Bindungswirkung eines österreichischen Erbvertrags nach der EuErbVO
letzte Aktualisierung: 11.11.2020
OLG München, Beschl. v. 18.8.2020 – 31 Wx 269/18
EuErbVO Art. 83 Abs. 3; BGB §§ 2079, 2113, 2231 Nr. 1, 2232, 2270 Abs. 1
Bindungswirkung eines österreichischen Erbvertrags nach der EuErbVO
1. Zur Anwendung des
Testaments.
2. Zur „nachträglichen Bindungswirkung“ einer wechselbezüglichen Verfügung aufgrund
Inkrafttretens der EuErbVO.
3. Qualifikation eines gemeinschaftlichen Testaments als „Erbvertrag im unionsrechtlichen Sinne“
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Der Erblasser und seine am ...2012 vorverstorbene Ehefrau waren österreichische Staatsangehörige, hatten
ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu Lebzeiten aber in Deutschland. Die Beschwerdeführerin ist das einzige
gemeinsame Kind der Ehegatten.
Am 19.12.1996 errichteten die Eheleute vor dem Notar Dr. … in … ein gemeinschaftliches Testament. In diesem
Testament hieß es unter Ziffer I. unter anderem:
„Wir vereinbaren hiermit vorsorglich, für den Fall unseres Ablebens, die Anwendung deutschen Rechtes.“
Im Übrigen setzte der Erblasser in diesem Testament seine Ehefrau zur Alleinerbin ein, während diese ihn als
von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB befreiten Vorerben einsetzte. Zur Nach- und Schlusserbin
bestimmten sie die Beschwerdeführerin. Ziffer II.4. des Testaments lautet auszugsweise:
„Der Überlebende von uns beiden ist berechtigt, die vorstehende Erbfolge der Ehegatten, auch die Nacherbfolge
[…] sowie die Ersatzerbfolge nach dem überlebenden Teil insoweit abzuändern als er zugunsten unserer
gemeinschaftlichen Abkömmlinge (Kinder, Enkelkinder usw.) neue Verfügungen von Todes wegen trifft […].
Ausgeschlossen sind Verfügungen von Todes wegen zugunsten Dritter, die nicht unsere gemeinschaftlichen
Abkömmlinge sind. Gemeinsame Abkömmlinge sind nur … oder weitere gemeinsame Abkömmlinge und deren
Kinder.
Das Testament enthält in Ziffer III. außerdem einen Belehrungsvermerk hinsichtlich der „bei einem
gemeinschaftlichen Testament eintretenden Bindungen“ und in Ziffer IV. wird „eine Anfechtung dieses
Testaments nach dem
Am 05.06.2015 errichtete der Erblasser vor dem Notar … in … ein weiteres Testament. In diesem wählte der
Erblasser „für die Erbfolge vorsorglich das österreichische Erbrecht“. In Ziffer I. dieses Testamentes heißt es
außerdem:
„Vorsorglich widerrufe ich alle etwa von mir errichteten Verfügungen von Todes wegen, soweit gesetzlich
zulässig. Insbesondere widerrufe ich alle Verfügungen in dem vorgenannten Ehegattentestament sowie die dort
enthaltene Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts, soweit gesetzlich zulässig.“
In dem Testament vom 05.06.2015 setzte der Erblasser außerdem die Beteiligte … als Alleinerbin, höchst
vorsorglich als Erbin zur höchst zulässigen Quote ein.
Der Erblasser verstarb am ...2015.
Am 30.03.2016 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein
auszustellen. Der beantragte Erbschein wurde am 30.03.2016 erteilt.
Am 11.05.2018 beantrage die Beteiligte … die Einziehung dieses Erbscheins und die Erteilung eines Erbscheins,
nach dem sie mit Ausnahme des in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens Alleinerbin geworden
sei.
Mit Beschluss vom 02.07.2018 hat das Nachlassgericht den Erbschein vom 30.03.2016 eingezogen und die zur
Erteilung eines Erbscheins nach Maßgabe des Antrags der Beteiligten … vom 11.05.2018 erforderlichen
Tatsachen für festgestellt erachtet. Zur Begründung führt das Nachlassgericht aus, dass auf die Rechtsnachfolge
nach dem Erblasser österreichisches Recht Anwendung finde, weil die Rechtswahl im gemeinschaftlichen
Testament vom 19.12.1996 nur hinsichtlich des in Deutschland belegenen, unbeweglichen Vermögens wirksam
gewesen und in diesem Umfang durch die neue Rechtswahl im Testament vom 05.06.2015 widerrufen worden
sei. Nach österreichischem Erbrecht entfalte das gemeinschaftliche Testament vom 19.12.1996 keine der
Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten … entgegenstehende Bindungswirkung. Die hinsichtlich des in
Deutschland belegenen, unbeweglichen Vermögens wegen der entsprechenden Rechtswahl nach deutschem
Recht bereits eingetretene Bindungswirkung werde durch den Widerruf der Rechtswahl aber nicht berührt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Nachlassgericht hat zu Recht den am 30.03.2016 erteilten Erbschein eingezogen und die zur Erteilung
eines neuen Erbscheines nach Maßgabe des Antrags der Beteiligten … vom 11.05.2018 erforderlichen
Tatsachen für festgestellt erachtet.
