OLG Braunschweig 17. März 2023
1 UF 2/23
FamFG § 59; BGB §§ 1778, 1779, 1782

Auswahl des Vormunds; Beschwerdebefugnis eines nicht sorgeberechtigten Elternteils

letzte Aktualisierung: 4.10.2023
OLG Braunschweig, Beschl. v. 17.3.2023 – 1 UF 2/23

FamFG § 59; BGB §§ 1778, 1779, 1782
Auswahl des Vormunds; Beschwerdebefugnis eines nicht sorgeberechtigten Elternteils

1. Ein nicht sorgeberechtigter Elternteil ist jedenfalls dann zur Beschwerde gegen die Auswahl und
Bestellung des Vormunds berechtigt, wenn seinem bereits im Vorfeld des vorangegangenen
Sorgerechtsentzugs unterbreiteten Vorschlag der Bestellung eines nahen Verwandten nicht gefolgt
wurde.
2. Gemäß § 1778 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist bei der Vormundsauswahl auch der Wille eines nicht
sorgeberechtigten Elternteils mit zu berücksichtigen.
3. Im Rahmen der Vormundsauswahl spielt der Kontinuitätsgrundsatz insbesondere dann eine
gewichtige Rolle, wenn das Mündel bereits mehrere Beziehungsabbrüche erlebt hat. Zudem kann
auch der Gesichtspunkt der Verhinderung einer Verunsicherung des Mündels durch
widersprüchliche Darstellungen über den Grund der Inhaftierung seines Vaters zu berücksichtigen
sein.

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft die Auswahl des Vormunds für die am 03.12.2019 geborene, derzeit
dreijährige, Z. S.

Seit der Ermordung ihrer Mutter am 09.11.2020 lebt Z. bei ihren Großeltern mütterlicherseits,
den Eheleuten K. Aufgrund der Festnahme ihres Vaters am 15.12.2020 wurde das Ruhen seiner
elterlichen Sorge festgestellt und Herr K. zum Vormund für Z. bestellt. Durch einstweilige
Anordnung vom 07.07.2021 zum Az. 4 F 434/21 EASO wurde dem Vater die elterliche Sorge
sodann zunächst vorläufig entzogen, wobei Herr K. Vormund blieb. Mit Schreiben vom
21.10.2021 beantragte der Vater im vorliegenden Vormundschaftsverfahren die Bestellung
seiner Schwester, Frau L., zum neuen Vormund für Z., da Herr K. aufgrund seines Alters nicht
geeignet sei, Z. Betreuung dauerhaft zu übernehmen. Auch würden die Eheleute K. Z. ständig
einer Trauerkulisse aussetzen und es bestehe die Befürchtung, dass sie schlecht über ihn und
seine Familie sprechen würden. Diesen Antrag nahm der Vater unter dem 16.03.2022 wieder
zurück, nachdem sich sowohl der für Z. bestellte Verfahrensbeistand als auch das Jugendamt
gegen eine Entlassung von Herrn K. als Vormund ausgesprochen hatten. Auf die Stellungnahme
des Verfahrensbeistands vom 26.11.2021 und den Jugendamtsbericht vom 30.11.2021 wird
wegen ihres Inhalts Bezug genommen.

Nach seiner am 20.04.2022 rechtskräftig gewordenen Verurteilung zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe wegen Mordes durch das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 03.09.2021
wurde dem Vater mit Beschluss vom 30.08.2022 in dem vom Senat beigezogenen Verfahren
zum Az. 4 F 865/20 SO die elterliche Sorge für Z. entzogen und eine Vormundschaft
eingeleitet, wobei die Auswahl des Vormunds dem Rechtspfleger vorbehalten blieb. Zur
Begründung hat das Amtsgericht insbesondere ausgeführt, der Sorgerechtsentzug sei
erforderlich, um Z. die bevorstehende Traumaverarbeitung wegen der Ermordung ihrer Mutter
durch ihren Vater zu ermöglichen. Die Auswahl des Vormunds sei dem Rechtspfleger
vorzubehalten, da vorab noch zu prüfen sei, ob gemäß dem in diesem Verfahren erstmals im
Verhandlungstermin vom 22.08.2022 vorgebrachten Vorschlag des Vaters eine Bestellung seiner
Schwester als Vormund in Betracht komme. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Vater
mit Schriftsatz vom 26.12.2022 zurückgenommen und mitgeteilt, sich nicht gegen den
Sorgerechtsentzug, sondern lediglich gegen die zwischenzeitlich erfolgte Vormundsbestellung
wenden zu wollen.

