LG München 11. September 1984
2 T 1304/84
BGB § 96; GBVfg § 7; WEG § 1

Beschränkbarkeit eines Gemeinderechts sowie einer Wirtschaftsgerechtsame auf Wohnungs- bzw. Teileigentum

Verwendungen, aber nur unter den Voraussetzungen der
§§ 677 ff. BGB. Nicht immer also kann der Nießbraucher Ersatz seiner Aufwendungen für außerordentliche Instandsetzungen und Unterhaltungsmaßnahmen verlangen (vgl.
§§ 683, 684 BGB). In diesen Fällen trifft ihn mithin ohnehin
die wirtschaftliche Last, wenn außergewöhnliche Instandsetzungen oder Unterhaltungsmaßnahmen anfallen.
Für den Inhalt des Nießbrauchs ist auch nicht wesensbestimmend, daß der Nießbraucher die Lasten der Sache und
die Aufwendungen für deren Unterhaltung nur insoweit zu
tragen hätte, als sie durch die Erträgnisse der Sache gedeckt sind (vgl. RGZ 72, 101/102; 153, 29/35; Staudinger
Rdnr. 4, MünchKomm Rdnr. 5, BGB-RGRK Rdnr. 3, Soergel
Rdnr. 1, je zu § 1047). Darin liegt für den Nießbraucher kein
unbilliger Nachteil, da er sein Recht jederzeit gemäß § 875
BGB durch einseitige Erklärung aufgeben und sich damit für
die Zukunft von der Verpflichtung, die Lasten und Kosten zu
tragen, befreien kann.
Dies alles spricht dafür, daß es mit dem Wesen des Nießbrauchs vereinbar ist, dem Nießbraucher die Aufwendungen
für außergewöhnliche Instandsetzungen und Unterhaltungsmaßnahmen auch mit dinglicher Wirkung aufzuerlegen (anderer Meinung wohl Wo/ff-Ra/serSachenrecht 10. Aufl. § 117
III 2 S. 473).
Die Zwischenverfügung des Grundbuchamts und der Beschluß des Landgerichts sind deshalb aufzuheben.
3. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens gegen eine Zwischenverfügung ist nur das in ihr angenommene Eintragungshindernis, nicht die Entscheidung über den Eintragungsantrag selbst (BayObLGZ 1982, 348/351 m. Nachw.;
1984 136/138 [= MittBayNot 1984, 184]). Das Rechtsmittelgericht darf die Beschwerde nicht zurückweisen, wenn der Eintragung ein anderes als das vom Grundbuchamt angenommene. Eintragungshindernis entgegensteht (BayObLG aaO);
es darf nur in den Gründen seiner Entscheidung „wegweisend" auf diese Hindernisse und auf andere rechtliche Bedenken, die im Zusammenhang mit der beantragten Eintragung bestehen, hinweisen. Das Landgericht hat über diese
Einschränkung hinaus Hinderungsgründe für die Eintragung
erörtert, die nicht Gegenstand der Zwischenverfügung
waren. Dies hat seine Entscheidung im Ergebnis jedoch
nicht beeinflußt.
4. Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgendes
hin:
a)Abschnitt II der Urkunde enthält insgesamt fünf Vereinbarungen, die durch Eintragung in das Grundbuch zum dinglichen Inhalt des Nießbrauchs gemacht werden sollen. Nach
den oben dargelegten Grundsätzen ist dies rechtlich möglich, soweit es sich um die unter Buchstabe b Satz 1 und
unter Buchstabe c getroffenen Regelungen handelt, daß der
Nießbraucher über die gesetzliche Verpflichtung des § 1047
BGB hinaus auch die Tilgung von Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden sowie die außerordentlichen
öffentlichen Lasten übernimmt. § 1047 BGB kann mit dinglicher Wirkung abgeändert werden (vgl. RG Soerge/s Rechtsprechung 1920 § 1047 Nr. 1; RGZ 153, 29/34; Palandt Anm. 5,
Staudinger Rdnrn. 18 und 26, BGB-RGRK Rdnr. 3, Soergel
Rdnr. 9, je zu § 1047).
b) Nicht eintragungsfähig ist dagegen die in Abschnitt II
Buchst. a Abs. 2 der Urkunde getroffene Regelung. Hier sollen die Pflichten des Nießbrauchers gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 1050 BGB erweitert werden. Der sachliche Inhalt der Vereinbarung besteht im wesentlichen darin,
