Eröffnung einer Kopie des Testaments
letzte Aktualisierung: 16.11.2022
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.2022 – 3 Wx 119/22
Eröffnung einer Kopie des Testaments
Kann ein Testament nicht im Original, sondern nur eine private Kopie der Originalurkunde
vorgelegt werden, ist die Kopie gemäß
Gründe:
I.
Die Beteiligte ist die Ehefrau des Erblassers und sie hat die Kopie eines vom Erblasser
unter dem Datum des 2. Januar 1976 errichteten Testaments, das sie als Alleinerbin
bestimmt, zur Eröffnung beim Nachlassgericht eingereicht. Dazu hat sie vorgetragen, der
Erblasser habe diese Kopie gefertigt und ihr zur Aufbewahrung überreicht. Aus welchem
Grunde er ihr nicht auch das Original übergeben habe, sei nicht bekannt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Eröffnung der
Testamentskopie abgelehnt. Mangels hinreichender Gewähr einer vollständigen und
unverfälschten Wiedergabe sei eine Kopie nicht zu eröffnen.
Hiergegen beschwert sich die Beteiligte. Das Nachlassgericht hat an seinem
Rechtsstandpunkt festgehalten und zur Begründung seines Nichtabhilfe- und
Vorlagebeschlusses ergänzend ausgeführt, ob das Testament Grundlage für die Erteilung
eines die testamentarische Erbfolge ausweisenden Erbscheins sein könne, sei im
Erbscheinserteilungsverfahren zu prüfen; ein die testamentarische Erbfolge ausweisender
Erbschein könne trotz Nichteröffnung der Testamentskopie beantragt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.
II.
Die nach Maßgabe von §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten gegen die
vom Nachlassgericht abgelehnte Eröffnung der von der Beteiligten eingereichten
Testamentskopie ist begründet.
Nach
Erblassers Kenntnis erlangt, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes
wegen zu eröffnen. Die sich im hiesigen Verfahren stellende Frage, ob auch die Kopie
eines Testaments zu eröffnen ist, wird nicht einheitlich beantwortet.
Das Amtsgericht hat sich im angefochtenen Beschluss der in der älteren Rechtsprechung
(soweit ersichtlich zuletzt: BayObLG
(MüKo FamFG/Muschler, 3. Aufl. 2019, § 348 Rn. 12, mit weiteren Nachweisen in Fußnote
37; s. auch zu
Aufl. 2004, §§ 2260 Rn. 15 mit weiteren Nachweisen in der Fußnote 29; Prütting/Helms-
Fröhler, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 348 Rn. 15; BeckOK/Schlögel, FamFG, 43. Edition,
Stand: 1. Juli 2022, § 348 Rn. 7; Bumiller/Harders-Harders, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 348
Rn. 7; Kroiß/Horn/Solomon-Poller, Nachfolgerecht, 2. Aufl. 2019,
Firsching/Graf-Krätzschel, Nachlassrecht, 11. Aufl. 2019, § 37 Rn. 3 ) vertretenen
Auffassung, wonach einfache Abschriften oder Kopien einer letztwilligen Verfügung nicht
zu eröffnen sind, angeschlossen. Zur Begründung dieser Sichtweise wird angeführt, bei
einer einfachen Abschrift einer letztwilligen Verfügung oder einer Kopie bestehe keine
hinreichende Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe des vollen
Inhaltes (MüKo FamFG/Muschler, a.a.O., § 348, Rn. 12). Ferner wird darauf verwiesen,
dass auch ein verloren gegangenes Testament nicht eröffnet werden könne, gleichwohl ein
Erbschein erteilt werden könne (Firsching/Graf-Krätzschel, Nachlassrecht, a.a.O., § 37 Rn.
3).
Die gegenteilige Auffassung hat jüngst das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 7.
April 2021, 31 Wx 108/21, juris) vertreten und zur Begründung darauf verwiesen, dass die
Erbfolge auch auf der Grundlage von nur noch in Kopie vorhandenen Testamenten
festgestellt werden könne; dann sei konsequenterweise auch die Kopie zu eröffnen. Die
eine Pflicht des Nachlassgerichts zur Eröffnung auch einer Testamentskopie bejahenden
Literaturstellen verweisen auf die weiteren von der Eröffnung abhängenden Wirkungen,
dies sind z.B. der Beginn der Ausschlagungsfrist, Mitteilungen an das Grundbuchamt
sowie an das Erbschaftssteuerfinanzamt (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl.
2020, § 348 Rn. 15, mit weiteren Nachweisen in Fußnote 18; zu den Folgen der Eröffnung:
§ 348 Rn. 37 ff.), und auf den Normzweck von
FamFG, 2. Aufl. 2017, § 348 Rn. 3; ohne Begründung: Burandt/Rojahn-Gierl, Erbrecht, 4.
Aufl. 2022, § 348 Rn. 2).
