Keine Fälligkeit des Werklohns mit Verjährung des Anspruchs auf Herstellung des Werkes
letzte Aktualisierung: 30.09.2020
BGH, Urt. v. 28.5.2020 – VII ZR 108/19
BGB §§ 195, 199, 214, 215 Abs. 1, 242, 631 Abs. 1, 634a Abs. 2, 641 Abs. 1 S. 1 u. 3 a. F.
Keine Fälligkeit des Werklohns mit Verjährung des Anspruchs auf Herstellung des Werkes
Die Verjährung des Anspruchs des Bestellers auf Herstellung des versprochenen Werks führt nicht
zur Fälligkeit des Werklohnanspruchs des Unternehmers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Auf das Schuldverhältnis der Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch in
der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum
31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in
der Klägerin sei nicht fällig.
Die Fälligkeit eines solchen Anspruchs setze nach § 641 Abs. 1 BGB
grundsätzlich die Abnahme des Werks voraus, an der es vorliegend fehle. Eine
förmliche Abnahme habe nicht stattgefunden. Eine fiktive Abnahme komme
ebenso wenig wie eine konkludente Abnahme in Betracht. Eine Abnahme sei
auch nicht deswegen entbehrlich, weil sich das Schuldverhältnis der Parteien in
ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt hätte. Denn die Beklagte habe nie
endgültig auf eine mangelfreie Fertigstellung des Werks verzichtet.
Eine Abnahmefähigkeit des Werks sei nicht gegeben, weil wesentliche
Mängel vorlägen. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte könne sich wegen
Verjährung ihrer Fertigstellungsansprüche nicht auf wesentliche Mängel berufen,
verfange im Ergebnis nicht, da (teilweise) keine Verjährung eingetreten sei.
Der Erfüllungsanspruch verjähre in der Regelfrist, also kenntnisabhängig
grundsätzlich drei Jahre nach Jahresende seines Entstehens (§§ 195, 199
BGB), während die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs gemäß § 634a
Abs. 2 BGB erst mit der Abnahme beginne. Beim Bauvertrag trete Fälligkeit im
Hinblick auf den Erfüllungsanspruch mit dem vereinbarten Fertigstellungstermin
ein. Da die Verjährungsfrist jedenfalls solange gehemmt sei, wie der Werkunternehmer
Nacharbeiten vornehme, hätte damit die dreijährige Frist spätestens
2014 begonnen und wäre Ende 2016 abgelaufen.
Der auf die Herstellung einer mangelfreien Sache gerichtete Erfüllungsanspruch
verjähre indes nicht früher als der nach Abnahme bestehende Nacherfüllungsanspruch.
Die Verjährung von Erfüllungsansprüchen, die der Sache
nach die Haftung des Unternehmers für Mängel seines Werks beträfen, sei an
den Lauf der entsprechenden Gewährleistungsfristen des Nacherfüllungsanspruchs
geknüpft. Insofern sei daher zwischen der Nichterfüllung und der
Schlechterfüllung zu differenzieren. Bei der Nichterfüllung verbleibe es bei der
regelmäßigen Verjährungsfrist. Werde das Werk hingegen hergestellt, teile sich
der Erfüllungsanspruch nach
wie die Ansprüche bei der freien Kündigung im Hinblick auf das bis zur Kündigung erbrachte Teilgewerk
auf.
Der Erfüllungsanspruch aus
noch nicht erstellten Teils bestehen und könne sich da
ein Mangel nicht bestehe
nicht in einen Nacherfüllungsanspruch umwandeln. Er verjähre in der
Regelverjährung und bleibe bei Erhebung der Verjährungseinrede dauerhaft
nicht durchsetzbar. Bezüglich des mangelhaft hergestellten Teils erlösche der
Erfüllungsanspruch aus
sondern wandele sich dann in den Nacherfüllungsanspruch nach
um.