daß der Nießbraucher für eine etwaige Wertminderung der
belasteten Liegenschaft Ersatz zu leisten hat. Denn wenn
Veränderungen oder Verschlechterungen der mit dem Nießbrauch belasteten Sache, die durch deren ordnungsmäßigen
Gebrauch eingetreten sind, im Rahmen der gewöhnlichen
Unterhaltung eine Ausbesserung oder'Erneuerung (etwa den
Neuanstrich eines Hauses) erforderlich machen, ist der
Nießbraucher dazu unabhängig von der Regelung des § 1050
BGB schon nach § 1041 Satz 2 BGB verpflichtet (vgl. Staudinger Rdnr. 2, BGB-RGRK Rdnr. 1, je zu § 1050). Es würde
aber nach Ansicht des Senats die wesensmäßigen Grenzen
zwischen dem Eigentum und dem beschränkten dinglichen
Nutzungsrecht des Nießbrauchs aufheben, wenn der Nießbraucher auch für eine etwaige, durch ordnungsmäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführte Wertminderung der
belasteten Sache aufkommen und dem Eigentümer dafür
nach Beendigung des Nießbrauchs Ersatz leisten müßte.
c)Nicht eintragungsfähig ist auch die in Abschnitt II b Satz 2
getroffene Regelung, daß der „Eigentümer" nach Beendigung des Nießbrauchs verpflichtet sein soll, alle Leistungen
allein zu erbringen und die Haftentlassung des Nießbrauchers oder des Rechtsnachfolgers durch die Gläubiger zu
erwirken. Die Verpflichtung des Eigentümers, nach Beendigung des Nießbrauchs alle Leistungen allein zu erbringen,
folgt aus § 103 BGB (vgl.Palandt Anm. 2, Staudinger Rdnr. 6,
je zu § 1047); etwas anderes haben auch die Beteiligten nicht
bestimmt. Eine „Haftentlassung" des Nießbrauchers kommt
nicht in Frage, da dessen Verpflichtung, Hypothekenforderungen, Grundschulden oder Rentenschulden zu tilgen und
zu verzinsen sowie die öffentlichen Lasten zu übernehmen,
nur gegenüber dem Eigentümer, aber nicht gegenüber den
dinglichen Gläubigern oder den zur Erhebung von öffentlichen Lasten berechtigten Stellen besteht (Palandt aaO;
Staudinger Rdnr. 3, MünchKomm Rdnr. 2, BGB-RGRK Rdnr.
4, je zu § 1047). Die Regelung wiederholt also teilweise nur,was ohnehin kraft Gesetzes gilt; im übrigen ist sie gegenstandslos. Sie kann deshalb nicht eingetragen werden
(KEHE Einleitung Rdnr. B 2).
11. BGB § 96, GBVfg § 7, WEG § 1 (Beschränkbarkeit eines
Gemeinderechts sowie einer Wirtschaftsgerechtsame auf
Wohnungs- bzw. Teileigentum)
Ein Gemeinderecht sowie eine reale radizierte Wirtschaftsgerechtsame können auf ein bestimmtes einzelnes Teil- bzw.
Wohnungseigentum beschränkt werden.
(Leitsatz nicht amtlich)
LG München II, Beschluß vom 11.9.1984 —2 T 1304/84 — mitgeteilt von Notar Dr. Friedrich Kastenbauer, Starnberg
Aus dem Tatbestand:
1.Die Beteiligten zu 1) sind Eigentümer eines Grundstücks in W. Im
Bestandsverzeichnis ist für das Grundstück u.a. eingetragen:
„Gemeinderecht zu einem ganzen Nutzanteil an den noch unverteilten Gemeindebesitzungen, reale radizierte Wirtschaftsgerechtsame".
In der zweiten Abteilung des Grundbuchs ist hinsichtlich einer Teilfläche von 1210 qm eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 2) eingetragen.
2. Mit notariellem Vertrag vom 21.11.1983 änderten die Beteiligten zu
1) und 2) die Vorurkunden dahingehend ab, daß der Beteiligte zu 2)
einen Miteigentumsanteil zu 541,61/1000 an dem Grundstück erhält.
Hinsichtlich des Gemeinderechts und der real radizierten Gewerbegerechtsame bestimmt die Urkunde unter Abschnitt A V:
„Das bei FI.Nr. 93 vermerkte Gemeinderecht zu einem ganzen Nutzanteil und die reale radizierte Wirtschaftsgerechtsame ist nicht mitzuübertragen, sondern verbleibt an dem Miteigentumsanteil zu
130 MittBayNot 1985 Heft 3


