OVG Sachsen-Anhalt 14. Oktober 2019
4 L 210/19
KAG-LSA § 6 Abs. 1 S. 1

Beitragsrechtliche Bevorteilung eines Grundstücks durch leitungsgebundenen öffentlichen Einrichtungen

letzte Aktualisierung: 06.02.2020
OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14.10.2019 – 4 L 210/19

KAG-LSA § 6 Abs. 1 S. 1
Beitragsrechtliche Bevorteilung eines Grundstücks durch leitungsgebundenen öffentlichen Einrichtungen

Ein Grundstück ist grundsätzlich erst dann von einer leitungsgebundenen öffentlichen Einrichtung
bevorteilt, wenn der Hauptsammler, an den das Grundstück angeschlossen ist bzw. angeschlossen
werden kann, auf dem gesamten Weg bis zum Klärwerk rechtlich und tatsächlich gesichert ist, also
entweder durchgehend über Grundstücke verläuft, die im öffentlichen Eigentum (des
Entsorgungspflichtigen) stehen oder – beim Verlauf über private Grundstücke – durch Eintragung
einer Baulast oder Grunddienstbarkeit gesichert ist.

G r ü n d e :

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil
des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg, weil die Darlegungen, auf deren Prüfung
der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht geeignet
sind, die Annahme der geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2
Nrn. 1, 2 und 3 zu rechtfertigen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß
§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen, wenn die Klägerin im Zulassungsverfahren
einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung
mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellt (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>).

Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinn liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer
substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände darlegt, aus denen sich die
gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung (im Ergebnis)
unrichtig ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Dezember 2010
- 1 BvR 2011/10 -, juris, Rn. 19). Daran fehlt es.

a) Die Klägerin wendet sich zunächst gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts,
für die auf Dauer gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit im Sinne eines Vorteils nach
§ 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA sei „die tatsächliche und rechtliche Sicherung
des Hauptsammlers zu prüfen, der für das angeschlossene und anschließbare
Grundstück gemäß dem Kanalnetz der Schmutzwasserbeseitigungsanlage entscheidend
ist“ (UA S. 9).

aa) Nach Ansicht der Klägerin widerspreche dieser Maßstab höherrangigem Recht.
Wie dem Gesetzgeber gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA sei es dem Satzungsgeber
im Hinblick auf den Vorteil, der die sachliche Beitragspflicht zur Entstehung bringt, und
dessen Absicherung um eine grundstücksbezogene Betrachtung im Hinblick auf die
Anschlussmöglichkeit gegangen. Der Vorteil, der mit dem Beitrag abgegolten werde,
bestehe nicht in der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an das Kanalnetz mitsamt
Abtransport des Abwassers bis zur Kläranlage und mangelfreier Reinigung.

Ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts
zeigt die Klägerin damit nicht auf. Dem von der Klägerin aus dem Gesamtkontext
herausgelösten (Halb-)Satz lässt sich schon nicht entnehmen, dass das Verwaltungsgericht
insoweit von der Rechtsauffassung der Klägerin abweicht. Vielmehr hat das
Verwaltungsgericht unmittelbar daran anschließend präzisierend ausgeführt, dass das
Merkmal der dauerhaft gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit grundstücksbezogen
zu prüfen sei und daher auf die dauerhafte rechtliche Sicherung der Grundstücksanschlussleitung
und auf den für das Grundstück maßgebenden Hauptsammler zu beziehen
sei, nicht aber auf die Schmutzwasserleitungen im Übrigen, die sich an den relevanten
Hauptsammler anschließen und das Schmutzwasser zu der Kläranlage transportieren
(UA S. 9, Absatz 2). Diese Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts greift
die Klägerin nicht nur nicht an, sondern stimmt ihr im Grundsatz ausdrücklich zu (S. 3
der Antragsbegründung vom 16. September 2019).

bb) Des Weiteren macht die Klägerin geltend, der vom Verwaltungsgericht gewählte
Maßstab, für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht komme es auf den Hauptsammler
an, der für das angeschlossene oder anschließbare Grundstück gemäß dem
Kanalnetz der Schmutzwasserbeseitigungsanlage entscheidend ist, verstoße gegen
das Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 20 Abs. 3 GG. Es sei unklar, welcher Hauptsammler
in diesem Sinne „entscheidend“ sei. Entscheidend für die Entwässerung sei im
Grunde der gesamte Verlauf der Leitung vom Grundstück bis zur Kläranlage. Zudem
könne sich der Hauptsammler innerhalb oder hinter dem Erschließungsgebiet verzweigen
oder über das Erschließungsgebiet hinausgehend neu gebaut sein.