Im Vormundschaftsverfahren hat das Jugendamt des Landkreises Helmstedt mit Schreiben vom
06.10.2022 zur Auswahl des Vormunds Stellung genommen und sich für die Bestellung der
Eheleute K. als Vormünder ausgesprochen. Es entspreche Z. Wohl, ihren Lebensmittelpunkt
bei den Eheleuten K. beizubehalten, bei denen sie sich gut eingelebt habe und altersgerecht
gefördert werde. Wenngleich Frau L. Z. sehr zugewandt sei, könne ein erneuter Wechsel der
primären Bezugspersonen des Kindes nicht unterstützt werden. Zudem sei nicht abzusehen, ob
Z. mit zunehmender Reife vermehrt ein Bedürfnis nach Abstand zu der Familie ihres Vaters
entwickeln werde, dem eine Ausübung der Vormundschaft durch Frau L. entgegenstehen
würde.

Das Amtsgericht hat sowohl die Eheleute K. als auch Frau L. persönlich angehört. Insoweit
wird auf die Anhörungsvermerke vom 07.12.2022 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12.12.2022 hat das Amtsgericht die Eheleute K. zu gemeinschaftlichen
Vormündern für Z. bestellt. Diese seien uneingeschränkt zur Versorgung von Z. und zur
Führung der Vormundschaft geeignet. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung hätten sie den
Eindruck gemacht, noch fit zu sein. Zudem erhielten sie Unterstützung durch den in der Nähe
lebenden Bruder der Kindesmutter, der selbst vor kurzem Vater geworden sei. Trotz der
rechtskräftigen Verurteilung ihres Schwiegersohnes hätten die Eheleute K. sachlich und neutral
über diesen gesprochen. Besuchskontakte von Z. bei ihrem Vater lägen ihres Erachtens derzeit
nicht im Kindesinteresse, sie würden diese jedoch unterstützen, soweit Z. dies wünsche. Frau L.
sei grundsätzlich auch als Vormund für Z. geeignet. Zweifelhaft sei jedoch, wie sie den eventuell
bevorstehenden Interessenkonflikt zwischen Z. und der Familie ihres Vaters handhaben werde.
Sie sei ebenso wie ihre Eltern weiterhin von der Unschuld ihres Bruders überzeugt und wünsche
sich auch Kontakte zwischen ihm und Z. Sie habe den Eindruck erweckt, eher das Wohl ihres
Bruders als das des Kindes im Blick zu haben. Gegen ihre Bestellung zum Vormund spreche
zudem, dass für Z. aus den vom Jugendamt dargelegten Gründen eine größtmögliche Stabilität
anzustreben und ein erneuter Umzug zu vermeiden sei.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 15.12.2022 zugestellten Beschluss wendet
sich der Vater mit seiner am 26.12.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, die er
mit Schriftsatz vom 15.02.2023 begründet hat. Er begehrt weiterhin die Bestellung seiner
Schwester zum Vormund für Z. mit dem Ziel, dass das Kind in deren Haushalt aufwächst. Er
macht geltend, deren Aufenthalt bei den Eheleuten K. stelle eine Kindeswohlgefährdung dar.
Diese seien aufgrund ihres Alters und gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage, mit ihr auf
einem Spielplatz zu spielen und sie die Treppen im Haus hoch und runter zu tragen. Auch
bekomme das Kind bei ihnen ständig ihre noch nicht verarbeitete Trauer um die ermordete
Kindesmutter zu spüren und es werde negativ über ihn und seine Familie gesprochen. So habe
Herr K. plötzlich beschlossen, den Kontakt von Z. zu ihren Großeltern väterlicherseits
einzuschränken. Für die Eheleute K. sei er der Mörder der Kindesmutter, obwohl er selbst
weiterhin seine Unschuld beteuere. In ihrem Haushalt könne Z. nicht unbescholten und fröhlich
aufwachsen.