458,39/1000 des Verkäufers, verbunden mit dem,Sondereigentum, wie
in Abschnitt 8 nachstehend vereinbart und nach dessen Unterteilung
endgültig an dem Miteigentumsanteil zu 178,70/1000, verbunden mit
dem Sondereigentum an der Gaststätte im Erdgeschoß. Es wird bewilligt und beantragt, dies im Grundbuch einzutragen:`
In Abschnitt B der Urkunde treffen die Beteiligten zu 1) und 2) sodann
Vereinbarungen über die Aufteilung des Grundbesitzes nach dem
Wohnungseigentumsgesetz, weil sie beabsichtigen, in dem auf dem
Grundstück befindlichen Altbau und einem noch zu errichtenden Anbau eine Gaststätte, 2 Läden, eine Bankgeschäftsstelle, 10 Wohnungen sowie sonstige Nebenräumlichkeiten zu errichten.
3. Der Grundbuchrechtspfleger erließ am 17.05.1984 eine Zwischenverfügung, mit der er u.a. beanstandete:
Abschnitt A V der Urkunde vom 21.11.1983 sei nicht vollziehbar, weil
das eingetragene Gemeinderecht und die reale radizierte Wirtschaftsgerechtsame nicht auf einen bestimmten Miteigentumsanteil
des Grundstücks eingeschränkt werden können.
Das Grundbuchamt half der eingelegten Erinnerung nicht ab. Gegen
diese Entscheidung richtet sich die zulässige Beschwerde der Beteiligten.
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist in der Sache zum Teil begründet.
1. Ist ein Gemeinderecht an einem Grundstück im Grundbuch (Bestandsverzeichnis) eingetragen, so wird es nach der
Rechtsprechung des BayObLG als.sog. radiziertes angesehen (BayObLGZ 1960, Seite 447/450; 1964, Seite 210/211;
1970, Seite 21/23 [= MittBayNot 1970, 19 ff]; jeweils mit weiteren Nachweisen). Es ist also als ein Recht gekennzeichnet, das mit dem Eigentum an diesem Anwesen verbunden
ist, einen nicht wesentlichen Bestandteil desselben i.S.d.
§ 96 BGB bildet und dessen rechtliches Schicksal teilt (vgl.
auch Staudinger-Dilcher, BGB, Kommentar, 12. Aufl., § 96
Rdnr. 3).
Auf die Frage, ob es sich bei dem Gemeinderecht um ein solches öffentlich-rechtlicher oder aber privatrechtlicher Natur
handelt — der Umstand der Eintragung im Grundbuch, das
nur Aufschluß über privatrechtliche Verhältnisse zu geben
hat, besagt dazu allein nichts (vgl. zur historischen Entwicklung BayObLGZ 1960, Seite 447/452 f) —, kommt es entscheidend nicht an. Denn die einmal ins Grundbuch übernommenen Gemeinderechte bleiben nach der grundbuchamtlichen
Praxis, die nach der Rechtsprechung des BayObLG zum Gewohnheitsrecht erstarkt ist, dort weiterhin eingetragen und
werden wie privatrechtliche Berechtigungen behandelt, solange sich nicht ihre öffentlichrechtliche Eigenschaft klar
erweist; eine Überprüfung eingetragener Gemeinderechte
(anders bei Neueintragungen) auf ihre Rechtsnatur durch
das Grundbuchamt findet nicht statt (BayObLGZ 1964, Seite
210/212).
Demgemäß ist auch das am Grundstück Fl.Nr. 93 eingetragene Gemeinderecht als privatrechtliche Berechtigung zu
behandeln, und zwar entsprechend § 7 GBVerf wie ein subjektiv dingliches Recht. Weil es sich um einen nichtwesentlichen Bestandteil des Grundstücks handelt (BayObLGZ 1964,
Seite 21,0/211; 1970, Seite 21/25 [= MittBayNot 1970, 19 ff]),
bestehen gegen dessen (isolierte) Übertragbarkeit (auf ein
anderes Grundstück) keine Bedenken (BayObLGZ 1964,
Seite 210/212; RGZ 83, Seite 198/200; RG in Gruchot, Band 53,
Seite 1170, jeweils für die Abdeckereigerechtigkeit).
Ebenfalls unzweifelhaft ist dann aber auch, daß ein solches
Gemeinderecht auf ein Wohnungs-/Teileigentum (§ 1 Absätze 2 und 3 WEG), das durch Teilung nach § 8 WEG gebildet
