sein, dass diese nach dem Willen der Eltern des Erblassers nicht
Miteigentümerin des Hofes werden sollte. Andererseits war wegen des Umstandes, dass
das Entstehen von Gesamtgut der gesetzliche Regelfall ist, eine Beteiligung der
Antragstellerin auch in dem Fall nicht erforderlich, dass sie Miteigentümerin des Hofes
werden sollte. Es ist daher denkbar, dass der Hof – wie in der vorherigen Generation –
zwar nur auf den Namen des Ehemannes geführt werden, aber Eigentum beider
Ehegatten werden sollte. Zudem hätte es sich wegen der zeitlichen und räumlichen Nähe
beider Beurkundungen geradezu aufgedrängt, den Wunsch nach einer
Alleineigentümerstellung des Erblassers ausdrücklich zu äußern und zu beurkunden, wenn
er vorhanden gewesen wäre. Die unterbliebene Beteiligung der Antragstellerin an dem
Übertragungsvertrag und dessen fehlende Erwähnung des Güterstandes des Erblassers
lassen damit zuverlässige Rückschlüsse auf den Willen der Eltern des Erblassers nicht zu.
Auch die unterbliebene Eintragung des Ehegattenhofvermerks lässt keine eindeutigen
Rückschlüsse auf den Willen der Eltern des Erblassers und das Vorliegen einer
Vorbehaltsgutbestimmung zu.
Zunächst kann daraus nicht gefolgert werden, der Notar habe eine Anweisung erhalten,
keine entsprechende Eintragung zu veranlassen. Es erscheint dem Senat
ausgeschlossen, dass der Notar einerseits eine mündliche Anweisung bekommen hat, die
Eintragung des Ehegattenhofvermerks nicht zu veranlassen, weil der Hof Vorbehaltsgut
sein solle, er andererseits diese Regelung aber trotz des unmittelbar zuvor beurkundeten
Ehevertrages nicht klarstellend in den Übertragungsvertrag aufgenommen hat.
Soweit die Antragstellerin und der Erblasser in der Folge die Eintragung eines
Ehegattenhofvermerks nicht veranlasst haben, könnte dies allenfalls mittelbare
Rückschlüsse auf eine Vorbehaltsgutbestimmung durch die Eltern des Erblassers
zulassen. Denn aus diesem Unterlassen könnte geschlussfolgert werden, dass die
Antragstellerin und der Erblasser selbst davon ausgegangen sind, dass der Hof
Vorbehaltsgut sei und deshalb keine Eintragung des Ehegattenhofvermerks veranlasst
haben. Gegen diese Annahme spricht allerdings der Umstand, dass der im Jahr 1989 mit
dem Antrags-gegner abgeschlossene Pachtvertrag als Verpächter den Erblasser und die
Antragstellerin ausweist; seinerzeit sind diese also – wie die Antragstellerin in ihrer
persönlichen Anhörung bestätigt hat - davon ausgegangen, beide Eigentümer des Hofs
und damit Verpächter zu sein. Die durchgehend unterbliebene Eintragung des
Ehegattenhofvermerks ist damit nicht aussagekräftig.
Auch bei einer Gesamtbetrachtung der vorgenannten Umstände verbleiben Zweifel.
Danach ist es zwar möglich, dass die Eltern des Erblassers den Willen hatten, den Hof
ausschließlich ihrem Sohn zu übertragen. Es ist aber ebenso möglich, dass es auch nach
ihrem Willen bei dem gesetzlichen Regelfall des § 1416 Abs. 1 und 2 BGB bleiben und der
Hof in das Gesamtgut der Eheleute fallen sollte.
Da danach schon nicht sicher festzustellen war, dass die Eltern des Erblassers einen
entsprechenden Willen hatten, kann erst recht nicht sicher festgestellt werden, dass sie
diesen mit einer konkludenten Vorbehaltsgutbestimmung erklärt haben. Diese Zweifel
gehen zu Lasten des die Feststellungslast tragenden Antragsgegners.
d)
Die Antragstellerin war auch nicht gehalten, die Ehegattenhofeigenschaft des
verfahrensgegenständlichen Hofs im Feststellungsverfahren nach § 11 Abs. 1 b) HöfeVfO
prüfen zu lassen.
Das Landwirtschaftsgericht hat alle Voraussetzungen der Hofnachfolge und beim
allgemeinen Erbschein auch die Erbberechtigung nach dem BGB selbständig zu prüfen
und hierüber zu entscheiden, also z. B. über die Hofeigenschaft, die Person des Hoferben
und dessen Wirtschaftsfähigkeit. Das mit dem Erbschein bzw. Hoffolgezeugnis befasste
Landwirtschaftsgericht kann dem Antragsteller nicht aufgeben, eine Entscheidung im
Feststellungsverfahren herbeizuführen, weil es grundsätzlich zur Disposition der
Beteiligten steht, welches Verfahren sie wählen (Lüdtke-Handjery/v. Jeinsen/Brinkmann,
11. Aufl. 2015, HöfeO § 18 Rn. 45).
Die rechtlich beratende Antragstellerin hat vorliegend das Erbscheinverfahren und nicht
das hinsichtlich der Rechtskraftwirkung weitergehende Feststellungsverfahren nach § 11
Abs. 1 g) HöfeVfO gewählt, was zulässig ist. In diesem Zusammenhang hat das
Landwirtschaftsgericht – wie geschehen – auch die Frage zu prüfen, ob es sich bei dem
Hof um einen Ehegattenhof gehandelt hat.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsgegner zitierten Entscheidung
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.01.2015 (I-3 Wx 101/14). Denn in der
Entscheidung ist nur klargestellt worden, dass die Frage, ob es sich bei einem nicht als
solchem ausgewiesenen Hof um einen Ehegattenhof handelt, nicht im Rahmen eines
Grundbuchberichtigungsantrages durch das Grundbuchamt, sondern in einem
Feststellungsverfahren nach § 11 Abs. 1 b) HöfeVfO zu beantworten ist. Daraus lässt sich
jedoch nicht der Rückschluss ziehen, dass die Ehegattenhofeigenschaft nur im
Feststellungsverfahren, nicht aber inzident im Verfahren auf Erteilung des
Hoffolgezeugnisses geprüft werden kann.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeVfO i. V. m. §§ 44 Abs. 1, 45 S. 2
LwVfG. Es entspricht billigem Ermessen, dem Beteiligten zu 2) die Kosten seines
erfolglosen Rechtsmittels aufzuerlegen. Gründe, die eine hiervon abweichende
Kostenentscheidung als billig erscheinen lassen würden, sind nicht ersichtlich. Gem. § 45
S. 2 LwVfG waren dem Beteiligten zu 2) auch die außergerichtlichen Kosten der
Beteiligten zu 1), 3) und 4) aufzuerlegen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die hierfür erforderlichen
Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:08.08.2019
Aktenzeichen:10 W 94/18
Rechtsgebiete:
Eheliches Güterrecht
Landwirtschaftserbrecht (insbes. Höferecht)
HöfeO §§ 1 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 1; BGB §§ 1416, 1418