BGH 16. Mai 2019
IX ZR 44/18
InsO §§ 51 Nr. 2 u. 3, 103, 180; BGB §§ 273, 637 Abs. 3, 640 Abs. 1

Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters

letzte Aktualisierung: 9.8.2019
BGH, Urt. v. 16.5.2019 – IX ZR 44/18

InsO §§ 51 Nr. 2 u. 3, 103, 180; BGB §§ 273, 637 Abs. 3, 640 Abs. 1
Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters

a) Der Insolvenzverwalter kann nur dann die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages verlangen oder
die Erfüllung ablehnen, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung im Synallagma stehende
Hauptleistungspflichten ganz oder teilweise ausstanden.

b) Dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers steht kein Recht
zur Erfüllungswahl oder Ablehnung der Erfüllung zu, wenn der Besteller den Werklohn vor der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig gezahlt hatte und nur die Abnahme der vom
Unternehmer verweigerten Mängelbeseitigungsarbeiten ausstand.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung war die Berufung nicht
unzulässig mit der Folge, dass es an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren
vor dem Revisionsgericht fehlte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000
- VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226 unter II.; Beschluss vom 23. Oktober 2003
- IX ZB 369/02, WM 2004, 198; jeweils mwN).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein
Rechtsmittel allerdings nur dann zulässig, wenn mit ihm die Beseitigung einer in
der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer erstrebt wird. Das
Rechtsmittel darf nicht allein mit dem Ziel einer Antragsänderung oder Antragserweiterung
eingelegt werden (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014
- IX ZB 77/13, ZInsO 2015, 421 Rn. 6 mwN).

2. So liegt der Fall hier indes nicht.

a) Die Revisionserwiderung verkennt bereits, dass das Landgericht die
Klage nicht wegen einer fehlenden Übereinstimmung zwischen der Anmeldung
der Forderungen zur Tabelle aus eigenem Recht und der Klage als Prozessstandschafterin
der Bank abgewiesen hat. Die Anmeldung zur Tabelle ist eine
Sachurteilsvoraussetzung für das Urteil über eine Feststellungsklage nach
§ 180 InsO. Fehlt sie, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. etwa BGH,
Urteil vom 3. Juli 2014 - IX ZR 261/12, WM 2014, 1487 Rn. 10 mwN). Die Klage
ist hier nicht wegen fehlender Anmeldung der geltend gemachten Forderungen
zur Tabelle als unzulässig abgewiesen worden, sondern wegen fehlender Aktivlegitimation
der Klägerin als unbegründet.

b) Ein Urteil erwächst auch insoweit in Rechtskraft, als es entgegen

§ 308 Abs. 1 ZPO über einen Anspruch entscheidet, den die klagende Partei
nicht geltend gemacht hatte (BGH, Urteil vom 27. Februar 1961 - III ZR 16/60,
BGHZ 34, 337, 339 f; vom 28. Mai 1998 - I ZR 275/95, NJW 1999, 287, 288).
Die Parteien müssen sich gegen ein solches Urteil durch Einlegung des zulässigen
Rechtsmittels wehren, soweit es sie beschwert. Die Klägerin hat sich mit
ihrer Berufung gegen die Aberkennung eigener Ansprüche aus dem Generalübernehmervertrag
gewandt. Dass sie sich insoweit auch auf eine Rückabtre-
tung der Forderungen bezogen hat, die erst nach Erlass des erstinstanzlichen
Urteils vereinbart worden ist, ist für die Frage der Zulässigkeit der Berufung
nicht von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin sich gegen
die Aberkennung von Forderungen aus eigenem Recht gewandt und damit die
Beseitigung der im erstinstanzlichen Urteil liegenden Beschwer erbeten hat.

II.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Klägerin sei aufgrund der Rückabtretung aktivlegitimiert. Die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens habe nicht zu einer Umgestaltung des Werkvertrages
und nicht zum Erlöschen der Nacherfüllungsansprüche geführt. Die Ansprüche
der Klägerin seien aber nicht mehr durchsetzbar, nachdem der Beklagte
die Erfüllung etwaiger Verpflichtungen der Schuldnerin aus dem Generalübernehmervertrag
abgelehnt habe. Die Voraussetzungen des § 103 InsO seien
erfüllt. Der Vertrag sei nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin von keiner
Seite vollständig erfüllt worden. Die Schuldnerin habe die nach Darstellung der
Klägerin vorhandenen Mängel unstreitig nicht beseitigt. Die Klägerin habe diese
Nachbesserungsarbeiten folglich bisher auch nicht abgenommen.