Der erteilte Erbschein ist nämlich unrichtig, während der Erbscheinsantrag vom 11.05.2018 der materiellen
Rechtslage entspricht, weil die Beschwerdeführerin Alleinerbin des Erblassers nur hinsichtlich des in
Deutschland belegenen, unbeweglichen Vermögens ist, während im Wege der Nachlassspaltung im Übrigen die
Beteiligte … Alleinerbin des Erblassers ist.
1. Auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Erblasser findet österreichisches Recht Anwendung. Da
der Erblasser nach dem 17. August 2015 verstorben ist, seine Rechtsnachfolge von Todes wegen
Prüfungsgegenstand ist und mit seiner österreichischen Staatsangehörigkeit ein grenzüberschreitender Bezug
vorliegt, bestimmt die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) in Art. 1 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Art.
83 Abs. 1 das anwendbare Recht. Mit der hiernach wirksamen Wahl österreichischen Rechts im Testament vom
05.06.2015 hat der Erblasser die ursprüngliche Wahl deutschen Rechts im gemeinschaftlichen Testament vom
19.12.1996 widerrufen.
a) Die Wahl österreichischen Rechts im Testament vom 05.06.2015 ist nach
wirksam. Hiernach ist eine vor dem zeitlichen Anwendungsbereich der EuErbVO getroffene Rechtswahl wirksam,
wenn sie alternativ die Voraussetzungen des Kapitels III der Verordnung erfüllt oder sie nach dem zum Zeitpunkt
der Rechtswahl geltenden Internationalen Privatrecht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes oder der
Staatsangehörigkeit des Erblassers wirksam ist. Die Wahl österreichischen Rechts erfüllt die Voraussetzungen
des Kapitels III der EuErbVO (Art. 83 Abs. 2,1. Alt. EuErbVO).
Nach
Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Der Erblasser,
der österreichischer Staatsangehöriger war, konnte somit österreichisches Recht wählen. Die Rechtswahl
erfolgte ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 d)
EuErbVO (Art. 22 Abs. 2 EuErbVO). Zweifel an der materiellen Wirksamkeit dieser Verfügung sind nach dem
nach
b) Der Wahl österreichischen Rechts im Testament vom 05.06.2015 stand nicht die Rechtswahl aus dem
gemeinschaftlichen Testament vom 19.12.1996 entgegen. Diese war nämlich nur teilweise wirksam und wurde in
diesem Umfang durch die jüngere Rechtswahl wirksam widerrufen.
aa) Die Wahl deutschen Rechts im Testament vom 19.12.1996 war nur insoweit wirksam, als sie sich auf das im
Inland belegene, unbewegliche Vermögen des Erblassers bezog. Die Wirksamkeit dieser Rechtswahl bestimmt
sich wiederum nach Art. 83 Abs. 2 EuErbVO.
Allein Art. 83 Abs. 2,2. Alt. iVm Art. 25 Abs. 2 EGBGB in dessen zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden
Fassung verhilft der Wahl deutschen Rechts im gemeinschaftlichen Testament zur teilweisen Wirksamkeit.
Hiernach konnte der Erblasser für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht wählen. Zwar
hat der Erblasser die Wahl deutschen Rechts im gemeinschaftlichen Testament nicht auf im Inland belegenes
unbewegliches Vermögen beschränkt, jedoch ist unter Geltung des Art. 25 Abs. 2 EGBGB aF im Zweifel davon
auszugehen, dass eine unwirksame Wahl deutschen Rechts für den gesamten Nachlass eine im Umfang des
Art. 25 Abs. 2 EGBGB aF wirksame Rechtswahl beinhaltet (MüKoBGB/Dutta, 6. Aufl. 2015, EGBGB Art. 25 Rn.
75; Staudinger/Dörner (2007) EGBGB Art. 25 Rn. 524). Für eine derartige Auslegung des Testaments vom
19.12.1996 spricht hier insbesondere schon, dass die Ehegatten ausdrücklich auf deutsches Recht Bezug
genommen haben und nicht ersichtlich ist, dass ihr Wille, deutsches Recht zur Anwendung zu bringen, nur für
den jeweiligen gesamten Nachlass gelten solle und nicht wenigstens soweit gesetzlich zulässig erfolgen solle.
Eine umfänglichere Wirksamkeit der Wahl deutschen Rechts ergibt sich nicht aus den anderen Alternativen des
Art. 83 Abs. 2 EuErbVO.