Auch damit zeigt die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidungsrichtigkeit
auf. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete allgemeine
Bestimmtheitsgebot richtet sich nicht an die Rechtsprechung, sondern an den Gesetzgeber
und gebietet, dass eine gesetzliche Ermächtigung der Exekutive zur Vornahme
von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt
und begrenzt ist, so dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Umfang
für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar wird (vgl. BVerfGE 56, 1
<12>; 108, 52 <75>; 110, 33 <53 f.>). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht - wie
ausgeführt - im Anschluss an den von der Klägerin angegriffenen (Halb-)Satz hinreichend
deutlich gemacht, dass es nach seiner Ansicht für das Merkmal der dauerhaften
Inanspruchnahmemöglichkeit entscheidend auf die dauerhafte rechtliche Sicherung
des für das Grundstück maßgebenden Hauptsammlers ankomme, nicht hingegen auf
die Schmutzwasserleitungen im Übrigen, die sich an den Hauptsammler anschließen
und das Schmutzwasser zu der Kläranlage transportieren (UA S. 9, Absatz 2). Welcher
Hauptsammler vorliegend der „maßgebende“ für die Grundstücke der Klägerin sei, hat
das Verwaltungsgericht näher ausgeführt. Ausdrücklich heißt es, entscheidend für die
grundstücksbezogene Schmutzwasserbeseitigung der Flurstücke … und … seien die
Verhältnisse um den Hauptsammler, der in den Flurstücken … (der nördliche Weg des
A-Weges) belegen sei und über weitere Grundstücke bis zur Kreuzung der K-Straße
…/Erschließungsstraße A (die heutige E-Straße) führe (UA S. 9, Absatz 3).

cc) Die Klägerin wendet sich weiterhin gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts,
dass vor der am 9. April 2013 vollzogenen Übernahme des in den Flurstücken … und
…liegenden Hauptsammlers durch den Beklagten keine rechtliche Sicherung des für
die Grundstücke der Klägerin (Flurstücke … und …) maßgebenden Hauptsammlers
habe eintreten können (UA S. 10 ff.). Die dafür vorgebrachten Argumentation sei widersprüchlich,
weil sie sich auch gegen die vom Verwaltungsgericht selbst präferierte
Lösung, für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht sei die Absicherung des
Hauptsammlers im Kanalnetz vor dem Grundstück maßgeblich, anführen lasse.
Auch damit kann die Klägerin nicht durchdringen. Zum einen vertritt das Verwaltungsgericht
- trotz einer insoweit tatsächlich irreführenden Äußerung auf S. 9 der Entscheidungsgründe
- gerade nicht die Auffassung, maßgeblich sei die rechtliche Sicherung
des Hauptsammlers „vor dem Grundstück“, sondern hält die dauerhafte rechtliche Sicherung
des für das jeweilige Grundstück „maßgebenden“ Hauptsammlers für entscheidend
(UA S. 9, 2. Absatz), der vorliegend über die Lage „vor dem Grundstück“ der
Klägerin hinausreicht und über mehrere (vormals private) Flurstücke verläuft (UA S. 9,
Absatz 3). Doch selbst wenn man insoweit von einer Widersprüchlichkeit der Argumentation
des Verwaltungsgerichts ausginge, folgte daraus noch nicht die Richtigkeit der
von der Klägerin vertretenen Auffassung, maßgeblich sei (allein) die rechtliche Absicherung
des Hauptsammlers im Kanalnetz vor dem heranzuziehenden Grundstück.
Argumente, die diese Ansicht stützen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen; sie
sind auch nicht ersichtlich (siehe hierzu unten 2.).