III.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalts
lagen die tatsächlichen Voraussetzungen eines Wahlrechts gemäß § 103 InsO
im maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vor.

1. Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt,
so kann der Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs. 1 InsO den Vertrag erfüllen
und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen. Lehnt der Verwalter die Erfüllung
ab, so kann der andere Teil gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Forderung
wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Der Generalübernehmervertrag
stellt einen gegenseitigen Vertrag im Sinne des § 103
InsO dar. In ihm hat sich die Schuldnerin zur schlüsselfertigen Planung und
Herstellung der Pflegeeinrichtung verpflichtet, die Klägerin zur Zahlung der vereinbarten
Vergütung. Ein Werkvertrag über Bauleistungen ist ein gegenseitiger
Vertrag im Sinne von § 103 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2002 - IX ZR
313/99, BGHZ 150, 353, 358 zu § 9 GesO; vom 19. November 2015 - IX ZR
198/14, WM 2016, 90 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Huber, 3. Aufl., § 103 Rn. 67;
Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 103 Rn. 27).

2. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30. April 2012
hatte die Schuldnerin ihre Pflichten aus dem Generalübernehmervertrag noch
nicht vollständig erfüllt. Die Pflegeeinrichtung war errichtet und von der Klägerin
im Grundsatz abgenommen worden. Nach dem vom Berufungsgericht als richtig
unterstellten Vortrag der Klägerin wies die Werkleistung der Schuldnerin jedoch
Mängel auf. Eine vollständige Erfüllung im insolvenzrechtlichen Sinne liegt
jedenfalls dann nicht vor, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung noch beseitigungsfähige
Mängel bestanden (BGH, Urteil vom 19. November 2016 - IX ZR 198/14,
aaO Rn. 17; Jaeger/Jacoby, InsO, § 103 Rn. 128; K.Schmidt/Ringstmeier, InsO,
19. Aufl., § 103 Rn. 17; Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 103 Rn. 63).

3. Die Klägerin hatte ihre aus dem Bauträgervertrag folgenden Pflichten
hingegen im Sinne von § 103 InsO vollständig erfüllt. Sie hatte nach dem vom
Berufungsgericht angenommenen und daher revisionsrechtlich zu unterstellenden
Sachverhalt die im Generalübernehmervertrag vereinbarte Vergütung nach
Maßgabe der Vereinbarung vom 27. Juni 2008 vollständig erbracht. Die allein
noch ausstehende Abnahme der bisher nicht erbrachten, von der Schuldnerin
ebenso wie vom Beklagten verweigerten Nachbesserungsarbeiten betreffend
die Kellerfeuchte eröffnet nicht den Anwendungsbereich des § 103 InsO.
a) Ihrem Wortlaut nach knüpft die Vorschrift des § 103 InsO nur an die
nicht vollständige Erfüllung der vertraglichen Pflichten der einen und der anderen
Vertragspartei an, ohne nach deren Art und Umfang zu unterscheiden.
Gleiches galt für die Vorgängervorschriften des § 17 KO, des § 36 VerglO und
des § 9 GesO. Der Bundesgerichtshof hat den Anwendungsbereich der genannten
Bestimmungen folgerichtig schon beim Ausbleiben einer nicht völlig
unbedeutenden Nebenleistung für eröffnet gehalten (BGH, Urteil vom 17. März
1972 - V ZR 53/70, BGHZ 58, 246, 249; vgl. auch BGH, Urteil vom
15. Dezember 2016 - IX ZR 117/16, WM 2017, 55 Rn. 15 mwN).