Beim Amtsgericht Helmstedt ist unter dem Az. 4 F 774/22 UG ein Verfahren wegen des
Umgangs zwischen Z. und dem Vater anhängig, in dem das Gericht ein Gutachten in Auftrag
gegeben hat, dessen Erstellung die Sachverständige bis zum 31.05.2023 angekündigt hat.
Wegen der Umgänge der Großeltern väterlicherseits, den Eheleuten S., mit Z. ist beim
Amtsgericht ferner das Verfahren zum Az. 4 F 93/23 UG anhängig. Zu diesem Verfahren hat
das Jugendamt mit Schreiben vom 17.02.2023 berichtet, Z. sei ein altersgerecht entwickeltes,
fröhliches und aufgewecktes Mädchen. Seit Januar 2023 besuche sie den Kindergarten und gehe
einmal wöchentlich zum Feuerwehrspielkreis. Begleitete Umgangskontakte zu den
Eheleuten S. fänden regelmäßig jeden Dienstag für zwei Stunden statt; Z. scheine diese zu
genießen. Eine direkte Kommunikation zwischen den Großeltern K. und S. sei allerdings derzeit
nicht möglich, so dass sämtliche Absprachen über die Hilfeerbringer erfolgen würden. Eine
Umgangsausweitung werde nicht befürwortet, weil dadurch weitere Spannungen im
Familiensystem entstehen könnten und außerdem unsicher sei, inwieweit ohne
Umgangsbegleitung der Kindesvater thematisiert werden würde.

Der im Umgangsverfahren bestellte Verfahrensbeistand hat sich mit Schreiben vom 18.02.2023
aufgrund der zwischen den Großeltern bestehenden Spannungen und der Gefahr eines
Loyalitätskonflikts ebenfalls gegen eine Umgangsausweitung ausgesprochen. Er hat berichtet,
die Kontakte fänden nur begleitet statt, seitdem es im September 2022 während eines Umgangs
ohne Absprache mit den Eheleuten K. einen Skype-Kontakt zwischen Z. und ihrem Vater
gegeben habe. Problematisch sei, dass die Eheleute K. nach der Lektüre der Anklage und des
Urteils von der Schuld des Kindesvaters überzeugt seien, wohingegen die Eheleute S. nach wie
vor der Beteuerung seiner Unschuld glaubten und dies Z. auf eine etwaige Frage ihrerseits so
auch sagen würden.

II.
Die Beschwerde des Kindesvaters ist zulässig, aber nicht begründet.

1.
Die Beschwerde ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig. Insbesondere ist der Vater trotz des
rechtskräftigen Entzugs seiner elterlichen Sorge beschwerdeberechtigt i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG.
Die Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG setzt eine unmittelbare Beeinträchtigung
des Beschwerdeführers in einem ihm zustehenden subjektiven Recht voraus (vgl. BGH,
Beschluss vom 18.04.2012 - XII ZB 623/11, juris Rn. 8). Ein bloßes berechtigtes Interesse an
der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung genügt insoweit nicht. Ebenso wenig kann aus
dem Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG eine generelle Beschwerdeberechtigung der Eltern
hinsichtlich sämtlicher Entscheidungen in Kindschaftssachen hergeleitet werden (vgl. BGH,
Beschluss vom 27.04.2016 - XII ZB 67/14, juris Rn. 8).