b) Die Klägerin wendet sich auch gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass
eine hinreichende rechtliche Sicherung auch nicht dadurch bestanden habe, dass die
Eigentümer insbesondere der Flurstücke … und … öffentlich-rechtlich zu einer Duldung
der Abwasserdurchleitung nach Maßgabe des § 93 WHG verpflichtet gewesen
seien. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, eine Duldungspflicht bestehe
nicht kraft Gesetzes, sondern durch eine Duldungsverfügung im Einzelfall, die es im
vorliegenden Fall nicht gegeben habe. Auch § 17 der Abwasserbeseitigungssatzung
des Beklagten begründe keine Pflicht von Grundstückseigentümern, die Errichtung von
Schmutzwasserleitungen und die Ableitung von Schmutzwasser zu dulden (UA S. 12).
Die Klägerin macht hiergegen geltend, die für sich genommen zutreffenden Erwägungen
des Verwaltungsgerichts verfehlten den Ansatz der klägerischen Argumentation
aus erster Instanz, dass (bereits) die Möglichkeit einer Duldungsanordnung nach § 93
WHG bzw. nach § 17 der Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten ausreiche, um
Eigentümer im weiteren Verlauf hinter der rechtlich abgesicherten Anschlussstelle für
den Fall eines Beseitigungsbegehrens oder gar einer Behinderung des Schmutzwasserabflusses
die Duldung der Abwasserleitung in deren Grundstück aufzugeben. Dieser
Einwand genügt bereits den Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4
Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht. Es wird nicht ausgeführt, weshalb die bloße Möglichkeit
einer Duldungsanordnung eine hinreichende rechtliche Sicherung der Inanspruchnahmemöglichkeit
des in einem privaten Grundstück liegenden Hauptsammlers
darstellen solle. Die pauschale, nicht näher konkretisierte Bezugnahme auf erstinstanzliches
Vorbringen genügt nicht (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018,
§ 124a Rn. 116). Abgesehen davon lassen sich dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin
(insbesondere im Schreiben vom 21. Juni 2019, Bl. 77 der Gerichtsakte) - soweit
ersichtlich - keine Argumente entnehmen, die die Auffassung des Verwaltungsgerichts
in Zweifel zu ziehen geeignet wären.

c) Nicht durchgreifend sind auch die Einwände der Klägerin gegen die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, dass eine hinreichende Sicherung der Flurstücke … auch nicht
aus einem Notleitungsrecht entsprechend § 917 BGB abgeleitet werden könne. Das
Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dieses Recht beziehe sich nur auf Hinterliegergrundstücke
und deren Zugang zu den Schmutzwasserleitungen über fremde
Grundstücke, nicht aber auf Flächen, in denen - wie hier - Schmutzwasserleitungen
verlegt seien. Es handele sich bei solchen Leitungen um einen Bestandteil der zentralen
Schmutzwasseranlage des Entsorgungspflichtigen. Insoweit seien die Vorschriften
über die Duldung (§ 93 Satz 1 WHG) als vorrangig gegenüber dem Notleitungsrecht
anzusehen. Denn das bürgerlich-rechtliche Notwegerecht gemäß § 917 BGB sehe eine
hoheitliche Entscheidung durch ein Gericht nur bei Bestehen einer entsprechenden
Notwendigkeit vor. Die für eine Duldungspflicht nach § 93 Satz 1 WHG erforderliche
behördliche Entscheidung dürfe durch das bereits von Gesetzes wegen bestehende
Notwegerecht nicht unterlaufen werden. Ein allgemeines Notwegerecht würde zudem
die vorrangigen enteignungsrechtlichen Vorschriften nach § 1 und § 2 Nr. 2 Buchst. c
und § 3 Abs. 1 Nr. 4 EnteigG LSA und die dabei zu beachtenden Verfahren und Rechte
der Eigentümer nach §§ 7 ff. EnteigG LSA umgehen (UA S. 12 f.).

Diese Auffassung zieht die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel, indem sie geltend
macht, zivilrechtlich bestehe kein Unterschied darin, ob eine Abwasserleitung, auf welche
die Klägerin angewiesen sei, über das vorderliegende Grundstück eines Nachbarn
oder das dahinter liegende Grundstück verlaufe, das noch nicht gewidmet sei, später
einmal ein Straßengrundstück der Gemeinde S. werden solle. Dies entkräftet nicht das
maßgebliche Begründungselement des Verwaltungsgerichts, dass im Hinblick auf
Schmutzwasserleitungen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Duldung als vorrangig
gegenüber dem Notwegerecht anzusehen seien. Auch setzt sich die Klägerin
nicht mit dem Argument auseinander, dass ein allgemeines Notwegerecht vorrangige
enteignungsrechtliche Vorschriften umgehen würde.