Die ursprüngliche Wahl deutschen Rechts ist nicht nach Art. 83 Abs. 2 Var. 1 in Verbindung mit Art. 22 I
EuErbVO wirksam. Denn der Erblasser war österreichischer Staatsangehöriger; eine Wahl des (hier deutschen)
Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltsstaates sieht die EuErbVO nicht vor. Auch kann in der Wahl deutschen
Rechts im gemeinschaftlichen Testament vom 19.12.1996 keine wirksame Teilrechtswahl des (auch die
Bindungswirkung umfassenden) Errichtungsstatutes nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO gesehen werden, die
ebenfalls von Art. 83 Abs. 2 EuErbVO umfasst ist (BGH
1.2.2020, EuErbVO Art. 83 Rn. 10f.; Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, 3. Aufl. 2019, EuErbVO Art. 83 Rn. 4;
Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 83 Rn. 10; Palandt/Thorn, BGB, 79. Auflage 2020, Art. 83
EuErbVO Rn. 4; Rudolf
EuErbVO als lex specialis für das Errichtungsstatut einschließlich diesbezüglicher Rechtswahl) NKBGB/
Magnus, 3. Auflage 2019 Art. 83 Rn. 14; von Bary, IPrax 2019, 1565; bei Ausnahme der in Art. 83 Abs. 3
nicht genannten Bindungswirkung auch MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art. 83 Rn. 7). Dies würde
nämlich voraussetzen, dass eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, die deutsche Staatsangehörigkeit
besitzt. Auch die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers, mit der gemeinsam er 1996 das gemeinschaftliche
Testament errichtet hatte, war jedoch österreichische Staatsangehörige.
Auch Art. 83 Abs. 2, 3. Alt. EuErbVO führt nicht zu einer Wirksamkeit der deutschen Rechtswahl. Die
Erbstatutsvorschriften der §§ 28 ff. östIPRG sahen in ihrer zum Zeitpunkt der Rechtswahl gültigen
Stammfassung keine Möglichkeit vor, das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht zu
wählen.
Somit hat der Erblasser in seinem gemeinschaftlichen Testament wirksam deutsches Recht gewählt, soweit das
in seinem Nachlass befindliche, inländische, unbewegliche Vermögen betroffen ist. Angesichts der
Grundintention des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO, Rechtswahlen möglichst zur Wirksamkeit zu verhelfen (BGH NJW
2019, 3449, 3452; BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 83 Rn. 4), umfasst die Übergangsvorschrift
nicht nur voll wirksame Rechtswahlen, sondern erkennt - entgegen des Wortlautes („wenn“) - auch eine vor der
zeitlichen Anwendbarkeit der Verordnung getroffene, nur teilweise wirksame Rechtswahl in dem so beschränkten
Umfang (Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 83 Rn. 20) an.
Einen weitergehenden Bestandsschutz vermittelt Art. 83 Abs. 2 EuErbVO - anders als die Beschwerdeführerin
vorträgt - auch nicht durch die Konstruktion einer negativen Rechtswahl. Die Übergangsvorschrift verleiht einer
Rechtswahl nur insoweit Wirksamkeit, als sie nach einem der genannten Kollisionsrechte wirksam ist. Eine
negative Rechtswahl, durch die das Personalstatut derogiert wird, ist aber sowohl dem europäischen als auch
dem autonomen deutschen und österreichischen internationalen Erbrecht fremd.
bb) Soweit die Wahl deutschen Rechts im gemeinschaftlichen Testament vom 19.12.1996 wirksam war, hat der
Erblasser sie durch die Wahl österreichischen Rechts im Testament vom 05.06.2015 wirksam widerrufen.
Die in vielen Details umstrittene Frage, welches Recht auf die Widerruflichkeit einer Rechtswahl - insbesondere
einer vor dem 17.08.2015 getroffene Rechtswahl im Sinne des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO - Anwendung findet (Zum
Streitstand s. MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art. 22 Rn. 31 m Fn. 81; GKKW IntErbR/Köhler, 3.
Auflage 2020, § 4 Rn. 33; BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 22 Rn. 40), kann hier dahinstehen. In
Betracht kommen hier nämlich allein das deutsche (als ursprünglich gewähltes) oder das österreichische Recht
(als zuletzt gewähltes Recht bzw. als das von Art. 83 Abs. 2,2. und 3. Alt. iVm Art. 25 Abs. 1 EGBGB aF und §
28 östIPG aF berufenes Personalstatut). Nach beiden Rechten war die ursprüngliche Wahl deutschen Rechts für
das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen frei widerruflich.
Zur Zeit der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.12.1996 war die dort enthaltene Rechtswahl
nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - frei widerruflich (BeckOK
BGB/Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020, EGBGB Art. 25 Rn. 22; Staudinger/Dörner (2007) EGBGB Art. 25 Rn. 548;
MüKoBGB/Dutta, 6. Aufl. 2015, EGBGB Art. 25 Rn. 58). Dafür spricht schon der vormalige Wortlaut des § 2270
Abs. 3 BGB und des § 2278 Abs. 2 BGB, der die Rechtswahl aus dem Kreis derjenigen Verfügungen von Todes
wegen ausnimmt, die wechselbezüglich bzw. vertragsmäßig sein können. Somit bleibt es nach der hier
maßgeblichen Rechtslage zum Zeitpunkt der Rechtswahl bei dem Grundsatz der freien Widerruflichkeit. Dem
Amtsgericht ist ferner in der Ansicht zu folgen, dass die Aufnahme der Rechtswahl in die §§ 2270 Abs. 3 und
2278 Abs. 2 BGB durch das Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum
Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 29.06.2015 keine Rückwirkung auf vor dem zeitlichen
Anwendungsbereich der EuErbVO getroffene Rechtswahlen hat (MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art.