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen nicht mehr zur Sorge berechtigte Eltern zur
Beschwerde gegen einen Beschluss über die Auswahl- und Bestellung eines Vormunds für ihr
Kind befugt sind, wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Teilweise
wird in derartigen Fällen eine Beschwerdebefugnis der Eltern grundsätzlich verneint (vgl. OLG
Brandenburg, Beschluss vom 22.09.2022 - 9 UF 117/22, juris Rn. 5; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 19.08.2014 - II-6 WF 128/14, juris Rn. 2) oder aber auf Konstellationen
beschränkt, in denen ihr Vorschlag der Bestellung eines Verwandten übergangen wurde oder
ihre Anhörung unterblieben ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2016 - 16 WF
519/16, juris Rn. 4; Staudinger/Veit, BGB, Neubearb. 2020, § 1779 Rn. 117; offenlassend OLG
Brandenburg, Beschluss vom 23.02.2012 - 9 UF 27/12, juris Rn. 4). Andere gehen generell von
einer Beschwerdeberechtigung auch nicht sorgeberechtigter Eltern im Hinblick auf ihr
Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG aus (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.12.2015 - 5 UF
235/15, juris Rn. 5). Überwiegend wird die Beschwerdebefugnis jedenfalls dann bejaht, wenn
sich Eltern nach einem Sorgerechtsentzug im Beschwerdeverfahren nicht gegen den Entzug der
elterlichen Sorge, sondern nur gegen die Auswahl des Vormunds wenden und dabei das Ziel der
Bestellung eines nahen Verwandten weiterverfolgen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom
07.04.2022 - 20 UF 16/22, juris Rn. 19; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17.07.2014 - 6 UF
48/14, juris Rn. 10 ff.; ohne Begründung ebenso OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2012
- 9 UF 232/11, juris Rn. 14 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2007 - 2 UF 290/07, juris
Rn. 20 ff.). Hierfür spricht, dass die Auswahl des Vormunds unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit integraler Bestandteil der Entscheidung über einen Sorgerechtsentzug ist
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.09.2014 - 1 BvR 2108/14, juris Rn. 23; BeckOGK-BGB/B.
Hoffmann, Stand 01.01.2023, § 1778 Rn. 154).

Vorliegend wurde zwar die Entscheidung über die Auswahl und Bestellung des Vormunds erst
nach der Entziehung des Sorgerechts getroffen. Bereits im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens
hatte der Vater jedoch seinen Wunsch nach der Bestellung seiner Schwester zum Vormund
seiner Tochter geäußert. Die hiesige Konstellation ist daher vergleichbar mit einer auf die Frage
der Vormundsauswahl beschränkten Beschwerde nach einem Sorgerechtsentzug mit
gleichzeitiger Vormundsbestellung. Hinzu kommt, dass das aus Art. 6 Abs. 2 GG folgende
Recht der Eltern auf Berücksichtigung ihres Willens bei der Auswahl des Vormunds auch
Ausdruck im Gesetz gefunden hat. So sieht § 1778 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausdrücklich vor, dass der
wirkliche oder mutmaßliche Wille der Eltern bei der Vormundsauswahl zu berücksichtigen ist.
Ob deshalb eine generelle Beschwerdebefugnis nicht sorgeberechtigter Eltern gegen die
Auswahl und Bestellung des Vormunds anzunehmen ist, kann hier dahinstehen. Jedenfalls in
einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Elternteil bereits im Rahmen des
Sorgerechtsentzugs den Vorschlag der Bestellung eines Verwandten unterbreitet hat, dem das
Gericht bei seiner Entscheidung über die Vormundauswahl nicht gefolgt ist, kann dem nicht
mehr sorgeberechtigten Elternteil die Beschwerdeberechtigung nicht abgesprochen werden.

2.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die vom Amtsgericht beschlossene
Bestellung der Eheleute K. zu gemeinschaftlichen Vormündern für Z. hat auch unter
Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens Bestand.

