BGH 20. April 2023
V ZB 56/22
WEG §§ 48 Abs. 5, 50 a. F.

Kostenfestsetzung bei Beschlussanfechtungsklage

letzte Aktualisierung: 3.8.2023
BGH, Beschl. v. 20.4.2023 – V ZB 56/22

WEG §§ 48 Abs. 5, 50 a. F.
Kostenfestsetzung bei Beschlussanfechtungsklage

Die Vorschrift des § 50 WEG a. F. ist analog § 48 Abs. 5 WEG auch dann anzuwenden, wenn die
Kostenfestsetzung zwar nach dem 30. November 2020 beantragt wurde, der Kostentitel aber aus
einem vor dem 1. Dezember 2020 anhängig gewordenen Beschlussklageverfahren herrührt und
deshalb gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet ist.

Gründe:

I.
Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
(GdWE). Die Kläger reichten im Oktober 2020 verschiedene Beschlussanfechtungsklagen
gegen die übrigen Eigentümer ein, die das Amtsgericht zur gemeinsamen
Verhandlung und Entscheidung miteinander verband. Die Beklagten zu 1
(die übrigen Eigentümer mit Ausnahme der Kläger und der Beklagten zu 2) beauftragten
mit ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt. Die Beklagte zu 2 beauftragte
ihrerseits einen anderen Rechtsanwalt. Der Rechtsstreit endete im Jahr 2021 in
erster Instanz mit einem Vergleich, der auch die Tragung der Verfahrenskosten
regelte.

Mit Beschluss vom 9. März 2022 hat das Amtsgericht die von den Klägern
ebst Zinsen festgesetzt.

Die sofortige Beschwerde der Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte zu
2 beantragt, wollen die Kläger die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags
der Beklagten zu 2 erreichen.

II.
Das Beschwerdegericht meint, die Kläger seien für die Kosten beider
Rechtsanwälte erstattungspflichtig. Es stehe jedem Streitgenossen frei, einen eigenen
Anwalt zu mandatieren. Die Regelung des § 50 WEG in der bis zum
30. November 2020 geltenden Fassung sei nicht anwendbar, da mangels einer
Übergangsvorschrift nach dem aktuell geltenden Recht zu entscheiden sei.

III.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch
im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 575 ZPO) ist begründet. Der angefochtene
Beschluss beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 576 Abs. 1 ZPO). Entgegen
der Auffassung des Beschwerdegerichts ist § 50 WEG aF hier anzuwenden.

1. Nach § 50 WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung
sind Wohnungseigentümern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung als notwendige Kosten nur die Kosten eines bevollmächtigten
Rechtsanwalts zu erstatten, wenn nicht aus Gründen, die mit dem Gegenstand
des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte
Rechtsanwälte geboten war. Diese Vorschrift stellte eine Sonderregelung
gegenüber § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar (vgl. Senat, Beschluss vom
13. Oktober 2011 - V ZB 290/10, NJW 2012, 319 Rn. 6) und wurde eingeführt,
um insbesondere in Beschlussanfechtungsverfahren, bei denen nach § 46 Abs. 1
Satz 1 WEG aF sämtliche übrigen Wohnungseigentümer zu verklagen waren,
das Kostenrisiko des anfechtenden Wohnungseigentümers zu begrenzen (BTDrs.
16/3843 S. 28). Denn nach der allgemeinen Regelung des § 91 Abs. 2
Satz 1 ZPO steht es der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten nicht entgegen,
dass jeder Streitgenosse einen eigenen Anwalt beauftragt (vgl. BGH, Beschluss
vom 16. Mai 2013 - IX ZB 152/11, NJW 2013, 2826 Rn. 10).

2. Der Senat hat bereits entschieden, dass dann, wenn die Kostenfestsetzung
vor dem 1. Dezember 2020 beantragt wurde, im Kostenfestsetzungsverfahren
§ 50 WEG aF gemäß der Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 5 WEG weiterhin
anzuwenden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juli 2021 - V ZB 55/20, NJWRR
2021, 1598 Rn. 5). Für Verfahren, die schon vor dem 1. Dezember 2020 anhängig
waren, bestimmt § 48 Abs. 5 WEG nämlich die Anwendbarkeit der Vorschriften
des dritten Teils dieses Gesetzes in ihrer bis dahin geltenden Fassung
und damit auch des § 50 WEG aF.