22 Rn. 31). Zwar regelt die begleitende Übergangsvorschrift des Art. 229 § 36 EGBGB diese Frage der
intertemporalen Anwendbarkeit nicht, jedoch ergibt sich aus der Regelung des Art. 22 Abs. 1 des
Änderungsgesetzes, dass der Gesetzgeber einen zeitlichen Gleichlauf mit der Anwendbarkeit der EuErbVO
erreichen wollte. Das Bedürfnis, eine verbindliche Ausgestaltung von Rechtswahltatbeständen in Verfügungen
von Todes wegen zu ermöglichen, ergab sich für den Gesetzgeber erst durch Inkrafttreten der EuErbVO und der
damit einhergehenden erhöhten Parteiautonomie im Erbrecht. Ein gesetzgeberischer Rückwirkungswille
hinsichtlich der vorherigen Rechtslage liegt daher fern.
Auch nach österreichischem Recht war die Rechtswahl frei widerruflich. Zwar kennt das österreichische
materielle Erbrecht keine explizite Regelung zur Bindungswirkung einer Rechtswahl. In diesem Fall ist jedoch auf
die Widerruflichkeit von Verfügungen von Todes wegen zurückzugreifen (Vgl. MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018,
EuErbVO Art. 22 Rn. 31). Nach österreichischem Recht können Verfügungen von Todes wegen nur in sehr
eingeschränktem Maße bindend wirken. Bei einer gegenseitigen Erbeinsetzung von Ehegatten endet jede
Bindungswirkung jedenfalls mit dem Tod des Erstversterbenden (Zur Bindungswirkung nach österreichischem
Recht siehe ausführlich sogleich).
2. Nach dem somit anwendbaren österreichischen Erbrecht hat die Beteiligte … den Erblasser allein beerbt,
soweit nicht das im Inland belegene unbewegliche Vermögen betroffen ist. Nur hinsichtlich des in Deutschland
belegenen Immobiliarvermögens ist die Beschwerdeführerin Alleinerbin geworden.
Durch das Testament vom 05.06.2015 hat der Erblasser die Beteiligte … zur Alleinerbin eingesetzt. Die
Alleinerbeneinsetzung ist zulässig und wirksam, ihr steht ferner die Verfügungen im gemeinschaftlichen
Testament vom 19.12.1996 nur insoweit entgegen, als das im Inland belegene Immobiliarvermögen betroffen ist.
a) Die Verfügung von Todes wegen vom 05.06.2015 ist zulässig und wirksam. Das bestimmt sich bei vor dem
17.08.2015 errichteten Verfügungen von Todes wegen nach
von Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III
der Verordnung erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden
Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt
hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit
der Erbsache befasst ist, zulässig sowie materiell und formell wirksam ist. Nach dem Konzept dieser
Übergangsregelung genügt es somit, wenn das Testament nach nur einem der von den unterschiedlichen
Kollisionsrechten (EuErbVO, ehemaliges IPR des Aufenthaltstaates, ehemaliges IPR des Staates der
Staatsangehörigkeit, ehemaliges IPR des angerufenen Gerichts) berufenen Rechte zulässig und wirksam ist.
aa) Die Verfügung von Todes wegen ist zulässig, weil das von allen Varianten des
24 Abs. 1 iVm 22 Abs. 1 EuErbVO bzw. Art. 26 Abs. V S. 1 iVm 25 Abs. 1 EGBGB aF bzw. § 28 Abs. 1 östIPRG)
berufene österreichische Erbrecht es in den §§ 552 ff. ABGB zulässt, durch Verfügung von Todes wegen in
einem Einzeltestament von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen.
bb) Das Testament vom 05.06.2015 ist nach Art. 1 Abs. 1 a) des zeitlich anwendbaren (Art. 8, 15) Haager
Testamentsformübereinkommens (im Folgenden: HTestformÜ), das nach Art. 75 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO
vorrangig vor
Erblasser letztwillig verfügt hat, geltenden deutschen Recht ist das öffentliche Testament zur Niederschrift eines
Notars formell wirksam (§§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB).
cc) Das Testament vom 05.06.2015 ist außerdem nach dem von allen Varianten des
berufenen österreichischen Erbrecht materiell wirksam.
b) Der Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten … steht das zulässige und wirksame gemeinschaftliche Testament
vom 19.12.1996 nur insoweit entgegen, als das in Deutschland belegene, unbewegliche Vermögen betroffen ist.
aa) Das am 19.12.1996 errichtete gemeinschaftliche Testament ist nach Art. 83 Abs. 3 auch unter Geltung der
EuErbVO zulässig und formell sowie materiell wirksam.