Ist die Vormundschaft nicht einer von den Eltern durch letztwillige Verfügung gem. § 1782
BGB benannten Person zu übertragen, so hat das Familiengericht nach § 1778 Abs. 1 BGB den
Vormund auszuwählen, der am besten geeignet ist, für die Person und das Vermögen des
Mündels zu sorgen. Vorliegend stellt der Wunsch des Vaters, seine Schwester zum Vormund zu
bestellen, keine Benennung im Sinne von § 1782 BGB dar, da eine solche voraussetzt, dass die
elterliche Sorge durch den Tod der Eltern beendet wurde (vgl. Grüneberg/Götz, BGB, 82.
Aufl. 2023, § 1782 Rn. 2). Bei der damit durch das Familiengericht zu treffenden Auswahl ist
aber trotz des Entzugs seines Sorgerechts gleichwohl der Wille des Vaters nicht völlig
unbeachtlich, sondern gemäß § 1778 Abs. 2 BGB neben dem Willen des Mündels sowie seinen
persönlichen Bindungen, seinen familiären Beziehungen, seinem kulturellen Hintergrund und
seinen sonstigen Lebensumständen mit zu berücksichtigen (vgl. Grüneberg/Götz, a.a.O., § 1778
Rn. 5; zur Rechtslage bis 2022: Staudinger/Veit, BGB, Neubearb. 2020, § 1779 Rn. 59 m.w.N.;
OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2012 - 9 UF 232/11, juris Rn. 19). Gemäß § 1779
Abs. 1 BGB muss eine natürliche Person nach ihren Kenntnissen, Erfahrungen, persönlichen
Verhältnissen und Eigenschaften sowie ihrer Fähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit
mit den anderen an der Erziehung des Mündels beteiligten Personen geeignet sein, die
Vormundschaft so zu führen, wie es das Wohl des Mündels erfordert. Bei der Auswahl eines
Vormunds unter mehreren geeigneten Vormündern ist neben dem Willen der Eltern und dem
des Kindes letztlich darauf abzustellen, welche Person den Bedürfnissen des Kindes
voraussichtlich am ehesten gerecht werden kann (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2007 - 2
UF 290/07, juris Rn. 27).

In Anbetracht dieser Auswahlkriterien ist die Bestellung der Eheleute K. zu Vormündern für Z.
nicht zu beanstanden. Gegen ihre Eignung im Sinne von § 1779 BGB bestehen keine Bedenken.
In Bezug auf Herrn K. haben sowohl das Jugendamt und als auch der frühere
Verfahrensbeistand bereits in den im November 2021 eingereichten Berichten mitgeteilt, die
Vormundschaft werde verantwortungsbewusst und zuverlässig geführt und Z. gehe es bei ihren
Großeltern mütterlicherseits gut. In der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2022 im
Sorgerechtsverfahren zum Az. 4 F 865/20 SO hat der Verfahrensbeistand dies erneut bestätigt,
sich für die Bestellung der Eheleute K. zu gemeinschaftlichen Vormündern ausgesprochen und
angegeben, es lägen keine Zweifel an ihrer Eignung vor. Ebenso hat sich das Jugendamt
geäußert und ergänzt, dass eine im Jahr 2021 durchgeführte Überprüfung durch den
Pflegekinderdienst deren uneingeschränkte Erziehungsfähigkeit ergeben habe. Zudem
bestünden bei ihnen nach den dem Jugendamt vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen keine
körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Auch seitens der in ihrem Haushalt tätigen
Familienhelferin seien keine Einschränkungen festgestellt worden und ihrer Einschätzung nach
auch mittelfristig nicht zu erwarten. Die Rechtspflegerin hat während der persönlichen
Anhörung der Eheleute K. ebenfalls keine Anhaltspunkte festgestellt, die gegen ihre
Geeignetheit als Vormünder sprechen.

Allein der Umstand, dass Frau K. beim Gehen etwas bewegungseingeschränkt ist, steht ihrer
Eignung als Vormund nicht entgegen. Hierfür ist es nicht erforderlich, mit Z. auf ein
Klettergerüst klettern und sie die Treppe hochtragen zu können. Selbst wenn Frau K. derartige
Tätigkeiten nicht mehr ausüben kann, so kann sie hierzu ggf. die Hilfe anderer geeigneter
Personen in Anspruch nehmen. Insoweit haben die Eheleute K. bei ihrer Anhörung
unwidersprochen angegeben, sie würden regelmäßig Besuch durch ihren in der Nähe lebenden
Sohn erhalten, der vor kurzem Vater geworden sei und sie mit der Betreuung von Z.
unterstützen könne.