wird, beschränkt werden kann. Denn es handelt sich um vollwertiges Eigentum, zu dessen Gunsten die Zulässigkeit
etwa einer Grunddienstbarkeit ohne weiteres zu bejahen ist;
MittBayNot 1985 Heft 3
Wohnungseigentum kann also herrschendes Grundstück für
subjektiv dingliche Rechte bilden (Bärmann/Pick/Mer/e,
WEG, Kommentar, 5. Aufl., § 1 Rdnr. 100; Palandt-Bassenge,
BGB, Kommentar, 43. Aufl-, Überbl..vor § 1 WEG, Anm. 2 a;
OLG Hamm, Rpfl 1980, Seite 469; BayObLGZ 1976, Seite
218/221 f. [= MittBayNot 76, 174]).
Im Ergebnis ist es deshalb unbedenklich, daß nach Abschnitt A V der Urkunde das vermerkte Gemeinderecht an
dem Miteigentumsanteil des Verkäufers (= der Beteiligten.
zu 1) verbleibt und — nach Durchführung der Unterteilung an
dem Miteigentumsanteil zu 178,7/1000, verbunden mit dem
Sondereigentum an der Gaststätte im Erdgeschoß.
2. Im wesentlichen gleichgelagert ist die Problematik hinsichtlich der realen radizierten Wirtschaftsgerechtsame. Es
handelt sich dabei um ein sog. radiziertes Realgewerbe, weil
es mit dem Grundstück verbunden ist (vgl. hierzu und zum
folgenden Roth, Bayrisches Civilrecht, 3. Teil, 1875, § 241,
§ 294, BayObLGZ 1, Seite 595/598). Diese waren und sind
jedoch als dingliche Rechte übertragbar; denn sie hatten die
Eigenschaft von sog. Pertinenzen (d.h. Zubehör; anders dagegen das BGB, nach dem nur Sachen Zubehör bilden können; siehe §§ 90, 97 Abs. 1). Einer Beschränkung der Wirtschaftsgerechtsame auf das Teileigentum Nr. 4 (Gaststätte)
stehen deshalb die vom Grundbuchamt geäußerten Bedenken nicht entgegen (siehe dazu auch Bärmann/Pick/Merle,
WEG, § 1 Rdnr. 99; Weitnauer/Wirths, WEG, Kommentar,
6. Aufl., § 3 Rdnr. 35 a). Denn das Teileigentum ist seiner Natur nach gerade dazu bestimmt, die Gewerbeberechtigung
auszuüben (vgl. auch RG, Gruchot, Band 53, Seite 1166/68;
siehe auch GütheTriebel, Grundbuchordnung, 6. Aufl.,
Art. 22 AGGBO, Rdnr. 51, am Anfang, sowie zu Art. 74
EGBGB). Im Gegenteil könnte man die Frage aufwerfen, ob
bei vollzogener Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum/Teileigentum das Grundstück als solches noch
dazu geeignet ist, Träger der Gerechtsame zu sein.
3.
12. BGB §§ 2336, 2333 (Umfang des Formzwanges bei
Pflichtteilsentziehung)
1. Auch bei der Pflichtteilsentziehung reicht es nicht aus,
wenn der Erblasser wegen des Entziehungsgrundes lediglich auf andere, der Testamentsform nicht entsprechende Erklärungen verweist.
2. Der Grund für eine Pflichtteilsentziehung gemäß § 2333
Nr. 3-BGB ist in der Verfügung von Todes wegen nicht im Sinne von § 2336 Abs. 2 BGB angegeben, wenn der Erblasser
sich mit seinen Worten nicht auf bestimmte konkrete Vorgänge (unverwechselbar) festlegt und den Kreis der in Betracht kommenden Vorfälle nicht auch nur einigermaßen
und praktisch brauchbar eingrenzt.
BGH, Urteil vom 27.2.1985 — IVa ZR 136/83 — mitgeteilt von
Bundschuh, Richter am BGH
D.
Aus dem Tatbestand:
Die 1939 geborene Klägerin ist eine Tochter des am 10. Juli 1977 verstorbenen Erblassers. Erben sind die Beklagten zu 1) bis 4). Es ist
Nachlaßverwaltung angeordnet; Nachlaßverwalter ist der Beklagte
zu 5). In dem eigenhändigen Testament des Erblassers vom 4. September 1975 heißt es:
„Ich bestimme zu meinen Erben die gesetzlichen Erben, ausgenommen
1....
2. meine Tochter M. (= Klägerin)

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG München

Erscheinungsdatum:

11.09.1984

Aktenzeichen:

2 T 1304/84

Erschienen in:

MittBayNot 1985, 130-131

Normen in Titel:

BGB § 96; GBVfg § 7; WEG § 1