3. Die Vorschrift des § 50 WEG aF ist analog § 48 Abs. 5 WEG auch
dann anzuwenden, wenn die Kostenfestsetzung zwar nach dem 30. November
2020 beantragt wurde, der Kostentitel aber aus einem vor dem 1. Dezember 2020
anhängig gewordenen Beschlussklageverfahren herrührt und deshalb gegen die
übrigen Wohnungseigentümer gerichtet ist.

Zwar ist das Kostenfestsetzungsverfahren ein selbständiges Verfahren
(vgl. Senat, Beschluss vom 6. April 2005 - V ZB 25/04, NJW 2005, 2233; BGH,
Beschluss vom 6. Dezember 2007 - I ZB 16/07, NJW 2008, 2040 Rn. 6; Beschluss
vom 15. Mai 2012 - VIII ZB 79/11, NZI 2012, 625 Rn. 6), das erst mit dem
Kostenfestsetzungsantrag anhängig wird. Deswegen ist § 48 Abs. 5 WEG, der
auf die Anhängigkeit des Verfahrens vor dem 1. Dezember 2020 abstellt, dann,
wenn der Antrag auf Kostenfestsetzung - wie hier - nach dem 30. November 2020
gestellt wurde, nach seinem Wortlaut für das Kostenfestsetzungsverfahren nicht
einschlägig; nach Sinn und Zweck ist die Übergangsvorschrift aber auch hier anzuwenden.
Denn bei Beschlussanfechtungs- und Beschlussersetzungsklagen,
die - wie hier - vor dem 1. Dezember 2020 anhängig wurden, sind nach § 48
Abs. 5 WEG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF die übrigen Wohnungseigentümer
unverändert richtige Klagegegner (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2022 -
V ZR 214/21, WuM 2023, 58 Rn. 5 zur Beschlussanfechtungsklage; Senat, Urteil
vom 25. Februar 2022 - V ZR 65/21, NJW-RR 2022, 883 Rn. 15 zur Beschlussersetzungsklage).
Grund für die Streichung des § 50 WEG aF war aber gerade,
dass nach neuem Recht Beschlussklagen nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer,
sondern gegen die GdWE und damit nur eine Beklagte zu richten
sind (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG), weswegen das Kostenbegrenzungsinteresse,
das Grund für die Sonderregelung war (s.o. Rn. 5), nicht mehr besteht (vgl. BTDrs.
19/18791 S. 80). Mit diesem Verständnis des § 50 WEG aF wäre es nicht zu
vereinbaren, wenn in einem Fall, in dem aufgrund der Übergangsregelung des
§ 48 Abs. 5 WEG die übrigen Wohnungseigentümer weiter Beklagte der Beschlussklage
bleiben, bei der Ermittlung der erstattungsfähigen Kosten mit § 91
Abs. 1 Satz 2 ZPO eine Vorschrift angewendet würde, die nach der Vorstellung
des Gesetzgebers voraussetzt, dass die GdWE Beklagte ist. Gelten für die Beschlussklage
noch die bisherigen Verfahrensvorschriften, ist deshalb analog § 48
Abs. 5 WEG auch für das Kostenfestsetzungsverfahren das bisherige Recht und
damit § 50 WEG aF anzuwenden.

IV.
Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist aufzuheben. Der Senat kann
nicht in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung
reif ist. Das Beschwerdegericht hat von seinem Ausgangspunkt folgerichtig
keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit - was die Beschwerdeerwiderung
geltend macht - ein Ausnahmefall im Sinne des § 50 WEG aF vorliegt.
Die Sache ist daher zur erneuten Entscheidung - auch unter Berücksichtigung
der Schriftsätze im Rechtsbeschwerdeverfahren - an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen
(§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht
zu beachten haben, dass unterschiedliche Rechtsauffassungen der einzelnen
beklagten Wohnungseigentümer nicht genügen, um die Notwendigkeit einer
Mehrfachvertretung i.S.d. § 50 WEG aF zu begründen (vgl. Senat, Beschluss
vom 1. Juli 2021 - V ZB 55/20, NJW-RR 2021, 1598 Rn. 6).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.04.2023

Aktenzeichen:

V ZB 56/22

Rechtsgebiete:

WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

WEG §§ 48 Abs. 5, 50 a. F.