Der weitere vom Vater gegen die Eignung der Eheleute K. als Vormünder erhobene Einwand,
Z. sei in ihrem Haushalt einer sich negativ auf ihre Psyche auswirkenden ständigen Trauerkulisse
ausgesetzt, hat sich nach den Berichten des Jugendamts und des Verfahrensbeistands als
unzutreffend herausgestellt. Der damalige Verfahrensbeistand hat mit Schreiben vom 26.11.2021
über seinen Besuch im Haushalt der Eheleute K. berichtet, dass Haus und Garten kindgerecht
ausgestattet seien und er Z. als fröhliches, aufgewecktes Mädchen in liebevoller Beziehung zu
ihren Großeltern erlebt habe. In der Wohnung gebe es sowohl Bilder von Z. Mutter als auch
von ihrem Vater, über den sich die Eheleute K. stets sehr fair und sachlich geäußert hätten.
Auch das Jugendamt hat im Bericht vom 06.10.2022 sowie jüngst in der im Umgangsverfahren
zum Az. 4 F 93/23 UG abgegebenen Stellungnahme vom 17.02.2023 mitgeteilt, Z. sei ein
lebensfrohes, munteres und altersgerecht entwickeltes Mädchen, das die Welt neugierig erkunde.
Insgesamt hat sich Z. demnach im Haushalt der Eheleute K. sehr gut entwickelt. Diesen gelingt
es offensichtlich trotz ihrer Trauer um ihre Tochter, ihrer Enkelin ein entwicklungsförderndes
Umfeld zu bieten, um ihr ein unbeschwertes, kindgerechtes Aufwachsen sowie auch soziale
Kontakte - etwa im Kindergarten, beim Feuerwehrspielkreis und beim Schwimmkurs - zu
ermöglichen.

Auch die Spannungen zwischen der Familie des Vaters und den Großeltern mütterlicherseits
sprechen nicht gegen deren Auswahl als Vormünder. Zwar mag es im Hinblick auf einen zu
befürchtenden Loyalitätskonflikt des Kindes ungünstig sein, dass eine Kommunikation zwischen
beiden Großelternpaaren derzeit aufgrund ihrer unterschiedlichen Überzeugungen in Bezug auf
die Schuld oder Unschuld des Kindesvaters nicht stattfindet, zumal Z. offenbar eine gute
Beziehung zu den Großeltern väterlicherseits hat. Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass die Eheleute K. Z. gegenüber schlecht über die Familie des Vaters sprechen und
Kontakte zu Z. Verwandten väterlicherseits grundlos unterbinden. Wie der Verfahrensbeistand
in dem Umgangsverfahren zum Az. 4 F 93/23 UG berichtet hat, haben sie vielmehr
bis September 2022 wöchentlichen unbegleiteten Umgangskontakten zu den Großeltern
väterlicherseits zugestimmt. Erst seit es während eines Umgangs zu einem nicht abgesprochenen
Skype-Kontakt zwischen Z. und ihrem Vater gekommen ist, werden die Umgänge vom
Jugendamt begleitet. Angesichts dieses Vorfalls ist eine gewisse Skepsis hinsichtlich der
Durchführung unbegleiteter Kontakte durchaus berechtigt und wird auch vom Jugendamt
geteilt, jedenfalls solange bis in dem weiteren beim Amtsgericht anhängigen Verfahren zum Az.
4 F 774/22 UG durch das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten näher geklärt ist, ob
und in welcher Form Umgangskontakte zwischen Z. und ihrem Vater kindeswohldienlich sind.
Im Übrigen haben die Eheleute K. bei ihrer persönlichen Anhörung am 07.12.2022 angegeben,
sie würden sich Kontakten zwischen Z. und ihrem Vater nicht widersetzen, wenn diese solche
wünsche. Ihre Äußerungen über den Vater und seine Familie blieben dabei sowohl nach dem
Eindruck des im Sorge- und Umgangsverfahren bestellten Verfahrensbeistands als auch
demjenigen der Rechtspflegerin immer sachlich und waren nicht von Wut oder Hass geprägt.
Eine negative Beeinflussung des Kindes gegenüber der Familie des Vaters ist daher nicht zu
befürchten.

