BGH 07. Februar 2002
V ZR 252/00
BGB §§ 1018, 133, 157BGB §§ 1018, 133, 157

Grunddienstbarkeit auf “eineinhalbgeschossige” Bauweise

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 10160
Erstelldatum: 05.04.2002
5zr252_00
BGH
V ZR 252/00
08.02.2002
BGB §§ 1018, 133, 157
Grunddienstbarkeit auf “eineinhalbgeschossige”
Bauweise

a) Eine Baubeschränkung auf "eineinhalbgeschossige"
Bauweise kann Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein.
b) Dem eingetragenen Inhalt einer Grunddienstbarkeit (hier: "eineinhalbgeschossige" Bauweise) kann nicht aufgrund von
Schlußfolgerungen aus der Lage der beteiligten Grundstücke ein
veränderter Inhalt (Verbot, den freien Blick auf die Landschaft
zu verbauen) beigemessen werden.
Tatbestand:
Die Kläger begehren von den Beklagten die teilweise Abtragung eines von diesen aufgestockten Gebäudes.
Die Parteien sind Nachbarn an der I. Straße in I. Die Kläger sind Eigentümer des Hausgrundstücks Nr. 16, die Beklagten des darunter befindlichen Hausgrundstücks Nr. 8. Im
Grundbuch ist zu Lasten des Grundstücks der Beklagten seit dem 26. Mai 1959 eine
Bebauungs- und Bepflanzungsbeschränkung eingetragen. Die Eintragung nimmt auf die
im Kaufvertrag vom 27. Juli 1957 von den Voreigentümern erteilte Bewilligung folgenden Wortlauts Bezug:
"Die Käufer verpflichten sich hiermit mit Wirkung gegen sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der heutigen Vertragsfläche zugunsten des jeweiligen
Eigentümers der Restfläche der (damaligen) Fl.Nr. 50 den Bewuchs auf der Vertragsfläche so zu halten und zu gestalten, daß er nicht höher als 3 m wird und
außerdem nur mit Bauwerken zu bebauen, die eineinhalbgeschossig sind."
Die Beklagten erwarben im Jahre 1992 das Grundstück und nahmen einen Umbau vor.
Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagten hätten das vormals eineinhalbgeschossige
Haus zweistöckig ausgebaut und ihnen den freien Blick auf die Landschaft verbaut. Sie
haben (in erster Linie) beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das Gebäude bis auf eine
Gesamthöhe von 5,50 m, gerechnet ab der Fußbodenoberfläche des Erdgeschosses ab