b) In der Fachliteratur hat diese Rechtsprechung teilweise Zustimmung
erfahren (MünchKomm-InsO/Huber, 3. Aufl., § 103 Rn. 123; HK-InsO/Marotzke,
9. Aufl., § 103 Rn. 70; Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO,
3. Aufl., § 103 Rn. 17). Teilweise wird aber auch vertreten, dass nur selbständige
Nebenpflichten die Anwendbarkeit des § 103 InsO rechtfertigten, Pflichten
also, die einen klagbaren Anspruch gewähren und dem Leistungsinteresse dienen
(Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 103 Rn. 58; Schmidt/Ringstmeier,
InsO, 19. Aufl., § 103 Rn. 18). Nach wieder anderer Ansicht ist ein gegenseitiger
Vertrag nur dann im Sinne von § 103 InsO beiderseits nicht erfüllt, wenn es
sich bei den im Zeitpunkt der Eröffnung noch ausstehenden Leistungen um im
Synallagma stehende Hauptleistungspflichten handelt (Jaeger/Jacoby, InsO,
§ 103 Rn. 111 unter Hinweis auf die Senatsurteile vom 10. Juli 2003 - IX ZR
119/02, BGHZ 155, 371, 374, und vom 22. Januar 2009 - IX ZR 66/07, WM
2009, 471 Rn. 15). Die Vorschrift des § 103 InsO regele die Fortgeltung des
Synallagmas in der Insolvenz; deshalb müssten bei Insolvenzeröffnung auch
noch in diesem Verhältnis stehende Ansprüche bestehen.

c) Die besseren Gründe sprechen für die Richtigkeit der letztgenannten
Ansicht.

aa) Das Urteil des V. Zivilsenats vom 17. März 1972 betraf einen besonders
gelagerten Einzelfall, der sich seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung
nicht mehr wiederholen kann. Der Kläger hatte vom Beklagten ein Grundstück
gekauft und den Kaufpreis vollständig errichtet. Danach wurde das Vergleichsverfahren
über das Vermögen des beklagten Verkäufers eröffnet, welches mit
einem gerichtlich bestätigten Liquidationsvergleich endete. Unter den Voraussetzungen
des § 36 VerglO, welche der V. Zivilsenat wegen der fehlenden Abnahme
des Kaufgegenstandes als gegeben erachtet hat, gehörte der Kläger
nicht zum Kreis der Vergleichsgläubiger und konnte folglich die Übereignung
des bereits bezahlten Grundstücks verlangen. Nach damaliger Ansicht des V.
Zivilsenats entsprach diese Lösung nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, sondern
auch dem Sinn und Zweck der insoweit übereinstimmenden Regelung in
§ 36 VerglO und § 17 KO, welcher dahin gehe, bei gegenseitigen Verträgen in
erster Linie und möglichst lange den Vertragspartner des Vergleichs- oder Gemeinschuldners
zu schützen (BGH, Urteil vom 17. März 1972, aaO S. 249).

bb) Nach heutigem Verständnis der Vorschrift des § 103 InsO dient das
Wahlrecht des Insolvenzverwalters nicht nur und nicht einmal in erster Linie
dem Schutz des Vertragspartners des Insolvenzschuldners. Die Vorschrift dient
dazu, dem Vertragspartner des Insolvenzschuldners den durch das funktionelle
Synallagma vermittelten Schutz zu erhalten, soll es aber vor allem dem Verwalter
ermöglichen, den Vertrag zum Vorteil der Masse und damit im Interesse der
Gläubigergesamtheit auszuführen (BGH, Urteil vom 7. März 2002 - IX ZR
457/99, BGHZ 150, 138, 148; vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 165/02, WM 2003,
2429, 2431; vom 14. September 2017 - IX ZR 261/15, BGHZ 216, 10 Rn. 19
mwN; vgl. MünchKomm-InsO/Kreft, 3. Aufl., § 103 Rn. 11 ff). Der im Urteil vom
17. März 1972 beabsichtigte Schutz des Vertragspartners war überdies auf den
entschiedenen Einzelfall beschränkt, in welchem der Käufer den Kaufpreis bezahlt
hatte, das Vergleichsverfahren über das Vermögen des Verkäufers eröffnet
worden war und der Vergleichsschuldner von seinem Wahlrecht aus § 50
Abs. 1 Satz 2
VerglO keinen Gebrauch gemacht hatte.