Für Zulässigkeit und Wirksamkeit des Testaments ist die objektive Anknüpfung des Errichtungsstatuts
maßgeblich. Eine über die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO fortwirkende, wirksame und
kollisionsrechtliche bindende (MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art. 22 Rn. 31) Wahl des auf
Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments anwendbaren
Rechts nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO liegt nicht vor. Denn sowohl der Erblasser als auch seine vorverstorbene
Ehefrau waren zu Lebzeiten österreichische Staatsangehörige, sodass das deutsche Recht nicht nach Art. 22
als wählbar zur Verfügung stand.
Die Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments ergibt sich aus Art. 83 Abs. 3 Var. 1 iVm Art. 25 Abs. 2
EuErbVO. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 25 EuErbVO ist, dass das gemeinschaftliche Testament
ein Erbvertrag im unionsrechtlichen Sinne des Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO darstellt. Hiernach ist ein Erbvertrag
eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne
Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser
Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Jedenfalls das gemeinschaftliche Testament
nach deutschem Recht, das wechselbezügliche Verfügungen enthält (§ 2270 BGB), ist ein Erbvertrag im Sinne
des autonom zu bestimmenden Begriffs der EuErbVO (GKKW IntErbR/Köhler, 3. Auflage 2020, § 4 Rn. 75;
MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art. 3 Rn. 11 mit umfangreichen Nachweisen auch zur Gegenansicht in
Fn. 23). Nach der Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Testaments intendierten der Erblasser und dessen
vorverstorbene Ehefrau eine bindende Ausgestaltung der Verfügungen (s. Ziffer II.4. und III. des Testaments).
Damit liegt ein Erbvertrag im Sinne der EuErbVO vor. Das gemeinschaftliche Testament betrifft mit der
Erblasserin und ihrem Ehemann den Nachlass mehrerer Personen, sodass sich das auf die Zulässigkeit des
gemeinschaftlichen Testaments anwendbare Recht nach Art. 25 Abs. 2 UAbs. 1 EuErbVO richtet. Danach ist das
gemeinschaftliche Testament zulässig, wenn es nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach der EuErbVO auf
die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wären, wenn sie zu dem Zeitpunkt
verstorben wären, in dem sie das gemeinschaftliche Testament errichtet hätten. Das wäre nach Art. 21 Abs. 1
EuErbVO für beide Ehegatten das deutsche Recht. Nach deutschem Recht ist eine Vereinbarung über Rechte
am eigenen künftigen Nachlass zulässig. Mit wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen
Testamenten (§§ 2270, 2271 BGB) und vertragsmäßigen Verfügungen im Erbvertrag (
das deutsche Recht die Möglichkeit, bindende Verfügungen von Todes wegen zu treffen.
Das gemeinschaftliche Testament ist ferner formell und materiell wirksam. Die formelle Wirksamkeit richtet sich
nach dem zeitlich anwendbaren (Art. 8, 15 HTestformÜ) Haager Testamentsformübereinkommen, das sachlich
auch auf die Form von Verfügungen von Todes wegen Anwendung findet, die zwei Personen in einer Urkunde
errichtet haben (Art. 4 HTestformÜ). Nach Art. 1 Abs. 1 a) HTestformÜ ist das Testament formwirksam, weil es
dem deutschen Recht des Errichtungsstaates entspricht. Auch ein gemeinschaftliches Testament kann in Form
eines öffentlichen Testaments zur Niederschrift eines Notars (§§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB) errichtet werden.
Das gemeinschaftliche Testament ist nach Art. 83 Abs. 3 Var. 1 iVm Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 EuErbVO auch
materiell wirksam, da es die materiellen Anforderungen des deutschen Erbrechts an ein gemeinschaftliches
Ehegattentestament erfüllt.
bb) Die Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament stehen der Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten … vom
05.06.2015 nur insoweit entgegen, als das in Deutschland belegene Immobiliarvermögen betroffen ist. Denn nur
insoweit haben sie Bindungswirkung.
(1) Auf die Bindungswirkung der Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament vom 19.12.1996 findet
deutsches Recht nur Anwendung, soweit das im Inland belegene, unbewegliche Vermögen betroffen ist, im
Übrigen aber österreichisches Recht.
Welches Recht auf die Bindungswirkung der ursprünglichen Verfügung Anwendung findet, bestimmt sich hier
nach dem ehemaligen, autonomen Internationalen Privatrecht. Zwar wird vertreten, dass
auf die Bindungswirkung von Erbverträgen im unionsrechtlichen Sinne jedenfalls analog Anwendung findet,
sodass Verfügungen von Todes wegen in gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen im deutschen
Verständnis, die vor dem Stichtag des Art. 83 Abs. 1 EuErbVO errichtet worden sind, dann bindend wirken, wenn
ihnen nach dem von Art. 25 Abs. 2 UAbs. 3 EuErbVO berufenen Recht Bindungswirkung zukommt (BeckOGK/J.
Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 83 Rn. 18). Begründet wird dies mit dem Vergleich von Art. 25 Abs. 2 UAbs. 3
und
der Ratio der Norm.