d) Erfolglos bleibt auch der Einwand der Klägerin gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts,
dass für eine Sicherung des rechtlichen Bestandes von Schmutzwasserleitungen,
die durch im Eigentum (privater) Dritter stehende Grundstücke verlaufen, die
Eintragung einer Baulast oder die Eintragung eines dinglichen Rechts zugunsten des
Entsorgungspflichtigen in das Grundbuch notwendig sei (UA S. 14). Die Klägerin wirft
insoweit die Frage auf, welchen Zweck eine „absolute“ Absicherung der Leitungen haben
solle, wenn von keiner Seite aus Beeinträchtigungen des Leitungsbestandes zu
befürchten seien. Offenbar gehe es hier eher um das Kriterium der Rechtsklarheit
durch Eintragung einer Baulast oder eines dinglichen Rechts im Grundbuch als um die
dauerhafte Sicherung des Vorteils, der mit dem Beitrag abgegolten werde.

Auch damit kann die Klägerin nicht durchdringen. Wenn ein Bestandteil der öffentlichen
Einrichtung zur Abwasserbeseitigung durch ein Privatgrundstück verläuft, wird ein sicherer
und dauerhafter Vorteil im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA grundsätzlich
nur geboten, wenn der Entsorgungspflichtige gewährleisten kann, dass er auf Dauer
imstande ist, die Einrichtung wie eine eigene Zwecks Inanspruchnahme zur Verfügung
zu stellen. Dies ist nur der Fall, wenn Lage und rechtlicher Bestand des durch das Privatgrundstück
verlaufenden Teils der öffentlichen Einrichtung (hier: der Hauptsammler)
durch Eintragung einer Baulast oder einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Entsorgungspflichtigen
gesichert ist (stRspr des Senats; vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss
vom 2. Dezember 2008 - 4 L 348/06 -, juris, Rn. 4, m.w.N.). Das (wahrscheinliche)
Fehlen zivilrechtlicher Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des privaten
Grundstückseigentümers gegenüber dem Entsorgungspflichtigen vermag schon aufgrund
der Relativität zivilrechtlicher Rechtsverhältnisse eine vergleichbare Sicherung
nicht zu gewährleisten.

Damit kann die Klägerin sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die sachliche
Beitragspflicht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bereits vor dem
9. April 2013 entstanden und damit Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Denn die
Entstehung der sachlichen Beitragspflicht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA, die für
den Beginn der Festsetzungsverjährung maßgeblich ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b KAG-LSA
i.V.m. § 170 Abs. 1 AO), hängt von einer dauerhaften und rechtlich gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit
der Einrichtung ab, die im - hier vorliegenden - Fall des durch
ein Privatgrundstück verlaufenden Hauptsammlers wiederum die Eintragung einer Baulast
oder einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Entsorgungspflichtigen bedingt.
e) Die Klägerin zieht schließlich auch nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts
substantiiert in Zweifel, dass die Heranziehung der Klägerin nicht gegen das allgemeine
Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 7 Abs. 1 der Landesverfassung
verstoße, weil für die Grundstücke der Klägerin im Gegensatz zu anderen
Grundstücken des Erschließungsgebietes keine Ablösungsvereinbarung geschlossen
worden sei (UA S. 16 f.). Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass hier
keine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte vorliegt, denn der Abschluss
einer Ablösungsvereinbarung ist für die Beitragspflicht von maßgeblicher rechtlicher
Bedeutung (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20. Oktober 1998 - 1
M 17/98 -, juris, Rn. 25; Blomenkamp, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8
Rn. 1070 ) und damit ein relevantes Unterscheidungskriterium für
die Nichtheranziehung (Ablösungsvereinbarung geschlossen) bzw. Heranziehung (Ablösungsvereinbarung
nicht geschlossen) bestimmter Grundstücke. Der Beklagte war
deshalb nicht aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, auf eine Beitragserhebung
gegenüber der Klägerin zu verzichten. Ob der Beklagte darauf hätte hinwirken
müssen, mit dem Voreigentümer der Grundstücke der Klägerin ebenfalls eine Ablö-
sungsvereinbarung zu schließen, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Eine
Rechtspflicht zum Abschluss einer Ablösungsvereinbarung besteht nicht. Es obliegt
dem Grundstückskäufer, sich vor Abschluss des Kaufvertrages darüber zu informieren,
ob für das Grundstück eine Ablösungsvereinbarung geschlossen wurde und es deshalb
nicht mehr beitragsrechtlich veranlagt werden kann.

2. Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht wegen der gemäß § 124
Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen
Schwierigkeiten der Rechtssache.

„Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten“ der Rechtssache im Sinne
des § 124 Abs. 2 Nr. 2 bestehen dann, wenn die Rechtssache wegen einer erheblich
über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder aufgrund der zugrunde
liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, also
das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, mithin
signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden
Streitsachen abweicht. Im Hinblick auf die Darlegungsanforderungen gemäß § 124a
Abs. 4 Satz 4 VwGO ist es erforderlich, im Einzelnen darzulegen, hinsichtlich welcher
Fragen und aus welchen Gründen aus der Sicht des Rechtsschutzsuchenden die
Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Außerdem
bedarf es Darlegungen dazu, dass die aufgeworfenen Fragen für den zu entscheidenden
Rechtsstreit entscheidungserheblich sind. Nur wenn sich schon aus dem
Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteiles ergibt, dass eine Sache in tatsächlicher
oder rechtlicher Hinsicht schwierig ist, genügt ein Antragsteller der ihm gemäß
§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegenden Darlegungslast bereits regelmäßig mit erläuternden
Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteiles. Soweit ein Zulassungsantragsteller
hingegen die Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das
Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige
Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, hat er diese Gesichtspunkte in
nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen
(vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. November 2016 - 3 L 162/16 -,
juris, Rn. 75, m.w.N.).

Nach Ansicht der Klägerin erweise sich als rechtlich besonders schwierig die Frage, ob
vom Verwaltungsgericht zutreffend als maßgeblich für das Entstehen der sachlichen
Beitragspflicht die Voraussetzung der tatsächlichen und rechtlichen Sicherung des für
das angeschlossene oder anschließbare Grundstück entscheidenden Hauptsammlers
angesehen worden sei. Dieser Maßstab ergebe sich weder aus dem Wortlaut des
KAG-LSA noch aus der Beitragssatzung des Beklagten, sondern sei Richterrecht, das
zudem einer Entscheidung des VG Halle zuwiderlaufe, wonach der Leitungsverlauf auf
gesamter Strecke bis zur Kläranlage hinreichend rechtlich abzusichern sei. Eine klärende
Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt zu dieser Frage bestehe nicht. Die
aufgeworfene Frage sei auch entscheidungserheblich, denn je nachdem sei die Beitragspflicht
schon am 20. Juli 2010, am 9. April 2013 (so das Verwaltungsgericht) oder
eventuell noch gar nicht entstanden, sehe man den Leitungsverlauf bis zur Kläranlage
als maßgeblich an.

Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage weist keine besonderen Schwierigkeiten
auf, weil sie durch die Rechtsprechung des Senats bereits geklärt ist. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats ist ein Grundstück grundsätzlich erst dann von einer
leitungsgebundenen öffentlichen Einrichtung bevorteilt, wenn der aus der Anschlussmöglichkeit
resultierende Vorteil in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auf Dauer
sicher geboten wird. Bietet der Entsorgungspflichtige einen Anschluss an einen Hauptsammler,
der (teilweise) über Grundstücke verläuft, die im Eigentum eines Dritten stehen,
und dessen Lage und rechtlicher Bestand nicht durch Eintragung einer Baulast
oder Grunddienstbarkeit zugunsten des Entsorgungspflichtigen gesichert ist, so fehlt es
(noch) an einer auf Dauer gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit (vgl. OVG Sachsen-
Anhalt, Beschlüsse vom 28. Februar 2008 - 4 L 462/06 -, juris, Rn. 4; vom
2. Dezember 2008 - 4 L 348/06 -, juris, Rn. 4; so auch bereits Beschluss vom 30. Juni
2003 - 1 M 253/02 -, juris, Rn. 3 f.; siehe ferner Blomenkamp, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht,
§ 8 Rn. 1050a ). Wenngleich nicht ausdrücklich betont,
so versteht es sich dabei gleichsam von selbst, dass der Hauptsammler, an den
das Grundstück angeschlossen ist bzw. angeschlossen werden kann, auf dem gesamten
Weg bis zum Klärwerk rechtlich und tatsächlich gesichert sein muss, das heißt
entweder durchgehend über Grundstücke verlaufen muss, die im öffentlichen Eigentum
(des Entsorgungspflichtigen) stehen, oder - beim Verlauf über private Grundstücke auf
dem Weg zum Klärwerk - durch Eintragung einer Baulast oder Grunddienstbarkeit gesichert
ist (vgl. hierzu auch Beschluss des Senats vom 25. März 2019 - 4 L 87/18 -, S.
3 des Beschlussumdrucks, n.v.). Denn andernfalls steht der Annahme einer dauerhaft
gesicherten Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung - zu der
typischerweise ein Klärwerk gehört - das Zustimmungserfordernis anderer (privater)
Grundstückseigentümer entgegen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom
27. Januar 2012 - 4 M 213/11 -, juris, Rn. 5). Danach ist es unerheblich, an welcher
Stelle auf dem Weg zum Klärwerk der Hauptsammler durch ein privates Grundstück
verläuft und deshalb der Bestand der Leitung rechtlich gesichert werden muss. Dementsprechend
findet sich in der Rechtsprechung des Senats auch keine räumliche Eingrenzung
der rechtlichen Sicherung des Hauptsammlers, in den das Abwasser des
jeweiligen Grundstücks eingeleitet wird. Sofern das Verwaltungsgericht insoweit eine
andere Rechtsauffassung vertreten sollte, worauf allerdings mehrere Äußerungen auf
Seite 9 des Urteilsabdrucks hindeuten, so beruht dies ggf. auf einer Verkennung der
ständigen Rechtsprechung des Senats, macht damit die Rechtssache aber noch nicht
überdurchschnittlich schwierig.