Hat der Käufer im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens den
Kaufpreis vollständig entrichtet und steht nur noch die Abnahme der Kaufsache
aus, wird der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Käufers
dann, wenn ihm ein Wahlrecht zusteht, die Erfüllung des Vertrages wählen,
während der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers
die Erfüllung ablehnen wird. Steht dem Verwalter kein Wahlrecht zu, ist der
Anspruch des Käufers auf Übereignung der Kaufsache in der Verkäuferinsolvenz
nur eine Insolvenzforderung, während der Verwalter im Insolvenzverfahren
über das Vermögen des Käufers diesen Anspruch durchsetzen wird. Die
Einbeziehung der vertraglichen Nebenleistungen in den Begriff der vollständigen
Erfüllung im Sinne von § 103 InsO führt damit nicht - jedenfalls dann nicht,
wenn es um die Abnahme einer Kaufsache geht - zu einem erweiterten Schutz
der Masse oder der anderen Vertragspartei. Gleiches gilt für den hier gegebenen
Fall der fehlenden Abnahme einer (verweigerten) Nachbesserung nach
vollständiger Zahlung des Werklohns. In der Insolvenz des Unternehmers lehnt
der Verwalter dann, wenn ein Wahlrecht besteht, die weitere Erfüllung des
Werkvertrages ab; besteht kein Wahlrecht, stellt der Anspruch auf Nachbesserung
nur eine Insolvenzforderung dar. In der Insolvenz des Bestellers wird der
Verwalter dann, wenn ein Wahlrecht besteht, die Erfüllung des Werkvertrages
und damit des Anspruchs auf Nachbesserung wählen; besteht kein Wahlrecht,
kann der Verwalter den Anspruch auf Nachbesserung unmittelbar durchsetzen.
cc) Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters besteht nur bei gegenseitigen
Verträgen und knüpft an die beiderseitigen Pflichten aus derartigen Verträgen
an. Es ist dazu geschaffen worden, um dem Verwalter die Durchführung
günstiger Verträge zu ermöglichen, zugleich aber dem Vertragspartner den
Schutz der §§ 320 ff BGB zu erhalten. Der Anwendungsbereich des § 103 InsO
kann daher nur dann eröffnet sein, wenn auf beiden Seiten synallagmatische
Pflichten noch nicht vollständig erfüllt sind. Neben- und Nebenleistungspflichten,
die mit den Vertragspflichten der anderen Vertragspartei nicht synallagmatisch
verbunden sind, reichen nicht.

(1) Dies zeigt bereits die Entstehungsgeschichte des § 103 InsO. Die
Vorschrift des § 103 InsO ist derjenigen des § 17 KO nachgebildet worden (BTDrucks.
12/2443, S. 145 zu § 117 InsO-E). Die Materialien zu § 15 KO, der
Vorgängervorschrift des § 17 KO und des § 103 InsO, stammen aus der Zeit
vor der Entstehung und dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs und
bedienen sich daher einer anderen Sprache als dieses. Sie kennen den Begriff
des funktionellen Synallagmas nicht und unterscheiden auch nicht nach Haupt-
und Nebenpflichten als Voraussetzung des Wahlrechts des Konkursverwalters.

Erkennbar stellten jedoch die Leistungspflichten beider Vertragsparteien die
Voraussetzung eines Wahlrechts des Verwalters dar (Hahn, Die gesamten Materialien
zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 4, Neudruck 1983, S. 86 f, und
88):

"Von einem solchen Wahlrecht kann nur die Rede sein, wenn sich aus
dem zweiseitigen Vertrage Recht und Pflicht des Gemeinschuldners noch
gleichzeitig gegenüberstehen, wenn also beide Theile noch nicht oder noch
nicht vollständig erfüllt haben. Sonst vereinfacht sich das Rechtsverhältnis nach
Art der einseitigen Verträge. Hatte der Gemeinschuldner seinerseits vor der
Konkurseröffnung schon vollständig erfüllt, so kann selbstverständlich der Verwalter
die allein rückständige Gegenleistung des Mitkontrahenten zur Konkursmasse
erfüllt verlangen."

Das Recht jeder Vertragspartei, die Leistung zu verweigern, wenn die
Gegenleistung nicht erbracht wird, sollte auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
bestehen bleiben (aaO S. 88):