Damit stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf Rückzahlung der auf
den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts geleisteten Summe nach
§ 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Ein
etwaiger Restwerklohnanspruch der Klägerin (Klageantrag zu 1) gemäß § 631
Abs. 1 BGB ist nicht fällig. Der Klägerin steht damit auch kein Anspruch gemäß
§ 717 Abs. 2 ZPO (Klageantrag zu 2) zu, da das Urteil des Landgerichts nicht
abzuändern ist.
1. Die Fälligkeit eines Werklohnanspruchs setzt gemäß § 641 Abs. 1
Satz 1 BGB - abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des
§ 641 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB - die Abnahme des Werks durch den
Besteller voraus,
das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen
Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist, § 640 Abs. 1 Satz 3
BGB. Wenn der Besteller die Abnahme endgültig verweigert, so ist diese Fristsetzung
entbehrlich (BGH, Urteil vom 8. November 2007 - VII ZR 183/05 Rn.
29,
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts, die Rechtsfehler nicht erkennen lassen, hat die Beklagte
das Werk der Klägerin weder abgenommen noch war sie hierzu verpflichtet, da
wesentliche Mängel vorliegen.
2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Werklohnanspruch
unter bestimmten Voraussetzungen auch unabhängig von den
gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen, insbesondere ohne Abnahme und
trotz fehlender Abnahmepflicht fällig. Das ist etwa der Fall, wenn der Besteller
nicht mehr Erfüllung des Vertrags, sondern Minderung oder Schadensersatz
verlangt oder die Abnahme des Werkes oder weitere Arbeiten des Unternehmers
ernsthaft und endgültig ablehnt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006
VII ZR 146/04 Rn. 26 m.w.N.,
VII ZR 301/13 Rn. 44, 47,
ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des
Baurechts, 5. Auflage, 4. Teil Rn. 490 m.w.N.). In diesen Fällen besteht ein Abrechnungsverhältnis,
was dadurch gekennzeichnet ist, dass der Unternehmer
einen Vergütungsanspruch hat und dem Besteller allein auf Geldzahlung gerichtete
Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung
des Werks zustehen (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - VII ZR 197/03, BGHZ
163, 274, juris Rn. 19).
Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen
dieser Ausnahmen nicht vorliegen. Das Berufungsgericht hat insbesondere
festgestellt, dass die Beklagte nie endgültig auf eine mangelfreie Fertigstellung
des Werks verzichtet habe. Diese Feststellung wird von der Revision
nicht angegriffen.
b) Zu Unrecht meint die Revision, diesen Fällen, in denen der Erfüllungsanspruch
des Bestellers vor Herstellung des Werks entfalle, stehe bei verständiger
Auslegung der § 215, § 641 Abs. 1 BGB der Fall gleich, dass der Erfüllungsanspruch
verjährt sei und der Unternehmer den Verjährungseinwand erhoben
habe; nach
nur noch einredeweise (
dass der Werklohnanspruch auch ohne Abnahme fällig sei. Das trifft nicht zu.
Der entscheidende Grund, der in den genannten Ausnahmen die Annahme der
Fälligkeit des Werklohnanspruchs gebietet, liegt in einem solchen Fall nicht vor.