Der Senat schließt sich der zweitgenannten Auffassung an. Dem liegen folgende
Erwägungen zugrunde:
Sinn und Zweck des Testamentseröffnungsverfahrens ist es, im öffentlichen Interesse,
nämlich im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit durch zeitnahe amtliche
Feststellung und Bekanntgabe vorhandener Verfügungen von Todes wegen ganz gleich
welcher Art, eine geordnete Nachlassabwicklung sicherzustellen. Daneben soll dem
privaten Interesse der Beteiligten Rechnung getragen werden und ihnen soll durch die
Testamentseröffnung zeitnah die Gelegenheit gegeben werden, die Verfügung auf ihre
Rechtswirksamkeit und ihren Inhalt hin zu überprüfen sowie ihre Rechte am Nachlass
wahrzunehmen (vgl. statt aller: MüKo FamFG/Muschler, a.a.O., § 348 Rn. 1). Die
Testamentseröffnung ist dem Rechtspfleger übertragen,
beschleunigte Sachbehandlung (vgl. Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rn. 19).
Dementsprechend findet auch nur eine summarische Plausibilitätsprüfung dahingehend
statt, ob sich das dem Nachlassgericht vorliegende Schriftstück nach Form und Inhalt als
Verfügung von Todes wegen darstellen kann. Ob ein Schriftstück den materiell-rechtlichen
Anforderungen an eine wirksame Verfügung von Todes wegen genügt, ist im
Eröffnungsverfahren nicht zu entscheiden; im Zweifel hat die Eröffnung zu erfolgen (MüKo
FamFG/Muschler, a.a.O., § 348 Rn. 10). Vorstehende Grundsätze, die allgemein
anerkannt sind, sprechen für die Eröffnung auch eines nur in Kopie vorhandenen
Testaments. Im Einzelfall mag nämlich gerade nicht ohne weiteres zu erkennen sein, ob es
sich bei einem Schriftstück um eine Kopie handelt. Dem Wesen des
Testamentseröffnungsverfahrens liefe es jedoch zuwider, wenn ein Streit hierüber in das
Verfahren über die Testamentseröffnung (vor-)verlagert würde.
Hinzu kommt folgende Überlegung: ebenfalls allgemein anerkannt ist, dass auch
offensichtlich formunwirksame Testamente zu eröffnen sind (BeckOK FamFG/Schlögel,
a.a.O., § 348 Rn. 6; Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rn. 13), da sie möglicherweise als
Auslegungshilfe zur Ermittlung des Erblasserwillens in Betracht kommen können. Diese
Erwägung gilt aber auch für die Kopie eines Testaments. Welche Folgerungen aus einem
nur in Kopie vorliegenden Testament möglicherweise zu ziehen sein können, ist aber zu
dem frühen Stadium der Testamentseröffnung nicht absehbar.
Das Argument der Gegenauffassung, wonach eine Kopie nicht eröffnet werden könne, da
keine Gewähr für die vollständige und unverfälschte Wiedergabe des Inhaltes bestehe,
verfängt nach Auffassung des Senats nicht. Dieselbe Gefahr besteht auch bei
Testamenten, die nicht unterschrieben sind (etwa weil die Unterschrift fehlt, oder weil die
„Unterschrift“ an der Seite des Testamentstextes oder oberhalb des Textes aufgebracht
ist). Als Abschluss der Urkunde muss die Unterschrift am Schluss des Textes stehen, den
Urkundentext also räumlich abschließen, um ihn damit vor nachträglichen Ergänzungen
und Zusätzen zu sichern (BayObLG
bzw. mit „Oberschrift“ oder „Nebenschrift“ sind möglicherweise materiell-rechtlich
unwirksam,
vergegenwärtigt, dass allein die Eröffnung eines Schriftstücks als Testament gemäß § 348
FamFG nichts für seine Wirksamkeit besagt, die Klärung dieser Frage vielmehr
Gegenstand insbesondere eines Erbscheinsverfahrens oder einer Erbenfeststellungsklage
ist, ist es nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt, der Gefahr der Unvollständigkeit
oder Unrichtigkeit der Kopie eine solche Bedeutung zuzumessen, dass eine Eröffnung
nicht zulässig wäre.
Als nicht überzeugend ist die zur Begründung der Unzulässigkeit der Eröffnung einer Kopie
gezogene Parallele zum abhanden gekommenen Testament, bei dem eine Eröffnung nicht
möglich ist, zu bewerten. Anders als beim abhanden gekommenen Testament liegt bei
einer Testamentskopie jedenfalls physisch ein Schriftstück vor, das eröffnet werden kann.
Sprechen nach Auffassung des Senats nach alledem die besseren Gründe für die
Eröffnung der von der Beteiligten vorgelegten Testamentskopie, war das Nachlassgericht
wie geschehen anzuweisen.
III.
Kosten fallen für das erfolgreiche Rechtsmittel nicht an,
dementsprechend erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung von Amts wegen.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht,
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Düsseldorf
Erscheinungsdatum:19.08.2022
Aktenzeichen:3 Wx 119/22
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Testamentsform
FamFG § 348