-2zutragen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug haben die
Kläger den erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt und hilfsweise beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das Gebäude so weit abzutragen, daß bei dem niedrigstmöglichen genehmigungsfähigen Dachneigungswinkel - unter größtmöglicher Erhaltung des
Ausblicks auf die Alpenkette und des Einblicks in das Isartal vom Erdgeschoß des Gebäudes der Kläger aus - höchstens die Hälfte der Geschoßfläche des Dachgeschosses
eine lichte Höhe von 2,20 m aufweist. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung
des weitergehenden Rechtsmittels die Beklagten verurteilt, das Gebäude bis auf eine
Höhe von 667,37 m ü.N.N. abzutragen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des
Urteils des Landgerichts anstreben. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des
Rechtsmittels und verfolgen mit der Anschlußrevision ihre zweitinstanzlichen Anträge
fort. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Anschlußrevision.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Begriff der "eineinhalbgeschossigen"
Bauweise sei hinreichend bestimmt. Der Ausbau des Obergeschosses auf dem Grundstück der Beklagten führe, wie sich aus den Berechnungen des beigezogenen Sachverständigen ergebe, zu einem zweiten Vollgeschoß. Das Gebäude sei auf 667,37 m ü.N.N.
abzutragen, denn nach dem Sinn und Zweck der Dienstbarkeit müsse die Firsthöhe des
eineinhalbgeschossigen Bauwerks noch einen durchgehenden Blick auf die Alpenkette
und in das Isartal zulassen. Hierbei sei auf den Blickwinkel einer im Wohnzimmer der
Kläger aufrechtstehenden Person weiblichen Geschlechts mit durchschnittlicher Größe
abzustellen, deren Augenhöhe das Berufungsgericht mit 1,60 m veranschlagt. Ihm sei,
wie das Berufungsgericht sachverständig beraten feststellt, bei der angegebenen Differenz zur Meereshöhe Rechnung getragen.
Dies hält den Angriffen von Revision und Anschlußrevision nicht stand.
II.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verpflichtet die Grunddienstbarkeit die
Beklagten als Eigentümer des belasteten Grundstücks lediglich, auf diesem kein Bauwerk zu errichten, das eine eineinhalbgeschossige Bauweise übersteigt. Es ist nach dem
Inhalt der Dienstbarkeit nicht geboten, eine bestimmte Firsthöhe des Hauses einzuhalten. Diese richtet sich danach, was die Vorschriften des Bauordnungsrechts für die nach
der Dienstbarkeit zulässige Bauweise erlauben. Die Kläger haben eine Bebauung, die
sich in diesem Rahmen hält, hinzunehmen, auch wenn ihnen hierdurch der Alpen- und
Isarblick eingeschränkt wird. Der in Frage kommende Zweck der Bebauungsbeschränkung ("Alpen- und Isarblick") ist nicht mit dem Inhalt der Grunddienstbarkeit gleichzusetzen.
1. Die im Grundbuch eingetragene Baubeschränkung ist zulässiger Gegenstand einer
Grunddienstbarkeit im Sinne von §§ 1018, 1019 BGB (vgl. nur MünchKommBGB/Falckenberg, 3. Auflage, § 1018, Rdn. 35 ff. m.w.N.). Zur Ermittlung des Inhalts
in Bezug genommenen (§ 874 BGB) Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich
für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen
ergibt. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen jedoch insoweit mit herangezogen
werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne
weiteres erkennbar sind (st. Senatsrspr., vgl. BGHZ 92, 351 (355); Urt. v. 3. Juli 1992,
V ZR 218/91, NJW 1992, 2885). Danach hat, wovon das Berufungsgericht zu Recht
ausgeht, der von den Bestellern der Dienstbarkeit verwendete Begriff der "eineinhalbgeschossigen" Bauweise einen objektiv bestimmbaren und damit hinreichend bestimmten (zutr. Staudinger/Ring, BGB, 1994, § 1018 Rdn. 76 m.w.N.) Sinn (vgl. OLG Hamm,
FGPrax 1996, 171; auch Erman-Küchenhoff/Grziwotz, BGB, 10. Aufl., § 1018 Rdn. 8).
Es genügt grundsätzlich, die Bebauung in Höhe und Länge oder durch Beschränkung