Überzeugender ist es hingegen,
MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art. 83 Rn. 17; Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 83
Rn. 31; NK-BGB/Magnus, 3. Auflage 2019 Art. 83 Rn. 34). Dafür spricht schon der eindeutige Wortlaut der
Vorschrift. Während die EuErbVO in Art. 25 Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung dezidiert
aufzählt, ist in
Dieser Vergleich spricht dagegen, dass der europäische Gesetzgeber die Bindungswirkung aus der
Übergangsvorschrift planwidrig ausgeschlossen hat. Auch ein teleologischer Vergleich von Zulässigkeit und
Wirksamkeit auf der einen, Bindungswirkung auf der anderen Seite zeigt, dass eine Anwendung des Art. 83 Abs.
3 EuErbVO auf die Bindungswirkung aus Gründen der Interessengerechtigkeit nicht zwingend ist. Der durch Art.
83 Abs. 3 EuErbVO vermittelte Vertrauensschutz dient allein dem Erblasser, dessen Vertrauen auf die
Zulässigkeit und Wirksamkeit einer einmal errichteten Verfügung von Todes wegen der europäische
Gesetzgeber durch das Günstigkeitsprinzip der Übergangsvorschrift wahren will (NK-BGB/Magnus, 3. Auflage
2019 Art. 83 Rn. 34). Eine Bindungswirkung von Verfügungen von Todes wegen bezweckt hingegen den Schutz
der Erberwartung anderer Personen (Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 83 Rn. 31). In dem
Umstand, dass die EuErbVO für die Bindungswirkung keine abweichende Sonderregel von der grundsätzlichen
Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 1 EuErbVO geschaffen hat, zeigt sich, dass das europäische Erbrecht
dieser Erberwartung keinen besonderen kollisionsrechtlichen Schutz zubilligt. Somit bleibt es für die
Bindungswirkung bei dem intertemporalen Grundsatz des Art. 83 Abs. 1 EuErbVO.
Ob die Anwendung des Art. 83 Abs. 1 EuErbVO auf die Bindungswirkung nun zur Folge hat, dass die
Bindungswirkung einer vor dem Inkrafttreten der EuErbVO errichteten Verfügung von Todes wegen nach dem
17.08.2015 verbunden mit entsprechender Inkaufnahme eines etwaigen Statutenwechsels nach dem
Kollisionsrecht des 3. Kapitels der Verordnung zu bewerten ist (so MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art.
83 Rn. 17; Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 83 Rn. 32; NK-BGB/Magnus, 3. Auflage 2019 Art.
83 Rn. 35), oder aber für die Bindungswirkung der Verfügung stets das zum Zeitpunkt der Errichtung geltende
Kollisionsrecht maßgeblich ist (So Palandt/Thorn, 79. Auflage 2020, EuErbVO Art. 83 Rn. 6), kann hier
dahinstehen. Denn für die Bewertung, ob einer vor dem Inkrafttreten der EuErbVO errichteten Verfügung von
Todes wegen die Bindungswirkung einer früheren Verfügung entgegensteht, steht allein das vor dem Stichtag
des Art. 83 Abs. 1 EuErbVO geltende autonome Kollisionsrecht zur Verfügung (vgl. MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl.
2018, EuErbVO Art. 83 Rn. 17).
Gemäß dem somit anwendbaren Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB aF bestimmt das deutsche Recht die
Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments hinsichtlich des im Inland belegenen
Immobiliarvermögens, das österreichische Recht hinsichtlich des übrigen Nachlasses. Hiernach unterliegt die
Bindungswirkung der Verfügung von Todes wegen vom 19.12.1996 nämlich dem Recht, das im Zeitpunkt der
Verfügung auf die Rechtsnachfolge anzuwenden wäre. Das hypothetische Erbstatut ist hier unter
Berücksichtigung der in der Verfügung enthaltenen Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB aF
(Staudinger/Dörner (2007) EGBGB Art. 26 Rn. 80) deutsches Recht, soweit das im Inland belegene,
unbewegliche Vermögen betroffen ist, und im Übrigen nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB aF das österreichische Recht,
da zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments beide Ehegatten österreichische
Staatsangehörige waren. Das ehemalige österreichische Kollisionsrecht nimmt die Verweisung an (Art. 4 Abs. 1
S. 1 EGBGB, § 28 Abs. 1 östIPRG aF). Der spätere wirksame Widerruf der Wahl deutschen Rechts für das im
Inland belegene, unbewegliche Vermögen durch die Rechtswahl im Testament vom 05.06.2015 berührt diese der
Nachlassspaltung des Art. 25 Abs. 2 EGBGB aF entsprechende geteilte Verweisung wegen der Unwandelbarkeit
der Anknüpfung in Art. 26 Abs. 5 EGBGB nicht (Staudinger/Dörner (2007) EGBGB Art. 26 Rn. 81, Art. 25 Rn.
553).