Ein gewichtiges Argument für die Auswahl der Eheleute K. als Vormünder liegt in dem
Grundsatz der Kontinuität der kindlichen Lebensverhältnisse. Z. lebt seit der Ermordung ihrer
Mutter vor mehr als zwei Jahren bei deren Eltern und fühlt sich dort nach allen vorliegenden
Berichten sehr wohl. In aller Regel dient es dem Wohl eines Kindes, möglichst gleichmäßige,
stabile Erziehungsverhältnisse und ebensolche äußeren Umstände zu gewährleisten (vgl.
Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1671 Rn. 38). Dies gilt vorliegend ganz besonders, da
Z. bereits vor ihrem ersten Geburtstag ihr Zuhause und ihre Mutter verloren hat und kurz
darauf wegen der Inhaftierung auch die Beziehung zu ihrem Vater abgebrochen ist. Mittlerweile
sind die Eheleute K. zu ihren Hauptbezugspersonen geworden, so dass es dem Kindeswohl
entspricht, diese Bindungen aufrechtzuerhalten. Insgesamt teilt der Senat die Einschätzung des
Jugendamts, dass für Z. weiteres Aufwachsen die größtmögliche Kontinuität und Stabilität
angestrebt werden sollte. Eine Bestellung von Frau L. zum Vormund, die mit einem Wechsel
des Lebensmittelpunkt des Kindes in deren Haushalt verbunden wäre, würde diesem Ziel
zuwiderlaufen.

Vor diesem Hintergrund führt auch die Mitberücksichtigung des Willens des Vaters nicht dazu,
dass die Abwägung zu Gunsten der Bestellung seiner Schwester zum Vormund ausfällt.
Hiergegen spricht neben dem Kontinuitätsgrundsatz auch die Gefahr einer zunehmenden
Verunsicherung des Mädchens durch widersprüchliche Darstellungen ihrer erwachsenen
Bezugspersonen über den Grund der Inhaftierung ihres Vaters und den Tod ihrer Mutter. Da
sowohl Frau L. als auch die Großeltern S. den Kindesvater trotz seiner rechtskräftigen
Verurteilung für unschuldig halten, ist zu befürchten, dass sie Z. ein von der Realität
abweichendes Bild von ihm vermitteln. Zudem hat das Jugendamt nachvollziehbar ausgeführt,
es könne nicht eingeschätzt werden, ob das Mädchen künftig mit zunehmender Reife im
Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Tod ihrer Mutter ein Bedürfnis nach Abstand zur
Familie ihres Vaters verspüren werde. Falls jedoch eine solche - in Anbetracht der Umstände
nicht fernliegende - Entwicklung eintreten sollte, würde es nach der Einschätzung des Senats
eine erfolgreiche Traumaverarbeitung erschweren, wenn sie im Haushalt der Schwester ihres
Vaters aufwachsen würde.

Nach alledem hat es bei der Bestellung der Eheleute K. als Vormünder zu verbleiben und die
Beschwerde des Vaters ist zurückzuweisen.

III.
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, gem. § 68 Abs. 3 FamFG ohne mündliche
Verhandlung zu entscheiden. Das Amtsgericht hat die in Betracht kommenden Vormünder
persönlich angehört. Der Vater ist bereits im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens zum Az. 4 F
865/20 SO zur Frage der Vormundsauswahl persönlich angehört worden. Anhaltspunkte dafür,
dass von einer erneuten persönlichen Anhörung zusätzliche Erkenntnisse zu erwarten sind,
liegen nicht vor und lassen sich auch dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines
erfolglosen Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Gründe zur
Abweichung von dieser Sollvorschrift sind nicht ersichtlich.

Der Verfahrenswert ergibt sich aus §§ 40, 42 Abs. 1 FamGKG in Anlehnung an § 45 Abs. 1
FamGKG (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.04.2016 - 11 WF 413/16, juris Rn. 9).
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

IV.
Der Antrag des Kindesvaters auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren ist zurückzuweisen, da seine Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg hat, § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO. Zur Begründung wird auf die obigen
Darlegungen zu Ziff. II. verwiesen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Braunschweig

Erscheinungsdatum:

17.03.2023

Aktenzeichen:

1 UF 2/23

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

FamFG § 59; BGB §§ 1778, 1779, 1782