auf eine konkrete Art und Weise festzulegen (vgl. Falckenberg aaO, Rdn. 35; BGBRGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., § 1018 Rdn. 25; Staudinger/Ring, aaO, § 1018 Rdn. 51).
Das ist durch den Hinweis auf die Geschoßzahl geschehen. Die "Eineinhalbgeschossigkeit" ist zwar in den bayerischen Baugesetzen und -verordnungen nicht definiert. Allein
aus dem Fehlen einer solchen Definition kann aber nicht auf eine inhaltliche Unbestimmtheit geschlossen werden (vgl. OLG Hamm aaO, 172). Für einen unbefangenen
Betrachter ist aus der Eintragungsbewilligung ohne weiteres deren nächstliegende Bedeutung erkennbar, daß nämlich kein zweigeschossiges Gebäude errichtet werden darf.
Dies stimmt mit der vom Berufungsgericht eingeholten amtlichen Auskunft des Landratsamts Bad T.-W. überein, wonach der Ausdruck "eineinhalbgeschossiges Bauwerk"
für Gebäude Eingang gefunden hat, die nicht mehr eingeschossig, aber auch noch nicht
zweigeschossig sind, und inzwischen vielfach auch als "E + D-Gebäude" oder "Kniestockhaus" bezeichnet werden. Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe läßt sich die
Baugestaltung im übrigen nach den Vorschriften des Bauordnungsrechts festlegen. Daß
diese einer inhaltlichen Veränderung zugänglich sind, berührt ihre Eignung, den Inhalt
des dinglichen Rechts zu bestimmen, nicht. Die Befugnisse, die die Dienstbarkeit verleiht, oder die Beschränkungen, denen sie den Eigentümer des dienenden Grundstücks
unterwirft, sind nicht ein für allemal und unwandelbar festgelegt. Sie können vielmehr
einer Anpassung an technische, wirtschaftliche aber auch rechtliche Entwicklungen
unterliegen, solange die Art der Nutzung oder der Eigentumsbeschränkung unverändert
bleibt (Senat, Urt. v. 27. Januar 1960, V ZR 148/58, NJW 1960, 673; Urt. v.
25. Oktober 1991, V ZR 196/90, BGHR BGB § 1018, Ausübungsbeschränkung 1). In
diesem Rahmen bleiben Änderungen der rechtlichen Anforderungen an eine unter zwei
Vollgeschossen bleibende Bauweise. Bautechnisch sind ihnen zudem Grenzen gesetzt.
2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Zweck, den die Besteller seinerzeit mit der Grunddienstbarkeit verbunden haben mochten (oben vor 1), nicht geeignet,
der Bebaubarkeit des dienenden Grundstücks weitere Schranken zu setzen.
a) Selbst wenn die Beteiligten, was das Berufungsgericht nicht feststellt, den Zweck,
den Blick auf Alpen und Isartal freizuhalten, übereinstimmend zum Inhalt der Dienstbarkeit hätten machen wollen (dingliche Einigung), wäre eine Dienstbarkeit dieses Inhalts nicht entstanden. Er findet nämlich in der Grundbucheintragung auch unter Berücksichtigung der zu ihrer Auslegung heranzuziehenden Umstände (oben zu 1) keinen
Ausdruck. Ein von der Eintragung abweichender Wille muß aber unbeachtet bleiben,
weil sonst der Eintragung ihre eigenständige Bedeutung als rechtsbegründender Akt
(§ 873 BGB) entzogen würde (Senat, Urt. v. 27. Januar 1960, aaO). Zwar können die
herrschenden Grundstücks, Hinweise für die Auslegung des Eingetragenen geben. Dies
wird vor allem der Fall sein, soweit das Eingetragene der Deutung bedarf und die äußeren Umstände dem Text eindeutig und offenkundig zu einem bestimmten Inhalt verhelfen (Senatsurt. v. 3. Juli 1992, V ZR 218/91, NJW 1992, 2885 f). Nicht zulässig ist es
dagegen, dem eingetragenen Inhalt der Dienstbarkeit (hier: Baubeschränkung auf eineinhalbgeschossige Bauweise) aufgrund von Schlußfolgerungen, zu denen die Lage
der Grundstücke Anlaß gab, einen veränderten Inhalt (eineinhalbgeschossige Bauweise,
die zusätzlich den Blick auf Alpenkette und Isartal nicht verstellt) zu verschaffen.
b) Abgesehen davon würde eine Baubeschränkung des Inhalts, den Blick freizuhalten,
den Anforderungen an die Bestimmtheit des dinglichen Rechts nicht standhalten. Dies