(2) Hinsichtlich des im Inland belegenen Immobiliarvermögens kommt der Schlusserbeneinsetzung der
Beteiligten … im Testament vom 19.12.1996 gemäß § 2271 Abs. 1 und 2 BGB Bindungswirkung zu. Die
Alleinerbeneinsetzung der Ehefrau des Erblassers durch den Erblasser, die Einsetzung des Erblassers durch
seine Ehefrau als befreiten Vorerben sowie die Nach- und Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten … stehen
nämlich ausweislich der Anordnung in Ziffer II.4. und des Belehrungsvermerks in Ziffer III. des Testaments in
dem in
Testament vom 05.06.2015 die Erbenstellung der Beteiligten … beeinträchtigt, ist sie nach § 2289 Abs. 1 S. 2
BGB, der entsprechend auch auf wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten
Anwendung findet, unwirksam.
(3) Nach österreichischem Recht also soweit nicht das im Inland belegene, unbewegliche Vermögen betroffen
ist, entfaltet das gemeinschaftliche Testament vom 19.12.1996 keine der Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten
… entgegenstehende Bindungswirkung.
Hierbei ist dem Amtsgericht noch beizupflichten, dass Verfügungen von Todes wegen in wechselseitigen
Testamenten nach österreichischem Recht keine Bindungswirkung entfalten. Nach dem auf Testamente, die vor
dem 1. Januar 2017 errichtet worden sind (§ 1503 Abs. 7 Nr. 5 ABGB), anwendbaren § 1248 S. 2 ABGB aF, der
inhaltlich § 586 Abs. 2 S. 2 ABGB entspricht, sind gemeinschaftliche Testamente nämlich widerruflich. Jeder
Ehegatte kann seine Verfügung vor wie nach dem Tod (OGH 4.11.1997, 10 Ob 388/97z; Jesser-Huß in
Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar V, 4. Auflage 2014, § 1248 Rz 4) des Erstversterbenden ohne
dessen Kenntnis oder gar Einverständnis widerrufen (OGH 18.11.1964, 7 Ob 263/64; OGH 18.12.2009, 6 Ob
167/09s; Fischer-Czermak in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge, 2. Auflage 2018,
§ 20 Rz 103; Apathy/Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB Kurzkommentar, 5. Auflage 2017, § 587
Rz 3; Jesser-Huß in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar V, 4. Auflage 2014, § 1248 Rz 4; Weiß/Likar-
Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, S. 178; Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, 2. Auflage 1983, S. 51). Das gilt
unverändert auch im Fall von wechselbezüglichen Verfügungen, die in gleichem Maße, aber mit der besonderen
Folge frei widerruflich sind, dass mit dem Widerruf auch die Verfügungen des (auch vorverstorbenen) anderen
Ehegatten ex tunc unwirksam werden (Fischer-Czermak in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und
Vermögensnachfolge, 2. Auflage 2018, § 20 Rz 103; Weiß/Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, S. 178;
Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, 2. Auflage 1983, S. 51). Darüber hinaus ist es nach österreichischem Recht
den Ehegatten auch verwehrt, in einem wechselbezüglichen Testament im Rahmen ihrer Testierfreiheit eine
Bindung herzustellen, wie sich aus den §§ 552 und 716 ABGB aF ergibt (OGH 26.01.1982, 5 Ob 785/81;
Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, 2. Auflage 1983, S. 44; Apathy/Musger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger,
ABGB Kurzkommentar, 5. Auflage 2017, § 716 Rz. 1; Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar III,
4. Auflage 2013, § 716 Rz 1; Welser in Rummel/Lukas, ABGB, 4. Auflage 2014, Vor § 713 Rz. 1; Weiß/Likar-
Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, S. 188).
Zweifelhaft ist jedoch, ob das Testament vom 19.12.1996 als wechselseitiges Testament im Sinne des § 1248
ABGB aF einzuordnen ist. Es liegt die Situation eines Handelns unter falschem Recht (BeckOK BGB/Lorenz, 53.
Ed. 1.2.2020, EGBGB Art. 25 Rn. 18) vor. Die Ehegatten gingen nämlich angesichts der unwirksamen
Rechtswahl und der Verfügungen im Testament erkennbar davon aus, dass sie das Testament nach deutschem
Recht errichteten, obwohl österreichisches Recht Anwendung fand, soweit nicht das in Deutschland belegene
Immobiliarvermögen betroffen ist. Dies ist bei der Auslegung des Testaments zu berücksichtigen (BGH NJW
2006, 948). Damit kann aus der Überschrift des Testaments nicht gefolgert werden, dass ein wechselseitiges
Testament im Sinne des österreichischen Erbrechts vorliegt. Vielmehr spricht der in dem Hinweis auf die
Bindungswirkungen (Ziffer III.) und der Ausschluss einer „Anfechtung des Testaments“ (Ziffer IV.) zum Ausdruck
gebrachte Wille der Ehegatten dafür, dass diejenige Gestaltungsform der Rechtsnachfolge von Todes wegen
gewählt worden ist, die eine möglichst starke Bindungswirkung entfaltet. Dies ist nach österreichischem Recht
jedoch der Erbvertrag nach den §§ 1249 ff. ABGB.