Darüber hinaus hat die Klägerin die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen
Rechtsfrage nicht aufgezeigt. Durchgreifende Argumente für die Auffassung der Klägerin,
dass die Beitragspflicht vorliegend bereits am 20. Juli 2010 entstanden sei, sind
weder dargelegt noch sonst ersichtlich (siehe hierzu auch unter 1.). Die Klägerin hat
auch nicht substantiiert dargelegt, dass - ausgehend von der Rechtsprechung des Se-
nats, wonach die Abwasserableitung vom maßgeblichen Hauptsammler bis zum Klärwerk
tatsächlich und rechtlich gesichert sein muss - die Beitragspflicht vorliegend noch
nicht entstanden ist. Der Vortrag, die Beitragspflicht sei „evtl. noch gar nicht entstanden“,
genügt insoweit nicht.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist eine
Rechtssache, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz
entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftig
ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Februar
2008 - 2 BvR 2575/07 -, juris, Rn. 12; Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss
vom 28. November 2016 - 4 L 46/16 -, juris, Rn. 9).

Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Rechtsfragen -
Ist eine dauerhaft gesicherte rechtliche Möglichkeit der Anschlussnahme für
den Grundstückseigentümer erst gewährleistet, wenn der Hauptsammler, der
für das angeschlossene oder anschließbare Grundstück gemäß dem Kanalnetz
der Schmutzwasserbeseitigungsanlage entscheidend ist, tatsächlich betriebsbereit
und rechtlich gesichert ist?

(Oder) Besteht eine dauerhaft gesicherte Möglichkeit der Anschlussnahme für
den Grundstückseigentümer, wenn der Hauptsammler vor dem Grundstück des
Eigentümers betriebsfertig mit der Möglichkeit des Anschlusses hergestellt und
dauerhaft rechtlich gesichert ist?

(Oder) Besteht die die dauerhaft gesicherte rechtliche Möglichkeit der Anschlussnahme
für den Grundstückseigentümer, die zur Entstehung der sachlichen
Beitragspflicht führt, erst, wenn das Kanalnetz vom herangezogenen
Grundstück bis zur Kläranlage in Ansehen jedes Punktes des Netzes hinreichend
gesichert ist? -
sind vom Senat in dem unter 2. dargelegten Sinn geklärt und wären deshalb in einem
Berufungsverfahren nicht mehr klärungsbedürftig. Überdies fehlt es an der Darlegung
der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen, da die Klägerin für
keine der Fragen substantiiert aufgezeigt hat, dass im Falle ihrer positiven Beantwortung
die streitige Beitragspflicht noch nicht oder nicht mehr besteht (siehe unter 1. und
2.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OVG Sachsen-Anhalt

Erscheinungsdatum:

14.10.2019

Aktenzeichen:

4 L 210/19

Normen in Titel:

KAG-LSA § 6 Abs. 1 S. 1