OLG Köln 09. März 2017
7 U 119/16
BGB §§ 528 Abs. 1 S. 1, 818, 2325; ZPO § 287 Abs. 2; BewG § 14

Nießbrauchsverzicht als herausgabepflichtige Schenkung i. S. d. § 528 BGB

BGB §§ 528 Abs. 1 S. 1, 818, 2325; ZPO § 287 Abs. 2; BewG § 14
Nießbrauchsverzicht als herausgabepflichtige Schenkung i. S. d. § 528 BGB

1. Der Verzicht auf einen Nießbrauch ist eine Schenkung, die im Falle der Verarmung des Schenkers gem. § 528 Abs. 1 BGB nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben ist.

2. Für die Kapitalisierung des Nießbrauchswertes bietet § 14 BewG eine im Rahmen des richterlichen Schätzungsermessens geeignete Grundlage.

OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2017 – 7 U 119/16

Problem
Die Entscheidung setzt sich mit den schenkungsrechtlichen Folgen der Aufgabe eines Vorbehaltsnießbrauchs auseinander. Sie steht im Zusammenhang mit einem Regress des Sozialhilfeträgers.

Eine Mutter (M) übertrug im Jahre 1995 ein Grundstück auf ihren Sohn (S) unter Vorbehalt des Nießbrauchsrechts. S veräußerte das Grundstück im Jahre 2008. Der Nießbrauch wurde dabei zur Löschung gebracht.

M befindet sich seit Ende 2008 in einem Pflegeheim. Der Sozialhilfeträger nimmt S für die Heimkosten aus einem übergeleiteten Anspruch aus Schenkungsrückforderung in Anspruch.

Entscheidung
Laut OLG Köln steht dem Sozialhilfeträger der geltend gemachte Anspruch aus §§ 528 Abs. 1, 818 Abs. 1 BGB zu.

M habe durch den unentgeltlichen Verzicht auf den Nießbrauch eine Schenkung an S erbracht (vgl. zur Aufgabe eines Wohnungsrechts auch BGH NJW 2000, 728, 730 = ZEV 2000, 111). Der Nießbrauch vermittle das Recht zur Nutzungsziehung und Vermietung. Er habe einen objektiven Vermögenswert. Demzufolge führe der Verzicht auch zu einer Vermögensmehrung aufseiten des S. Es sei unerheblich, dass der Erwerber die Immobilie mit der Belastung durch den Nießbrauch der Mutter erworben habe und der Nießbrauch erst im Anschluss gelöscht worden sei. Denn es sei bei dem Verzicht darum gegangen, dem Sohn S die Veräußerung der Immobilie zu ermöglichen.

Der Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB war nicht durch § 534 BGB ausgeschlossen: Der Verzicht auf den Nießbrauch sei weder eine Pflicht- noch eine Anstandsschenkung gewesen.

Der nach § 818 Abs. 2 BGB herauszugebende Wertersatz besteht in der Erhöhung des Verkehrswertes der Immobilie, der durch Wegfall des Nießbrauchs eintritt (BGH NJW 2000, 728, 730). Nach Auffassung des OLG Köln entspricht der Wertzuwachs „jedenfalls“ dem Wert des Nießbrauchs.

Für die Bewertung des Nießbrauchs sei dessen jährlicher Nutzungswert – jeweils auf den Bewertungsstichtag bezogen – nach der durchschnittlichen Lebenserwartung des Berechtigten und dem langfristig zu erwartenden Kapitalzins zu kapitalisieren. In Rechtsprechung und Schrifttum sei allgemein anerkannt, dass der nach diesen Faktoren festgesetzte Vervielfältiger zu § 14 BewG eine geeignete Grundlage für die Kapitalisierung des Nießbrauchswertes darstelle (so zum Zugewinnausgleich: BGH FamRZ 2004, 527 = NJW 2004, 1321; zu § 2325 BGB: OLG Koblenz ZEV 2002, 460 = RNotZ 2002, 337). Bis zu der am 1.1.2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuerreform sei der Vervielfältiger der Anl. 9 zu § 14 BewG zu entnehmen gewesen. Seitdem richte er sich nach einer auf der aktuellen Sterbetafel jährlich zu erstellenden Tabelle, die vom Bundesministerium der Finanzen jährlich im Bundes-steuerblatt veröffentlicht werde. Zwar könnten für die Ermittlung des Nießbrauchswertes auch andere Methoden in Betracht kommen (vgl. BeckOK-BGB/J. Mayer, 41. Ed., Std.: 1.8.2015, § 2325 Rn. 26). Welche Methode anzuwenden sei, unterliege allerdings dem Schätzungsermessen nach § 287 Abs. 2 ZPO. Das Gericht zieht nach diesem ihm zustehenden Schätzungsermessen die Bewertung gem. § 14 BewG heran. Der vom Gutachterausschuss ermittelte „Verkehrswert nach BauGB“ sei demgegenüber keine geeignete Grundlage.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Köln

Erscheinungsdatum:

09.03.2017

Aktenzeichen:

7 U 119/16

Rechtsgebiete:

Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2017, 95
MittBayNot 2017, 573-574

Normen in Titel:

BGB §§ 528 Abs. 1 S. 1, 818, 2325; ZPO § 287 Abs. 2; BewG § 14