Im Gegensatz zu den anerkannten Fällen eines Abrechnungsverhältnisses ist
es dem Unternehmer hier rechtlich und tatsächlich möglich, den Anspruch des
Bestellers (im Wesentlichen mangelfrei) zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen
für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich
die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs herbeizuführen. Die begründete Erhebung
der Einrede der Verjährung lässt einen Anspruch nicht untergehen, sondern
hindert nur dessen Durchsetzung, § 214 Abs. 1 BGB. Der Anspruch bleibt
erfüllbar. Eine Leistung kann abgenommen werden. Sie erfolgt mit Rechtsgrund
und kann nicht zurückgefordert werden, § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Aus
Die Vorschrift, die auch auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags anwendbar
ist (MünchKommBGB/Grothe, 8. Auflage, § 215 Rn. 4), begründet kein Zurückbehaltungsrecht,
sondern setzt ein solches voraus und regelt dessen Fortbestand
bei Verjährung des Gegenanspruchs (vgl. BeckOGK/Bach, BGB,
Stand: 1. Mai 2020, § 215 Rn. 23). Da der Unternehmer vorleistungspflichtig ist,
bedarf es eines Leistungsverweigerungsrechts des Bestellers jedoch von vornherein
nicht, um eine Vergütungsklage abzuwehren. Der Unternehmer kann
seinen Werklohnanspruch nur bei Annahmeverzug des Bestellers und nur mit
der Folge einer Verurteilung nach Empfang der Gegenleistung durchsetzen,
Verjährung des Gegenanspruchs hieran zu Lasten des Bestellers etwas ändern
würde.
3. Entgegen der von der Klägerin in der Berufungsinstanz vertretenen
Ansicht führt eine Verjährung des Erfüllungsanspruchs des Bestellers nicht dazu,
dass dieser sich nicht auf wesentliche Mängel berufen kann und der Werklohnanspruch
fällig wird. Anders als die Revision meint, muss der Besteller
auch nicht, um diese Folge zu verhindern, seinen Erfüllungsanspruch mit der
Erhebung einer Einrede nach
Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Werklohnanspruch
des Unternehmers in einer solchen Situation nicht fällig wird. Aus den unter 2.
bereits genannten Gründen kann der Unternehmer jederzeit die Fälligkeit herbeiführen,
indem er die vorhandenen wesentlichen Mängel beseitigt. Es besteht
keine Veranlassung, ihm dies nicht mehr zuzumuten, wenn er es über einen
längeren Zeitraum unberechtigt unterlassen hat (vgl. zu längerem Zeitablauf
ohne Verjährung BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 - VII ZR 198/02, BauR 2004,
670 =
VII ZR 84/09 Rn. 21 ff.,
dass der Besteller seinen Erfüllungsanspruch in dieser Zeit hat verjähren
lassen, kann der Unternehmer im Hinblick auf seine Vergütung nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Der Besteller, der den Werklohn noch nicht (vollständig) gezahlt
hat und der berechtigt eine Abnahme verweigert, ist nicht nach Treu und
Glauben ge-halten, Maßnahmen zur Verjährungshemmung zu ergreifen. Dies
zeigt auch der Rechtsgedanke des
beiderseits fällige Ansprüche. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass ein
Schuldner, dem ein Gegenanspruch zusteht, kraft dessen er die Inanspruchnahme
durch den Gläubiger erfolgreich abwehren kann, sich als hinreichend
gesichert ansehen darf und durch die Verjährungsregeln nicht zur frühzeitigen
Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung
gedrängt werden soll (BGH, Urteil vom 5. November 2015 VII
ZR 144/14 Rn. 11,
der Schuldner berechtigt die Abnahme verweigert und deshalb zu Recht davon
ausgehen kann, dass ein Werklohnanspruch nicht fällig werden kann.
Hierfür bedarf es keiner Einrede des Bestellers gemäß
muss sich grundsätzlich nicht auf wesentliche Mängel "berufen". Da es sich wie
dargestellt nicht um einen Fall des
dass der Besteller die vom Unternehmer darzulegende und zu beweisende im
Wesentlichen mangelfreie Herstellung des Werks in der gebotenen Weise bestreitet.
Dies hat die Beklagte durchweg getan.
Nach alledem kann dahinstehen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts,
der Erfüllungsanspruch der Beklagten sei (teilweise) nicht verjährt, zutrifft.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:28.05.2020
Aktenzeichen:VII ZR 108/19
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
NJW 2020, 2270-2271
Normen in Titel:BGB §§ 195, 199, 214, 215 Abs. 1, 242, 631 Abs. 1, 634a Abs. 2, 641 Abs. 1 S. 1 u. 3 a. F.