"Verlangt der Verwalter die Erfüllung, so muss er natürlich seinerseits die
von dem Gemeinschuldner noch rückständige Leistung vollständig vornehmen.
In dieses, nach allen Rechtssystemen begründete Recht des Mitkontrahenten,
die von ihm geforderte Erfüllung seiner Leistungen abzulehnen, wenn ihm nicht
die Gegenleistung gewährt wird, soll selbstverständlich nicht eingegriffen werden.
Der Verwalter hat die Leistung gleich dem Gemeinschuldner zu bewirken."
(2) Die Verbindung von Leistung und Gegenleistung ist nunmehr in den
§§ 320 ff BGB geregelt. Ohne die Verpflichtung zur Leistung entsteht auch die
Verpflichtung zur Gegenleistung nicht. Wer aus einem gegenseitigen Vertrag
verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung
verweigern (§ 320 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis
stehenden Vertragspflichten begründen demgegenüber außerhalb
des Insolvenzverfahrens lediglich ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273
BGB. Im Insolvenzverfahren hat ein solches Zurückbehaltungsrecht - vom Ausnahmefall
des § 51 Nr. 2, 3 InsO abgesehen - keine Wirkung. Es stellt lediglich
ein Zwangsmittel zur Durchsetzung einer rein persönlichen Gegenforderung
dar, welches im Insolvenzverfahren nicht zugelassen ist (BGH, Urteil vom
7. März 2002 - IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138, 145; vom 13. Dezember 2012
- IX ZR 9/12, WM 2013, 138 Rn. 9; Jaeger/Jacoby, InsO, § 103 Rn. 111; vgl.
HK-InsO/Lohmann, 9. Aufl., § 51 Rn. 46). Dazu stünde es im Widerspruch,
wenn die Durchsetzung einer Masseforderung wegen einer nicht im Synallagma
stehenden Nebenleistungspflicht von der Erfüllungswahl und dem daraus folgenden
Zwang zur Erfüllung dieser Pflicht abhängig gemacht würde.

d) Die Pflicht zur Abnahme einer Mängelbeseitigungsleistung (§ 13 Nr. 5
Abs. 1 Satz 3 VOB/B) ist eine vertragliche Nebenpflicht, die mit den Hauptpflichten
des Unternehmers, insbesondere mit dessen Pflicht zur Herstellung eines
mangelfreien Werkes, nicht synallagmatisch verbunden ist.

aa) Das Gegenseitigkeitsverhältnis erstreckt sich bei gegenseitigen Verträgen
auf alle Hauptleistungspflichten und auf alle sonstigen vertraglichen
Pflichten, die nach dem Vertragszweck von wesentlicher Bedeutung sind. Entscheidend
für die Abgrenzung ist der durch Auslegung zu ermittelnde Wille der
Parteien (BGH, Urteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 217/06, juris Rn. 21; vom
9. Juni 2011 - III ZR 157/10, WM 2011, 1678 Rn. 30 mwN).

bb) Nach § 640 Abs. 1 BGB ist der Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig
hergestellte Werk abzunehmen. Aufgrund der erheblichen Bedeutung
der Abnahme im Werkvertragsrecht ist diese neben der Vergütungspflicht eine
Hauptpflicht des Bestellers (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - VII ZR 171/15,
BGHZ 210, 206 Rn. 45 mwN). Welche Folgerungen sich hieraus für § 103 InsO
ergeben, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Abnahme einer Mängelbeseitigungsleistung
gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B steht jedenfalls nicht im
Synallagma und begründet nicht die Anwendbarkeit des § 103 InsO. Die Abnahme
der Nachbesserungsarbeiten hat durchaus rechtliche Wirkungen. Nach
der genannten Bestimmung beginnt mit ihr für die Nachbesserungsleistung eine
Verjährungsfrist von zwei Jahren neu, die allerdings nicht vor Ablauf der Regelfristen
oder der an ihrer Stelle vereinbarten Frist endet. Ein Zusammenhang mit
dem Anspruch auf Werklohn besteht jedoch nicht. Das gilt insbesondere dann,
wenn die Vergütung voll bezahlt worden ist und der Besteller einen in § 13 Nr. 5
Abs. 2 VOB/B nicht ausdrücklich geregelten, aber auch nicht ausgeschlossenen
Vorschussanspruch geltend macht (vgl. hierzu etwa Leupertz/Halfmeier in Prütting/
Wegen/Weinreich, BGB, 10. Aufl., § 637 Rn. 13). Ob im Fall der Selbstvornahme
überhaupt eine Abnahme in Betracht kommt, bedarf hier keiner Entscheidung.

e) Einer Anfrage nach § 132 Abs. 3 GVG bedarf es nicht, weil der IX.
Zivilsenat nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs nunmehr
allein für Insolvenzsachen zuständig ist.

IV.
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zu weiteren Hinweisen besteht derzeit
kein Anlass.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

16.05.2019

Aktenzeichen:

IX ZR 44/18

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Insolvenzrecht
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW 2019, 2166-2169

Normen in Titel:

InsO §§ 51 Nr. 2 u. 3, 103, 180; BGB §§ 273, 637 Abs. 3, 640 Abs. 1