belegen die Versuche des Berufungsgerichts, den Interessen der Parteien durch die Festlegung von Koordinaten gerecht zu werden, die den der Einsicht vorbehaltenen Landschaftsausschnitt und den Blickwinkel des Betrachters festlegen sollen (Blick aus dem
Wohnzimmerfenster, dieser allerdings nicht aus Sitzhöhe, sondern im Stehen; Blickwinkel einer Person mit geschlechtsspezifisch bestimmter Augenhöhe). Sie weichen die
Konturen des Rechts auf und weisen ihm einen Inhalt zu, der im Unbestimmten und
letztlich Beliebigen zerfließt.
3. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht für seine Meinung die Rechtsprechung des
Senats zur Pflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks in Anspruch, eine Baulasterklärung im Interesse der Bebaubarkeit des herrschenden Grundstücks abzugeben
(vgl. BGHZ 106, 348; Urt. v. 3. Juli 1992, V ZR 218/91, NJW 1992, 2885). Die Pflicht
zur Abgabe der rechtsgeschäftlichen Erklärung ist ungeeignet, Inhalt des dinglichen
Rechts im Sinne des § 1018 BGB zu sein. Die Zweckbestimmung der Dienstbarkeit
begründet nach der Rechtsprechung des Senats lediglich eine besondere Nebenpflicht in
dem zwischen den Eigentümern des herrschenden und dienenden Grundstücks bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis. Für eine Erweiterung des Pflichtenkreises aus
diesem Schuldverhältnis besteht im Streitfalle kein Bedürfnis. Die gebotene Rücksichtnahme bei der Ausübung der Dienstbarkeit ist bereits gesetzlich, nämlich in dem vom
Berufungsgericht ebenfalls herangezogenen § 1020 BGB, angeordnet. Das Berufungsgericht übersieht indessen, daß der von ihm angestrebte Erfolg, die Freihaltung des
Ausblicks, nicht notwendig zu einer Schonung des Interesses der Beklagten als Eigentümer des dienenden Grundstücks führt. Die Bauweise unterhalb zweier Vollgeschosse
läßt nach der Bayerischen Bauordnung, wie die amtliche Auskunft des Landratsamts
Bad T.-W. bestätigt, unterschiedliche Firsthöhen zu. In dem von dem Landratsamt
zeichnerisch dargestellten Beispiel können sie bis ca. 1,70 m differieren. Maßgeblich ist
lediglich, daß die in Art. 2 Abs. 5 BayBO 1998 vorgeschriebenen Mindestmaße eines
Vollgeschosses nicht erreicht werden (im einzelnen nachfolgend zu III). In einem bestimmten Zusammenhang mit dem Blick vom herrschenden Grundstück auf die Landschaft stehen sie nicht.
II.
Danach hat das Berufungsurteil keinen Bestand. Nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. kann
der Senat in der Sache selbst entscheiden.
nicht ausdrücklich; gleichwohl waren aber auch seinerzeit bestimmte Höhenangaben
vorgegeben, die (auch) aus den lichten Höhen von Aufenthaltsräumen (vgl. heute
Art. 45 ff BayBO 1998) folgten (vgl. Rauscher in Simon, Bayerische Bauordnung,
Stand Juni 2001, Art. 2 Rdn. 1253 f). Der seit der Bayerischen Bauordnung in der Fassung vom 1. August 1962 ausdrücklich verwendete Begriff des Vollgeschosses setzt
nach der gegenwärtigen Fassung des Gesetzes, Bayerische Bauordnung 1998, voraus,
daß das Geschoß, das vollständig über der natürlichen oder festgelegten Gebäudegrundfläche zu liegen hat, über mindestens zwei Drittel seiner Grundfläche eine Höhe von
mindestens 2,30 m einhält (Art. 2 Abs. 5). Das sind die den Beklagten für den Ausbau
des Obergeschosses gesetzten Grenzen. Gemäß § 1027 BGB in Verbindung mit § 1004
BGB können die Kläger die Abtragung des vorhandenen Bauwerks auf die danach mögliche Höhe verlangen. In diesem Rahmen steht es den Beklagten, wovon sie jedenfalls
teilweise Gebrauch gemacht haben, frei, das Obergeschoß als Dachgeschoß unter Einziehung eines Kniestockes (Aufmauerung der traufseitigen Außenwände im Bereich
eines Dachgeschosses) auszubauen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

07.02.2002

Aktenzeichen:

V ZR 252/00

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Erschienen in:

DNotI-Report 2002, 61
DNotZ 2002, 718-721
NotBZ 2002, 179-181
Rpfleger 2002, 352-353

Normen in Titel:

BGB §§ 1018, 133, 157BGB §§ 1018, 133, 157