Diese Einordnung ändert jedoch nichts an dem Ergebnis, dass das Testament vom 19.12.1996 nach
österreichischem Recht keine der Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten … entgegenstehende Bindungswirkung
entfaltet. Unabhängig von der Frage, ob das Testament vom 19.12.1996 einen wirksamen Erbvertrag im Sinne
der §§ 1249 ABGB ff. darstellt, ob insbesondere die erforderliche Form eines Notariatsaktes (§ 1 Abs. 1 lit. a)
NotAktsG) durch die Errichtung vor einem deutschen Notar substituiert werden konnte, geht auch von einem
österreichischen Erbvertrag keine Bindungswirkung zugunsten Dritter über den Tod des erstversterbenden
Ehegatten hinaus aus. Die Bindungswirkung der erbvertraglichen Verfügungen sind nämlich nach
österreichischem Recht neben der gegenständlichen Beschränkung auf drei Viertel des Nachlasses (§ 1253
ABGB) in weiterer, zweifacher Weise beschränkt. Einerseits können in österreichischen Erbverträgen bindende
Verfügungen nur zugunsten des Ehegatten getroffen werden, während die Erbeinsetzung Dritter in frei
widerrufliche testamentarische Verfügungen umzudeuten sind (St. Rspr.: Rechtssatznummer RS0017047
(„Erbverträge zugunsten Dritter sind dem österreichischen Recht fremd.“), u.a.: OGH 13.02.1958, 3 Ob 34/58;
OGH 18.01.1972, 4 Ob 653/71; OGH 12.09.1985, 7 Ob 692/84; OGH 15.05.2014, 6 Ob 168/13v; und
Rechtssatznummer RS0017048 („Verfügungen auf den Todesfall in einem Erbvertrag zugunsten Dritter sind frei
widerruflich.“), u.a.: OGH 22.11.1950, 2 Ob 237/50; OGH 30.08.1967, 1 Ob 121/67; OGH 20.01.1971, 6 Ob
326/70; OGH 12.09.1985, 7 Ob 692/84; zustimmend Jesser-Huß in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar
V, 4. Auflage 2014, § 1249 Rz 8; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB Kurzkommentar, 5. Auflage 2017,
§ 1249 Rz. 5; M. Bydlinski in Rummel/Lukas, ABGB, 4. Auflage 2019, § 1249 Rz 3; Fischer-Czermak in
Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge, 2. Auflage 2018, § 20 Rz 64; aA
Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, 2. Auflage 1983, S. 47). Andererseits endet die Unwiderruflichkeit der
Verfügungen mit dem Tod des Vertragserben, bei einer gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten also mit dem
Tod des Erstversterbenden (OGH 22.12.1961, 5 Ob 420/61; Jesser-Huß in Schwimann/Kodek, ABGB
Praxiskommentar V, 4. Auflage 2014, § 1252 Rz 1; M. Bydlinski in Rummel/Lukas, ABGB, 4. Auflage 2019, §
1253 Rz 2; Fischer-Czermak in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge, 2. Auflage
2018, § 20 Rz 70, 83; Fritsch in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, S. 257; Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, 2.
Auflage 1983, S. 49 (freilich mit Ausnahme bei Verfügungen zugunsten Dritter, die nach seiner Ansicht entgegen
der hM in bindender Form zulässig sein soll)).
Somit ist dem österreichischen Recht in der vorliegenden Konstellation, in der die Ehegatten sich gegenseitig als
Allein- (bzw. Vor-) und Dritte als Schluss- (bzw. Nach) erben eingesetzt haben, eine Bindungswirkung der
Verfügungen zugunsten Dritter insbesondere über den Tod des Erstversterbenden hinaus fremd. Nach
österreichischem Recht entfaltet das Testament vom 19.12.1996 keine Bindungswirkung, die dem Erblasser
daran hindern hätte können, die Erbeinsetzung der Beteiligten … durch spätere einzeltestamentarische
Verfügung zu ersetzen.
III.
Die Beschwerdeführerin trägt gemäß § 22 GNotKG die Gerichtskosten ihrer erfolglosen
Beschwerde. Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat gemäß
486.872,64 festgesetzt.
IV.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG zuzulassen. Ob
die Bindungswirkung eines Erbvertrages im unionsrechtlichen Sinn anzuwenden ist, ist in der Lehre umstritten
und bisher nicht Gegenstand obergerichtlicher Rechtsprechung. Diese Frage hat über den hier entschiedenen
Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung, weil sie in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann und
deshalb ein abstraktes Interesse an der einheitlichen Behandlung durch die Rechtsprechung besteht. Diese
Frage ist außerdem entscheidungserheblich. Würde nämlich
Bindungswirkung Anwendung finden, wäre auf die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom
19.12.1996 nach Art. 25 Abs. 2 iVm Art. 21 Abs. 1 EuErbVO rückwirkend deutsches Recht anwendbar mit der
Folge, dass die Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten … nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB vollumfänglich unwirksam
wäre.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:18.08.2020
Aktenzeichen:31 Wx 269/18
Rechtsgebiete:
Erbvertrag
Gemeinschaftliches Testament
Stiftung
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Kostenrecht
Deutsches IPR (EGBGB)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform
EuErbVO Art. 83 Abs. 3; BGB §§ 2079, 2113, 2231 Nr. 1, 2232, 2270 Abs. 1